Wer uns Berlinale-Dolmetscher in diesen Tagen aus der zweiten Reihe erlebt, muss uns für extrovertierte bis leicht überspannte Zeitgenossen halten. Und weil ich hier niemandem zu nahe treten will, fang ich den Text gleich nochmal an: Wer mich als Berlinale-Dolmetscherin dieser Tage aus der zweiten Reihe erlebt, muss mich ...
Gestern war jemand bei mir im Haus, um ein defektes Rohr zu reparieren. Ich war währenddessen im Arbeitszimmer, sprach nicht nur laut, sondern schimpfte mit mir selbst. Ich übte einen Filmdialog, den ich wenig später simultan einsprechen sollte - hier wurde gestritten.
Im Taxi dann (in Berlinale-Zeiten fahre ich sehr viel Taxi) sprach ich weiter, Selbstgespräche in zwei Fremdsprachen? Nein, ich las, um die englischen Untertitel, die finnische Filmdialoge wiedergeben würden, nachher im Kino ad hoc zu erkennen, jetzt auch diese laut. Dann weiter auf Französisch. Zwischendurch Ortsangaben auf Deutsch.
Als ich mich erklärt hatte, outete sich der Taxifahrer subito als ehemaliger Französisch-Schüler eines VHS-Kurses, merkte meine Nervosität, lenkte mich nett ab. Also übte ich mit meinem türkischen Chauffeur auf Französisch zählen, wobei ich als Dozentin wert lege auf gute Nasale. Er hatte seinen Spaß dabei, dass aus seiner Benzindroschke ein durch die City cruisendes Sprachlabor wurde.
Der Film war dann gar nicht mehr stressig. Finnisch, schwarz, ein spannendes Drama mit vielen dramaturgischen Wendepunkten: zwei Frauen, dazwischen ein Mann, der rasch fast zum Komparsen wurde, viel Eis und Schnee, show down inclusive (eigentlich ein snow down).
In der Pressekonferenz lief auch alles glatt, nur einmal erzählte der Regisseur von etwas, das ich nicht sofort verstand. Meine Englisch-Kollegin und Freundin Helen in der Kabine daneben ahnte das, verstand als Muttersprachlerin durch den Kontext, schrieb GENRE auf einen Zettel und hielt in mir an die Glasscheibe, die uns akustisch voneinander trennt. Thank you, Helen!
Und dann gleich nach Hause, noch eine Stunde schlafen, bevor ich bei der Gala-Vorstellung im Festivalpalast wieder dolmetschte. Erneut per Taxi, ich noch immer aufgedreht, plappernd ohne Unterlass. Ich kann auch ohne Kino so sein, hab mein Naturell zum Beruf gemacht. Und fragte den Taxifahrer nach lauter deutsches Auto- und Straßenvokabular. Nur diese Dinger da, die in verkehrsberuhigten Zonen auf den Asphalt genagelt sind, wusste der diesmal iranische Taxifahrer nicht zu benennen. Also bei nächster Gelegenheit Helen fragen nach dem deutschen Wort für speed bumps. Ich schenk' ihr dafür das französische dos d'âne. "Welcher Film ist das?", wird Helen darauf fragen. Wetten?
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