Montag, 23. September 2024

Montagsschreibtisch (61)

Bien­‍ve­nue im di­‍gi­ta­‍len Log­‍buch ei­‍ner Sprach­‍ar­‍bei­‍te­‍rin. Was Dol­‍met­‍scher und Über­‍set­‍zer (und Dol­‍met­‍sche­‍rin­‍nen und Über­‍set­‍ze­‍rin­‍nen) ma­‍chen, wie sie bzw. wir ar­‍bei­‍ten, be­‍schrei­‍be ich hier. Fran­‍zö­‍sisch ist mei­ne zwei­‍te Ar­‍beits­‍spra­‍che, Film mei­ne "drit­te" Spra­‍che. So wer­de ich für Me­‍di­‍en und Fes­‍ti­‍vals tä­‍tig, aber auch in der Wirt­‍schaft, für Po­‍li­ti­‍ker:in­‍nen und für Pri­‍vat­‍leu­‍te.

Altes Foto, ein Lesender am Schreibtisch
Jun­‍ger Mann am Schreib­‍tisch (um 1900)
Bäng, und schon wie­‍der ha­‍ben wir Mon­‍tag! 

Auf dem Schreib­‍tisch liegt das Fol­‍gen­‍de:
 
⊗ Nach­‍be­‍rei­‍tung der Kon­‍fe­‍renz zu "Ur­‍ba­‍nis­‍mus aus glo­‍ba­‍ler Per­‍spek­‍ti­‍ve"
⊗ Kos­‍ten­‍vor­‍an­‍schlä­‍ge Ok­‍to­‍ber 24 bis Fe­‍bru­‍ar 25
⊗ Ter­‍min­‍pla­‍nung für den Herbst­‍
⊗ Nicht är­‍gern über ... sie­‍he un­‍ten!

Ers­‍ter An­‍ruf der Wo­‍che: Ei­‍ne In­‍vest­‍ment­‍be­‍ra­‍tungs­‍fir­‍ma möch­‍te mich bu­‍chen und fragt nach dem Preis. Es gehe um den Kauf meh­‍re­‍rer Miet­‍shäu­‍ser, dar­‍un­‍ter ei­‍ni­‍ge Pres­‍ti­‍ge­‍ob­‍jek­‍te, "lang­‍fris­‍ti­‍ge In­‍ves­‍ti­‍ti­‍o­nen, Sie ver­‍ste­‍hen!"

Ich ver­‍ste­‍he, schla­‍ge 15% auf den Re­‍fe­‍renz­‍ta­‍rif des Aus­‍wär­‍ti­‍gen Am­‍tes auf. Lan­‍ges Schwei­‍gen am an­‍de­‍ren En­‍de der Lei­‍tung. 

Dann folgt ein in süß­‍li­‍cher Stim­‍me vor­‍ge­‍tra­‍ge­‍nes: "Bei gu­‍ter Zu­‍sam­‍men­‍ar­‍beit könn­‍te dar­‍aus ei­‍ne wunder­‍bare, lang­‍fris­‍ti­‍ge Ge­‍schäfts­‍be­‍zie­‍hung wer­‍den!"

Und ich den­‍ke: Ers­‍tens krie­‍gen Sie beim Bäc­‍ker auch kei­‍nen Preis­‍ra­‍batt, nur weil Sie je­‍den Tag Brot und Bröt­‍chen es­‍sen. Zwei­‍tens mag ich Kun­‍den nicht, die schon beim al­‍ler­‍ers­‍ten Kon­‍takt ei­‍nen (mög­‍li­‍cher­‍wei­‍se bestehen­‍den) klei­‍nen Ra­‍batt für re­‍gel­‍mä­‍ßi­‍ge, gu­‍te Kun­‍den for­‍dern, das hat bis­‍her (mit ei­‍ner Aus­‍nah­‍me) noch nie ge­‍klappt. Nicht zu­‍fäl­‍lig geht das Wort "Freund­‍schafts­‍preis" mit "Freund­‍schaft" los. Ich den­‍ke: "Mon­sieur, vor drei Mi­‍nu­‍ten wuss­‍te ich noch nicht ein­‍mal, dass es Sie gibt!" und fra­‍ge: "Wie sind Sie ei­‍gent­‍lich auf mich ge­‍kom­‍men?"

