Donnerstag, 28. Februar 2008

Abgerundet

Gestern in der Kalkscheune: wir sind bei einer Berliner Arte-Pressevorführung mit anschließendem Interview. Linda, der ausländische Gast, kommt aus den USA, also dolmetscht heute Christine. Nach dem Film beginnt das "Q & A", questions and answers.

Das Publikum fragt, das Podium antwortet auf die Fragen zur Filmentstehung. Die Journalistin hat in Badgad gedreht bwz. drehen lassen: vier Schüler beobachteten sich selbst mit kleinen Consumerkameras im letzten Schuljahr vor dem Studium, sich und die belagerte Stadt. Ihre Video-Tagebücher berichten über teenagertypische Gedanken und Ideen an einem Ort im Kriegszustand.

Die Journalistin ist sehr erfahren in öffentlicher Präsentation: sie baut immer wieder Pausen in ihr Darstellung ein, fragt auch schon mal nach, wenn ein fragender Blick von Christine kommt, ob diese alles verstanden hat - und sie spricht laut, klar und in einer an Bildern reichen und wenig komplizierten Sprache.

Manche Beschreibung gerät fast eine Spur zu einfach. So wird nach dem politischen Hintergrund gefragt, nach nur angerissener Reflexion über die Hintergründe und die moralische Verfasstheit der Regierungen, die im Irak einander nachfolgen. Linda spricht über Gewinnler des Systems Saddam Husseins, die danach Verlierer sind und andersherum. Die Youngsters schilderten, was sie von den Eltern gehört haben, gefiltert durch die Unerfahrenheit ihres Alters, gefiltert durch die kleinen Kameras mit schlechter Auflösung und oft ungenügendem Licht - im Land mit den zweitgrößten Erdölvorkommen der Welt sind Stromsperren an der Tagesordnung. Und Linda filtert weiter, weiß, dass etliche Journalisten ihr im Originalton folgen, weil sie nicht erst dann lachen, wenn Christine etwas zeitversetzt konsekutiv übersetzt. Am Ende ihrer Ausführungen über die politischen Hintergründe sagt die Amerikanerin: "... and that's it, you know ... ?!", Christine macht daraus ein eleganteres: "... und in den Augen der Jugendlichen ist das die ganze Wahrheit."

Die Selbstreflexion der Kollegin nach der Veranstaltung: "Natürlich runde ich am Ende ein wenig ab, bringe Sätze zuende, die nicht zu Ende gesprochen worden sind. Aber immer auf der Basis des Gesagten."

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"Die Jungs von der Bagdad-High. Lernen im Angesicht des Terrors", R: Laura Winter und Ivan O'Mahoney, D/USA/GB 2007, 75 Min. für Arte/ZDF, BBC, HBO.
Auf Arte am 18.03.2008 um 21.00 Uhr

Montag, 25. Februar 2008

Vom Blatt

Berufssänger singen vom Blatt, sie lesen Noten und dazu den Text. Im Idealfall klingt das Ergebnis immer gleich.

Wir Dolmetscher dolmetschen bei Kongressen und festlichen Anlässen mitunter vom Blatt, übertragen mit einem Blick aufs Papier einen Redetext in die Zielsprache. In beiden Fällen geht es um die Übertragung von Zeichen in eine andere 'Darbietungsform'. Beim Dolmetschen vom Blatt ist die Varianz dessen, was am Ende beim Zuhörer ankommen kann, größer. Verschiedene Sätze und Redewendungen ergeben in der Verdolmetschung mitunter mehr oder weniger stark abweichende Sätze in der Wortwahl - und damit möglicherweise in den Konnotationen. Das fällt immer auf, wenn ich mir die Anstrengungen vor das innere Auge rufe, die manche Eröffnungsrede eines Kongresses gekostet hat - und warum ein weitaus schwieriger Text des gleichen Redners, der am Ende der Zusammenkunft steht, mir im Nachhinein viel leichter vorkommt. Die Situation ist rasch erklärt: Ich habe durch den Kongress den Redner kennen gelernt, ihn im Kontext seines Beitrags, seiner Fragen, Moderationen und Einwürfe erlebt und bin mit der jeweiligen Begrifflichkeit und ihren Bezügen vertraut. Und ich habe den Sprachduktus des Sprechers erfahren, kenne ihn oder sie, weiß, dass der Redner auch mal Pausen einlegt, nicht vom Mikro weg spricht und bestenfalls den Blickkontakt zur Kabine sucht, bevor eine neue Folie angeklickt wird.

Bei kurzen, geschriebenen Reden, wie sie zum Beispiel Minister bei der Verleihung von Orden vorlesen, weiß ich das im Normalfall nicht, es sei denn, ich war schon wiederholt mit dem betreffenden Politiker in dieser Situation. Der Stressfaktor bei diesen Anlässen ist um einiges erhöht verglichen mit der eben erwähnten Konferenz, alle Aufmerksamkeit gilt dem Laudator, die Stimmung ist festlich-entspannt und aufmerksam. Und die Worte des Redners wurden über Tage von Redenschreibern geschliffen. Da bin ich immer sehr froh, wenn ich den Text bereits übersetzt vom Sprachendienst des Ministeriums erhalte oder ihn wenigstens im Voraus zugemailt bekomme, so dass ich in Ruhe vorab weite Strecken schriftlich übertragen kann.

Die gelesene Rede als Vorlage dolmetscht sich 'vom Blatt' nicht sehr bequem, denn der Redner denkt ja nicht mehr laut nach, entwickelt seine Gedanken, die aufeinander aufbauen, nicht mehr in einem nachvollziehbaren Tempo, sondern liefert in Kürzestzeit die Ergebnisse zuvor angestellter Überlegungen und komplexe Gedankengänge, die darüber hinaus in einem schriftlichen Duktus vorgetragen sind - also mit Sätzen, die möglicherweise über halbe Absätze reichen, gespickt mit rhetorischen Formen und Bildern aus der Historie oder der Mythologie. Derlei erfindet der Redner nicht ad hoc - und als Dolmetscherin improvisiere ich hier auch nur ungern. Die Erwiderung des neuen Würdenträgers, spontane Toasts und Einwürfe im Anschluss an die Laudatio sind echter Dolmetschanlass genug.

Samstag, 23. Februar 2008

Speed dating auf der Berlinale

Willkommen auf den Seiten meines digitalen Arbeitstagebuches. Ich dolmetsche und übersetze für Politik und Wirtschaft, Kultur und Medien und in der Bildungs- und Sozialarbeit. Einige feste Termine im Jahr sind Events wie die Berlinale oder Premieren. Wenn Sie mich buchen möchten finden Sie rechts oben meine Kontaktdaten.

Doch noch ein Nachtrag zum Filmfestival. Die Frage "Was sind Press Junkets?" erreichte mich. Ein junket (Wörterbuch: a festive social affair) ist eine nette Veranstaltung, eine Kaffeefahrt auf anderleut' Kosten oder eine sonstige freundlich gemeinte Veranstaltung mit mehreren Menschen — das Ganze für die Presse. Und bei press junkets auf internationalen Filmfestivals sind neben Journalisten und den Stars oft Dolmetscher mit von der Partie; Austragungsort ist meist ein Nebenraum im Luxushotel.


Die Chose könnte auch unter "speed dating" laufen: Eine Berühmtheit begegnet drei bis fünf Vertreterinnen und Vertretern der Presseorgane, die immer hübsch der Reihe nach ihre Fragen stellen dürfen. Wie die Journalisten am Ende die Antworten auseinanderfitzen (sächsisch für 'entwirren') und ob in so einem junket schon mal ein großes Interview entstanden ist, das am Ende eine Zeitungsseite füllte, weiß ich nicht.

