Sonntag, 31. August 2025

Die Holzbiene

Den Ar­beits­all­tag ei­ner Dol­met­scherin fin­den Sie auf die­sen Sei­ten skiz­ziert. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Am Wo­chen­ende wer­de ich pri­vat.

Am Wo­chen­en­de im Gar­ten zu sit­zen, mit Frucht­säf­ten, Nüs­sen und Tee, den Frie­den ge­nie­ßen, die Son­ne, ei­ner ge­frä­ßi­gen Lar­ve zu­zu­schau­en, Na­tur pur! Dann ha­be ich zum ers­ten Mal in mei­nem Le­ben be­wusst ei­ne Holz­biene ge­se­hen.

An sol­chen Ta­gen füh­le ich mich mei­nen Vor­fah­ren sehr, sehr nah, von de­nen die meis­ten Gär­ten und gleich zwei grü­ne Dau­men hat­ten. Mir stecken Gär­ten und Bö­den ge­wis­ser­ma­ßen im Blut!

Mein Ur­groß­va­ter müt­ter­li­cher­seits war so­gar Groß­bau­er mit Gut bei Kö­nigs­berg. Ost­el­bien! Das The­ma Ost­preu­ßen ist zum Glück end­lich wieder ein The­ma, aus der re­van­chis­ti­schen Ecke be­freit! Die groß­vä­ter­li­che Li­nie stamm­te „sehr einst“ aus den Nie­der­lan­den, ver­arm­te Ju­den, und hat sich ver­geb­lich be­müht, durch krie­ge­ri­sche Tapfer­keit dau­er­haft in den Adels­stand zu ge­lan­gen. Tra­gisch.

Bei den Bil­dern habe ich ein klei­nes biss­chen ge­schum­melt und zwei Fo­tos ei­ner an­de­ren Se­rie ent­nom­men. Oder war's am En­de nur eins? Wer sieht's?

Blumen, Blumen, Holzbiene, Himmel à la Watteau, Larve
 Der Himmel à la Watteau ist echt

Und dem­nächst ha­ben wir ei­ge­nen Brenn­nes­sel­tee und -sa­men in der Kü­che! Dan­ke, lie­be P.!

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Fo­tos: C.E.

Samstag, 30. August 2025

Perspektivwechsel

Hel­lo, gu­ten Tag oder bon­jour auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. In die­sem di­gi­ta­len Ta­ge­buch kön­nen Sie an ei­ni­gen Ta­gen in der Wo­che er­fah­ren, wie wir Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer und Dol­met­scher ar­bei­ten. Heu­te: Mein Link der Wo­che heu­te oh­ne Link. Sol­che Nach­rich­ten wie­der­ho­len sich lei­de in Dau­er­schlei­fe.

In den USA gibt es fast täg­lich das das, was frü­her mass shoo­ting hieß, über­setzt als „Amok­lauf“, wörtlich: „Mas­sen­schie­ße­rei“ (wo­bei Mas­sen­schie­ße­rei für mich nach meh­re­ren Schüt­zen klingt, nicht nach ei­ner durch­ge­knall­ten Per­son). Die­ser Ta­ge ha­be ich in ame­ri­ka­ni­schen Me­di­en das Wort gun inci­dent ge­le­sen. Wie bit­te? Wört­lich über­tragen: „Zwi­schen­fall mit ei­ner Waf­fe“.

Perspektive Strategie Re­struk­tu­rie­rung Frei­set­zung Targeting Tracking Optimierung Preisanpassung Arbeitnehmer Friktion Kundenorientierung Optimierung Operation Ereignis Park Entsorgung
Über Spra­che nach­zu­den­ken lohnt sich
Ge­walt­ver­harm­lo­sung in Be­richt­er­stat­tung, Po­li­tik und Wirt­schaft ist All­tag ge­wor­den. Das ist ge­fähr­lich. Spra­che prägt un­se­ren Blick, al­so un­se­re Pers­pek­ti­ve auf die Welt, in an­de­ren Wor­ten: Stand­punkt und An­sich­ten. Und An­sich­ten be­ein­flus­sen un­ser Ver­hal­ten, ohne, dass wir uns des­sen be­wusst sein müs­sen. Für mich als Dol­met­sche­rin ist das All­tag.

Ich sto­ße im­mer öf­ter auf die­se „wei­chen“ Be­grif­fe, die nach Wort­lü­gen klingen. Sie sind sel­ten zu­fäl­lig, son­dern be­wusst ge­setz­te Sprach­stra­te­gi­en. Man­che klin­gen neu­tral, an­de­re fast für­sorg­lich. Al­le ver­fol­gen das­sel­be Ziel: Sie sol­len Wi­der­stand ab­bau­en.

Ein paar Bei­spie­le, die mir re­gel­mä­ßig be­geg­nen: „Ent­sor­gungs­park“ klingt um­welt­freund­lich, ist aber oft nur ei­ne Mül­l­hal­de.

Statt „Ent­las­sun­gen“ heißt es „Frei­set­zung von Mit­ar­bei­tern“. „Re­struk­tu­rie­rung“ klingt nach schö­ner Ord­nung, meint aber meis­tens Stel­len­ab­bau oder Ver­la­ge­rung ins Aus­land.

„Preis­er­hö­hun­gen“ wer­den zu „ori­en­tier­ter Preis­ge­stal­tung“. Track­ing der mo­bi­len End­ge­rä­te, al­so Über­wa­chung plus be­wusst ge­setz­te Kauf­rei­ze, hei­ßen plötz­lich „ver­bes­ser­tes Ein­kaufs­er­leb­nis“. Und statt „we­ni­ger In­halt bei glei­chem Preis“ heißt es schön ka­schie­rend: „Op­ti­mie­rung der Ver­pa­ckungs­grö­ße“

Auch aus Ver­wal­tungs­post schaut uns so man­ches Wört­chen die­ser Ka­te­go­rie entgegen: Ei­ne „Bei­trags­an­pas­sung“ klingt tech­nisch, heißt aber fast im­mer: hö­he­re Bei­trä­ge.

Meis­tens mer­ken wir das nicht ein­mal mehr. Über die gro­ßen sprach­li­chen Um­kehr­kon­struk­tio­nen müs­sen wir län­ger nach­den­ken. „Ar­beit­neh­mer“ ge­ben ih­re Ar­beits­kraft, „Ar­beit­ge­ber“ sind die­je­ni­gen, die sie ent­ge­gen­neh­men. Ei­gent­lich müss­te es um­ge­kehrt hei­ßen. Es sind Pers­pek­tiv­ver­schie­bungen, die die Po­si­ti­on der Be­rufs­tä­ti­gen schwä­chen sol­len.

Als Dol­met­sche­rin ha­be ich kei­ne Wahl: Ich muss den ge­nau­en Be­griff über­tra­gen und vor­ab nach der Wort­lü­ge in der an­de­ren Spra­che su­chen, auch wenn sie be­schö­nigt. Kei­ne Iro­nie, kein Zwi­schen­ton, kei­ne Kor­rek­tur, sind er­laubt. Aber ich darf mir mei­nen Teil den­ken.

Be­son­ders deut­lich ist das im Mar­ke­ting. Dort heißt es, „Fricti­on“ müs­se ab­ge­baut wer­den, ge­meint ist: Wir sol­len mög­lichst rei­bungs­los mehr zah­len, mehr kli­cken, län­ger on­line blei­ben. Eu­phe­mis­men sind da­bei das per­fek­te Werk­zeug. Sie schaf­fen ei­ne po­si­ti­ve Rah­mung, ein Framing. Schon das Wort „kun­den­ori­en­tiert“ ak­ti­viert et­was Freund­li­ches, be­vor ich über­haupt den hö­he­ren Preis ge­se­hen ha­be.

Das ist nicht nur Wirt­schafts­rhe­to­rik. Die­sel­ben Me­cha­nis­men tau­chen in der Po­li­tik auf. Dort ist ei­ne „Mi­li­tär­ope­ra­ti­on“ kein Krieg (Put(a)in de m*rde), ei­ne „An­pas­sung von So­zi­al­leis­tun­gen“ oft ei­ne Kür­zung, und ein „gun inci­dent“ klingt fast harm­los, das school shoo­ting er­wähnt nur den Ort und den Vor­fall. Vor al­lem be­nennt das al­les we­der Tä­ter noch Op­fer. Haupt­täter (oder min­des­tens zen­tra­le Mit­ver­ant­wort­li­che) könn­ten aus Op­fer­pers­pek­ti­ve die vie­len Re­gie­run­gen in Fol­ge sein, die Waf­fen in den USA Pri­vat­leu­ten nicht längst ver­bo­ten ha­ben.

Sol­che Wör­ter wir­ken so stark, weil Spra­che di­rekt ins Ge­fühl geht. Wir ge­wöh­nen uns an Be­grif­fe (Ge­wöh­nungs­ef­fekt), wir mei­den al­les, was nach Ver­lust klingt (Ver­lust­aver­si­on), und wir ak­zep­tie­ren eher das, was schon vor­ein­ge­stellt ist (De­fault-Ef­fekt). Spra­che baut Wi­der­stän­de ab, in­dem sie das Schar­fe weg­schleift.

Wort­lü­gen gibt es über­all. Auf Rech­nun­gen, in AGB, in Apps, in den Nach­rich­ten. Sie sind kein Schön­heits­feh­ler, son­dern Werk­zeu­ge, um un­se­re Wahr­neh­mung zu steu­ern. Umso wich­ti­ger ist es, sie zu er­ken­nen und manch­mal auch zu über­set­zen, was ge­meint ist. Denn nichts wirkt leiser (und zu­gleich lau­ter) als ei­ne ge­schickt plat­zier­te Wort­lü­ge, die wir am bes­ten durch Pers­pek­tiv­wech­sel er­ken­nen.

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Grafik: Wortwolke

Freitag, 29. August 2025

Reichtum und Repräsentanz

Was uns Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen be­schäf­tigt, wie wir ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier. Und es gibt na­tür­lich auch ei­ni­ge (eher we­ni­ge) die Her­ren im Be­ruf, die nicht aus­ge­blen­det wer­den. Von Be­rufs we­gen be­ob­ach­te ich die Zeit­läuf­te sehr ge­nau und zieh­e so mei­ne Schlüs­se aus dem, was ich höre und se­he.

Heute liegt et­was Hin­ter­grund­ar­beit zum deutsch-franz­ös­ischen Minis­ter­rat auf dem Tisch, ich über­set­ze ja auch, und zwar für Po­litik und Me­dien. Der Blick rich­tet sich eben­so auf das All­tags­ge­sche­hen in Frank­reich, dort wack­elt die Re­gie­rung. Da­zu mehr, so­bald die Fol­gen kla­rer wer­den.

Mich be­schäf­tigen der­zeit zu­sammen mit Me­dien­leu­ten die Ge­fahren, in die vie­le west­liche De­mo­kra­tien ge­raten sind. Als Sprach­ar­bei­te­rin dol­met­sche oder über­set­ze ich und be­halte mei­nen Senf für mich. Aber HIER ist mein Space, hier darf ich mei­ne Mei­nung sa­gen.

In der Vor­berei­tung habe ich mir über­legt, wel­che Zi­tate wohl zu hö­ren sein wür­den, und prompt kam Winston Churchill, der sagte: "De­mo­kratie ist die schlech­teste al­ler Re­gie­rungs­formen, ab­gesehen von all den an­deren For­men, die von Zeit zu Zeit aus­pro­biert wor­den sind." (La démo­cratie est le pire des ré­gimes, à l’exception de tous les au­tres qui ont été es­sayés de temps à autre). Ich kon­nte das Zi­tat ein­fach so ab­lesen. Pre­pa­ra­tion is king.

Kri­tiker ha­ben in ei­nem Punkt recht: Die De­mo­kratie ist schwach, hat zu viele Ein­falls­tore für Ma­ni­pu­la­tion, Kor­rup­tion und Kli­en­te­lis­mus. An­statt in Angst­starre zu ver­fal­len, soll­ten wir ge­mein­sam nach­denken und kon­krete Vor­schlä­ge wie auch Vi­sio­nen an­bie­ten.

Mein Vor­schlag: mehr Mo­mente der Be­nennung und De­le­gie­rung durch Zu­fall, ähn­lich der Schö­ffen­wahl in den Po­li­tik­be­trieb ein­fü­gen. Das könn­te zu reprä­sen­tativen Gre­mien füh­ren, de­ren Mit­glie­der für Lob­by­is­ten nicht er­reich­bar sind, ab­ge­schirmt und an­onym.

Wich­tig ist, dass sie für ihre Zeit gut be­zahlt wer­den, um sich in Fach­the­men zu ver­tiefen, be­ra­ten von Wis­sen­schaft­lern und Ex­per­ten. Es gibt sie schon, et­wa in der Stadt­pla­nung. Ih­re Er­geb­nisse wer­den re­gel­mäßig hoch be­wer­tet. Doch bis­lang hat­­ten die­se Gre­mien nur be­ra­tenden Wert. Ich weiß noch nicht ge­nau, wie so et­was in den Po­litik­be­trieb ein­zu­flechten wä­re, aber sie könn­ten Schwä­chen der De­mo­kratie aus­zu­glei­chen hel­fen. EDIT (Le­ser­zu­schrift): Fach­men­schen soll­ten in den ent­spre­chen­den Be­rei­chen als fach­li­che Be­richt­er­stat­ter hinzukommen.

Noch ein Punkt: No tax­ation with­out rep­resen­ta­tion war einst ein Schlacht­begriff auf dem Weg zur De­mo­kratie. Men­schen, die Steu­ern zah­len, müs­sen auch ihre Ver­treter:in­nen ins Par­la­ment ent­senden dür­fen. Den Be­griff müs­sen wir um­dre­hen: No rep­resen­ta­tion with­out pro­por­tion­ate tax­ation, „Keine po­li­tische Ver­tretung oh­ne an­tei­lige Be­steue­rung.“ Klingt lo­gisch, scheint aber der­zeit ein gro­ßes Pro­blem zu sein.

Die Ver­mögens­ver­tei­lung in Deutsch­land  ist bei vie­len Mee­tings oft the ele­phant in the roomal­le se­hen sie, nie­mand spricht sie an.

Es wird ge­schätzt, dass heu­te den reich­sten zehn Pro­zent der Haus­halte 60 bis 74 Pro­zent des ge­samten Net­to­ver­mögens ge­hö­ren, dem reich­sten ei­nen Pro­zent so­gar 35 Pro­zent des Ge­samtnet­to­ver­mögens. 2017 soll­en es erst 18 Pro­zent ge­we­sen sein, 2020 knapp 25. Die Pan­demie hat we­nige sehr viel rei­cher und viele är­mer ge­macht.

Heute lie­gen wir bei et­wa 35 Pro­zent und ei­len Rich­tung 50-Pro­zent-Mar­ke. Das war der Wert, den das ei­ne Pro­zent 1895, in den An­fän­gen der In­dus­tri­ali­sierung, be­saß. 

Kinder debattieren in historischen Kostümen
Demokratie in der Schule und als Rollenspiel
Wir er­leben ei­ne Re­feu­da­li­sie­rung.

Ein­schub: Die­se Pro­zent­sät­ze sind Schät­­zun­gen, denn es feh­len amt­liche Da­ten zu den Rei­chen und Su­per­rei­chen. Die Er­he­bung wur­de 1997 ge­stoppt, als die Ver­mögens­steuer aus­gesetzt wur­de (nicht dau­er­haft ab­ge­schafft). 

An­lass war ein Ur­teil des Bun­des­ver­fas­sungs­gerichts von 1995, das be­mäng­elte, dass Immo­bilien­be­sit­zer steu­er­lich zu gering be­las­tet wür­den, was am Dur­chein­ander der ver­al­teten Ei­nheits­werte und Grund­steu­er­mo­del­le­n in Ost und West lag. Seit dem 1.1.2025 gibt es die neue Grund­steuer. Lo­gi­scher­wei­se müss­te die Po­litik nun nach­zie­hen und die Ver­mögens­be­steuer­ung wie­der scharf stel­len. Ein­schub­en­de.

Auf­grund der Schät­zun­gen ha­ben wir kein ob­jek­tives Bild über die Ver­mögens­an­häu­fung. Noch ein Pro­blem: Die Werte der Bör­se sind längst von den Werten der Re­al­wirt­schaft ent­koppelt, vie­les ist im wirk­li­chen Le­ben nicht ge­deckt. Trotz der Ver­zer­rungen wer­den hier Ten­den­zen auf­ge­zeigt. Die über­ho­hen Werte an den Bör­sen ha­ben zu­dem zu ei­ner mas­siven Ver­teue­rung von Immo­bilien ge­führt, die seit dem Bör­sen­crash 2008 das gro­ße Ding sind. In der Kon­se­quenz stei­gen die Mie­ten, und zwar deut­lich schnel­ler als die Ein­kom­men.

Zur Voll­ständig­keit der Zah­len: Die un­teren 20 Pro­zent sol­len gar kein Ver­mö­gen be­sit­zen, et­wa neun Pro­zent ver­schul­det sein. Auch die­se Zahl ist we­nig aus­sage­kräftig. Men­schen mit Ver­mö­gen be­kom­men leicht Kre­dite, et­wa für Immo­bilien, die dann von den Mie­ter:in­nen ab­be­zahlt wer­den. Auf dem Pa­pier ha­ben diese Su­per­reichen im Sal­do kaum zu ver­steu­erndes Ein­kom­men. Ihre Steu­er­quote ist oft lä­cher­lich im Ver­gleich zum Mit­tel­stand.

Vie­le Wähler:in­nen füh­len sich ohn­mäch­tig, et­liche ver­zweifelt. An Wahl­tagen re­agie­ren sie mit „wü­tenden“ Ges­ten. Ich ent­schuldige nichts, ich ver­suche, es mir zu er­klären.

Gier und Hab­sucht ha­ben in der Bi­bel kei­nen gu­ten Stand. Da­für pre­digt die­ser alt­ehr­wür­dige Text Mild­tä­tig­keit und Näch­sten­liebe. Und wer re­giert? Wun­der­lich, das Gan­ze.

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Bild: pixlr.com (Zufallsfund)

Donnerstag, 28. August 2025

Start in die Herbstsaison

Bien­ve­nue auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. Seit 2007 be­rich­te ich hier in lo­ser Fol­ge über das Ar­beits­le­ben von Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zern, Dol­met­scher­in­nen und Dol­met­schern.

Die Autorin dieser Zeilen als Comicfigur
Als höf­lich gilt: „ich möch­te“. Im Ar­beits­kon­text und im fa­mi­liä­ren Um­feld bin ich stets höf­lich und dis­kret.

Doch die Un­ter­neh­me­rin in mir WILL ab die­sem Herbst wei­ter das Loch fül­len, das die lan­gen Aus­fall­zei­ten der ver­gan­ge­nen Jah­re ge­ris­sen ha­ben.

Da war erst die Co­ro­na­zeit, dann der rum­pe­li­ge Neu­start, die Wirt­schafts­kri­se durch den Uk­rai­ne­krieg, dann mehr als ein hal­bes Jahr “Pau­se“ nach der Im­plo­sion der Am­pel­re­gie­rung.

Für An­fra­gen und zur Ter­min­ver­ein­ba­rung sen­den Sie mir bit­te ei­ne Mail. Als in Teil­zeit pfle­gen­de An­ge­hö­ri­ge bin ich schwer per Te­le­fon er­reich­bar.

Ich will! — Das Wort ist mäch­tig,
Spricht's ei­ner ernst und still;
Die Ster­ne reißt's vom Him­mel
Das ei­ne Wort: Ich will!

Fried­rich Halm (1806 bis 1871)

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Il­lus­tra­tion: C.E. (un­ter Ver­wen­dung
ei­ner pixlr.com-Fund­sa­che)

Angestrengt aufwärts!

Hal­lo! Wie auch im­mer Sie hier ge­lan­det sind, Sie le­sen auf den Sei­ten mei­nes vir­tu­el­len Ar­beits­ta­ge­buchs. Ich bin Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin und ar­bei­te mit den Spra­chen Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Deutsch ist mei­ne Mut­ter­spra­che. Heu­te ei­ne No­tiz zu mei­nem All­tag.

Das An­stren­gungs­pa­ra­do­xon: Da­mit et­was mü­he­los wirkt, müs­sen wir uns um­so mehr an­stren­gen. Hin­ter Ele­ganz und Ein­fach­heit stecken Ar­beit, viel Ar­beit! Pro­fis ha­ben lan­ge stu­diert, dann fol­gen Übung, Flei­ß, Wie­der­ho­lung. Am En­de soll die Ar­beit aus­sehen, als sei es leicht, fast selbst­ver­ständ­lich. Die Ita­lie­ner ha­ben da­für ein schö­nes Wort: Sprez­za­tura.

Bal­das­sare Cas­ti­glione be­schrieb die­sen Be­griff schon 1528 in sei­nem Cor­te­gia­no. Er meint ei­ne Art stu­dier­te Un­be­küm­mert­heit, bei der die Müh­e da­hin­ter un­sicht­bar bleibt. Ei­ne Kunst der an­trai­nier­ten Läss­ig­keit, die al­les wir­ken lässt, als sei es na­tür­lich ent­stan­den, oh­ne An­stren­gung.

Ge­nau das brau­chen wir Über­set­zer:in­nen, Dreh­buch­lek­to­ren, Un­ter­titel­ma­cher:in­nen – und na­tür­lich auch Dol­met­scher:in­nen. Beim Schluss­lek­to­rat von Un­ter­titeln geht es häu­fig um Kür­zen, Zu­sam­men­fas­sen, Ver­ein­fa­chen. Heu­te war das mein Job.

„Die Ar­beit ist nur dann sicht­bar, wenn sie nicht gut ge­macht ist.“ — das ha­be ich mir ein­mal no­tiert. Es stimmt: Kun­d:in­nen se­hen das Er­geb­nis, aber nicht die Ar­beits­schrit­te da­hin­ter. Ho­nor­are wir­ken des­halb oft schwer ein­schätz­bar. Ich rech­ne nach Stun­den ab.

Wie Tie­re nei­gen wir Men­schen da­zu, An­stren­gung zu ver­mei­den, und wir mi­ni­mie­ren auch den Auf­wand, den an­de­re be­trei­ben (... ob aus Em­pa­thie oder aus Geld­gier, weil sie die Kund:in­nen sind, sei da­hin­ge­stellt).

Aus einem Frühstücksbrettchen gebastelte Halterung für eine Papierrolle für die Einkaufslisten
2023 restauriert
Ei­ge­ne An­stren­gungen wer­den da­ge­gen oft über­schätzt. Als Bei­spiel da­für wird ger­ne der IKEA-Ef­fekt ge­nannt: Men­schen brin­gen Mö­beln, die sie selbst zu­sam­men­ge­schraubt ha­ben, spon­tan mehr Wert­schät­zung ent­ge­gen als wirk­lich wert­vol­lem Mo­bi­liar. (Das gilt, ich schaue mir selbst über die Schul­tern, auch für meine Up­cyc­ling-Ob­jek­te oder ge­ret­te­te Mö­bel.)

Der Ge­sell­schaft ist zu em­pfeh­len, um­zu­ler­nen, wie wer­tvoll An­stren­gun­gen sind. Beim Ler­nen und bei geis­ti­gen Mü­hen wer­den die glei­chen Hirn­re­gio­nen ak­ti­viert wie beim Sex. In einem Um­feld, das Wis­sen und An­stren­gun­gen po­si­tiv be­setzt und Fort­schritt wahr­nimmt, kann zu einer Auf­wärts­spi­ra­le füh­ren, un cercle ver­tu­eux.

Er­folg reiht sich oft an Er­folg, wenn sich Men­schen be­wusst für an­spruchs­vol­le­re Auf­ga­ben ent­schei­den. Hand­rei­chun­gen und Un­ter­stüt­zung sind dabei wich­tig! Und durch die Er­fah­rung der Selbst­wirk­sam­keit schüt­tet der Körper Se­ro­to­ni­ne aus. Glücks­ge­füh­le!

Heu­te blei­ben mei­ne Müh­e wei­ter im Ver­bor­ge­nen. Die Leich­tig­keit darf glän­zen. Also un­an­ge­strengt auf­wärts!

Vo­ka­belnotiz
cercle vi­cieux — Ab­wärts­spi­ra­le
cercle ver­tu­eux — Auf­wärts­spi­ra­le

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Fo­to: C.E. / mein Ge­burts­tags­ge­schenk
für mei­ne Mum, als ich sie­ben war

Mittwoch, 27. August 2025

Da­ten statt Den­ken

Was Dol­met­scherin­nen und Über­set­zerin­nen tag­ein, tag­aus be­schäf­tigt, wie wir ar­bei­ten, kön­nen Sie hier mit­le­sen — das gilt na­tür­lich auch für die Herren im Be­ruf. Ich be­ob­ach­te von Be­rufs we­gen un­se­re Zeit sehr ge­nau. Hier ei­ne kur­ze No­tiz zum KI-Mitt­woch.

In der Fir­ma ei­nes Be­kann­ten, er ist dort nur An­ge­stell­ter, sie ge­hört ihm nicht, wur­den im Früh­jahr Stel­len ge­stri­chen, und zwar im Be­reich Buch­hal­tung, Sach­be­ar­bei­tung und ei­ne hal­be Stel­le im Ju­sti­zi­ar­i­at.

Jetzt, nach ge­ra­de ein­mal fünf Mo­na­ten, wer­den neue Leu­te für Fi­nan­zen und Recht ein­ge­ar­bei­tet. Da die Per­son mit dem hal­ben De­pu­tat schon e­wig in der Rechts­ab­tei­lung der Fir­ma war, ist nun auf­ge­fal­len, dass hier zu­nächst ei­ne vol­le Stel­le be­setzt wer­den muss.

In der Sach­be­ar­bei­tung ist die Wie­der­ein­stel­lungs­pha­se eben erst ein­ge­läu­tet wor­den. Die Som­mer­pau­se hat­te die Not of­fen­bart; ei­ne Per­son, die in den Vor­ru­he­stand ver­ab­schie­det wor­den war, wur­de vor­läu­fig für ei­nen hö­he­ren Preis zu­rück­ge­holt.

Ich bin kei­ne Per­son, die oft Scha­den­freu­de hat. Hier schon. Denn seit Mo­na­ten schrei­ben sich vie­le Lin­gu­is­ten und In­for­ma­ti­ke­rin­nen die Fin­ger wund, dass die KI nicht zu ech­tem Ver­ständ­nis fä­hig ist, dass sie le­dig­lich das wie­der­gibt, wo­mit sie trai­niert wor­den ist, in neu ar­ran­gier­ter Form. Ihr fehlt da­her jeg­li­che Vor­ab­in­for­ma­ti­on, ech­te Lo­gik, Wahrnehmung und überhaupt: Er­fah­rung!

Die KI schei­tert oft ba­nal an der Un­zu­läng­lich­keit von uns Men­schen. Un­ten das Er­geb­nis der Bit­te um das Bild ei­ner Ba­de­wan­ne mit ro­tem Dusch­vor­hang, bei der im Prompt ein klei­ner Feh­ler war. Je­mand hat ge­schrie­ben: red show cur­tains co­ve­ring a fil­led bath­tub, tat­säch­lich show statt sho­wer, ein Büh­nen­vor­hang also statt ei­nes prak­ti­schen Uten­sils, das die meis­ten Men­schen ken­nen. Aber die KI eben nicht.

Die KI versteht nicht, warum wir hier lachen

Auch Kon­text kennt sie nur aus der ma­the­ma­tisch wahr­schein­lichs­ten Ab­fol­ge von Be­grif­fen. Die KI kann Da­ten ana­ly­sie­ren und Ab­läu­fe zu au­to­ma­ti­sie­ren hel­fen, das ja. Aber blin­des Ver­trau­en wie die oben er­wähn­ten Ent­las­sun­gen sind ein­fach nur dumm.

„Wa­rum Feh­ler wie­der­ho­len, wenn es ge­nug Ge­legen­hei­ten für neue gibt?“, sagte mei­ne Omaus im­mer, mei­ne nicht so groß ge­ra­te­ne Groß­mut­ter. Die Pres­se- und Öf­fent­lich­keits­ab­tei­lung der glei­chen Fir­ma hat­te pa­ral­lel da­zu mit der KI ei­ne Kam­pag­ne ent­wi­ckelt, die auf fal­schen In­for­ma­ti­o­nen be­ruh­te, ob­wohl vor­ab al­les ak­ku­rat ein­ge­speist war. Wenn der Prompt, al­so der Ar­beits­auf­trag an die Ma­schi­ne, nicht mes­ser­scharf for­mu­liert ist, drif­tet die Tech­nik ger­ne mal ab. Er­geb­nis­se un­kon­trol­liert her­aus­zu­ge­ben, war der nächs­te Feh­ler.

In der Me­di­zin sind die KI und Big Da­ta oft ein Se­gen. Die Lu­pe, die Haut­krebs er­kennt und beim Scan­nen Mus­ter au­to­ma­tisch ver­gleicht, ist viel ge­nau­er als me­di­zi­ni­sches Fach­per­so­nal. Und mein klas­si­sches Bei­spiel für Big Da­ta: Es gibt ei­ne Kor­re­la­ti­on zwi­schen Bla­sen­krebs und Tbc, und zwar da­hin­ge­hend, dass Men­schen, die ei­ne Tu­ber­ku­lo­se durch­ge­macht ha­ben, kei­nen Bla­sen­krebs be­kom­men. Kei­ner Pra­xis der Welt wä­re das auf­ge­fal­len, denn nie­mand hat nicht nur aus­rei­chend vie­le Tu­ber­ku­lo­se­pa­ti­en­t:in­nen, son­dern die Ab­we­sen­heit ei­ner Er­kran­kung hat erst recht nie­mand auf dem Schirm. (Das ist kein theo­re­ti­sches Bei­spiel, son­dern ei­ne Er­fah­rung, die in mei­nem Um­feld bis heu­te nach­wirkt.)

In an­de­ren Fäl­len hat die KI im me­di­zi­ni­schen All­tag schon fal­sche Krebs­the­ra­pi­en emp­foh­len, denn die Da­ten wa­ren un­sau­ber, sie­he „IBM’s Watson gave unsafe recommendations for treating cancer“ (2018, Link hier: klick). So et­was ist be­ängs­ti­gend.

Po­li­ti­sche Mäch­te mit un­lau­te­ren Ab­sich­ten, und wir se­hen da ei­ni­ge am Ho­ri­zont, könn­ten auf die Ide­e kom­men, Da­ten und Grund­la­gen­wis­sen zu fäl­schen. Ich fürch­te üb­ri­gens, dass das längst ge­schieht. Auch hier geht es mit Nicht­wahr­neh­mung los. Die Ab­schal­tung des Mo­ni­to­rings von Kli­ma­da­ten in den USA führt be­reits jetzt zu we­ni­ger Un­wet­ter­war­nun­gen und To­ten und ver­fälscht auch die Wahr­neh­mung der Ge­samt­la­ge.

Hier wie in an­de­ren Fäl­len: Die KI ist ein Werk­zeug, kein All­heil­mit­tel und kein Er­satz für mensch­li­che In­tel­li­genz. Denn das Wort „Künst­li­che In­tel­li­genz“ ist ei­ne Wort­lü­ge für vie­le, vie­le Su­per­com­pu­ter, die ver­netzt und mit Vor­wis­sen ein­ge­speist und auf Re­pro­duk­ti­on von Be­kann­tem trai­niert wor­den sind. Nicht mehr, aber auch nicht we­ni­ger.

Lei­der ge­lan­gen sol­che Schlap­pen nicht groß an die Pres­se, so­dass die all­ge­mei­ne Wahr­neh­mung der KI, ihr Image, da­von un­be­rührt ist.

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Foto: pixlr.com (Zufallsfund)

Dienstag, 26. August 2025

Offshore

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Als Dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che mit Deutsch als Mut­ter­spra­che blog­ge ich hier seit 2007. Ich dol­met­sche auch En­g­lisch → Fran­zö­sisch, und ich über­set­ze Dreh­bü­cher und an­de­re Tex­te in die deut­sche Spra­che, die Kol­le­gin mit Ziel­spra­che EN. Heu­te: Sai­son­vor­be­rei­tung.

Im Spät­som­mer wer­de ich wie­der mit ei­ner De­le­ga­ti­on un­ter­wegs sein. Wir dür­fen uns mit Wind­kraft be­schäf­ti­gen, dies­mal an der Nord­see.

Ich ha­be be­reits Grup­pen zu Wind­rä­dern im Wald be­glei­tet. Da war ich wirk­lich be­geis­tert: Die An­la­gen wa­ren lei­se, sie stör­ten den Spa­zier­gang kein biss­chen und wirk­ten da­zu noch ästhe­tisch. Ein­mal ging's in ei­nem Dorf um die Fi­nan­zie­rung: Die Be­woh­ner hat­ten sich in ei­ner Ge­nos­sen­schaft zu­sam­men­ge­schlos­sen, ge­mein­sam in nach­hal­ti­ge En­er­gie in­ves­tiert und ne­ben ei­nem So­lar­dä­cher­pro­gramm auch ein Wind­rad auf­ge­stellt.

