Sonntag, 23. November 2025

Alltagsarchäologie

In den All­tag von Über­set­ze­rin­nen und Über­set­zer, Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher er­hal­ten Sie hier un­ter der Woche ver­schie­dent­lich Ein­blick. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind Deutsch (Mut­ter­spra­che), Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Die Bü­ro­kol­le­gin ar­bei­tet nur als Über­set­ze­rin (= schrift­lich) und mit Ziel­spra­che Eng­lisch. Heu­te sonn­täg­li­che per­sön­li­che Ge­dan­ken zum Ver­flie­ßen der Zeit.

N
e­u­lich hat auf den aso­zia­len Me­di­en­sei­ten die Toch­ter ei­nes Li­te­ra­ten Fo­tos der Ab­raum­mul­de ge­zeigt, in die sie den Haus­stand ih­rer El­tern ent­sorgt hat, da­ne­ben stand et­was von der Wut auf die El­tern, die sie da­bei be­glei­tet ha­be.

Wir zäh­len nicht zum Team Ab­raum­mul­de. Da­bei ha­ben wir nicht nur in Etap­pen ein Haus auf­ge­löst, son­dern Zeit­schich­ten ab­ge­tra­gen und sor­tiert. Zum Glück konn­ten wir uns Zeit las­sen. Am Mor­gen star­tet die Land­par­tie mit dem Kas­ten­wa­gen.

Im Stroh- und Heckengäu




An die­sem letz­ten Tag fan­den sich in Va­ters Schreib­tisch­schub­la­de al­te Scher­ben an. Ei­ner der Brü­der: „Kann das weg?“ Ich: „Viel­leicht Mit­tel­al­ter. Vor­hin hab ich ei­nen Zet­tel ge­se­hen, auf dem stand: ‚Fund­stü­cke Ack­er En­sin­gen‘, und ihn nicht ver­stan­den.“

Ein an­de­rer: „Hät­te er sie für äl­ter ein­ge­schätzt und für sel­ten, wä­ren die Scher­ben jetzt im Mu­se­um und nicht hier!“ Der Zet­tel ist im Müll, nicht mehr auf­find­bar, wird neu ge­schrie­ben. Lei­der wa­ren kei­ne wei­te­ren An­ga­ben da­bei wie Jahr oder Län­gen- und Breit­en­gra­de (letz­te­res ist erst im Smart­pho­ne­zeit­al­ter mög­lich).

Un­ser Va­ter ist nicht mehr da­bei, aber ir­gend­wie ist er es doch. Die Scher­ben kom­men in die Mu­se­ums­kis­te zum his­to­ri­schen Kirsch­kern­ent­stei­ner, zu den al­ten Lam­pen mit nicht mehr ver­trie­be­nen Ener­gie­quel­len, al­ten Klöp­pel­spit­zen und zu den Back­for­men.

Das Ge­däch­tnis ist ein wun­der­li­cher Ort. Es dau­ert nur we­ni­ge Se­kun­den und ich weiß wie­der, was da­mit ge­ba­cken wird: „Wolfs­zäh­ne“! Im noch ex­is­tie­ren­den Haus der Ah­nen wird sich ei­nes Ta­ges das Re­zept an­fin­den.

Spä­ter füt­te­re ich ei­ne Such­ma­schi­ne mit dem Be­griff und er­fah­re, dass das Re­zept aus Frank­reich bzw. dem Els­ass stammt, klas­si­sches Weih­nachts­ge­bäck ist, les dents de loup, ver­mut­lich ein Mit­bring­sel vom Ur-Ur­groß­va­ter aus Frank­reich. Al­so doch nicht Mu­se­ums­kis­te! Dann wer­de ich die Tei­le mal säu­bern und sie mit den Fräu­leins zu­sam­men nut­zen, was mei­ne klei­nen Nich­ten sind. Ich er­in­ne­re mich an ei­nen Back­tag zu­sam­men mit mei­nem Lieb­lings­cou­sin und un­ter der An­lei­tung der west­säch­si­schen Oma.

Auch al­te Le­der­wa­ren fin­den sich an, von de­nen ei­ni­ge Mar­ken­zei­chen oder Wid­mun­gen auf Her­stel­lungs- oder Nut­zungs­or­te hin­wei­sen. Ich wer­de re­stau­rie­ren (ab­ge­seg­net von und mit den Me­tho­den der Pro­fis) und sie dann Mu­se­en an­bie­ten.

Bit­te nicht miss­ver­ste­hen, mei­ne Ein­lei­tung zum Blog­post ist kei­ne Ver­ur­tei­lung der Li­te­ra­ten­toch­ter. Wir hat­ten Glück, und zwar mehr­fach: Wir sind vier Ge­schwis­ter und es gibt kei­ne drü­cken­den Sor­gen, die uns zu schnel­lem Han­deln ge­nö­tigt hät­ten. Wir hat­ten so den Lu­xus, uns ent­spannt und oh­ne Wut von dem Haus zu ver­ab­schie­den, das un­se­re Mut­ter, En­ke­lin ei­nes ost­preu­ßi­schen Gut­sher­ren mit Schloss und Pfer­de­zucht, im­mer zärt­lich „die Hüt­te“ ge­nannt hat.

Auf der an­de­ren Sei­te weiß ich, dass auch Ent­rüm­pler teuer sind. Und weil wir uns Zeit ge­las­sen ha­ben, ka­men auch die neu­en Mie­ter zu uns.

Es sind noch ei­ni­ge Bü­cher zu ver­tei­len, von de­nen vie­le schon in vie­le dank­ba­re Hän­de ge­wan­dert sind. Es feh­len noch ei­ni­ge Me­ter Re­gal bei mir für ei­ne Buch­aus­wahl, dann wer­de ich mit Zeit noch das Ar­chiv der El­tern aus­dün­nen und mir da­bei Ge­dan­ken über die ver­flos­se­ne Zeit ma­chen, Schwer­punkt 20. Jahr­hun­dert. Aber das ist ein an­de­res The­ma.

Sta­tis­tik: 1009 Ki­lo­me­ter und 111 Stock­wer­ke wer­den am En­de die­ses zwei­tä­gi­gen Ein­sat­zes auf dem Miet­wa­gen- und mei­nem Fuß­gän­ger­ta­cho ste­hen ha­ben.

______________________________
Fo­tos: C.E.

Keine Kommentare: