Montag, 4. Februar 2008

Wörterbücher

Peter aus München fragt: "Habt Ihr Wörterbücher in der Dolmetschkabine?"

Sprachen leben - und alle Jahre wieder kauf ich mir neue Wörterbücher. Mein Finanzbeamter wird sich schon fragen, wann ich meine Sprachen endlich bis in die letzte Verästelung perfekt beherrsche und die ewigen Geldausgaben aufhören. Ich weiß da leider eine einfache Antwort: Nie! Denn kein Dolmetscher kann alle Themen und Bereiche aus dem Effeff, es steckt immer Arbeit dahinter.

Sprachen leben - und das aktuellste Wörterbuch ist das eigene. Fachbegriffe, die ich selbst aus Dokumenten gefischt habe, Musterübersetzungen, Vergleichbares im Zusammenhang seiner jeweiligen Fundstellen, das alles findet in eigene Lexiken Eingang, die wir Dolmetscher anfertigen, um uns vorzubereiten. Mit denen auch viele in der Kabine arbeiten, sei es nun als Ausdruck oder mit Laptop (und leisem Lüfter!)

Wir haben dabei oft zusätzlich noch Fachwörterbücher dabei, denn auch die werden weiterentwickelt, so, wie sich Fach- und Alltagssprache weiterentwickeln. Nur ein Beispiel: waren Geldautomaten am Anfang (Mitte der 1980er Jahre) "guichets automatiques" (automatische Schalter), heißen sie heute "distributeurs" ((Geld-)Verteiler), während der Gemüsehändler auf dem Markt von "tirettes" spricht, ein Wort, das seine Mutter vermutlich noch für den umgangssprachlichen Ausdruck für eine Melkmaschine gehalten oder mit dem silbernen Dings da in Verbindung gebracht hat, das in Milchläden auf den Thresen montiert war, am oberen Ende befand sich die elektrische Kühlung, und aus dem Milch ins Milchkännchen gezapft wurde (Hilfe! Bin wortlos!) Ebenso überfordert wäre ich, wenn ich Worte wie vélomoteur, mobylette, cylomoteur, scooter oder moto deutschen Worten zuordnen müsste ... aber isch 'abe doch gar keine Auto! (... und besitze nichtmal die Fahrlizenz.)
Würde ich jetzt über die Geschichte des Einzelhandels im Milchsektor oder des motorisierten Zweirads dolmetschen dürfen, ich machte mich subito auf die Suche für meine Vokabelliste ... Wir forschen in alten Wörterbüchern, Dokumenten und im Netz. Wenn wir Glück haben, können wir sogar in der Kabine online gehen auf unserer Suche (einer spricht zum Beispiel und einer sucht, was zum Beispiel später in einem wichtigen Redebeitrag vorkommen wird, so jedenfalls das spät gelieferte Rednermanuskript). Ein angenehmes Umfeld bietet das Wörterbuch LEO - hier kann man auch Suchaufträge zu seltenen Worten loswerden und bei der Wortrecherche anderer mitreden. Sprachen leben, und das macht uns Dolmetschern meist viel Spaß zu erleben.
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Der Milchmann kommt, Postkartenmotiv (Quelle: Flohmarkt)

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