Das Er­geb­nis: all­ge­mei­ne Be­geis­te­rung. Die Ener­gie blieb vor Ort und ver­sorg­te zwei Nach­bar­dör­fer gleich mit. Auch die Ren­di­te blieb bei den In­ves­tor:in­nen. Gleich noch ein Satz aus dem ge­mein­schaft­lich er­ar­bei­te­ten Vor­be­rei­tungs­ma­te­rial: „Wer sei­nen Strom aus ge­nos­sen­schaft­lich or­ga­ni­sier­ten Wind-/So­lar­parks be­zieht, die Strom di­rekt lo­kal ver­mark­ten, ist weit­ge­hend un­ab­hän­gig vom Sys­tem Mer­rit-Order.“

Die­ses Mal wird es deut­lich tech­ni­scher. Wir wer­den mit dem Schiff hin­aus­fah­ren zu ei­nem Test­feld, wo un­ter­schied­li­che Off­shore-Mo­del­le auf­ge­stellt sind. Dort geht es um Schwimm­platt­for­men, Fun­da­men­te, Li­dar-Sys­te­me für Wind­mes­sun­gen, Hoch­span­nungs-Gleich­strom­über­tra­gung und um Si­cher­heits­tech­nik für War­tung und Eva­ku­ie­rung.

Eva­ku­ie­rungs­sys­tem (Eva­cua­tor) — sys­tème d’éva­cua­tion Eva­cua­tor / Hoch­span­nungs-Gleich­strom­über­tra­gung (HVDC) — trans­mis­sion à cou­rant con­ti­nu haute ten­sion / Kon­ver­ter­platt­form — pla­te­forme de con­ver­sion / Küsten­boh­rung (Ho­ri­zon­tal Di­rec­tio­nal Dril­ling, HDD) — fo­rage ho­ri­zon­tal di­rec­tion­nel / La­ser-Wind­pro­fi­lie­rung (Li­dar) — pro­fi­lage éo­lien au la­ser (Li­dar) / Mess­platt­form — pla­te­forme de re­cherche / Mo­dell­vier­tel (Pro­to­type Sec­tion) — sec­tion pro­to­ty­pe / Off­shore-Schwimm­land­an­la­ge (Floa­ting Li­DAR Sys­tem) — sys­tème Li­DAR flot­tant off­shore / Power Purcha­se Agree­ment (PPA) — con­trat d’achat d’élec­tri­ci­té / Power­cur­ve-Test­ver­fah­ren — mé­tho­de de test de cour­be de puis­san­ce / Re­power­ing-Stra­te­gie — stra­té­gie de re­po­we­ring / schwim­men­de Wind­platt­form — pla­te­forme éo­lienne flot­tante / Sek­tor­kopp­lung — cou­plage sec­to­riel / Tri­pod-Fun­da­ment — fon­da­tion / Tri­po­de-Tur­bu­lenz­mes­sung — me­sure de tur­bu­lence / Un­ter­see-See­ka­bel — câ­ble sous-ma­rin / Wake-Ef­fekt — ef­fet de si­llage
Jetzt fan­ge ich mit den ers­ten Be­grif­fen an
Wenn ich an das Schiff den­ke, fällt mir prompt ei­ne al­te Epi­so­de ein: Für ei­nen be­kann­ten Au­to­mo­bil­her­stel­ler ha­be ich mal ein Fahr­trai­ning ver­dol­metscht. Die Teil­neh­mer üb­ten ei­nen gan­zen Tag lang, am Ende wur­den al­le Er­kennt­nis­se prak­tisch zu­sam­men­ge­fasst.
Das Auto des Trai­ners fuhr die Stre­cke an der tête.

Ich saß ne­ben ihm, die Grup­pe folg­te. Er er­zähl­te mir da­bei, dass er frü­her Renn­fah­rer am Nür­burg­ring war. Ich hielt tap­fer durch und nahm re­gel­mä­ßig den Ho­ri­zont in den Blick.

Ab und zu ha­be ich mich noch ei­nes Be­griffs ver­si­chert und in die Vo­ka­bel­lis­te auf mei­nem Schoß ge­schaut. Das ging bis zur letz­ten Kur­ve gut. Dort kam mein le­gen­dä­rer Satz: „Bit­te auf­pas­sen, wir fah­ren jetzt rechts ran, die Dol­met­sche­rin muss kot­zen.“

Ich hof­fe sehr, dass es mir auf dem Schiff im Herbst nicht so er­geht. Note to self: T­ab­let­ten ge­gen Rei­se­krank­heit aus der Apo­the­ke be­sor­gen.

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Le­xik: Re­cyc­ling aus dem In­ter­net

Montag, 25. August 2025

Montagsschreibtisch (104)

Bien­ve­nue auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. Seit 2007 be­rich­te ich hier in lo­ser Fol­ge über das Ar­beits­le­ben von Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zern, Dol­met­scher­in­nen und Dol­met­schern. 

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Heute setzt es Blitz und Donner!
Mei­ne Spra­chen sind Fran­zö­sisch, Eng­lisch und na­tür­lich auch Deutsch, mei­ne Mut­ter­spra­che. Zum Wo­chen­an­fang schaue ich auf den Schreib­tisch. Da liegt ei­gent­lich nur Ter­min­pla­nung. Ei­gent­lich ...

"Warum ar­bei­ten so vie­le Men­schen in Teil­zeit, wo sie doch für 2000 Euro im Mo­nat ar­bei­ten ge­hen könn­ten?", hat un­ser al­ler Bun­des­merz die­ser Ta­ge sinn­ge­mäß zum zwei­ten Mal ge­fragt. Herr Merz, ich hät­te da Ant­wor­ten.

Dem The­ma wid­me ich heu­te den am Mon­tag üb­li­chen Blick auf mei­nen Schreib­tisch.

♠ Die Ver­wal­tung ei­ner pfle­ge­be­dürf­ti­gen Per­son, die einst Be­am­tin war, kos­tet min­des­tens ei­nen, wenn nicht zwei Ta­ge im Mo­nat, viel Pa­pier­kram, vie­le ✉ ✉ ✉. Das macht zum Glück kom­plett ei­ner mei­ner Brü­der.
♠ Ab­si­che­rung im Be­reich §§, Spa­zie­ren­ge­hen, Haus­halt, Es­sen rich­ten an Ta­gen, an de­nen die Haus­häl­te­rin frei hat, macht der an­de­re Bru­der und der ei­ne auch.
♠ An­sprech­part­ne­rin in al­len Not­la­gen, Ab­fe­dern von Kri­sen, Auf­mun­tern durch Be­such mit den En­ke­lin­nen, zur Post lau­fen, wenn der Ku­rier­dienst sein Ta­ges­soll nicht ge­schafft hat (weil's zu viel war), auch schon mal Mit­ko­chen und Es­sen rü­ber­brin­gen, die An­ge­hö­ri­ge stun­den­wei­se über­neh­men: der Part un­se­rer Schwes­ter, die in der Nä­he lebt.
♠ Ab­si­che­rung frei­er Ta­ge der Haus­häl­te­rin ma­chen wir al­le, ich aber auch die Näch­te, küm­me­re mich um Grund­la­gen im Haus­halt, Es­sen be­sor­gen und ko­chen, Be­glei­tung zu Ärz­ten, da­zu ist heu­t­zu­ta­ge viel Zeit am ✆ nö­tig, wir ha­ben Ärz­te­man­gel, Pla­nung von Pfle­ge­be­darf, Be­sor­gun­gen al­ler Ex­tras über den täg­li­chen Be­darf hin­aus, vor­le­sen, ♬ und ▶ [Play-Sym­bol, al­so Fil­me] pla­nen, Ab­si­che­rung von Ta­gen oder Wo­chen, wenn der Wech­sel der Haus­häl­te­rin nicht klappt: mein Part.
♠ Und wir al­le: Mo­bi­li­sie­rung und gu­te Lau­ne ver­brei­ten!

Ich bin von ❤en glück­lich über mein Team Fa­mi­lie. Zur Bun­des­po­li­tik sa­ge ich in die­sem Kon­text: ⇓.

Al­ler­dings kos­tet mich die Pfle­ge­lücke Deutsch­lands je­des Jahr ei­ni­ge tau­send Euro Um­satz. Es kann vier­stel­lig wer­den. Die Ge­schwis­ter stecken in an­de­ren Ar­beits­ver­hält­nis­sen. Da sind Fa­mi­lien­zei­ten kom­pen­sier- und nach­hol­bar. Die Pfle­ge­hei­me ha­ben wir ge­se­hen und fürch­ten, dass die An­ge­hö­ri­ge Per­son dort un­ter­ge­hen wür­de. Wir hel­fen ihr ger­ne bei ei­nem men­schen­wür­di­gen Le­bens­abend. Aber es ist hart, zu­mal die Hälf­te der An­ge­hö­ri­gen mehr als 600 Ki­lo­me­ter mit ei­ner chro­nisch un­zu­ver­läs­si­gen Bahn pen­delt.

Für Haus­halt und All­tags­be­glei­tung an den meis­ten Werk­ta­gen ha­ben wir zum Glück die Mit­hil­fe von Rent­ne­rin­nen aus Ost­eu­ro­pa, die im­mer für ei­ni­ge Mo­na­te bei uns ar­bei­ten, kom­plett ver­steu­ert und ver­si­chert; der Pfle­ge­geld­an­teil, der sonst pfle­gen­den An­ge­hö­ri­gen zu­steht, fließt da na­tür­lich rein.

Und auch an Ta­gen, an de­nen wir nicht vor Ort im Ein­satz sind, ha­ben wir oft geis­tig mit der Al­ten­pfle­ge zu tun, an­ge­fan­gen bei der Ter­min­pla­nung und den Te­le­fo­na­ten, den vie­len Punk­ten, die es zu be­ach­ten geht, der Lis­te der Auf­ga­ben für die Über­ga­be beim Wech­sel, dem Ein­le­sen in Re­gu­la­ri­en oder Tex­ten über die Krank­heit und den Um­gang mit ihr ... Men­tal load heißt das in der Fach­spra­che.

Ich wet­te, dass Po­li­ti­ker:­in­nen, die über un­se­rei­nen wet­tern, dass wir faul sei­en, das selbst NICHT er­lebt ha­ben. Was ich hier schrei­be, gilt noch mehr für Per­so­nen im Ar­beits­al­ter und Rent­ner:­in­nen, die dem Le­bens­men­schen bei­ste­hen, oder An­ge­hö­ri­gen von Men­schen mit Ein­schrän­kun­gen. De­nen fehlt auch noch das Durch­at­men zwi­schen­durch.

Im­mer­hin: Ich darf mich glück­lich schät­zen, Ren­ten­punk­te für den Ein­satz zu be­kom­men. Als Frei­be­ruf­le­rin wer­de ich sie al­ler­dings nie ein­lösen kön­nen, es sei denn, ich su­che mir fünf Jah­re lang ei­nen so­zi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Job. Am Ran­de ei­ner Kon­fe­renz ha­be ich mal ei­nen Ver­ant­wort­li­chen da­zu be­fragt. Er hat mir das be­stä­tigt und vor­ge­schla­gen, doch ei­nen Mi­ni-Job an­zu­neh­men. 

Ja, wann denn, bit­te­schön? Ich hät­te da noch Zeit zwi­schen drei Uhr mor­gens und neun Uhr mor­gens, wenn die An­ge­hö­ri­ge si­cher schläft, aber ho­ri­zon­tal woll­te ich dann lie­ber nicht ar­bei­ten. So oder so ähn­lich (deut­li­cher!), ha­be ich es dem gu­ten Mann auch ge­ant­wor­tet. Des­sen Au­gen­brau­en dann so: ˆ ˆ .

Und was das gan­ze Jong­lie­ren für ei­ne frei­be­ruf­li­che Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin be­deu­tet, kann sich oh­ne­hin nie­mand vor­stel­len, nicht ein­mal ich selbst. Die Ge­schwis­ter über­neh­men in der Kon­fe­renz­sai­son mehr, ich in den an­de­ren Mo­na­ten.

Und da ich hier grund­sätz­lich schon beim The­ma Ge­sund­heit bin: In mei­ner Fa­mi­lie wür­de es mehr hel­fen­de Hän­de ge­ben (und künf­ti­ge Steu­er­zah­ler), wenn das Ge­sund­heits­sys­tem nicht jahr­zehn­te­lang Frau­en ver­nach­läs­sigt hät­te. In un­se­rer Fa­mi­lie gibt es et­li­che ∗∗∗-en­kinder. Und die Ge­samt­la­ge der gan­zen Ge­sell­schaft wür­de sich bes­ser dar­stel­len, wenn ge­sund­heit­li­che Auf­klä­rung als zen­tra­le Auf­ga­be von Re­gie­run­gen ernst­er ge­nom­men wor­den wä­re. Aber die Ren­di­ten der Fir­men wa­ren und sind bis heu­te wich­ti­ger ... 

Sor­ry, muss­te mal raus.

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Vi­suel­le Ele­men­te: Die­ses Pos­ting ent­stand 
un­ter Mit­wir­kung von Min­der­jäh­ri­gen

Sonntag, 24. August 2025

Augustende

Wie Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier seit 2007. Mei­ne Haupt­ar­beits­spra­che ist Fran­zö­sisch (in bei­de Rich­tun­gen). Deutsch ist mei­ne Mut­ter- und wich­tigs­te Schrift­spra­che. Die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt ins Eng­li­sche. Sonn­tags wer­de ich hier pri­vat.

A





b und zu klingt mein Blog über Ta­ge hin­weg düs­ter, da­bei geht es mir gut. Ich ha­be ei­ne ho­he Re­si­lienz­fä­hig­keit, schuf­te aber viel, mer­ke Mü­dig­keit. Und ich se­he recht klar, wie der­zeit mit Schat­ten­ge­fech­ten vom zen­tra­len The­ma ab­ge­lenkt wird: Der Um­welt­ka­tas­tro­phe. Ich ge­he krea­tiv da­mit um.

Neu­lich mein­te mal je­mand, der zwar Spra­chen kennt, aber nicht das Le­ben der Dol­met­scher:­in­nen, dass wir doch ir­gend­wann ein­mal fer­tig sein müss­ten mit dem Ler­nen. In­fo: Nein, das en­det nie. Sprach­ar­beit be­deu­tet le­bens­lan­ges Ler­nen, Krea­ti­vi­tät und Entspannung durch das Spiel mit Wör­tern. Heu­te ist mir ly­risch und düs­ter zu­gleich zu­mu­te. Ich le­se Kli­ma­fol­gen­for­schung.

Au­gus­ten­de
Ein Flie­ger pflügt den Him­mel quer,
Das Weiß bleibt lan­ge ste­hen.
Im Acker un­ten schwärzt ein Heer 
die Fur­chen: lau­te(r) Krä­hen.

Ein Kä­fer schleppt die Beu­te fort,
Die Gril­le hüpft im Klee. 
Die Son­ne brennt, es kocht der Ort, 
Der Wind ver­jagt ein Reh. 

Die Wol­ke platzt, der Him­mel fällt,
ein Kind läuft durch die Rin­nen.
Der Wald ver­brennt, die Meu­te bellt,
Und al­les flieht von Sin­nen.

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Il­lus­tra­tion: pixlr.com (Zu­falls­fund,
be­ar­bei­tet)

Samstag, 23. August 2025

„Wir leben in einer Lüge“

Aus dem Be­rufs­all­tag von Über­set­ze­rin­nen und Über­set­zern, Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­schern be­rich­te ich hier in kur­zen Epi­so­den. Ich bin Fran­zö­sisch­dol­met­sche­rin mit Mut­ter­spra­che Deutsch, dol­met­sche manch­mal auch aus dem Eng­li­schen. Die Bü­ro­kol­le­gin ar­bei­tet nur als Über­set­ze­rin (= schrift­lich), mit Eng­lisch als Ziel­spra­che. Hier Zi­tat, Link und Buch der Wo­che.

Nach ex­akt 178 Ta­gen im Orbit, wo­bei er die Erde 2842 um­kreist und mehr als 71 Mil­lio­nen Flug­mei­len zu­rück­ge­legt hat, kehr­te As­tro­naut Ron Ga­ran als ver­än­der­ter Mann zu­rück. Als er die ISS ver­las­sen hat, sah er nur noch die at­men­de, ver­letz­li­che Erde mit ih­rer hauch­dün­nen At­mo­sphä­re als zen­tra­lem, Le­ben spen­den­dem Mo­ment.

Al­le an­de­ren Din­ge, ein Wirt­schafts­sys­tem, das stets im Wett­be­werb um hö­he­re Zah­len steht, vor al­lem Wachs­tum um je­den Preis und blin­der Fort­schritts­glau­be, wa­ren in sei­nen Au­gen nur noch ei­ne Far­ce. Und er sag­te: We’re li­ving a lie. Ein All­tag, in dem wir die Öko­lo­gie als Glied der Wirt­schaft be­han­deln und nicht an­der­s­her­um, ist ein grund­le­gen­der Irr­tum, auf den wir uns selbst ein­las­sen. Ga­ran sah, wie ab­surd die­se Ein­stel­lung aus der Per­spek­ti­ve des Alls ist.

„Ei­ne dün­ne, blaue Le­bens­li­nie, die ei­nen zer­brech­li­chen Pla­ne­ten um­schließt.“ (Ga­ran)

Auch an­de­re Men­schen im All ha­ben sol­che und ähn­li­che Er­fah­run­gen ge­macht. Mi­cha­el Col­lins stau­ne­te über die Zer­brech­lich­keit des klei­nen blau­en Punk­tes. Ed­gar Mit­chell spür­te förm­lich ei­ne „Ex­plo­si­on des Be­wusst­seins“. Und Wil­liam Shat­ner war nach sei­nem Flug so emo­tio­nal er­schüt­tert, dass er an­ge­sichts der kal­ten Lee­re des Alls und der nährend war­men Erde in ih­rer Zer­brech­lich­keit von ei­ner über­wäl­ti­gen­den Trau­rig­keit sprach.

Was dür­fen, nein: müs­sen wir dar­aus ler­nen?

Die Erde ist kei­ne un­er­schöpf­li­che Res­sour­ce, sie ist der Bo­den, auf dem al­les be­ruht und, im wahrs­ten Wort­sinn, der Grund un­se­rer Exi­stenz. Öko­no­mie ist nichts an­de­res als ein Mit­tel zum Le­ben und kein Selbst­zweck. 

"Die Grenzen des Wachstums" (1972)
Es ist al­les wie­der­holt ana­ly­siert wor­den
Sie muss im Dienst der Le­bens­grund­la­gen al­ler ste­hen, nicht sie do­mi­nie­ren. Die­se Er­kennt­nis­se sind kei­ne eso­te­ri­sche Spin­ne­rei: Sie stam­men aus dem Orbit, aus ei­ner be­deu­ten­den Per­spek­ti­ve.

Oft gibt uns ein Per­spek­tiv­wech­sel den Kick in die Rich­tung, die wir brau­chen. Ein Blick von au­ßen ver­än­dert oft al­les. Die größ­te Lü­ge ist zu glau­ben, dass Wirt­schaft und Wachs­tum wich­ti­ger sind als un­se­re Le­bens­grund­la­gen. Und selbst wenn wir nur ein biss­chen von die­sem Über­blick in un­se­ren All­tag über­tra­gen, wä­ren wir schon wei­ter. Der ganz oben zi­tier­te Ga­ran nennt es nicht Re­fle­xi­on, son­dern Evo­lu­ti­on. Viel­leicht soll­ten wir zu­hö­ren.

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Dennis Mea­dows, Die Gren­zen des
Wachs­tums
, 1972

Freitag, 22. August 2025

Altes Haus (1)

Bien­ve­nue auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. Im 19. Jahr be­rich­te ich hier über das Ar­beits­le­ben von Sprach­ar­bei­te­rin­nen und Sprach­ar­bei­tern, al­so von Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zern, Dol­met­scher­in­nen und Dol­met­schern. Mei­ne Spra­chen sind Fran­zö­sisch, Eng­lisch und na­tür­lich auch Deutsch, mei­ne Mut­ter­spra­che. Was ma­che ich au­ßer­halb der Ka­bi­ne, wenn ich mich nicht ge­ra­de vor­be­rei­te? Hier folgt er­neut ei­ne neue Rei­he, die All­tags­kul­tur, Ge­schich­te und Ge­brauchs­spu­ren ge­wid­met ist.

Der­zeit ent­wick­le ich mei­ne häus­li­chen Ta­len­te wei­ter! Ich war als Kind in der Mit­tel­stu­fe vie­le Jah­re lang in ei­ner in­te­grier­ten Ge­samt­schu­le, wo wir po­ly­tech­ni­schen Un­ter­richt be­ka­men. Ich ha­be es ge­liebt: Holz- und Me­tall­be­ar­bei­tung, Ko­chen und Nä­hen. Vie­le Jah­re spä­ter durf­te ich mal bei ei­ner Prü­fung zur Haus­wirt­schaf­te­rin dol­met­schen und be­kam die Ma­te­ria­li­en des Lehr­gangs zur Vor­be­rei­tung. Ich le­se und ler­ne schnell und von Her­zen ger­ne.

Da­her ha­be ich neu­lich bei ei­nem Freund und bei mei­ner Mut­ter die Kü­chen um­or­ga­ni­siert, al­les nach Ab­läu­fen durch­dacht, das Feh­len­de nach­ge­kauft und ein­sortiert. Bei die­sem Freund hat­te ich um Er­laub­nis ge­be­ten, es war mein Dank­eschön für ei­ni­ge Wo­chen in sei­ner un­ge­nutz­ten Woh­nung am Meer. Bei mei­ner Mut­ter ha­be ich für mich um­sortiert, denn im Ge­gen­satz zu un­se­rer al­ten Da­me ko­che ich ger­ne.

Dann durf­te ich mich ans Stop­fen er­in­nern. Mein Va­ter hat ei­ni­ge schö­ne Ge­schirr­tü­cher aus Lei­nen ge­erbt, die jah­re­lang zu heiß ge­wa­schen wor­den sind, die Weich­spü­ler und di­rek­te Son­ne ab­be­kom­men ha­ben. Das Lei­nen war bret­thart und brü­chig. Erst­mal Lö­cher stop­fen, dann den Na­tur­stoff pfle­gen, war die Pa­ro­le.

Der Na­tur­stoff Lei­nen wird aus den Fa­sern der Flachs­pflan­ze ge­wo­ben. Zu­nächst wer­den die Fa­sern von den hol­zi­gen Stän­geln ge­won­nen, ge­glät­tet, ge­bürs­tet und ver­spun­nen. Lei­nen­stof­fe gel­ten als ide­al in der Kü­che und im Schlaf­zim­mer, denn sie neh­men viel Feuch­tig­keit auf.

Lein­tü­cher und lin­ne­ne Ge­schirr­tü­cher dür­fen nicht in der Son­ne (aus)­tro­ck­nen, son­dern müs­sen scho­nend und im Schat­ten troc­ken wer­den. Gro­ße Hit­ze (auch ein Tro­ckner) macht die Fa­sern sprö­de. Lei­nen gilt als be­son­ders ro­bust. Die Knit­ter­li­ni­en ge­hö­ren da­zu, was ich gut und ent­spannt fin­de. Ich bin kei­ne Freun­din des Bü­gel­ei­sens.