Über die Bot­‍schaft, hö­‍re ich. Gut, dann er­‍war­‍ten Sie si­‍cher den bes­‍ten Ser­‍vice? (Die Ant­‍wort ist klar.) Ich ar­‍bei­‍te mich re­‍gel­‍mä­‍ßig für ver­‍schie­‍de­‍ne Mi­‍nis­‍te­‍ri­‍en in schwie­‍ri­‍ge Dos­‍siers ein. (Da­‍von sei man aus­‍ge­‍gan­‍gen.) Recht re­‍gel­‍mä­‍ßig wer­‍de ich für Ar­‍chi­‍tek­‍tin­‍nen und Ar­‍chi­‍tek­‍ten tä­‍tig, bin auch er­‍fah­‍ren in no­‍ta­‍ri­‍el­‍len Din­‍gen des Im­‍mo­‍bi­‍li­‍en­‍er­‍werbs in Deutsch­‍land, das deut­‍sche Rechts­‍sys­‍tem ist in die­‍sem Be­‍reich ganz an­‍ders als das fran­‍zö­‍si­‍sche. (Des­‍halb ha­‍be man mich ja an­ge­‍ru­‍fen.)

Schön, und wie wei­‍ter? Wo­‍mit denn so ge­‍rech­‍net wor­‍den sei, fra­‍ge ich vor­‍sich­‍tig. "Na­‍ja, mit 150 Eu­‍ro am Tag."

Nun bin ich es, die län­‍der schweigt. Dann fra­‍ge ich nach der Her­‍kunft die­‍ser Zahl. Das sei die Sum­‍me, die ihr Chef in der Kal­‍ku­‍la­‍ti­‍on fest­ge­‍legt ha­‍be. Ob da auch stün­‍de, dass ein Miet­‍haus in Ber­‍lin nur 80.000 Eu­‍ro kos­‍te?, fra­‍ge ich. 
Mein Ge­‍gen­‍über scheint plötz­‍lich sehr, sehr, sehr in­‍te­‍res­‍siert zu sein.

Am En­‍de stellt sich her­‍aus, dass das Au-Pair-Mäd­‍chen ei­‍nes Ge­‍schäfts­‍part­‍ners ab und zu ein we­nig für die ge­‍nann­‍te Fir­‍ma "über­‍setzt". Es ge­‍he um Vor-Ort-Ter­‍mi­‍ne bei Im­‍mo­‍bi­‍lien, die verkauft würden. Das dauere ma­‍xi­‍mal ei­‍ne Stun­‍de. Die jun­‍ge Da­‍me freue sich im­‍mer über das rasch ver­‍dien­‍te Geld. Na­‍ja, für 50 Eu­‍ro be­‍kom­‍me man zwar nicht so viel "bei uns in Mo­‍na­‍co", meint der An­‍ru­‍fer noch am En­‍de des Te­le­‍fo­‍nats, es sei wohl mehr ein klei­‍nes Ta­schen­‍geld. 

Er klingt ehr­‍lich nach­‍denk­‍lich. Er wol­le mei­ne Zahl wei­‍ter­‍ge­‍ben, sagt er, und er wer­‍de sich dann wie­‍der mel­‍den.
Aber klar, na si­‍cher!, antwortet mein Kopf im Stil­‍len. Ich bin mir si­‍cher, dass sie nicht noch ein­‍mal an­‍ru­‍fen wer­‍den. Und das ist mir auch recht.

______________________________ 
Bild: Fo­‍to­‍ar­‍chiv El­‍i­‍as Lossow

Keine Kommentare: