Dienstag, 19. Februar 2008

Film-Karaoke

Berlinale is over - ein Glück! Gestern Abend haben Helen, viele andre und ich diesen Moment auf der exklusivsten Party des Filmfests begossen: Der Mitarbeiterparty.

Diesmal zählt nicht Berühmtheit, Reichtum oder Macht als Grund für den Zutritt, wer zehn oder mehr Tage lang den Laden mit am Laufen gehalten hat, kommt hier mit dem Mitarbeiterausweis als Einladungskarte rein. Bei einem Feierabendbierchen, gefüllten Weinblättern und Steckrübensuppe wird gefeiert ... mit zu lauter Musik, dafür rauchfrei.

Mein Résumé der Berlinale ist zweigeteilt: Wie immer habe ich sehr gern gedolmetscht, habe französische Gäste dem deutschen Publikum näher und deutsche Filme den frankophonen Gästen zu Ohr gebracht, wie immer war es viel Rennen und Recherchieren, Improvisieren und Energie, die gefordert waren. Wenn die Gespräche spannend und Gäste und Publikum zufrieden sind, wir vielleicht sogar bei der Entstehung neuer Koproduktionen mitwirken können, sind rasch alle Strapazen vergessen.

Die Berlinale ist groß, zum Wettbewerb gesellen sich etliche weitere Sektionen, es gibt Vorführungen im Markt und am Rande des Festivals, seit Jahren schon. Dennoch ärgert mich im x-ten Jahr, wenn sich in dem ganzen Berlinale-Kontext zu oft die immer gleichen Fehler wiederholen, die eigentlich nur daher rühren, dass an die Dolmetscher zuallerletzt gedacht wird - oder gar nicht. Was uns die Arbeit erschwert, sind unsichtbare Filme (weil vorab nichts gesehen werden kann oder Kabinen schlecht positioniert sind), ungehaltene, aber vorbereitete Reden, nicht übersetzte Antworten, weil die Zeit drängt oder die Sprachthematik schlicht 'vergessen' wird, abgebrochene Diskussionen, fehlerhafte Untertitel ... Dolmetschen ist ein Knochenjob, wenn die Rahmenbedingungen es dann auch noch erschweren, geht der Auftrag mitunter an die Substanz, wenn der Humor bedroht ist, wird es schwierig.

Vom in diesem Sinne 'besten Einsatz' berichtete eine Kollegin, die einen afrikanischen Film dolmetschte. Bei der Sprache des Films lag ein seltener Dialekt vor, für die Übertragung ein Dialogbuch zugrunde, das sich als Altpapier erwies, zumindest partiell, der Film war seit Ausdruck der Seiten einige Male umgeschnitten worden. Da die Dolmetscherin nur eine der ca. 2000 afrikanischen Sprachen beherrscht, von denen rund 50 als größere Sprachen gelten (Quelle: Wikipedia), musste sie dann frei improvisieren im Sinne des Dialogbuches, das sie ja vorher ausgiebig gelesen hatte, bis sie wieder auf inhaltlich vertrautes Terrain stieß.

Dass im Anschluss daran eine andere Berlinale-Party plötzlich nicht mehr attraktiv schien, mag auch daran liegen: Als wir ankommen, läuft die dramatische Wasser-Verabschiedungsszene der Liebenden aus dem Film "Titanic" auf der Videogroßleinwand. Dazu improvisieren zwei Filmschaffende den Dialog, frei assoziierend, mit Anspielungen auf Berlin, BVG und die Berlinale, eine Art Karaoke zu Kinofilm. Indes, wer tags im Beruf zu Film-Karaoke genötigt wird, kann sich abends dabei gar nicht entspannen, oder was meinen Sie? "Nicht wirklich!", antwortet darauf die Garderobiere bei Herausgabe des Mantels, das ist (schlechtes) Synchrondeutsch und kommt von "not really", aber das ist ein anderes Thema.

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