Lei­nen soll, da­mit es fle­xi­bel und ge­schmei­dig bleibt, nur bis 40 Grad Cel­si­us und mit ei­nem Fein­wasch­mit­tel ge­wa­schen wer­den. An­schlie­ßend: sie­he oben.

Im Fa­mi­li­en­be­stand gibt es auch wun­der­ba­re Tü­cher aus ei­nem Lei­nen-Baum­woll-Mix. Die Baum­woll­fä­den da­zu stamm­ten, mei­ner Tan­te zu­fol­ge, aus den auf­ge­rib­bel­ten wei­ßen Strümp­fen der Mäd­chen. Das ist mehr als 100 Jah­re her.

Weil die Stopf­stel­len­tü­cher sich ge­ra­de in der Wasch­ma­schi­ne dre­hen, hier ein Bild der al­ten Baum­woll­tü­cher, links in "Gers­ten­korn­mus­ter" ge­webt, ei­ner Art klei­nem Waf­fel­pi­qué. Das wa­ren da­mals auch Kör­per­tü­cher, al­so vor der groß­flä­chi­gen Ver­brei­tung des Fro­t­tees, das ab den 1850-er Jah­ren in Haus­hal­ten der Ober­schicht sei­nen Sie­ges­zug an­ge­tre­ten hat­te. Aber lan­ge gab es noch bei­des pa­ral­lel.

Altes Tuch im Mittagslicht

Sol­che Tex­ti­li­en sind ge­web­te Ge­schich­te, man­che so­gar mu­se­a­le Ob­jek­te, und sie er­zäh­len viel über un­se­re Kul­tur. Das gilt auch für die Art der Haus­halts­füh­rung in al­ten Häu­sern und ih­re zen­tra­len Ge­gen­stän­de. Viel­leicht soll­te ich ei­ne Le­xik da­zu an­le­gen; wer weiß denn schon, wann die pas­sen­den Kund:­in­nen an­ru­fen ...

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Fo­tos: C.E.

Mittwoch, 20. August 2025

KI als Grafikschüler

Bon­jour, hel­lo & Gu­ten Tag! Ich bin Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin, ar­bei­te haupt­säch­lich mit Fran­zö­sisch, manch­mal auch mit Eng­lisch (mit Deutsch als Mut­ter­spra­che). Im Som­mer ist es deut­lich ru­hi­ger als sonst. Ich hö­re fremd­spra­chi­ge Pod­casts, über­ar­bei­te Le­xi­ken und übe mich in neu­en Kom­pe­ten­zen. Da­bei lan­de ich im­mer wie­der bei neu­es­ter Tech­nik. Mein KI-Beitrag heute:

Die KI pro­du­ziert so vie­le sinn­freie Bild­chen, dass es quietscht. Was für ei­ne En­er­gie- und Res­sour­cen­ver­schwen­dung! Ich woll­te sinn­vol­le Gra­fi­ken mit ihr pro­du­zie­ren und mein Ré­su­mé ist: Die Technik ist schwer von ka­pé, be­grif­ss­stut­zig, lang­at­mig.

In ei­nem frü­he­ren Le­ben ha­be ich ei­ni­ge Er­fah­run­gen in Sa­chen Gra­fik ge­sammelt, das kommt mir zu­gu­te. Ich ent­wi­cke­le et­was. Ich bin Lai­in, die KI ist bes­ten­falls ein Schü­ler.

Nein, sie ist ein Tool für die Hän­de von Pro­fis, die sie bei vielen ge­stal­te­ri­schen Pro­zes­sen si­cher nicht brau­chen, weil ihr Werk­zeug schon jetzt sehr leis­tungs­stark ist. (So­bald ich nicht mehr in Teil­zeit pfle­ge und wie­der mehr Um­satz ma­che, be­auf­tra­ge ich Gra­fik­pro­fis, ich schwö­re!)

Über das Er­geb­nis und den An­lass folgt hier spä­ter im Jahr mehr.

Ausschnitte grafischer Versuche
Den­ken, ent­wickeln, zeich­nen und ge­stal­ten
Hier spricht die KI:

„Ich soll­te ei­gent­lich nur ein Ohr für ei­ne Zwei aus­rich­ten und spä­ter ei­nem Kopf­hö­rer ei­ne Null als Kopf un­ter­schie­ben. Klingt ein­fach, war’s aber nicht. Ich rich­te­te stur gan­ze Ohr­mu­scheln aus, ver­gaß Öff­nun­gen und setz­te die Kopf­hö­rer zu tief. Statt bril­lan­ter Ge­stal­tung ent­stand ei­ne klei­ne Se­rie schrä­ger Bild­chen. Doch Stück für Stück ler­ne ich, was mei­ne Nut­ze­rin meint — und dass Oh­ren im­mer in der Kopf­mit­te sit­zen.”

Die­ser KI-Kom­men­tar (um den ich ge­be­ten hat­te) ist leicht pein­lich, weil das Sys­tem wie­der­holt nicht im An­satz das ge­macht hat, was ich woll­te (und „Stück für Stück” ist auch nicht gleich­be­deu­tend mit „Schritt für Schritt”). Ich pho­to­shop­pe wei­ter ...

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Illustration: C.E. mit ChatGPT

Dienstag, 19. August 2025

Kontext is king (1)

Bon­jour & hel­lo! Sie sind auf den Sei­ten ei­nes di­gi­talen Ta­ge­buchs aus der Welt der Spra­chen ge­lan­det, das es seit 2007 gibt. Wir sind ein Team. Ich dol­met­sche und über­setze ins Deut­sche, münd­lich meis­tens ins die fran­zö­si­sche Spra­che. Heute folgt ein wei­te­rer Bei­trag aus der Se­rie „Sät­ze, die nur in ei­nem be­stimm­ten Kon­text funk­tio­nie­ren”, denn bei holp­ri­gen Ver­su­chen, mit der KI eine Gra­fik zu bau­en, ist mir eine Epi­so­de vom Früh­som­mer wie­der ein­ge­fal­len.
C










har­me ist pri­vat, lässt sich aber im Be­rufs­all­tag nicht ab­stel­len. Er ver­fängt ge­le­gent­lich trotz­dem im Ar­beits­kon­text, so dass ich dort nicht im­mer nur „Frau Elias” hei­ße.

Neu­lich in Ham­burg, bei ei­ner De­le­ga­ti­ons­rei­se zu Ha­fen­wirt­schaft aus dem fran­zö­sisch­spra­chi­gen glo­ba­len Sü­den: Am En­de der Mit­tags­pau­se hat­ten wir die End­ge­rä­te für die Kon­fe­renz­teil­neh­mer:in­nen auf die je­wei­li­gen Ka­nä­le — A für Fran­zö­sisch und B für Deutsch — vor­ein­ge­stellt und auf die Ti­sche ge­legt. Wer wo sitzt, ließ sich leicht ab­le­sen, denn vor­ne, vor dem Pult, stan­den Na­mens­schil­der.

Zu Be­ginn des Ver­an­stal­tungs­teils am spä­ten Vor­mit­tag war die Grup­pe im Kon­fe­renz­raum von Po­li­ti­ke­rin­nen be­grüßt wor­den. Hier ist das ge­ne­ri­sche Fe­mi­ni­num rich­tig: Es wa­ren ei­ne Fran­zö­sin und ei­ne Deut­sche. Zu­sam­men mit der Dol­met­sch­kol­le­gin aus dem Mi­nis­te­ri­um wur­den die Re­den kon­se­ku­tiv, al­so in Sprech­pau­sen hin­ein, ver­dol­metscht. Nach dem Es­sen, al­so jetzt, soll­te es si­mul­tan wei­ter­ge­hen.

Die Grup­pe hat­ten wir schon am Vor­tag ken­nen­ge­lernt. Wir wa­ren noch in Ber­lin, in ei­nem Kon­fe­renz­saal mit ein­ge­bau­ter Tech­nik und ei­nem Dol­met­sch­ar­beits­platz in ei­ner an­ge­glie­der­ten Kam­mer mit Fens­ter­schei­be zwi­schen den Räu­men. Dort konn­te, an­ders als bei der mit­rei­sen­den Tech­nik, je­der und je­de sehr leicht selbst die Ziel­spra­che än­dern. Den Vor­trä­gen und Ge­sprä­chen war ein Aus­flug auf ei­nem Aus­flugs­damp­fer mit Abend­es­sen und Dol­met­sche­rin­nen ge­folgt (wie­der ein rei­nes Frau­en­team).

Zur Pro­be sprach ich al­so ei­ni­ge Wor­te in die Mi­kro­fo­ne, um mir von den Leu­ten da drau­ßen den „Dau­men hoch” für: „Ton funk­tio­niert” zu ho­len. Da­zu schal­te ich im­mer hin und her zwi­schen den Ka­nä­len, was die Teil­neh­mer:in­nen na­tür­lich nicht wis­sen kön­nen.

Ein Ge­spräch zwi­schen zwei Deut­schen, die auch ih­re Mi­kro­fo­ne be­reits an­ge­schal­tet hat­ten: „Al­so ich hö­re Fran­zö­sisch, ich sit­ze wohl falsch!” Der an­de­re: „Al­so ich ha­be Ca­ro­li­ne E­li­as zwi­schen den Oh­ren, das ist gut so!” ... sie­he oben.

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Buch­sta­ben­gra­fik: ChatGPT

Montag, 18. August 2025

Montagsschreibtisch (103)

Hal­lo! Wie auch im­mer Sie hier ge­lan­det sind, Sie le­sen auf den Sei­ten mei­nes vir­tu­el­len Ar­beits­ta­ge­buchs. Ich bin Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin und ar­bei­te mit den Spra­chen Fran­zö­sisch und Eng­lisch, Deutsch ist mei­ne Mut­ter­spra­che. Heu­te wie­der mein Blick auf den Mon­tags­schreib­tisch.

PAUSE
Ak­ti­ves Aus­ru­hen
Som­mer­pau­se? Ja, aber ich ver­bren­ne mir nicht die Pel­le am Strand. Mein Ur­laubs­ziel hieß die­ses Jahr An­ge­hö­ri­gen­pfle­ge. Jetzt bin ich ich in Ber­lin, und wäh­rend an­de­re un­ter Pal­men lie­gen oder Ber­ge be­stei­gen, re­no­vie­ren wir: Sa­chen ausräu­men, Far­be, Ab­kleb­en, Ma­lern. Kei­ne Kon­fe­renz, aber trotz­dem Ar­beit in meh­re­ren Schich­ten und mit Nu­an­cen.

Beim klei­nen Se­kre­tär, neu­lich se­cond hand für ei­nen Ne­ben­raum ge­fund­en, stellt sich beim Tra­gen zu­fäl­lig her­aus, dass er gar kei­ne Griff­knöp­fe braucht (die hat­te ich hier schon mal pro­vi­so­risch an­ge­klebt). Was mache ich jetzt mit den im Netz be­stell­ten Tei­len?

Der Schreib­tisch im Ar­beits­zim­mer sieht der­zeit un­ge­wohnt leer aus. We­der Vor­be­rei­tungs­tex­te noch Ter­mino­lo­gie­lis­ten, kei­ne Ka­bel oder Ter­min­lis­ten lie­gen hier. Statt­des­sen Farb­mus­ter, der Kos­ten­vor­an­schlag für ein Maß­mö­bel für die Kü­che und ei­ne Wa­ren­lis­te für den Bau­markt.

