Mittwoch, 25. September 2024

Subtext kennen nur Menschen

Bon­‍jour oder bon­soir auf den Sei­ten ei­‍ner Sprach­‍ar­‍bei­te­‍rin. In die­‍sem di­‍gi­‍ta­‍len Ta­‍ge­‍buch kön­‍nen Sie an ei­ni­gen Ta­‍gen in der Wo­‍che mit­‍le­‍sen, was Dol­met­sche­rin­nen und Über­‍set­‍ze­‍rin­nen, Über­set­zer und Dol­met­scher so ma­‍chen, und das seit 2007, im ers­ten deut­schen Blog aus dem In­neren der Kon­fe­renz­ka­bine.

Monitor (oder so ähnlich), Tastatur (oder so ähnlich), diverse Objekte
"Kreativschreibtisch", der KI zufolge
Was die KI nicht kann, wenn sie vor­gibt, als Dol­met­sche­rin tätig zu sein: un­ter­schied­li­che Kli­en­ten im Kopf ha­ben, zum Teil bei ein- und dem­sel­ben Pa­nel. Wir mensch­li­chen Dol­met­sche­r:in­nen ler­nen in der Vor­be­rei­tung, bei Kaf­fee­pau­se oder Mit­tag­es­sen un­se­re End­kun­d:in­nen ken­nen, je­ne am Pult und auch je­ne im Saal, und wir su­chen ak­tiv ihre Fra­gen. Wir sind da­her im­stan­de, die Sach­ver­hal­te ziel­grup­pen­ori­en­tiert zu über­tra­gen, ei­ni­gen uns un­ter­ein­an­der auf die Fach­be­grif­fe oder die Über­tra­gung der­sel­ben, wenn wir es mit Lai­en zu tun ha­ben, Bei­‍spiel: Gen­‍tri­‍fi­‍zie­‍rung.

Bei man­chen Kon­fe­ren­zen den­ken wir nicht sel­ten an zwei oder drei un­ter­schied­li­che Teil­grup­pen zu­gleich und freu­en uns über Men­schen am Po­di­um, die zwi­schen­durch mal tief durch­at­men, et­was Was­ser trin­ken oder ein­fach nur stumm ihre Hö­rer­schaft an­lä­cheln. 

Wir em­pfeh­len das auch schon mal bei sehr kom­ple­xen The­men und stark aus­ein­an­der­klaff­en­den Rea­li­tä­ten, ma­chen damit un­se­re Ar­beit trans­pa­rent, bit­ten um Mi­ni­pau­sen. Das klappt vor al­lem bei Ar­beits­sit­zun­gen oder se­mi­nar­ar­ti­gen For­ma­ten. So­bald wir dann ei­ne Zimt­schne­cke in die Luft ma­len, geht der Vor­trag wei­ter. Dol­met­schen ist Team­ar­beit. Das Duo Po­dium/Ka­bi­ne kommt in der For­schungs­li­te­ra­tur bis­lang kaum vor, weil wir alle noch dem Dog­ma der Un­sicht­bar­keit ver­fal­len sind. Nicht erst, seit die KI un­se­re Ar­beit be­droht, man­che miss­ver­ste­hen sie aus Geld­gier als Trans­la­tions­ap­pa­rat, müs­sen wir das än­dern.

Und noch­mal: Die KI ist ein Tool für die Hän­de der Pro­fis, oh­ne un­se­ren Ein­griff re­pro­du­ziert sie den Durch­schnitt al­ler be­reits pu­bli­zier­ten Sät­ze in der au­to­ma­ti­schen Wort- oder Satz­ver­voll­stän­di­gung, die Sie ver­mut­lich von Goog­le oder vom Tip­pen von Kurz­nach­rich­ten ken­nen, und sie denkt da­bei we­ni­ger an die Ziel­grup­pen noch dar­an, ob die vor­ge­leg­te Ge­schwin­dig­keit über­haupt von Hu­ma­noi­den er­fasst wer­den kann, wenn sich we­gen ei­nes Tech­nik­pro­blems die Bits und Bytes wie­der mal im Rohr ge­staut ha­ben.