Jedenfalls exklusiv hat hier keiner was. Allenfalls der/die Dolmetscherin den/die Filmmenschen.



Nein, keine Intimitäten an dieser Stelle. Aber es ist schon denkwürdig, neben Leute wie Isabelle Huppert, Nathalie Baye oder Claude Chabrol zu sitzen und zu sehen, wie sie mit großer Geduld immer wieder frisch auf die ewig gleichen Journalistenfragen antworten. Ich überzeichne ein wenig, die Fragen variieren durchaus und die Besten der Branche outen sich spätestens hier. Aber die meisten Hins und Hers dieser Tage ähneln sich. Das ist dann große Kunst, immer so zu antworten, als verfertigte man seine Gedanken gerade erst beim Sprechen, als sei man ohne die wunderbare Vorlage des Medienmenschen niemals auf diese geistreichen Einfälle und tiefschürfenden Erkenntnisse gekommen. Was ohne Abstriche auch für den Dolmetscher gilt: Frisch, neu, besonders, keine dramaturgischen Schleifen auslassen, das wird hier allenthalben gefordert. Der Dolmetscher verkauft hier den Star an die Presse, er oder sie muss mithalten können.


Wenn sich beide hier gut verstehen, führt der Regisseur Regie und ist sein eigener Schauspieler — und auch der Dolmetscher erlebt sich plötzlich als Dolmetscher-Darsteller. Wenn sich beide hier sehr gut verstehen, findet darüber in den kurzen Pausen eine ironische Reflexion sowie ein Parallelgespräch statt.



Denn Pausen gibt es bei diesen 'Gruppeninterviews', so nennen es die Franzosen (interview groupé). Alle zwanzig Minuten wird die prestigereiche Öffentlichkeit gewechselt, neue Pressemenschen betreten den Raum und der Spaß beginnt aufs Neue. Schlimmstenfalls dauert eine solche verbale Landpartie anderthalb Tage.
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Donnerstag, 21. Februar 2008

Ein Witz mit Folgen

Die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti berichtet über die komischen Folgen einer Begegnung der russischen Tennisspielerin Maria Scharapowa mit einem Dolmetscher in Vietnam.

Novosti, die ihrerseits das Internetportal VietNamNet zitiert, schreibt, die Russin habe bei ihrem ersten Vietnam-Besuch dort Bauern beobachtet, wie diese mit an Stöcken befestigten Netzen Moskitos fingen — die Vorrichtung habe Tennisschlägern geglichen. Worauf die Tennisspielerin ihren Sprachmittler fragte, warum denn die Leute ohne Ball Tennis spielten. Der Dolmetscher habe daraufhin im Scherz geantwortet, dass die Einwohner Vietnams zu arm seien für den Erwerb von Tennisbällen.

Weiter berichtet Novosti, dass wenige Wochen später beim vietnamesischen Tennisverband eine Mappe eingegangen sei mit dem Titel "Pläne zur Gründung des Tenniszentrums von Maria Scharapowa". Auf die Verwunderung des Tennisverbandes hin hätte der Dolmetscher dann aber erklärt, was dem Projekt vorausgegangen sei ...

Dienstag, 19. Februar 2008

Film-Karaoke

Berlinale is over - ein Glück! Gestern Abend haben Helen, viele andre und ich diesen Moment auf der exklusivsten Party des Filmfests begossen: Der Mitarbeiterparty.

Diesmal zählt nicht Berühmtheit, Reichtum oder Macht als Grund für den Zutritt, wer zehn oder mehr Tage lang den Laden mit am Laufen gehalten hat, kommt hier mit dem Mitarbeiterausweis als Einladungskarte rein. Bei einem Feierabendbierchen, gefüllten Weinblättern und Steckrübensuppe wird gefeiert ... mit zu lauter Musik, dafür rauchfrei.

Mein Résumé der Berlinale ist zweigeteilt: Wie immer habe ich sehr gern gedolmetscht, habe französische Gäste dem deutschen Publikum näher und deutsche Filme den frankophonen Gästen zu Ohr gebracht, wie immer war es viel Rennen und Recherchieren, Improvisieren und Energie, die gefordert waren. Wenn die Gespräche spannend und Gäste und Publikum zufrieden sind, wir vielleicht sogar bei der Entstehung neuer Koproduktionen mitwirken können, sind rasch alle Strapazen vergessen.

Die Berlinale ist groß, zum Wettbewerb gesellen sich etliche weitere Sektionen, es gibt Vorführungen im Markt und am Rande des Festivals, seit Jahren schon. Dennoch ärgert mich im x-ten Jahr, wenn sich in dem ganzen Berlinale-Kontext zu oft die immer gleichen Fehler wiederholen, die eigentlich nur daher rühren, dass an die Dolmetscher zuallerletzt gedacht wird - oder gar nicht. Was uns die Arbeit erschwert, sind unsichtbare Filme (weil vorab nichts gesehen werden kann oder Kabinen schlecht positioniert sind), ungehaltene, aber vorbereitete Reden, nicht übersetzte Antworten, weil die Zeit drängt oder die Sprachthematik schlicht 'vergessen' wird, abgebrochene Diskussionen, fehlerhafte Untertitel ... Dolmetschen ist ein Knochenjob, wenn die Rahmenbedingungen es dann auch noch erschweren, geht der Auftrag mitunter an die Substanz, wenn der Humor bedroht ist, wird es schwierig.

Vom in diesem Sinne 'besten Einsatz' berichtete eine Kollegin, die einen afrikanischen Film dolmetschte. Bei der Sprache des Films lag ein seltener Dialekt vor, für die Übertragung ein Dialogbuch zugrunde, das sich als Altpapier erwies, zumindest partiell, der Film war seit Ausdruck der Seiten einige Male umgeschnitten worden. Da die Dolmetscherin nur eine der ca. 2000 afrikanischen Sprachen beherrscht, von denen rund 50 als größere Sprachen gelten (Quelle: Wikipedia), musste sie dann frei improvisieren im Sinne des Dialogbuches, das sie ja vorher ausgiebig gelesen hatte, bis sie wieder auf inhaltlich vertrautes Terrain stieß.

Dass im Anschluss daran eine andere Berlinale-Party plötzlich nicht mehr attraktiv schien, mag auch daran liegen: Als wir ankommen, läuft die dramatische Wasser-Verabschiedungsszene der Liebenden aus dem Film "Titanic" auf der Videogroßleinwand. Dazu improvisieren zwei Filmschaffende den Dialog, frei assoziierend, mit Anspielungen auf Berlin, BVG und die Berlinale, eine Art Karaoke zu Kinofilm. Indes, wer tags im Beruf zu Film-Karaoke genötigt wird, kann sich abends dabei gar nicht entspannen, oder was meinen Sie? "Nicht wirklich!", antwortet darauf die Garderobiere bei Herausgabe des Mantels, das ist (schlechtes) Synchrondeutsch und kommt von "not really", aber das ist ein anderes Thema.

Montag, 18. Februar 2008

Kulturelle Kollisionen in 100 sec

Dolmetscher sind Fachleute für interkulturellen Dialog. Etliche Dolmetscher zählen zu meinen Leserinnen und Lesern. Daher hier eine Info für Kreative aus dieser Branche:

Wir schreiben das EU-Jahr des interkulturellen Dialogs. Das ist Anlass für radiomultikulti (Rundfunk Berlin-Brandenburg), Haus der Kulturen der Welt und das rbb-Fernsehen, zum ersten Mal einen Multimediawettbewerb auszuschreiben:
"Nice to meet you - kulturelle Kollisionen in 100 sec"

"Nice to meet you" fragt nach kreativen Ideen, die den multikulturellen Alltag skizzieren, charakterisieren, aber auch persiflieren. Ob (O-Ton) Collagen, vertonte bzw. gefilmte Erzählungen, Comedies, Kurzkrimis oder Musikclips, alle Genres sind erlaubt, sofern sie nicht länger als 100 Sekunden sind.

Mehr Informationen über die Presseabteilung des Haus der Kulturen der Welt.

Samstag, 16. Februar 2008

Sürpriz

... lese ich auf der U-Bahnfahrt zum Potsdamer Platz, die Schlagzeile einer türkischen Zeitung, und verstehe sofort "Überraschung". Je speak babelish, mein Kopf hat die letzten Tage viel gedolmetscht, Menschen aus Fleisch und Blut, aber auch Darsteller aus und Figuren in Filmen, und ich habe fast das Gefühl, alle Sprachen und Dialekte durcheinander zu sprechen. Die Berlinale geht zuende, ich fahre wieder U-Bahn. Heute abend die Preisverleihung. Ob es eine Überraschung wird?
(13.30 Uhr)

... ist auch das Folgende: In der Reihe "Perspektive deutsches Kino" sehen wir "Die Dinge zwischen uns" von Iris Janssen, einen Hochschulfilm von der KHM (Hallo, Judith!)
Vor Beginn sagt die Kinoleiterin den Film an und betont, man solle sich nicht wundern, denn die Tonmischung sei nach den Untertiteln gemacht worden, so befänden sich auf dem Streifen einige (englische) Untertitel, zu denen keine Dialoge mehr gehörten. Das Publikum vernimmt's, denkt sich nichts, bis dann, ca. in der achten Minute, folgendes per Untertitel kommt und in der Tonspur fehlt:

Sie und er auf dem Bett.
- Come on, darling.
- You too.
- Wait!

(20.00 Uhr)


... kann für mich der heute veröffentlichte Palmarès, die Verteilung der Preise auf verschiedene Filme, nur sein, denn ich war zu wenig im Kino dieser Tage. Daher schauen wir jetzt Filme an, auch am Publikumssonntag noch. Inhaltliche Nachlese der Berlinale aus Dolmetschersicht am kommenden Dienstag.
(21.30Uhr)

Donnerstag, 14. Februar 2008

Warum ich auf der Berlinale dolmetsche?

Die kürzeste Antwort ist diese: "Damit ich nicht mehr wegen Tickets Schlange stehen muss."

Ich gab sie einem französischen Journalisten, für den Bericht hier klicken.

Mittwoch, 13. Februar 2008

Simultan und doch verzögert

Spätnachts auf einer der ungezählten Berlinale-Parties, ein Uhr in der Früh, kurz vor dem Nachhauseweg. Ich stehe zusammen mit Menschen, die mir sehr viel bedeuten. Auf einmal fangen zwei davon an, sich zu kebbeln, der Wortwechsel wird zum Schlagabtausch, der Unterton nimmt an Schärfe zu.

Mein Dolmetscherkopf hört und sieht zu - und ist überfordert. Ich verstehe die Worte, die gesagt werden, wie immer sofort, aber ich begreife ihren emotionalen Gehalt nicht. Der Teil im Kopf, der die Gefühle interpretiert, scheint nur verzögert anzulaufen. Mein Kopf ist noch dabei, sich auf die Sprache zu konzentrieren, ich habe akustisch nicht alles verstanden und überlege kurz, wo jetzt hier bitteschön die Rückspultaste ist.

Meine Wahrnehmung scheint auf die verbale Intelligenz konzentriert; die emotionale Intelligenz hat aus Gründen der Kapazitätsbegrenzung eine kurze Arbeitspause.

Dienstag, 12. Februar 2008

Professionaliät im Aquarium

Berlinale-Palast, fünfter Stock, ich sitze in der Dolmetscherkabine. Der Film, den ich gerade dolmetsche, geht in seine Zielgerade. Es ist ein Film mit weniger Untertiteln als der Durchschnitt (*), so dass ich auch manchmal Zeit habe, länger hinzuschauen. Ich sehe jetzt den Film zum zweiten Mal - und ich spreche alle Rollen. Und auf einmal bin ich so sehr "drin" in der Handlung, dass ich zu weinen anfange, erst eine Träne, dann viele, der Film ist traurig, gerade ist ein Protagonist gestorben, einfach so, mitten im Schlaf.

Ich kenne den Rhythmus des Films, weiß, dass ich noch ein wenig weinen darf, bevor ich wieder sprechen muss. Und ich lasse es zu. Die Räuspertaste ist gedrückt, die Zuhörer bekommen Filmakustik in ihre Kopfhörer gespielt.

Als ich mich wieder beruhigen will, ist es gar nicht einfach. Ich schaue bewusst weg von der Leinwand, lese mir laut Zeitungsschlagzeilen vor, um das Verheulte aus der Stimme rauszukriegen, versuche mich an Witze zu erinnern, alles gar nicht so einfach.

Normalerweise bin ich sehr professionell da "drin" in der Kiste, die manche, die nur draußen sitzen, "Aquarium" nennen. Ich weiß meist nicht, ob der Film, den ich gerade bearbeite, gut oder schlecht ist, dafür bin ich zu nah. Geheult hatte ich in der Dolmetscherkabine bislang noch nie.

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Ein durchschnittlicher Film hat 800-900 Untertitel. Mancher Film ist eher still, "In den Tag hinein" (2001) von Maria Späth, war so einer: knapp 200. "L'anglaise et le duc" (Die Lady und der Herzog, 2001) von Eric Rohmer galt als nicht untertitelbar. Ich habe ihn auch mal gesprochen, der ausgefeilten, detailreichen Dialoge wegen schriftlich vorbereitet und kam auf ca. 1200 Titel.

Montag, 11. Februar 2008

Noch ein Berlinaletag

7.30 Uhr: Wecker, wenig später Frühstück mit den Logiergästen, die mich auf den neuesten Stand bringen (Filmkritiken, Parties, Medienpolitik, ein wenig Klatsch).
9.00-11.45 Uhr: Vorbereiten von Filmdialogen, Übersetzungen von gestern gegenlesen lassen, Reden lesen, teilweise übersetzen (lassen), Ministerreden werden gern bis zum letzten Augenblick geändert, aber dann hab ich wenigstens eine geschliffene Grundlage.
12.15 Uhr: Ankunft im Festivalpalast, verspätet beginnt der zweistündige Film “Kirschblüten” von Doris Dörrie, den ich simultan (und ohne Ablösung) ins Französische dolmetsche.
14.50 Uhr: Die Pressekonferenz (PK) im Grand Hyatt beginnt auch mit Verspätung. Ich sitze mit Kerstin in der Kabine, dolmetsche die PK mal nicht alleine, weil ich gleich weiter muss
15.30 Uhr: Im Pressebüro, einige Räume weiter, bekomme ich Hilfe, die Redentexte werden ausgedruckt. Wenige hundert Meter muss ich gehen, dann ...
15.40 Uhr: Ankunft im Kaisersaal am Potsdamer Platz, noch ist kaum einer da. Nur eine Dame vom Ministerium drückt mir die erneut geänderte Rede von Minister Neumann in die Hand. Ich ändere. Begrüße Leute, denn seit Jahren kenne ich viele Teilnehmer aus den verschiedensten Arbeitszusammenhängen (Medien, Festivalarbeit, Uni).
16.00 Uhr: Mademoiselle Jeanne Moreau erscheint, Reden auf sie, ihre Antwort, Geschenke, Fotos und dann Häppchen. Sie ist eher trocken, muss rasch weiter zu Interviews. Die verbleibenden Gäste unterhalten sich gut. Wir schmieden Pläne, klären politische Hintergründe. Jobacquise. Die Häppchen machen nicht satt, ich kompensiere mit drei Glas Orangensaft.
17.00 Uhr: Offizielles Veranstaltungsende, ich bin längst schon wieder unterwegs, weil das Event am Ende ‘zerbröselt’ ist. Esse auf dem Weg Notfutter: Fruchtriegel aus dem Bioladen, die übliche Banane.
17.20 Uhr erlebe ich meinen Luxus des Tages, weil ich erschöpft bin: Eine Stunde Pause im Health Spa des Grand Hyatt. Ich trinke viel Mineralwasser, lese, genieße die Ruhe, schlafe dann eine Viertelstunde.
18.30 Uhr: Gang in den Festivalpalast, hoch in den fünften Stock, wo sich die Dolmetscherkabinen befinden.
19.00 Uhr beginnt die halbstündige Zeremonie der Nachwuchsschauspieler shooting stars, die ich zum Teil aus dem Englischen, zum Teil aus dem Deutschen simultan dolmetsche (den Ablaufplan hatte ich gegen Mittag erhalten). Dann zwei Stunden Film, der gleiche von Pressevorführung und -konferenz.
22.00 Uhr: Mit Freund in der Max-Bar an der Alten Potsdamer Straße essen, Quattro stagione. Ich merke, wie ich Schwierigkeiten habe, die unterschiedlichen Richtungen der jeweiligen Sprachen auseinanderzufühlen. Vokabeln und Grammatik vertun sich immer mal wieder. Ich rede nicht viel.
23.00 Uhr - jetzt!: Mailcheck, der Berlinale-Special auf Radio Eins mit Knut Elstermann beginnt. Manchmal dolmetsche ich auch für diese Sendung ... aber heute nicht.
23.30 Uhr: Erst Taxi, dann Tagesausklang bei der Premierenparty eines Films, bei dem ich letztes Jahr als Dolmetscherin mitgearbeitet habe.
00.30 (ca.): Taxi nach Hause. Schlafen, mindestens acht Stunden.

Untertitel im Alltag

Mein Berlinale-Logiergast Gerd erzählt von seinen Eindrücken auf Frankreichreisen. Ich muss vorausschicken, dass auch er Filmmensch ist.

Er könne meine Vision mit den plötzlich lebendig werdenden Filmfiguren gut nachvollziehen, sagt Gerd: "Wenn ich durch Frankreich reise, frage ich mich auch immer: 'Wo um Himmels willen sind denn nur die Untertitel geblieben?' Vor allem dann, wenn per Lautsprecher irgendwelche Streik- oder Bauarbeiteninfos durchgesagt werden. Da bin ich dann immer geneigt, Dich kurz anzurufen ... "

Berlin, Bahnhof Gleisdreieck, im Februar 2008: Hier steht auf Deutsch - und nur auf Deutsch - ein Hinweisschild über Bauarbeiten, Pendel- bzw. Ersatzverkehr für den Zeitraum vom 2.-24.2.
Hier fehlen auch die "Untertitel". Zwei Stationen weiter findet ein internationales Kultur- und Kulturwirtschaftsevent statt.

Und während die Gäste in der Küche frühstücken, sitze ich wieder am Schreibtisch und bereite die nächste Film-Verdolmetschung vor.

Sonntag, 10. Februar 2008

Berlinale-Tag

Einen typischen Berlinale-Tag gibt es nicht. In der ersten Stunde des Tages dolmetschte ich fürs Forum der Berlinale ein Publikumsgespräch, dann ging's im Taxi nach Hause. Zwischen halb zwei Uhr und acht Uhr Nachtruhe, für Berlinale-Zeiten ist das viel. Nach einem Frühstück mit meinen Logiergästen habe ich mich vier Stunden lang auf die nächsten Einsätze vorbereitet und mittags zwar Suppe aus der Tiefkühlung aufgetaut, aber nicht gegessen: ich hatte vergessen, dass sie mit Knoblauch gekocht war, und der ist in Dolmetschzeiten tabu.

Um vier Uhr ging's flugs zum Potsdamer Platz. Im "Billy Wilder's" traf ich einen ehemaligen Mitarbeiter von "Unifrance", dem französischen Unternehmen, das international französische Filme promotet - er wirbt heute für Frankreich als Drehort und erklärte mir, wie sich die französische Filmförderung der Regionen weiterentwickelt, ich schrieb handschriftlich mit, meine Notizen sind eine Mischung aus Fachinfos und Lexik. Dann rasch zum nächsten Termin, ins Café des CineStar hinter der Glaswand des Arsenal-Foyers, ein Interview zum Thema "Dolmetschen auf der Berlinale" (Ergebnis hier). Nach einer Stunde ein paar Hausnummern weiter zum Empfang von "german films" ins Restaurant Essenza. German films ist das Unternehmen, das sich im Auftrag der deutschen Filmexporteure um die Bewerbung deutscher Filme im Ausland kümmert (also die Entsprechung von Unifrance). Hier aß ich am Buffet zu Abend, erfahre filmpolitische Hintergründe, sprach mit Fernsehleuten und Produzenten, potentiellen Neukunden für Beratung und Sprachdienstleistung.

Draußen tobte derweil der Bär: Limousinen fahren auf, Menschenmassen standen links und rechts des roten Teppichs vor dem Berlinale-Palast, Fernsehjournalisten machten ihre Aufsager in die Kamera.

Und als der Wettbewerbsfilm angefangen hat, gehe ich die Potsdamer Straße ein wenig runter und sitze wenig später in der fast leeren VW-Lounge des Hyatt. Hier sichte ich jetzt auf dem Laptop einen Wettbewerbsfilm, den ich morgen simultan einsprechen werde, die Scheibe dazu hatte am Hotelempfang auf mich gewartet. Es ist bequem hier oben im ersten Stock mit Blick über das untere Ende der Potsdamer Straße, den roten Teppich, die Bäume mit wieder ausgepackter Weihnachtsbeleuchtung und den festlich strahlenden Globen. Ein Kellner verwöhnt mich mit Spezereien des Hauses, während mir der Kopf raucht. Ich sehe den Film und schlage parallel dazu immer wieder (online) Vokabeln nach, flüstere schnelle Passagen mit, mache mir mit viel Geduld den Film mundgerecht. Fachwissen und Vorbereitung sind die halbe Miete ...

"Pling!", jetzt landet die Rede von Dieter Kosslicks Büro im Briefkasten, die er morgen auf Jeanne Moreau halten wird. Später am Abend gehe ich noch kurz auf eine Party - oder auch nicht. Ausreichend Schlaf sind weitere 25 % für das Gelingen meiner Einsätze. Und die restlichen 25 %? Wie wär's mit Gelassenheit und Glück?

Film-"action!"

Übers Jahr sitze ich für etliche Konferenzen in der Kabine und dolmetsche, was "draußen" gesagt wird. Da weiß ich immer wieder in Grundzügen, worum es geht, habe Redenentwürfe gelesen, kenne das Programm der Veranstaltung. Und doch gibt es regelmäßig Momente, wo wir nicht wissen, wo es sprachlich hingeht. Wir sind flexibel, wir folgen unseren Rednern spontan.