Som­mer­pau­se heißt für mich: Pau­se von der Büh­ne und der Box, aber nicht von dem Ak­tiv­sein. Es bleibt be­wegt, nur das Werk­zeug wech­selt.

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Gra­fik: C.E. mit pixlr.com + Let­ter­set

Sonntag, 17. August 2025

Augenblicke (1)

Der Be­rufs­all­tag von Über­set­ze­rin­nen und Über­set­zern, Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­schern ist Ge­gen­stand die­ses Web­logs. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind Deutsch (Mut­ter­spra­che), Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Mei­ne Bü­ro­kol­le­gin ar­bei­tet nur schrift­lich mit Eng­lisch als Ziel­spra­che. Nach 18 Jah­ren des Blog­gens star­tet ei­ne neue Rei­he. Sonn­tags wer­de ich pri­vat, heu­te mit Sonn­tags­fo­tos oh­ne Ka­me­ra.

Auf dem Wald­fried­hof: Ei­ne Frau steht am Grab ei­nes Be­kann­ten am vor kur­zer Zeit auf­ge­stell­ten Grab­stein. Sein Na­me und sei­ne Le­bens­da­ten sind dort in der Ty­po "Fu­tu­ra" aus­ge­führt. Er war Lek­tor, was ich zu­fäl­lig weiß. Ih­re Brau­en stau­nen auch oh­ne ihr Zu­tun. Sie hat sich um­ge­dreh­te Ni­ke-Strei­fen über die Au­gen ge­malt, wie es ge­ra­de Mo­de ist. Ei­ne Sport­le­rin?

Im Schlaf­zim­mer: Die Haus­häl­te­rin und As­sis­ten­tin ei­ner be­hin­der­ten An­ge­hö­ri­gen ist so alt wie ich und ähn­lich zu­pa­ckend. Wir hel­fen der An­ge­hö­ri­gen beim An­zie­hen. Ich schimp­fe über den BH. Ich emp­feh­le ihr, ein Bus­tier zu tra­gen. "Was ist ein 'Bus­tier'?", lau­tet die Ge­gen­fra­ge auf mei­nen Vor­schlag. Die As­sis­ten­tin und ich zie­hen in der ex­akt glei­chen Se­kun­de mit ex­akt der­sel­ben Be­we­gung un­se­re T-Shirts hoch und zei­gen un­se­re Bus­tiers.

Im Zug: Am Fens­ter sit­zen, der sich ver­spä­tet ei­nem Bahn­hof nä­hert und wei­te­re Ver­spä­tung ein­fährt. Die mit­tel­al­te Frau vis-à-vis vom Tisch hat ei­ne ova­le Ge­sichts­form mit pro­tu­be­ran­tem Kinn, da­zu ei­ne Stups­na­se und ei­nen be­son­ders mar­kan­ten Amor­bo­gen so­wie dun­kel­brau­ne Haa­re. Der Platz ne­ben mir ist leer.
Ich bin die Ein­zi­ge hier im Zug, die se­hen kann, dass ein jun­ges Mäd­chen von viel­leicht zwölf Jah­ren, das in mei­ner Sicht­ach­se im Gang steht und aufs Aus­stei­gen war­tet, die ex­akt glei­chen Ge­sichts­zü­ge trägt wie die Frau mir ge­gen­über, nur eben 40 Jah­re jün­ger. Ich schau­e hin und her und kann es kaum fas­sen. Sa­ge ich es ih­nen? Bit­te ich das Mäd­chen, sich für ein Fo­to kurz auf den eben­falls lee­ren Gang­sitz ge­gen­über zu set­zen? Wür­de die Frau sich selbst als Jün­ge­re in ihr er­ken­nen, die Klei­ne in der an­de­ren in die Zu­kunft se­hen kön­nen? Wann fährt der Zug wei­ter und wie lan­ge brau­chen wir noch bis zum Bahn­hof?

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Fo­tos: ent­fal­len

Freitag, 15. August 2025

Museum der Wörter (43)

Vom Be­rufs­all­tag von Über­set­ze­rin­nen und Über­set­zer, Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher er­hal­ten Sie hier ei­nen Ein­blick. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind Deutsch (Mut­ter­spra­che), Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Mei­ne Bü­ro­kol­le­gin ar­bei­tet nur als Über­set­ze­rin (= schrift­lich), mit Eng­lisch als Ziel­spra­che.

Als Kind durf­te ich nur sehr we­nig fern­sehen, da­her ha­be ich die Mup­pet Show nur wahr­genom­men als al­te Män­ner, die ir­gend­was la­bern, wäh­rend an­dere be­stim­men, wo es lang­geht, jene, de­nen die Hän­de ge­hö­ren. Mein Wort des Ta­ges, von dem ich hof­fe, dass es schnell im Mu­se­um der Wör­ter ver­schwin­det, ist:
           
               Socken­pup­pe

   
Viel­leicht wa­ren die­se Pup­pen­opas ja ge­ni­al. Heu­te ha­be ich stän­dig die­ses Bild vor Au­gen, wenn ich die Nach­rich­ten an­ma­che (die ich se­he, die äl­te­re Gen X schaut am ehes­ten Ta­ges­schau und die po­li­ti­schen Ma­ga­zi­ne).

Die­ser Ta­ge hö­re ich aber mit In­brunst Hör­bü­cher und le­se die Wis­sen­schafts­pres­se: Gro­ße Ent­deck­un­gen im me­di­zi­ni­schen Be­reich, aber auch Bak­te­ri­en, die Mi­kro­plas­tik ver­dau­en. Das macht Hoff­nung!

Das ist so viel span­nen­der als die­se Scha­ra­den auf welt­po­li­ti­scher Ebe­ne: ein wank­el­mü­ti­ger Greis (über den vie­le spe­ku­lie­ren, ich bin kei­ne Ärz­tin, darf al­so Fern­dia­gno­sen stel­len) und Ver­tre­ter:in­nen west­li­cher Wel­ten, die mit stum­mer Ver­zweif­lung end­lich sei­ne Kom­mu­ni­ka­tions­stra­te­gi­en stu­diert ha­ben und mit ihm in kur­zen, kind­ge­rech­ten Sät­zen spre­chen. Das ist der ein­zi­ge Licht­blick an die­sem schwar­zen Tag.

Un­se­re al­te Welt- und Wer­te­ord­nung ist ka­putt, von ei­nem al­ten Geck des Wes­tens will­ent­lich an­ge­grif­fen, ei­nem eit­len Kö­nig oh­ne Klei­der. Die Men­schen wen­den sich ab, und sie sind nicht so wohl­wol­lend wie ich. Po­li­tik­ver­drossen­heit nimmt über­all spür­bar zu, auf al­len Ebe­nen. Eu­ro­pa scheint für vie­le oft nur ein Är­ger­nis: „... hach, die Kos­ten, die an­geb­lich bö­sen Auf­la­gen von der EU, und die Kor­rup­tion!“

Wir müs­sen so ei­ner So­cken­pup­pe be­wusst die klügs­ten, stra­te­gisch und welt­po­li­ti­schen Köp­fe an den Schal­the­beln auf al­len Ebe­nen ent­ge­gen­set­zen, oder/­und Men­schen mit De­mut und der Ana­ly­se­fä­hig­keit, die mit den In­for­ma­tio­nen der Diens­te und der Wis­sen­schaft um­ge­hen kön­nen.

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Idee: H.F.

Dienstag, 12. August 2025

Autumnus ante portas

Den Ar­beits­all­tag ei­ner Dol­met­scherin fin­den Sie auf die­sen Sei­ten skiz­ziert. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Der Herbst steht vor der Tür!

Man­che Be­ru­fe nö­ti­gen ei­nen zu viel bis sehr viel Pla­nung. Ent­spre­chend über­rascht war ich der­ma­leinst, als mein Le­bens­part­ner schon im März bei­läu­fig fal­len ließ: „Das Jahr ist zu­en­de!"

Das Dol­metsch­jahr 2025 ist noch nicht fer­tig ver­plant, und nach der Pla­nung folgt ab Sep­tem­ber das Abar­bei­ten der Pro­jek­te. Die The­men Bio-Land­bau, Win­d­ener­gie, Was­ser und Fake News ste­hen be­reits auf dem Zet­tel.

Wir Dol­met­scher:in­nen sind die­je­ni­gen, die bei Kon­fe­ren­zen, De­le­ga­ti­ons­rei­sen und Fach­ge­sprä­chen da­für sor­gen, dass nicht wort­wört­lich „rü­ber­ge­schubs­te“ Wör­ter an­kom­men, son­dern mög­lichst ge­nau vor al­lem Sinn und Be­deu­tung in der rich­ti­gen Spra­che in den je­weils rich­ti­gen Oh­ren lan­den.

Ich selbst feie­re die­sen Herbst mein 20-jäh­ri­ges Be­rufs­ju­bi­lä­um als haupt­be­ruf­lich tä­ti­ge Kon­fe­renz­dol­met­scherin. Mei­ne Ar­beit be­steht zu 80 Pro­zent aus Vor­be­rei­tung. Das ist oft ent­beh­rungs­reich. Auch au­ßer­halb der Sai­son muss ich am Ball blei­ben. Dol­met­schen ist mehr als ein Be­ruf, es ist ein Le­bens­stil. (Oder über­trei­be ich, lie­be Kol­le­g:in­nen?)

Caroline Elias in der Dolmetschkabine
In der Kabine
Wie Sport­ler:in­nen müs­sen wir stän­dig trai­nie­ren, schnell re­agie­ren, kul­tu­rel­le Hin­ter­grün­de ken­nen und auch mit Hu­mor und Sprich­wör­tern um­ge­hen kön­nen. Das ist nicht im­mer leicht.

Ei­ner mei­ner Lieb­lings­mo­men­te aus 20 Be­rufs­jah­ren ist der hier: Vor et­li­chen Jah­ren saß ich in der Ka­bi­ne, als ein Mo­de­ra­tor sag­te: „Wer schreibt, der bleibt“ und mit ei­nem Buch in der Hand dem Pu­bli­kum zu­wink­te. Ich war mit dem Dol­met­schen ins Fran­zö­si­sche dran. Die Kol­le­gin ne­ben mir, ei­ne Fran­zö­sisch-Mut­ter­sprach­le­rin, sah mit auf­ge­ris­se­nen Au­gen zu mir und deu­te­te ein Au­gen­rol­len an. Da sprach der Schreck über die be­son­de­re Her­aus­for­de­rung stumm aus ihr.

Wit­ze, lan­ge Ori­gi­nal­zi­ta­te, die be­son­de­ren Na­men von Schlach­ten und in­ter­na­tio­na­len Ver­trä­gen, re­li­giö­se Be­grif­fe und Zi­ta­te so­wie Sprich­wör­ter sind im­mer der Mo­ment, in dem wir am liebs­ten kurz die Zeit an­hal­ten möch­ten, um et­was im In­ter­net zu su­chen. Ge­ra­de Sprich­wör­ter las­sen sich sel­ten eins zu eins über­tra­gen. In die­sem Mo­ment hör­te ich mich völ­lig ge­las­sen spre­chen, erst den An­fang: Celui qui écrit ... — Lip­pen und Kopf mach­ten ei­ne Pau­se, dann pur­zel­te es wie von al­lei­ne aus mir her­aus: reste dans les esprits.

Das ist ei­ne For­mu­lie­rung, die sich nicht nur reimt, son­dern so ver­traut klingt, als wä­re sie schon im­mer Teil der fran­zö­si­schen Spra­che ge­we­sen: Die Kol­le­gin mach­te ihr zwei­tes Über­ra­schungs­ge­sicht an­ge­sichts die­ses Glücks­tref­fers, bei dem das un­glei­che Paar For­tu­na und Mi­hály Csík­s­zent­mi­há­lyi, der Er­fin­der des „Flow“, ge­mein­sam Pa­te ge­stan­den ha­ben. (Sie mur­mel­te spä­ter et­was von, die­se Re­de­wen­dung ha­be sie auf Fran­zö­sisch noch nicht ge­hört, und sie be­glück­wünsch­te mich zu mei­nen her­vor­ra­gen­den Sprach­kennt­nis­sen.)

Ad­re­na­lin und der Ge­nius lo­ci wa­ren auch be­tei­ligt. Die Ar­beit in der Box macht uns klü­ger, als wir sonst sind. Es ist, als ar­bei­te noch et­was an­de­res mit. Das ist so wie beim Ma­len, wenn der Pin­sel den Weg kennt, oder in der Fo­to­gra­fie, wenn das Licht im ent­schei­den­den Mo­ment passt und der Wind auch noch mit­ar­bei­tet.

Im kom­men­den Herbst wer­de ich wie­der sol­che Ein­sät­ze ha­ben und hof­fe auf die­se be­son­de­re Wa­ch­heit, die sich nicht er­zwin­gen lässt. Die Eu­pho­rie, die an­schlie­ßend ent­steht, ist ei­ne gro­ße Be­loh­nung und Kom­pen­sa­ti­on für die müh­sa­me, klein­tei­li­ge Vor­be­rei­tung auf die Ein­sät­ze.

Ein biss­chen eit­le Hoff­nung auf Welt­ruhm ist bei mei­ner Be­schrei­bung die­ses eben­so un­schein­ba­ren wie glor­rei­chen Mo­ments mit da­bei, das ge­be ich ger­ne zu. Ähn­lich wie Buch­au­tor:in­nen hof­fe ich auch auf mei­ne seconds of fame, denn Ge­schrie­be­nes hat ei­ne län­ge­re Le­bens­dau­er und ei­ne grö­ße­re Reich­wei­te als das ge­spro­che­ne Wort. Ge­schrie­be­ne Wör­ter und über­setz­te Sprich­wör­ter er­mög­li­chen es, Er­fah­rung und Ge­schich­ten über Zeit und Raum hin­weg wei­ter­zu­ge­ben. Sie tra­gen zum kol­lek­ti­ven Ge­dächt­nis bei.


Vo­ka­bel­no­tiz
Wer schreibt, der bleibt (deut­sches Sprich­wort) — Ce­lui qui écrit, reste dans les es­prits. (Ca­ro­li­ne Eli­as)

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Fo­to: pri­vat (Ar­chiv)

Montag, 11. August 2025

Montagsschreibtisch (102)

Bon­jour oder bon­soir auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. In die­sem di­gi­ta­len Ta­ge­buch kön­nen Sie an ei­ni­gen Ta­gen der Wo­che mit­le­sen, wie Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer und Dol­met­scher ar­bei­ten. Zu­nächst, was die­se Wo­che an­steht.

Blick auf den Schreib­tisch:

❦ Nach­be­rei­tung Ener­gie­wirt­schaft
❦ Wei­ter­le­sen
❦ Sai­son­pla­nung
❦ Vor­be­rei­tung ei­nes TV-In­ter­views

Vermeintlicher Drehort, alles irgendwie falsch: Licht, Reflektoren und Monitor, Sessel hinter der Kamera (mit menschlichen Beinen), Gemälde an der Wand
So sieht die KI mei­nen Ar­beits­platz der kom­men­den Wo­che

Il­lus­tra­tion: KI. Die hat mal wie­der nichts ver­stan­den. Sie weiß nicht um das Set­ting oder um den Sinn der Ver­an­stal­tung, was aus­zu­leuch­ten ist, was wir als Men­schen da­bei für Auf­ga­ben ha­ben, und, last but not least, scheint sie ihre Mehr­fin­ger­bil­der für eine kul­tu­rel­le Er­rung­en­schaft zu hal­ten.

Den Prompt zum Bild ha­be ich nicht ge­schrie­ben. Fol­gen­der Ge­dan­ke fin­det sich in dem Prompt aus­drück­lich nicht wie­der­, aber er hät­te von mir sein kön­nen: "Als Dol­mets­che­rin bin ich im­mer halb un­sicht­bar."

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Bild: pixlr. com (Zu­falls­fund)

Freitag, 8. August 2025

Von Teufeln

Bon­jour, hel­lo & gu­ten Tag! Hier bloggt seit 2007 ei­ne Fran­zö­sisch­dol­met­sche­rin. Dol­met­schen gilt als ei­ner der stres­sigs­ten Be­ru­fe der Welt, ir­gend­wo zwi­schen Pi­lo­tin bei Start und Lan­dung und Flug­lot­se. Wir hö­ren die­se Aus­sa­ge im­mer wie­der, manch­mal sa­gen wir es selbst, ob­wohl nie­mand je ei­ne se­riö­se Quel­le da­für ge­se­hen hat. Zum Be­ruf ge­hört das stän­di­ge Nach­de­ken über Spra­che.

"Der Teu­fel frisst Krei­de", so über­set­ze ich das fran­zö­si­sche Wort dé­dia­bo­li­sa­tion manch­mal, wenn's in der Ka­bi­ne schnell ge­hen muss. (Und auch, wenn sonst der Wolf Krei­de frisst.)

Grafik: Teufel
Haltungen aus der Hölle
Beim fran­zö­si­schen Aus­druck geht um den Ge­gen­satz von "Ver­teu­fe­lung". Der Be­griff "Ent­teu­fe­lung" klingt ir­gend­wie zu über­setzt.

Auf Fran­zö­sisch ist meis­tens die Toch­ter des mut­maß­li­chen Kriegs­ver­bre­chers Jean-Marie LP ge­meint (ich schrei­be den Na­men für die Such­ma­schi­nen be­wusst nicht aus), der nach dem zwei­ten Welt­krieg als ers­ter ge­wähl­ter Ver­tre­ter ras­sis­ti­sche und ex­tre­mis­ti­sche Po­si­tio­nen wie­der in Par­la­men­ten aus­ge­spro­chen hat.
Ich su­che ei­ne gu­te Über­tra­gung.

Viel­leicht muss ich sie selbst (er)finden. In ei­ner Zeit, in der Ar­gu­men­te, Hal­tung und vor al­lem Frem­den­feind­lich­keit und Ras­sis­mus der Rechts­extre­men im­mer mehr un­se­ren po­li­ti­schen All­tag un­ter­mi­nie­ren, brau­che ich wei­te­re Be­grif­fe für das Ein­sickern ab­sur­der Ab­sich­ten in den Mei­nungs­durch­schnitt, Po­si­tio­nen, die in Des­in­for­ma­tions- und Dif­fa­mie­rungs­kam­pa­gnen un­ter die Leu­te ge­bracht wer­den.

Der­zeit wird aus nor­ma­len Vor­gän­gen ein Kul­tur­kampf ge­macht, wer­den Men­schen ver­teu­felt wie ei­ne An­wär­te­rin auf das Rich­ter­amt des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, die al­les an­de­re als ex­tre­me Po­si­tio­nen be­zieht. Der Dia­log mit ihr wird durch Lügen tor­pe­diert und ver­wei­gert. Die Frau und der Mann von der Stra­ße so: "An den Vor­wür­fen wird schon was dran ge­we­sen sein, sie hat ih­re Be­wer­bung ja zu­rück­ge­zo­gen."

Ex­tre­me Po­si­tio­nen wer­den plötz­lich "sa­lon­fä­hig", hier wird einem klaren Legi­ti­ma­ti­ons­pro­gramm gefolgt. Das Sub­stan­tiv da­zu wä­re die "Sa­lon­fä­hig­ma­chung". Klingt auch nicht.

Au­ßer "Nor­ma­li­sie­rung" ha­be ich jetzt noch nichts. Auf Fran­zö­sisch steckt da eben der Teu­fel mit drin, dé­dia­bo­li­sa­tion stammt di­rekt von le dia­ble ab. Den Teu­fel kön­nen wir in der einst streng ka­tho­li­schen fran­zö­si­schen Ge­sell­schaft auch mit ça sent le soulfre an­deu­ten, es riecht nach Schwe­fel, aber das führt auf Ab­we­ge. Den "Klump­fuß" ver­ste­hen heu­te auch vie­le nicht mehr.

"Ver­harmlos­ungs­debatte" oder "Ent­schär­fungs­pro­pa­gan­da" wä­ren an­de­re Lö­sun­gen. Lan­ger Re­de kur­zer Sinn: Ich fin­de "Ent­teu­fe­lung" dann doch nicht so schlecht, ge­wähl­ter aus­ge­drückt wäre es die "Ent­dä­mo­ni­sie­rung".

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Bild: pixlr.com (Zu­falls­fund)

Mittwoch, 6. August 2025

Besen und smieren

Wie Über­set­ze­rin­nen und Über­set­zer, Dol­met­scher­in­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier seit fast zwei Jahr­zehn­ten. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind Deutsch (Mut­ter­spra­che), Fran­zö­sisch und Eng­lisch; mei­ne Bü­ro­kol­le­gin ar­bei­tet als Über­set­ze­rin, al­so schrift­lich, mit Eng­lisch als Ziel­spra­che. Heu­te: KI-Mitt­woch.

Heu­te ma­chen wir es kurz und schmerz­voll. Mein Dank er­geht an Hans Chris­tian von Steu­ber.

Er­klä­rung: Die KI kann es nicht und wird es nicht kön­nen, da Men­schen zu vie­le Feh­ler ma­chen, Spra­che stark si­tua­tions- und er­fah­rungs­be­zo­gen ist, und Er­fah­run­gen (dank ei­ge­ner Kör­per­lich­keit) nur Men­schen ma­chen kön­nen.
Besen Sie, smieren Sie ein Mensch sind ...
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Fo­to: Fund­stück H.C. v. Steu­ber

Montag, 4. August 2025

Montagsschreibtisch (101)

Eingewachsener Gartentisch
Am We­ges­rand ge­se­hen
Bon­jour, hel­lo & Gu­ten Tag auf den Sei­ten mei­nes Web­logs! Ich bin Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin, ar­bei­te haupt­säch­lich mit Fran­zö­sisch, manch­mal auch mit Eng­lisch (mit Deutsch als Mut­ter­spra­che). Ge­ra­de geht's deut­lich ru­hi­ger zu als sonst.


Auf dem Lern­schreib­tisch die­ser Ta­ge:
❀ Ener­gie­wirt­schaft
❀ Bil­dungs­pro­gram­me für Ge­sel­lin­nen und Ge­sel­len (Aus­tausch)
❀ Mi­gra­tion und In­te­gra­tion
❀ Fort­bil­dung Tech­nik

Per Mail bin ich gut er­reich­bar und mel­de mich bin­nen Ta­ges­frist.
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Foto: C.E.