Zu­rück zum Ter­min. Durch die­se Vor­be­rei­tung er­fah­ren oder er­ah­nen wir den Kennt­nis­stand un­se­rer ge­nei­g­ten Hö­rer­schaft, was un­ser Dol­met­schen po­si­tiv be­ein­flusst. In der Ar­beit wird dann ganz kon­kret, wie erst letz­ten Frei­tag­nach­mit­tag ge­sche­hen, aus dem Wort Ahr­tal die­se er­klä­ren­de Ver­dol­met­schung: la crue de l'Ahr qui a fait 150 morts en 2021, auf Deutsch: das Hoch­was­ser der Ahr, das vor drei Jah­ren 150 Men­schen­le­ben ge­for­dert hat.

Oder die be­lieb­te Ganz­tags­schu­le, l'école du matin au soir, ce qui vaut être sou­li­gné car c'est ré­la­ti­ve­ment ré­cent en Al­le­ma­gne. Hier hat­te ich mal mehr Zeit für ei­nen län­ge­ren Satz (oft müs­sen wir uns ja sehr kurz fas­sen). Auf Deutsch: Schu­le von mor­gens bis abends, das ist zu un­ter­strei­chen, denn es ist recht neu in Deutsch­land. 

Nächs­tes Bei­spiel: Ehe­gat­ten­s­plit­ting, le sta­tut fis­cal des cou­ples ma­riés : en Al­le­ma­gne, ces lois en­cou­ra­gent le mi-temps des fem­mes et non pas le temps plein, ins Deut­sche rück­über­setzt: Steu­er­sta­tus von Ehe­paa­ren; in Deutsch­land för­dert das Ge­setz die Halb­tags­ar­beit von Frauen und nicht die Voll­zeit­ar­beit. Stich­wort auch hier: Sub­text mit­über­tra­gen, da er für die De­bat­te re­le­vant ist.

Und ja, das ist al­les schon sehr in­ter­pre­tie­rend, aber wir möch­ten ja, dass die Gäs­te aus dem Aus­land mit­re­den kön­nen. Prompt kommt als ei­ne der nächs­ten Fra­gen aus Frank­reich, man mö­ge das Ehe­gat­ten­s­plit­ting­kon­zept er­läu­tern.

Als ich neu­lich dar­über bei ei­nem so­zia­len Netz­werk ge­schrie­ben ha­be und als Il­lus­tra­ti­on mei­ne Hand auf der Tas­ta­tur ge­zeigt ha­be, wie ich ei­ne Über­set­zung nach­schla­ge und lei­der nur Un­brauch­ba­res er­hal­te, wur­de der Bei­trag we­gen Por­no­gra­fie ge­löscht und ich war drei Wo­chen lang ge­sperrt. (Igitt, ei­ne nack­te Frau­en­hand! Sind wir hier bei den Ta­li­ban?) Auch hier steckt die be­lieb­te KI da­hin­ter. Un­ter uns, und so war dann auch mein Kom­men­tar, als ich wie­der kom­men­tie­ren konn­te: "Tja, fb hat wohl nicht mehr al­le Trink­ge­fä­ße im da­für vor­ge­se­he­nen Mö­bel."

Sol­che Qua­li­fi­zie­run­gen sind KI-si­cher, denn oh­ne Ver­dol­met­schung ver­ste­hen das nur Mut­ter­sprach­le­r:in­nen. Und als Il­lus­tra­ti­on jetzt was an­de­res, aus dem Steh­satz von pixlr! Denn das in­kri­mi­nier­te Bild hat das Sys­tem ge­fres­sen! 

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Il­lus­tra­tion: pixlr.com (Prompt: "cre­ative desk")

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