Mittwoch, 27. August 2025

Da­ten statt Den­ken

Was Dol­met­scherin­nen und Über­set­zerin­nen tag­ein, tag­aus be­schäf­tigt, wie wir ar­bei­ten, kön­nen Sie hier mit­le­sen — das gilt na­tür­lich auch für die Herren im Be­ruf. Ich be­ob­ach­te von Be­rufs we­gen un­se­re Zeit sehr ge­nau. Hier ei­ne kur­ze No­tiz zum KI-Mitt­woch.

In der Fir­ma ei­nes Be­kann­ten, er ist dort nur An­ge­stell­ter, sie ge­hört ihm nicht, wur­den im Früh­jahr Stel­len ge­stri­chen, und zwar im Be­reich Buch­hal­tung, Sach­be­ar­bei­tung und ei­ne hal­be Stel­le im Ju­sti­zi­ar­i­at.

Jetzt, nach ge­ra­de ein­mal fünf Mo­na­ten, wer­den neue Leu­te für Fi­nan­zen und Recht ein­ge­ar­bei­tet. Da die Per­son mit dem hal­ben De­pu­tat schon e­wig in der Rechts­ab­tei­lung der Fir­ma war, ist nun auf­ge­fal­len, dass hier zu­nächst ei­ne vol­le Stel­le be­setzt wer­den muss.

In der Sach­be­ar­bei­tung ist die Wie­der­ein­stel­lungs­pha­se eben erst ein­ge­läu­tet wor­den. Die Som­mer­pau­se hat­te die Not of­fen­bart; ei­ne Per­son, die in den Vor­ru­he­stand ver­ab­schie­det wor­den war, wur­de vor­läu­fig für ei­nen hö­he­ren Preis zu­rück­ge­holt.

Ich bin kei­ne Per­son, die oft Scha­den­freu­de hat. Hier schon. Denn seit Mo­na­ten schrei­ben sich vie­le Lin­gu­is­ten und In­for­ma­ti­ke­rin­nen die Fin­ger wund, dass die KI nicht zu ech­tem Ver­ständ­nis fä­hig ist, dass sie le­dig­lich das wie­der­gibt, wo­mit sie trai­niert wor­den ist, in neu ar­ran­gier­ter Form. Ihr fehlt da­her jeg­li­che Vor­ab­in­for­ma­ti­on, ech­te Lo­gik, Wahrnehmung und überhaupt: Er­fah­rung!

Die KI schei­tert oft ba­nal an der Un­zu­läng­lich­keit von uns Men­schen. Un­ten das Er­geb­nis der Bit­te um das Bild ei­ner Ba­de­wan­ne mit ro­tem Dusch­vor­hang, bei der im Prompt ein klei­ner Feh­ler war. Je­mand hat ge­schrie­ben: red show cur­tains co­ve­ring a fil­led bath­tub, tat­säch­lich show statt sho­wer, ein Büh­nen­vor­hang also statt ei­nes prak­ti­schen Uten­sils, das die meis­ten Men­schen ken­nen. Aber die KI eben nicht.

Die KI versteht nicht, warum wir hier lachen

Auch Kon­text kennt sie nur aus der ma­the­ma­tisch wahr­schein­lichs­ten Ab­fol­ge von Be­grif­fen. Die KI kann Da­ten ana­ly­sie­ren und Ab­läu­fe zu au­to­ma­ti­sie­ren hel­fen, das ja. Aber blin­des Ver­trau­en wie die oben er­wähn­ten Ent­las­sun­gen sind ein­fach nur dumm.

„Wa­rum Feh­ler wie­der­ho­len, wenn es ge­nug Ge­legen­hei­ten für neue gibt?“, sagte mei­ne Omaus im­mer, mei­ne nicht so groß ge­ra­te­ne Groß­mut­ter. Die Pres­se- und Öf­fent­lich­keits­ab­tei­lung der glei­chen Fir­ma hat­te pa­ral­lel da­zu mit der KI ei­ne Kam­pag­ne ent­wi­ckelt, die auf fal­schen In­for­ma­ti­o­nen be­ruh­te, ob­wohl vor­ab al­les ak­ku­rat ein­ge­speist war. Wenn der Prompt, al­so der Ar­beits­auf­trag an die Ma­schi­ne, nicht mes­ser­scharf for­mu­liert ist, drif­tet die Tech­nik ger­ne mal ab. Er­geb­nis­se un­kon­trol­liert her­aus­zu­ge­ben, war der nächs­te Feh­ler.

In der Me­di­zin sind die KI und Big Da­ta oft ein Se­gen. Die Lu­pe, die Haut­krebs er­kennt und beim Scan­nen Mus­ter au­to­ma­tisch ver­gleicht, ist viel ge­nau­er als me­di­zi­ni­sches Fach­per­so­nal. Und mein klas­si­sches Bei­spiel für Big Da­ta: Es gibt ei­ne Kor­re­la­ti­on zwi­schen Bla­sen­krebs und Tbc, und zwar da­hin­ge­hend, dass Men­schen, die ei­ne Tu­ber­ku­lo­se durch­ge­macht ha­ben, kei­nen Bla­sen­krebs be­kom­men. Kei­ner Pra­xis der Welt wä­re das auf­ge­fal­len, denn nie­mand hat nicht nur aus­rei­chend vie­le Tu­ber­ku­lo­se­pa­ti­en­t:in­nen, son­dern die Ab­we­sen­heit ei­ner Er­kran­kung hat erst recht nie­mand auf dem Schirm. (Das ist kein theo­re­ti­sches Bei­spiel, son­dern ei­ne Er­fah­rung, die in mei­nem Um­feld bis heu­te nach­wirkt.)

In an­de­ren Fäl­len hat die KI im me­di­zi­ni­schen All­tag schon fal­sche Krebs­the­ra­pi­en emp­foh­len, denn die Da­ten wa­ren un­sau­ber, sie­he „IBM’s Watson gave unsafe recommendations for treating cancer“ (2018, Link hier: klick). So et­was ist be­ängs­ti­gend.

Po­li­ti­sche Mäch­te mit un­lau­te­ren Ab­sich­ten, und wir se­hen da ei­ni­ge am Ho­ri­zont, könn­ten auf die Ide­e kom­men, Da­ten und Grund­la­gen­wis­sen zu fäl­schen. Ich fürch­te üb­ri­gens, dass das längst ge­schieht. Auch hier geht es mit Nicht­wahr­neh­mung los. Die Ab­schal­tung des Mo­ni­to­rings von Kli­ma­da­ten in den USA führt be­reits jetzt zu we­ni­ger Un­wet­ter­war­nun­gen und To­ten und ver­fälscht auch die Wahr­neh­mung der Ge­samt­la­ge.

Hier wie in an­de­ren Fäl­len: Die KI ist ein Werk­zeug, kein All­heil­mit­tel und kein Er­satz für mensch­li­che In­tel­li­genz. Denn das Wort „Künst­li­che In­tel­li­genz“ ist ei­ne Wort­lü­ge für vie­le, vie­le Su­per­com­pu­ter, die ver­netzt und mit Vor­wis­sen ein­ge­speist und auf Re­pro­duk­ti­on von Be­kann­tem trai­niert wor­den sind. Nicht mehr, aber auch nicht we­ni­ger.

Lei­der ge­lan­gen sol­che Schlap­pen nicht groß an die Pres­se, so­dass die all­ge­mei­ne Wahr­neh­mung der KI, ihr Image, da­von un­be­rührt ist.

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Foto: pixlr.com (Zufallsfund)

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