Donnerstag, 20. November 2025

„Ein Prozess — vier Sprachen“

Bonj­our & hel­lo! Ich bin Dol­met­sche­rin Deutsch–Fran­zö­sisch mit Eng­lisch als Aus­gangs­spra­che. Die Ar­beit führt mich zur Ar­beit quer durch Eu­ro­pa, da ich auch für Me­dien tä­tig bin. Rei­sen be­en­de ich oft im Mu­seum. Heu­te der letz­te Blick auf Ham­bur­ger Mu­seen (wei­te­re Ham­burg­fo­tos kön­nen fol­gen), denn ei­ne Dol­met­scher­kol­le­gin hat letz­ten Sonn­tag ei­ne Aus­stel­lung zum Nürn­ber­ger Pro­zess mit­auf­ge­baut.

Seit ei­ni­gen Jah­ren tourt die Prä­sen­ta­ti­on des Dol­met­scher­ver­bands aiic durch Deutsch­land, die die­sem Pro­zess und dem Ent­ste­hen des Dol­met­sch­be­rufs in sei­ner heu­ti­gen Form ge­wid­met ist. „One Trial — Four Lan­guages“ heißt die Aus­stel­lung, die ge­nau die­se Pi­o­nier­leis­tung des Dol­met­schens do­ku­men­tiert: frü­he Technik, Fo­tos aus der Zeit, die Ar­beits­plät­ze im Ge­richts­saal, die Ge­sich­ter de­rer, die si­mul­tan über­haupt erst mög­lich ma­chen, was in­ter­na­tio­na­le Jus­tiz braucht.

Der ers­te Ver­hand­lungs­tag der Nürn­ber­ger Pro­zes­se fand ex­akt heu­te vor 80 Jah­ren statt. Die Aus­stel­lung über Dol­met­scher:in­nen beim Pro­zess wird eben­falls heu­te in Ham­burg er­öff­net (sie­he un­ten).

In dem Jahr nach dem 20. No­vem­ber 1945 wird pa­ral­lel vier­sprach­ig ge­ar­bei­tet: Eng­lisch, Fran­zö­sisch, Rus­sisch, Deutsch. Die Welt will Tem­po, Auf­ar­bei­tung, Do­ku­men­ta­ti­on und al­les zu­gleich. Die bis da­hin üb­li­che kon­se­ku­ti­ve Me­tho­de reicht da­für nicht mehr aus. Al­so ent­steht et­was Neu­es: Si­mul­tan­dol­met­schen, tech­nisch ge­stützt, in Teams or­ga­ni­siert, un­ter enor­mem Druck er­probt.

Plakat der Ausstellung, Frau mit Kopfhörern spricht in ein Mikrofon
Ein Prozess — vier Sprachen
Erst­mals wer­den Mi­kro­fo­ne, Kopf­hö­rer und mehr­ka­na­li­ge Über­tra­gungs­sys­te­me sys­te­ma­tisch ein­ge­setzt. Was heu­te Stan­dard ist, war da­mals ein Ex­pe­ri­ment.

Die Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­sche­r sit­zen im­pro­vi­siert auf Plät­zen, die mit Glas­schei­ben von­ein­an­der ge­trennt sind, hö­ren in vier Spra­chen hin­ein und spre­chen in eben­so vie­le Rich­tun­gen hin­aus.

Aus die­sem his­to­ri­schen Mo­ment her­aus ent­wi­ckelt sich das pro­fes­sio­nel­le Kon­fe­renz­dol­met­schen, wie wir es heu­te ken­nen: team­ori­en­tiert, me­tho­disch re­flek­tiert, tech­nisch be­glei­tet und et­hisch ver­an­kert. Vie­le der frü­hen Nürn­berg-Dol­met­scher:in­nen ge­hen spä­ter zu den Ver­ein­ten Na­ti­o­nen oder in an­de­re in­ter­na­tio­na­le Or­ga­ni­sa­ti­o­nen und prä­gen dort die Stan­dards, von de­nen wir täg­lich pro­fi­tie­ren.

Viel­leicht schaf­fen wir es auch mit der nächs­ten De­le­ga­ti­ons­rei­se­grup­pe der Ge­sell­schaft für In­ter­na­ti­o­na­le Zu­sam­men­ar­beit (GIZ), wenn auch die „Nürn­berg­Mes­se“ be­sucht wird, noch mehr vom Ort zu se­hen (Link zum Memorium). Bis­lang ma­chen wir re­gel­mä­ßig ei­nen Stopp am Reichs­par­tei­tags­feld. Das ist mir als His­to­ri­ker­toch­ter sehr wich­tig, und ich bin gut vor­be­rei­tet. Ich glau­be, dass es kein Zu­fall war, dass der Kurs für Grup­pen­dol­met­schen in der Ju­gend­ar­beit vom deutsch–fran­zö­si­schen Ju­gend­werk (dfjw / ofaj) lan­ge in Nürn­berg statt­ge­fun­den hat. Auch hier wur­de in mei­ner Zeit ei­ne län­ge­re Etap­pe die­ser Epo­che ge­wid­met. (Der Kurs heu­te: klick!)

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