Wenn ich für ein Festival in der Kabine sitze, und den Film für fremdsprachige Gäste simultan dolmetsche oder "einspreche" (hier liegt der übersetzte Text vor), gibt es eine vorgegebene, weil längst abgefilmte, geschnittene, gemischte, mit Musik unterlegte Spielhandlung. Ich komme aus dem Bereich Journalismus und Film, Dolmetscherin wurde ich auf dem zweiten Bildungsweg, insofern weiß ich genau, wie da gearbeitet wird.

Oder vielmehr: ich sollte es genau wissen. Manchmal hab ich Zweifel. Dann nämlich, wenn ich dem Leinwandgeschehen hellwach zusehe und mir wie jeder Zuschauer, der den Film nicht kennt, im Hinterkopf Handlungsalternativen überlege, zumindest vorahnungshalber, und eigentlich nur darauf warte, dass die Schauspieler von ihrem vorgegebenen Text abweichen. Ein kleines Stück meiner selbst hält es für möglich, dass die Filmfiguren ihr Eigenleben entwickeln, sich der Plot ganz anders weiter entwickelt, und ich plötzlich neuen, mir unbekannten Text dolmetschen muss.

Dass wurde mir letztens beim Dolmetschen eines Wettbewerbsfilms klar, dessen Inhalt ich eigentlich kannte. Die Cinéastin in mir schmunzelte und suchte nach einem Filmnamen.

Es ist "The Purple Rose of Cairo“ von Woody Allen: Tom Baxter, eine Leinwandfigur, verliebt sich in Cecilia, die oft als einzige Zuschauerin immer in den gleichen, titelgebenden Film geht. Zu ihrer großen Überraschung wendet sich Baxter ihr eines Tages zu, schaut direkt in den Zuschauerraum, macht ihr eine Liebeserklärung, klettert aus dem frame der Leinwand und brennt mit der Frau durch ...

"Draußen" und "drinnen" verschwimmen in dem Film. Hier, wo ich den Schauspielern wenige Minuten nach dem Abspann in der Pressekonferenz leibhaftig begegne, scheint die Wirkung auf mich ähnlich zu sein.

Feminismus, Film und Sprache

Gestern, beim Empfang der Kinderfilmfestivals im Café am Neuen See, erfahre ich, dass sich am Nachmittag der Verband der Filmarbeiterinnen bei seiner jährlichen Mit"glieder"vollversammlung einfach aufgelöst hat. Der Verband hatte zum Beispiel jahrelang eine Liste der Berlinale-Filme veröffentlicht, die von Frauen gemacht worden sind. Ich war überrascht, musste an die Radiokritik Gesine Strempels denken, die am Tag zuvor moniert hatte, dass im Retro-Programm "Aufbruch der Filmemacher" - es geht um die Generation nach dem "Oberhausener Manifest" - nur Filme von Männern laufen würden, dabei sei die Liste der Frauen dieser Generation lang.

Spätnachts dann dolmetsche ich für die Sektion "Forum des internationalen jungen Films" eine französische Regisseurin von 24 Jahren, der man mit 22, ohne, dass sie eine Filmhochschule absolviert hätte, eine Million Euro als Budget für ihren Erstling anvertraut hatte. Ob das in Deutschland auch möglich wäre?

Und ich denke an meine Arbeitsfelder Film und Sprache: beim Film dominieren die Männer, bei der Sprache die Frauen.

Wetter

Das besondere Berlinale-Wetter führt bei mir zu besonderen Überschneidungen. Durchs Fenster sehe ich Sonne und strahlenden Himmel. Ich trete vor das Haus: milde 12 Grad. Mancher Morgen im Mai beginnt bei diesen Temperaturen. Die Festivals vermischen sich, Cannes rückt näher und Berlin liegt am Meer.

Samstag, 9. Februar 2008

Durch die City cruisendes Sprachlabor

Wer uns Berlinale-Dolmetscher in diesen Tagen aus der zweiten Reihe erlebt, muss uns für extrovertierte bis leicht überspannte Zeitgenossen halten. Und weil ich hier niemandem zu nahe treten will, fang ich den Text gleich nochmal an: Wer mich als Berlinale-Dolmetscherin dieser Tage aus der zweiten Reihe erlebt, muss mich ...

Gestern war jemand bei mir im Haus, um ein defektes Rohr zu reparieren. Ich war währenddessen im Arbeitszimmer, sprach nicht nur laut, sondern schimpfte mit mir selbst. Ich übte einen Filmdialog, den ich wenig später simultan einsprechen sollte - hier wurde gestritten.

Im Taxi dann (in Berlinale-Zeiten fahre ich sehr viel Taxi) sprach ich weiter, Selbstgespräche in zwei Fremdsprachen? Nein, ich las, um die englischen Untertitel, die finnische Filmdialoge wiedergeben würden, nachher im Kino ad hoc zu erkennen, jetzt auch diese laut. Dann weiter auf Französisch. Zwischendurch Ortsangaben auf Deutsch.

Als ich mich erklärt hatte, outete sich der Taxifahrer subito als ehemaliger Französisch-Schüler eines VHS-Kurses, merkte meine Nervosität, lenkte mich nett ab. Also übte ich mit meinem türkischen Chauffeur auf Französisch zählen, wobei ich als Dozentin wert lege auf gute Nasale. Er hatte seinen Spaß dabei, dass aus seiner Benzindroschke ein durch die City cruisendes Sprachlabor wurde.

Der Film war dann gar nicht mehr stressig. Finnisch, schwarz, ein spannendes Drama mit vielen dramaturgischen Wendepunkten: zwei Frauen, dazwischen ein Mann, der rasch fast zum Komparsen wurde, viel Eis und Schnee, show down inclusive (eigentlich ein snow down).

In der Pressekonferenz lief auch alles glatt, nur einmal erzählte der Regisseur von etwas, das ich nicht sofort verstand. Meine Englisch-Kollegin und Freundin Helen in der Kabine daneben ahnte das, verstand als Muttersprachlerin durch den Kontext, schrieb GENRE auf einen Zettel und hielt in mir an die Glasscheibe, die uns akustisch voneinander trennt. Thank you, Helen!

Und dann gleich nach Hause, noch eine Stunde schlafen, bevor ich bei der Gala-Vorstellung im Festivalpalast wieder dolmetschte. Erneut per Taxi, ich noch immer aufgedreht, plappernd ohne Unterlass. Ich kann auch ohne Kino so sein, hab mein Naturell zum Beruf gemacht. Und fragte den Taxifahrer nach lauter deutsches Auto- und Straßenvokabular. Nur diese Dinger da, die in verkehrsberuhigten Zonen auf den Asphalt genagelt sind, wusste der diesmal iranische Taxifahrer nicht zu benennen. Also bei nächster Gelegenheit Helen fragen nach dem deutschen Wort für speed bumps. Ich schenk' ihr dafür das französische dos d'âne. "Welcher Film ist das?", wird Helen darauf fragen. Wetten?

Freitag, 8. Februar 2008

Nichtraucherschutzgesetze

Eines der Rätsel der diesjährigen Berlinale ist die Frage, ob die Nichtraucherschutzgesetze greifen. (Ein dummes Wort übrigens, denn das Gesetz schützt auch Raucher vor zusätzlichem Passivrauchen.) Für mich als Dolmetscherin sind verqualmte Orte wie für viele andere Berufssprecher No-go-Areas. Seit Jahren wurden die Parties der Berlinale größer, schöner, bunter und verqualmter. Meine Begeisterung ging proportional zurück.

Also: Sind die Berlinale-Parties künftig 'öffentliche Orte' (rauchfrei) oder 'Privatparties' (so die Gastgeber es erlauben, dürfte dann geraucht werden)?

Meine Hoffnungen teile ich mit den nordamerikanischen Kollegen, Laura, Meg, Stephen und den andren, mit etlichen Schauspielern und Müttern. Denn Rauchparties sind schrecklich, allein schon der Klamotten wegen: Jeden Tag komplett umziehen, und wenn ich vormittags auf einem Empfang war und nachmittags in kleiner Runde dolmetschte, fuhr ich nachhause, nur, um mich umzuziehen.

Gestern war ich parallel zur Festivaleröffnung in der "Home base", auch Sandra und ihre zweimonatige Tochter Milla waren dabei (die Kleine verschlief das Großereignis "erste Party"). Im Club der Filmschaffenden herrschte offiziell Rauchverbot, und doch leuchteten immer wieder Glimmstengel auf. Noch wurden die Raucher diskret angesprochen und trafen sich dann draußen.

Wir werden erleben, wie's weitergeht, en français : on verra.

Résumé vom 20.2.: Jede zweite Party ist rauchfrei. Das ist für mich zu wenig, denn in den Wochen im Vorfeld fehlt mir oft die Zeit, um mich um Einladungen zu kümmern, die sich dann am Ende jedes zweite Mal als hinfällig erweisen ... Ich hoffe auf 2009!

Donnerstag, 7. Februar 2008

Beginn der Berlinale

Nein, ich gehe heute Abend nicht zur Eröffnung.

Denn für mich ging die Berlinale schon gestern los: Ich sitze im Büro von Claudia, der Kollegin, die die Dolmetscher koordiniert. Einige Filme werde ich in den nächsten Tagen simultan ins Französische dolmetschen, darunter den Film von Doris Dörrie. Ich bin sehr zufrieden, denn ich halte das Dialog-Synchronbuch von "Kirschblüten" mit Beschreibungen und Rollennamen in der Hand. Damit lässt sich der Einsatz gut vorbereiten.

“Pfuedi!” steht da an einer Stelle. Ich überlege, dass der Ausdruck innerhalb der Filmhandlung vermutlich ins Japanische übersetzt werden muss, fürs internationale Berlinalepublikum kommen englische Untertitel hinzu - und ich mach ein französisches “salut!” draus, oder versteh’ ich den bayerischen Ausdruck vielleicht nicht richtig? Ich recherchierte mit einem gebürtigen Bayern weiter, Pfuedi ist der erste Teil des Ausdrucks "Pfuedi Gott" und bedeutet so viel wie "behüt' dich Gott!" Es wird so ähnlich verwendet wie "Ciao" oder "salut", so dass ich bei letzterem bleibe. (Ob es "salut" auch regional verändert in der Provence gäbe, fragte mich ein Witzbold ...)

Dann "mache" ich noch einen finnischen Film, "Musta Jää" (Black Ice), den eine Berliner Firma koproduziert hat. Hier dolmetsche ich von den englischen Untertiteln weg ins Französische. An einem anderen Abend darf ich als Teammitglied als ins Kino und zur Party, weil ich letztes Jahr bei Dreharbeiten gedolmetscht habe.

Zu einem Einsatz sagt Claudia: "Ziehen Sie sich was Nettes an!" Ich verstehe erst nicht, was das für ein Filmtitel sein soll. Dann erfahre ich, dass ich bei einem Empfang Jeanne Moreau meine Stimme leihen darf, außerdem der Kulturministerin Frankreichs und ihrem deutschen Kollegen sowie einem Mann, der als einziger Filmmensch mit Vornamen "mein Freund" und mit Nachnamen "Dieter" heißt - jedenfalls nennen alle den Berlinale-Chef immer so. Dieser Witz fiel mir vor sechs, sieben Jahren in überarbeitetem Zustand auf der Berlinale ein, ich hab ihn damals in homöopathischen Dosen erzählt, also zwei oder drei Leuten - und bei den Filmfestspielen in Cannes des gleichen Jahres wurde er mir zurückerzählt.

Zwischen beiden Events liegt ein Vierteljahr.

Alptraum

Jeder Berufsstand hat seine spezifischen Alpträume, oder? Einmal hab ich von unlesbaren Untertiteln geträumt, letzte Nacht davon, aus dem Japanischen dolmetschen zu müssen, dabei spreche ich kein Japanisch.

Kirschblüten, so leicht sie sind, werfen offenbar doch ihre Schatten.

Mittwoch, 6. Februar 2008

Vor der Berlinale

Vor das Filmfestival hat der Gott des Protokolls und der Dispo (*) die Terminplanungen gesetzt. Das hält mich grad auf Trab, daher antworte ich jetzt hier mit kürzeren Einträgen auf Leserfragen, anstatt mir selbst Themen zu suchen.
À vos plumes - bitte Fragen stellen!

Texte zum Thema Festival und Dolmetschen gibt es hier:

- simultanes Einsprechen von Filmen
- nach dem Dolmetscheinsatz
- Berlinale-Dolmetscher (weitere Links am Textende)

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(*) die Dispo(sition) | call sheet | la feuille de service - darin sind alle Einsätze der jeweiligen Teammitglieder für den einzelnen Drehtag vermerkt ... hier ein Exemplar von Suzanne Schiffman, der Regieassistentin von Truffaut, die ich 1992 in Berlin gedolmetscht habe (für eine größere Abbildung bitte Bild anklicken. Quelle: BiFi, Paris)

Vokabellernen

Heike aus Neukölln fragt: "Wie lernst Du am besten Deine Vokabeln?"

Grundsätzlich gilt: Lernen geht am besten unter Beteiligung aller Sinne. Darüber schrieb ich hier bereits. Vokabeln lerne ich in der jeweiligen Situation, also am liebsten im Land selbst, mit Muttersprachlern, auch dank neuer Technik. Das ist nicht immer so möglich. Daher habe ich Tricks. Und ich lasse ich mich vom Alltag lenken: Beim Renovieren lerne ich in dem Land, in dem ich gerade lebe, die Fachbegriffe der jeweiligen Sprache.

Am selben Tag noch schlage ich sie dann in den anderen Sprachen nach. Dazu zeichne ich auch schon mal in mein Vokabelheft, oder ich klebe Illustrationen aus der Werbung dazu, Fundstücke, aber auch Sprüche aus Glücksbonbons, wenn eine überraschende Vokabel dabei war. Die Worte, die mir nicht sofort einleuchten, schreibe ich wenig später auf Vokabelkarten, die ich dann (bis ich sie kann) in der Tasche dabeihabe zum raschen Wiederholen in der U-Bahn oder der Schlange vor der Kasse. Diese Karten, die sonst in Schuhkartons wohnen, dürfen in eher unregelmäßigen Abständen immer wieder in die Tasche umziehen.
Wiederholung ist das Zauberwort.

Ab einem gewissen Moment wiederholt der Hinterkopf ohne mein Zutun. So kann es sein, dass mir mitten im dichtesten U-Bahn-Gedrängel das Wort ponceuse à parquet einfällt, Bodenabschleifmaschine.

Dienstag, 5. Februar 2008

Preisbeispiel für ein Interview - eine Mail

Liebe Anne H.,

Sie möchten wissen, was die Verdolmetschung eines Interviews kostet. Das ist so pauschal nicht zu sagen.

Die Preise reichen derzeit von 350 Euro für einen halben Tag bei einem nicht vorzubereitenden Interview im Auftrag des belgischen Fernsehens (kleines Land, kleinere Programmbudgets) bis zu 1450 Euro Tageshonorar für mehrere vorbereitete Fernseh- und Hörfunkinterviews im Rahmen der Herausbringung eines gutfinanzierten Films mit Staraufgebot, der von einem deutschen Verleih mit bester Marktposition herausgebracht wird, denn die Abgeltung der Urheberrechte an der deutschen Fassung führt zu einem Preisaufschlag.

