Petra aus Köln fragt: Und was ist mit Lampenfieber?
Vor fremden Menschen sprechen, öffentlich, in hellem Licht stehen, Sätze vor den Ohren aller fertigkriegen müssen, dabei Zweifel haben, ob nicht vielleicht ein Fleck auf der Jacke ist, da war doch noch im Weggehen noch ein kleines Kind an mir vorbeigerannt und hatte mich am Jackett gezupft ... Dann wird die Stimme fahler, die Stimmbänder trocknen aus, der Mund ist ohnehin schon trocken, die Gedanken geraten ins Trudeln: Lampenfieber.
Die Angst vor dem Rampenlicht ist teils angeboren, teils erlernt, es vermischt sich Überlebensinstinkt, der es einem verbietet, sich übermäßig zu exponieren, zur Beute zu machen, mit Schamgefühl, also der Angst vor Blamage, vor falschen Worten und als unpassend eingeschätzten Reaktionen, kurz: mit Versagensangst. Mark Twain sagte dazu: „Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert vom Moment der Geburt an – bis zum Zeitpunkt, wo du aufstehst eine Rede zu halten.“
Früher hatte ich regelmäßig meine Muffen vor und bei öffentlichen Einsätzen. Der Stress drückte sich in vermehrter Ausschüttung von Adrenalin aus, einem Botenstoff, der in Krisen- oder Fluchtsituationen für neue, ungeahnte Kräfte sorgte. So gesehen hatte die Aufregung mit ihren kleinen Anflügen von Panik durchaus eine sinnvolle Seite, ich habe damit Energien mobilisieren.
Mit der Zeit hat sich das Fracksausen zum Glück gelegt - ein besonderes Glück, denn ich weiß, dass es vielen nicht so geht, mancher Mensch, der im Licht der Öffentlichkeit steht gewöhnt sich nie daran. Mit der Masse der Einsätze "vergaß" mein Körper einige Male, sich in den Stress hineinzuschrauben - und dann war plötzlich jede Art von Anspannung weg. So sehr, dass ich mich gelangweilt habe neben Regisseur und Gastgeberin, dass ich Gähnen unterdrücken musste, dass ich am liebsten schlafen gegangen wäre.
Seither weiß ich, dass ein wenig Lampenfieber sein Gutes hat. Denn es hilft, mich aufzuwecken, es hilft der Konzentration. Also versuche ich vor Einsätzen, so paradox es klingt, mich ein kleines wenig an das alte Lampenfieber zu erinnern, um besser zu sein. Und dann geht's los, und ich beobachte, dass ich mich wirklich freigeschwommen habe: das Sprechen macht Spaß, ich höre mir zu dabei, kontrolliere den Output, spüre, wie ich zur Maximalleistung auflaufe.
Vor zwei Jahren entdeckten außerdem Wissenschaftler, dass der Botenstoff "Oxytocin", populärwissenschaftlich oft "das Bindungshormon" genannt, stark stressmindernd wirkt, weil es das Vertrauen in andere Menschen erhöht. Also scheint eine gute, feste Partnerschaft auch ein Tipp gegen Lampenfieber zu sein. Wem dieses Glück gerade abhold ist, wisse: Verbindliche soziale Kontakte oder sich vom Masseur gut durchkneten zu lassen, steigert auch den Oxytocinspiegel.
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Quelle: New Scientist, 28. Januar, S. 17
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