Freitag, 14. November 2025

Museum der Wörter (45)

Bien­ve­nue auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. Wie Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer, Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, kön­nen Sie hier in lo­ser Fol­ge mit­le­sen. Mei­ne Spra­chen sind Fran­zö­sisch und Eng­lisch (Letz­te­res nur als Aus­gangs­sprache). Heu­te ge­hen wir in die Vol­len!

Den vor­mund­schaft­li­chen Staat gab es einst in der DDR (und bei den Na­zis). Aus mei­nen Be­su­chen in der DDR (aus Nach­wuchs­per­spek­ti­ve) ken­ne ich noch die Schild­er im Re­stau­rant­ein­gang mit der Auf­schrift:

              
             
„Sie wer­den pla­ziert!“
 
Es ging da­mals nicht um Ser­vice, son­dern um Man­gel­ver­wal­tung. Die Gäs­te stan­den am Ein­gang, bis je­mand kam und ei­nen Tisch zu­wies. Man ver­wal­te Platz­man­gel und Per­so­nal­man­gel (und wer weiß, viel­leicht auch Le­bens­mit­tel­be­stän­de). Re­ser­vie­ren war klug, denn Nach­fra­ge über­stieg das An­ge­bot.

Neu­lich sah ich ein ähn­li­ches Schild. Mo­dern klingt es char­man­ter; den Hin­ter­grund für das Schild ken­ne ich nicht.

Hello, naughty nomad! Please wait to be seated. / Hey, du frecher Nomade! Bitte warte, bis du platziert wirst.
Auch eine Ansprache :-)
Un­ver­ges­sen die oft an­zu­treff­en­de Ar­ro­ganz in der DDR: Ser­vice­kräf­te in HO-Gast­stät­ten zeig­ten ih­re Macht. Ein­mal lie­ßen sie uns über ei­ne Stun­de buch­stäb­lich im Re­gen ste­hen. We­gen Bau­ar­bei­ten muss­ten wir spon­tan aus­wärts es­sen. Klein­kin­der wa­ren da­bei. Der Platz­ver­wal­ter schritt mit Wich­tig-wich­tig-Mie­ne durch den Gast­raum, die Be­leg­schaft muss­te ren­nen.

Das Per­so­nal war durch Krank­heit ver­rin­gert, der Hin­ter­raum blieb ge­schlos­sen. Es gab auch pri­va­te Re­stau­rants, bei de­nen das Schild be­wusst fehl­te. Ge­war­tet ha­ben die Leu­te trotz­dem, es war ja im­mer so.

Die Re­de­wen­dung steht bis heu­te für Man­gel­ver­wal­tung, Un­wirsch­keit der Ob­rig­keit und ei­ne Sitts­am­keit der Un­ter­ge­be­nen, die auf Ge­wöh­nung, Re­sig­na­tion und Furcht be­ruh­te.

So, es ist ho­he Zeit, den Au­tor be­lieb­ter his­to­ri­scher Mis­zel­len in der DDR zu zi­tie­ren, die sehr feuille­ton­taug­lich wa­ren, Heinz Knob­loch, von dem ich schlicht al­le Bü­cher emp­feh­le. In ei­nem sei­ner Bü­cher stand nach ei­ni­gen Sei­ten: „Jetzt sind wir un­ter uns, lie­be Le­se­rin, lie­ber Le­ser, jetzt kön­nen wir Ta­che­les re­den.“ Nun folgt der Rest: ein Rant.

Ser­vice­post für die Pres­se: „Nach der Am­pel nun Ge­ham­pel“, könn­te ei­ne Über­schrift lau­ten. War­um le­se ich die nicht? Zu­kunfs­un­si­che­re Ent­schei­dun­gen im Herbst der Re­förm­chen füh­ren zur Sub­ven­tio­nie­rung kli­ma­schäd­li­chen Flug­ver­kehrs. Das Geld fehlt bei der För­de­rung des Bahn-Deutsch­land­tic­kets. Die an­de­ren Punk­te, die heute bekannt wurden, klin­gen auch nach wis­sen­schafts- und fak­ten­ver­ges­se­ner Po­li­tik fürs Ge­schichts­mu­se­um.

Wir brau­chen: Ar­muts­be­kämp­fung, Bil­dungs­ge­rech­tig­keit für Nach­wuchs und Lern­wil­li­ge, Zu­sam­men­fas­sung und Teil­au­to­ma­ti­sie­rung von För­der­maß­nah­men, Ren­ten­si­cher­heit und -ge­rech­tig­keit, bes­se­re Wohn­raum­nut­zung durch ein Ge­setz, das Tausch er­mög­licht, mehr ver­pflich­tend so­zia­len und be­zahl­ba­ren Wohn­raum mit Ewig­keits­ga­ran­tie, ans Bau­recht ge­kop­pelt (in an­de­ren Län­dern seit Jah­ren üb­lich), Ver­ein­fach­ung der Län­der­bau­rechts­wirr­warrs (hier sind wir Welt­spit­ze), Ide­en- und Äs­the­tik­wett­be­werb zu mo­du­la­rem Bau­en, zu Dämm­stof­fen aus Hanf, Wol­le und Lehm, die auch die En­kel noch lo­ben, ein Dä­cher­pro­gramm, um den Flä­chen­fraß nicht an­zu­tref­fen, de­zen­tra­le, nach­hal­ti­ge En­er­gie.

Au­ßer­dem über­all Glas­fa­ser (der Ent­schluss von 1981 ist um­zu­set­zen), ho­he Ein­kom­mens­steu­ern für Rei­che (wie un­ter Hel­mut Kohl), Ver­mö­gens­steu­ern (der Grund für die Aus­set­zung der be­ste­hen­den Re­geln ist hin­fäl­lig), An­re­gung und Steu­e­rung ei­ner ver­bes­ser­ten Le­bens­wei­se durch die „ge­sun­de Mehr­wert­steu­er“ (nach eng­li­schem Vor­bild) und Zu­satz­steu­ern (Zu­cker­steu­er), ein gro­ßes Bil­dungs­pro­gramm in Sa­chen Er­näh­rung und Sport, Bil­dungs­re­for­men, In­fra­struk­tur­in­ves­ti­tio­nen und Pro­gram­me wie ho­u­sing first, Wohn­raum und Be­glei­tung für Woh­nungs­lo­se, sowie ei­ne ÖPNV-Of­fen­si­ve samt In­lands­flug­ver­bot. Das sind nur ei­ni­ge Punk­te.

Ge­nau die­se Po­li­tik ist al­ter­na­tiv­los, christ­lich und so­zi­al. Sie baut auf Näch­sten­lie­be, Mensch­lich­keit und Re­spekt, schützt die uns nur ge­lie­he­ne Schöp­fung, nimmt al­le mit, igno­riert nicht die Kli­ma­ka­ta­stro­phe, schafft Ar­beits­plät­ze und schaut schlicht: Was hat sich be­währt, was kön­nen wir über­neh­men?

War­um be­geis­tern wir die Men­schen nicht für De­mo­kra­tie und Wis­sen, in­dem wir of­fen sind für be­währ­te Ver­bes­se­run­gen?

Aber nein: „War­ten Sie, Sie wer­den plat­ziert!“

Vo­ka­bel­no­tiz: Sie wer­den pla­ziert ist die his­to­ri­sche Schrei­bung. Laut Du­den sol­len wir jetzt ein T ein­fü­gen. Das Wort lei­tet sich vom Subs­tan­tiv „der Platz“ ab.

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Fo­to: C.E.

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