Kurz gefasst ist bei diesen Honoraren zu berücksichtigen:
- Ist das Thema bekannt oder nicht? (Ich bin Fachdolmetscherin für Film und Medien und berechne in meinem Spezialgebiet die tatsächlich geleistete Vorbereitung)
- Sind Pausen für eine Einzeldolmetscherin vorhanden? (Ansonsten arbeiten wir zu zweit)
- Wie ist die Größe des beauftragenden Unternehmens bzw. Senders oder die finanzielle Ausstattung des Films?
- Ist es ein Einzelauftrag oder für einen Stammkunden? (Rabatte)
- Was ist der Verwendungszweck? Fällt Urheberrechtsvergütung an?
- Handelt es sich um Dreharbeiten? (Hier sind Anzahl der Drehtage und die finanzielle Ausstattung des Projekts wichtig)

Zur Not geht selbst der Ort
Für Ihre Kalkulation bitte ich zu bedenken, dass die simultane Verdolmetschung von TV-Interviews Mehrkosten im Bereich Technik und Locationmiete mit sich bringt. Ich muss in einem akustisch isolierten Ort sitzen (meist reicht der Nebenraum einer Hotelsuite) und benötige Bild und Ton über einen eigenen Monitor.

Für weitere Einzelheiten und einen individuell auf Ihren Einsatz abgestimmten Kostenvoranschlag erreichen Sie mich per Mail, in dringenden Fällen mobil.

Mit freundlichen Grüßen,
Caroline Elias

Montag, 4. Februar 2008

Wörterbücher

Peter aus München fragt: "Habt Ihr Wörterbücher in der Dolmetschkabine?"

Sprachen leben - und alle Jahre wieder kauf ich mir neue Wörterbücher. Mein Finanzbeamter wird sich schon fragen, wann ich meine Sprachen endlich bis in die letzte Verästelung perfekt beherrsche und die ewigen Geldausgaben aufhören. Ich weiß da leider eine einfache Antwort: Nie! Denn kein Dolmetscher kann alle Themen und Bereiche aus dem Effeff, es steckt immer Arbeit dahinter.

Sprachen leben - und das aktuellste Wörterbuch ist das eigene. Fachbegriffe, die ich selbst aus Dokumenten gefischt habe, Musterübersetzungen, Vergleichbares im Zusammenhang seiner jeweiligen Fundstellen, das alles findet in eigene Lexiken Eingang, die wir Dolmetscher anfertigen, um uns vorzubereiten. Mit denen auch viele in der Kabine arbeiten, sei es nun als Ausdruck oder mit Laptop (und leisem Lüfter!)

Wir haben dabei oft zusätzlich noch Fachwörterbücher dabei, denn auch die werden weiterentwickelt, so, wie sich Fach- und Alltagssprache weiterentwickeln. Nur ein Beispiel: waren Geldautomaten am Anfang (Mitte der 1980er Jahre) "guichets automatiques" (automatische Schalter), heißen sie heute "distributeurs" ((Geld-)Verteiler), während der Gemüsehändler auf dem Markt von "tirettes" spricht, ein Wort, das seine Mutter vermutlich noch für den umgangssprachlichen Ausdruck für eine Melkmaschine gehalten oder mit dem silbernen Dings da in Verbindung gebracht hat, das in Milchläden auf den Thresen montiert war, am oberen Ende befand sich die elektrische Kühlung, und aus dem Milch ins Milchkännchen gezapft wurde (Hilfe! Bin wortlos!) Ebenso überfordert wäre ich, wenn ich Worte wie vélomoteur, mobylette, cylomoteur, scooter oder moto deutschen Worten zuordnen müsste ... aber isch 'abe doch gar keine Auto! (... und besitze nichtmal die Fahrlizenz.)
Würde ich jetzt über die Geschichte des Einzelhandels im Milchsektor oder des motorisierten Zweirads dolmetschen dürfen, ich machte mich subito auf die Suche für meine Vokabelliste ... Wir forschen in alten Wörterbüchern, Dokumenten und im Netz. Wenn wir Glück haben, können wir sogar in der Kabine online gehen auf unserer Suche (einer spricht zum Beispiel und einer sucht, was zum Beispiel später in einem wichtigen Redebeitrag vorkommen wird, so jedenfalls das spät gelieferte Rednermanuskript). Ein angenehmes Umfeld bietet das Wörterbuch LEO - hier kann man auch Suchaufträge zu seltenen Worten loswerden und bei der Wortrecherche anderer mitreden. Sprachen leben, und das macht uns Dolmetschern meist viel Spaß zu erleben.
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Der Milchmann kommt, Postkartenmotiv (Quelle: Flohmarkt)

Sonntag, 3. Februar 2008

Notizen zum Kostenvoranschlag für eine Kinemathek

Demnächst sollen wir eine Abendveranstaltung dolmetschen. Im Kino einer Kinemathek wird ein historischer Film gezeigt, im Anschluss danach soll mit Zeitzeugen und Historikern diskutiert werden.

Die Veranstaltung dauert nur zweieinhalb Stunden. Dennoch können wir keinen Halbtagespreis anbieten. Der Film liegt nur in einer Fassung vor, die ein Teil der Publikumsgäste nicht versteht, also werden wir ihn dolmetschen bzw. einsprechen.

Das ist zeitintensiv: Das Werk des Abends ist ein Essay-Film, das meiste findet also im Kommentar statt, der darüber hinaus stellenweise abstrakt ist und mit Worten spielt, der Sprecher ist nicht im On, nicht im Bild sichtbar. Beim normalen Dolmetschen kommt ein Teil der Information über das Mundbild, wir "lesen" auch "von den Lippen ab", das geht hier nicht. Der Film ist vierzig Jahre alt, es gibt kein Transkript des Gesagten. Das müssen wir selbst herstellen und etliche der sehr pointiert formulierten Passagen vorab schriftlich übersetzen, an denen einst ja auch lange herumgefeilt wurde und dabei vielleicht sogar an einigen Stellen kürzen. Zehn Filmminuten entsprechen hier mindestens zwei Stunden Arbeit. (Das ist keine Faustregel, es hängt vom Film und vom Vorwissen der Dolmetscherin ab.)
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Foto: Die Dolmetscherkabine im Berlinale-Palast kurz vor Filmstart

Samstag, 2. Februar 2008

Zeitaufwand und Preise bei Untertiteln

Hallo! Sie lesen in einem Blog aus der Welt der Sprachen. Ich bin Dol­met­scher­in und Über­setze­rin für die fran­zö­si­sche Sprache, arbeite auch mit Englisch als Ausgangssprache, und habe mich auf Medien, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft spezialisiert.
Liebe Kollegin,

ich habe eine Frage, bei der Sie mir vielleicht weiterhelfen können.

Mich erreichte heute eine Anfrage, Bonusmaterial für einen 84-minütigen Film aus dem Norwegischen ins Deutsche zu übertragen (viel Interview­material). Da ich im Bereich der Übersetzung von Untertiteln bisher recht unerfahren bin, habe ich Schwierigkeiten, mir eine Vorstellung vom Zeitaufwand zu machen. Es gibt kein Skript, es muss also alles ab­ge­hört werden.

Haben Sie eine Idee, wie viel Zeit dies in Anspruch nehmen könnte und was man dafür verlangen darf? Über einen kollegialen Rat würde ich mich sehr freuen!

Herzliche Grüße
Julia S.

Liebe Julia S.,

Bonusmaterial klingt nach einem DVD-Vertrieb. Meist ist der Aufwand größer, als tatsächlich von diesen gezahlt werden möchte, weil das Risiko, nur eine kleine Menge Filme zu verkaufen, hier ganz beim Vertrieb liegt und nicht von der Film­förderung abgefedert wird.

Es klingt so, als erwägten Sie, vorher zu transkribieren, was, wenn Sie noch nie Untertitel (UT) geschrieben haben, vielleicht keine schlechte Idee ist. Es verkürzt den Aufwand beim Gegenlesen durch Sie selbst und durch Dritte. Allerdings kostet das Zeit. Ich stelle bei meinen eigenen Transkriptionen fest, dass ich für zehn Mi­nu­ten Interviewmaterial eine Stunde lang "klappere".

Untertitel berechne ich einzeln, habe länger nicht mehr außerhalb eines Rahmen­vertrages untertitelt, würde aber ca. 2 Euro je über­setzer Untertitel berechnen (etliche Kol­legen in Frankreich fangen indes bei 2,50 Euro erst an). EDIT: Das Spotting, das Setzen der Ein- und Ausblendepunkte, ist eigent­lich auch Geld wert; die Bezah­lung dieses Aufwands wird aber, seit die dafür nötige Tech­nik durch die Di­gi­tali­sie­rung in Kilogramm leichter gewor­den ist, gerne unter den Tisch fallen gelassen. Dermaleinst, also in den 90-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, gab es da den gleichen Satz je UT on top.

An einem durchschnitt­lichen abendfüllenden Spielfilm (80 Minuten) mit seinen durch­schnittlich 900 Un­ter­titeln sitze ich incl. vieler Pausen und Zeit­ab­stand für ein gutes Eigen­lektorat eine Woche (wobei ich mir beim Über­setzen immer erlaube, von einem Sechs­stundentag auszugehen).

Wenn der Interviewanteil höher ist, steigt hier der Auf­wand, weil die Menge der Ti­tel größer ist, weil aber auch fürs Mit­lesen untertitelt werden muss und der Ar­beits­pro­zess eine Art Konzen­tration der Titel darstellt. Untertitel werden über­setzt, dann ge­textet, gekürzt, der tref­fendere Ausdruck wird ebenso gesucht wie ein Rhythmus, der sich an die Atmung des Interviewten anlehnt und nicht die Satzlängen zum Maß­stab nimmt. Alle Unter­titler kennen Platznot. So kommt mir Unter­titeln oft vor wie eine wilde Mischung zwischen dem Übersetzen von Poesie, wo oft eine Metrik vorgegeben ist, und Kreuzworträtsel lösen ("Gibt es ein pas­sen­des Wort?" "... und statt raum­grei­fen­der "M" und "W" einen Ausdruck mit schlanken "I" und "V" ...?")

Kurz: Das Texten von Untertiteln kostet mehr Zeit als nur eine einfache Über­setzung.

J'ai un antidote : l'argent ! (Filmstill)
Ich kenne ein Gegengift: Geld!
Leider hat die Berliner Preisent­wick­lung etliche Untertitler in andere Ber­ufs­fel­der abwandern lassen (ich gehöre da­zu). Gerade Berufsanfängern wird im­mer wieder als "übliche Arbeits­be­ding­ungen" un­ter­breitet, was jahrzehn­te­lang Dumping gegolten hätte. So wer­den mei­ne Ar­beits­zei­ten oft "Luxus" ge­nannt. Ich habe viel für Schulfilmpro­gram­­me ge­ar­bei­tet und konnte lange mit dem Wort "Qualität" erfolgreich gegenhalten.

Ich hoffe, Ihnen vermittelt zu haben, dass Untertitel eine besondere Auf­merk­sam­keit für gesprochene und prägnante, knappe Schriftsprache erfordern. Außerdem verändert sich das Geschriebene dadurch, dass es Filmbilder ergänzt, die ihre ei­ge­ne Sprache haben, und auch diese spielt beim Untertiteln mit rein. Ich wün­sche Ihnen, dass Sie die Zeit finden, sich mit der einschlägigen Literatur ver­traut zu machen.

Nun hoffe ich, Ihnen mit den Infos weitergeholfen zu haben,
und grüße freundlich

Caroline Elias
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Foto mit Virtualdub generiert

Freitag, 1. Februar 2008

Lampenfieber

Petra aus Köln fragt: Und was ist mit Lampenfieber?

Vor fremden Menschen sprechen, öffentlich, in hellem Licht stehen, Sätze vor den Ohren aller fertigkriegen müssen, dabei Zweifel haben, ob nicht vielleicht ein Fleck auf der Jacke ist, da war doch noch im Weggehen noch ein kleines Kind an mir vorbeigerannt und hatte mich am Jackett gezupft ... Dann wird die Stimme fahler, die Stimmbänder trocknen aus, der Mund ist ohnehin schon trocken, die Gedanken geraten ins Trudeln: Lampenfieber.

Die Angst vor dem Rampenlicht ist teils angeboren, teils erlernt, es vermischt sich Überlebensinstinkt, der es einem verbietet, sich übermäßig zu exponieren, zur Beute zu machen, mit Schamgefühl, also der Angst vor Blamage, vor falschen Worten und als unpassend eingeschätzten Reaktionen, kurz: mit Versagensangst. Mark Twain sagte dazu: „Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert vom Moment der Geburt an – bis zum Zeitpunkt, wo du aufstehst eine Rede zu halten.“

Früher hatte ich regelmäßig meine Muffen vor und bei öffentlichen Einsätzen. Der Stress drückte sich in vermehrter Ausschüttung von Adrenalin aus, einem Botenstoff, der in Krisen- oder Fluchtsituationen für neue, ungeahnte Kräfte sorgte. So gesehen hatte die Aufregung mit ihren kleinen Anflügen von Panik durchaus eine sinnvolle Seite, ich habe damit Energien mobilisieren.

Mit der Zeit hat sich das Fracksausen zum Glück gelegt - ein besonderes Glück, denn ich weiß, dass es vielen nicht so geht, mancher Mensch, der im Licht der Öffentlichkeit steht gewöhnt sich nie daran. Mit der Masse der Einsätze "vergaß" mein Körper einige Male, sich in den Stress hineinzuschrauben - und dann war plötzlich jede Art von Anspannung weg. So sehr, dass ich mich gelangweilt habe neben Regisseur und Gastgeberin, dass ich Gähnen unterdrücken musste, dass ich am liebsten schlafen gegangen wäre.

Seither weiß ich, dass ein wenig Lampenfieber sein Gutes hat. Denn es hilft, mich aufzuwecken, es hilft der Konzentration. Also versuche ich vor Einsätzen, so paradox es klingt, mich ein kleines wenig an das alte Lampenfieber zu erinnern, um besser zu sein. Und dann geht's los, und ich beobachte, dass ich mich wirklich freigeschwommen habe: das Sprechen macht Spaß, ich höre mir zu dabei, kontrolliere den Output, spüre, wie ich zur Maximalleistung auflaufe.

Vor zwei Jahren entdeckten außerdem Wissenschaftler, dass der Botenstoff "Oxytocin", populärwissenschaftlich oft "das Bindungshormon" genannt, stark stressmindernd wirkt, weil es das Vertrauen in andere Menschen erhöht. Also scheint eine gute, feste Partnerschaft auch ein Tipp gegen Lampenfieber zu sein. Wem dieses Glück gerade abhold ist, wisse: Verbindliche soziale Kontakte oder sich vom Masseur gut durchkneten zu lassen, steigert auch den Oxytocinspiegel.

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Quelle: New Scientist, 28. Januar, S. 17