Mittwoch, 21. Juli 2010

Ein Text ist kein Auto!

Kaum bin ich wieder im Büro, treffen akkurat im Abstand von fünf Minuten Mail und Anruf eines möglichen Kunden aus Paris mit der sehr dringenden Bitte bei mir ein, ich möge ich mich doch eines bereits übersetzten Texts annehmen. Der Kunde war mit der geleisteten Arbeit durch einen Übersetzer seiner Stadt nicht zufrieden. Ein kurzer Blick auf den Text genügt: hier reichen die angefragten "Reparaturarbeiten" nicht.

Mich belustigt der Ausdruck "Text reparieren", aber die Freude ist nur von kurzer Dauer. Ein Text ist doch kein Auto! Kunden das zu vermitteln, ist nicht immer so einfach. Denn immerhin stelle ich offen ihre Mitarbeiterwahl infrage, selbst wenn das Ergebnis keinen Zweifel lässt. Gelegentlich bin ich verlockt sie zu fragen, ob sie mit |ihrem Wagen| ihrer Karre auch zu einem windigen Schrauber gehen würden, der möglicherweise Ersatzteile von einem ganz anderen Gerät einbaut, weil er eigentlich einen ganz anderen Beruf ausübt.

Dass derlei Anfragen häufiger im Büro eintrudeln als noch vor ein paar Jahren, wundert mich nicht. Billiganbieter wittern schnelles Geld und treffen mitunter auf Kunden, denen die Problematik des Übersetzens auch nicht bewusst ist. Manche dieser selbstberufenen Übersetzer verstehen oft sogar eine ganze Menge von Ausgangs- und Zielsprache, haben vielleicht studiert - und finden überraschenderweise auch immer wieder die eine oder andere gute Lösung in der anderen Sprache. Aber um über die Runden zu kommen trotz ihrer niedrigen Preise, müssen sie sehr schnell arbeiten, und das geht dann ein zweites Mal auf Kosten der Qualität.

Unterhalb eines bestimmten Preises können Profis nicht arbeiten, das sollten sich Kunden immer wieder selbst sagen, wenn sie ein verlockendes Preisangebot bekommen. Am Ende ist der Text Schrott, dann war's eben wirklich nur
billig, und damit alles andere als besonders günstig.

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