Dienstag, 4. November 2025

Unver­hoff­ter Dank

Hal­lo! Schön, dass Sie und Du hier mit­le­sen, auf den Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs. Als Dol­met­sche­rin ist mei­ne Haupt­ar­beits­spra­che Fran­zö­sisch, denn ich dol­met­sche in bei­de Rich­tun­gen (oder aus dem Eng­li­schen ins Fran­zö­si­sche). Deutsch ist mei­ne Mut­ter­spra­che, schrift­lich die Ziel­spra­che. Mein Be­ruf bringt mich oft da­zu, über all­täg­li­che Ent­schei­dun­gen re­gel­mä­ßig nach­zu­den­ken.

Vie­le Wo­chen im Win­ter und im Som­mer und man­che Mon­ta­ge nach Fei­er­ta­gen oder Schul­fe­ri­en sind chro­nisch un­ter­bucht. Al­so ging's ges­tern in der Früh los zu ei­nem bei­na­he eh­ren­amt­li­chen Ein­satz.

Die Hän­de wan­dern ei­gen­stän­dig über die Tas­ten, der Kopf sucht nach Wör­tern, die Lip­pen jon­glie­ren Be­grif­fe, dann schal­te ich auf dem Mo­ni­tor zwi­schen Zu­hö­ren und Dol­met­schen und den Spra­chen hin und her. Ich hö­re bei ei­ner hy­br­i­den Kon­fe­renz Saal- und Re­mo­te-Teil­neh­mer:in­nen zu, spre­che nur bei Be­darf, das Event ist zwei­ein­halb­spra­chig, ich de­cke als Ein­zel­dol­met­sche­rin die Aus­nah­me­fäl­le ab.

Zwi­schen­durch schal­te ich brav auf ei­nem klei­nen Pult rum, an dem ich auch die Tö­ne pe­geln kann, ei­nen hal­ben Tag lang. Al­les läuft, wie es soll. Fast. Ir­gend­wann, die Mit­tags­pau­se ist schon lan­ge her, hö­re ich: „Wir ver­mis­sen un­se­re Dol­met­scher­in …!“

Wie bit­te? Ich bin doch da! Ich ha­be al­les so ge­macht, wie im­mer, aber of­fen­bar kommt kein Ton an. Das Sys­tem ist boc­kig. Auch beim zwei­ten und drit­ten Ver­such bleibt die Re­ak­ti­on aus. Der Mo­de­ra­tor, pro­fess­io­nell und ge­las­sen, schlägt ei­ne Kaf­fee­pau­se vor. Mit Blick auf die Uhr, nicht auf mich.

Der Kon­fe­renz­tech­ni­ker war nur kurz am Mor­gen da. Ich bin hier ganz al­lein auf wei­ter Flur. Und Flur ist hier wört­lich zu neh­men, ich sit­ze im Durch­gang zu den Toi­let­ten, akus­tisch vom Saal ge­trennt. Ne­ben­job: Zwei­te Ad­mi­nis­tra­to­rin die­ser Kon­fe­renz. Zum Glück kennt sich die „Haupt­ad­min­na“ und Chat-Mo­de­ra­to­rin bes­ser mit dem Sys­tem aus als ich. Sie kommt aus dem Saal ge­eilt, loggt mich aus, wie­der ein – und zack, schon läuft wie­der al­les.

Vie­le klei­ne Fens­ter, die Leu­te hal­ten sich Ge­gen­stän­der oder Pa­pier oder Blät­ter vors Ge­sicht und spie­len mit den Fens­tern.
On­line­kon­fe­renz mit Hu­mor


Nach der Pau­se bin ich wie­der live. Der Mo­de­ra­tor be­grüßt mich la­chend ins Mi­kro: „Ah, da ist un­se­re Dol­met­scher­in wie­der — wir hat­ten schon Angst, Sie hät­ten sich im welt­wei­ten Netz ver­irrt!“ Na ja. War ja nur ein klei­nes, we­der sicht- noch hör­ba­res Ab­tau­chen im Sys­tem, und zwar aus un­er­find­li­chen Grün­den.

Plötz­lich kommt die Chat-Mo­de­ra­to­rin zu mir zu­rück, hat die Ka­me­ra an­ge­macht, drückt auf den Licht­schal­ter im Flur­licht (drin­gend nö­tig) und sagt: „Darf ich Euch Ca­ro­line vor­stel­len, der wir heu­te die Ver­dol­met­schung ver­dan­ken?“ … dann sagt sie es auch noch ein­mal auf Fran­zö­sisch, wie es sich ge­hört.

Ich sit­ze da, ver­blüfft und kurz sprach­los. Die Ka­me­ra zeigt mich, die aus dem Funk­loch. Sze­nen­ap­plaus. Die Ka­chel­ge­sich­ter stra­hlen mich an und klat­schen wei­ter. Ich ni­cke und deu­te ei­ne Ver­beu­gung an, als stün­de ich auf ei­ner The­a­ter­büh­ne.

Fa­zit: Aus ei­ner Tech­nik­pan­ne wur­de ei­ne Dank­sa­gung. Wir ar­bei­ten meis­tens un­sicht­bar, und wenn un­se­re Ar­beit gut ge­macht war, ist sie nicht wei­ter auf­ge­fal­len.

______________________________
Fo­to: C.E. (Ar­chiv)

Keine Kommentare: