Dienstag, 14. Juni 2022

Distanz

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ein­blicke in das Le­ben einer Sprach­ar­bei­te­rin kön­nen Sie hier erhalten. Ich bin Dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che mit Deutsch als Mut­ter­spra­che, und ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen. Wir sind mit­ten in der (wieder verlangsamten) Früh­jahrs­sai­son nach zwei sehr schwie­rigen Jah­ren.

Das Dol­met­scher:in­nen­le­ben kann mitunter ziem­lich kom­pli­ziert sein. Die Pande­mie ver­än­­dert unser Ver­hal­ten nach­haltig. Ich bin kein großer Fan mehr von Hän­de­schüt­telei.

Dieses Schild wäre ein gutes T-Shirt-Motiv
Neu­lich, vor ei­nem Kurz­ein­satz, woll­ten mir die Haupt­be­tei­lig­ten ganz rus­tikal die Hän­de schüt­teln. Ich war da nicht so be­geis­tert. Zie­rte mich ein we­nig in der Hoff­nung, die Leute wür­den mer­ken, dass ich das nicht so gut fin­de als Idee. Lei­der ha­ben sie es nicht ge­spürt.

Was tun in sol­chen Fäl­len? Et­was sa­gen? Rasch zum nächs­ten Punkt übergehen, es ge­wis­ser­ma­ßen ver­ges­sen?

Rück­blen­de: In einem früheren Leben, in einem früheren Jahr­hun­dert war ich kurz nach dem Stu­dium Re­dak­teu­rin im da­ma­li­gen ORB, im Sender Bran­den­burgs, kurz nach der deutschen Ein­heit. Damals kamen die Chefs fast alle aus dem Wes­ten und wurden als dis­tan­ziert wahr­ge­nom­men. Ost­chefs und -kol­le­gen galten als viel di­rek­ter und handfester ... im wahrs­ten Worts­inn. Sie gaben die Hand, sie lie­ßen Haut­kon­takt zu. Der Hände­druck sagt viel über Men­schen aus. 

Dieser Kon­takt, diese Kom­mu­ni­ka­tion fehl­ten vielen Menschen im Osten. Im Wes­ten war das Hände­schüt­teln vor dem Mauer­fall fast ausge­storben, zumin­dest in vie­len Be­völ­ke­rungs­schich­ten. Dann kam es in eini­gen Re­gionen wie­der. Nun kann es meinet­we­gen erneut aus­ster­ben ... sagt eine, die in Frank­reich einen Teil der Jung­er­wach­se­nen­so­zia­li­sa­tion erlebt hat. Dort be­kommt man sich viel mehr mit durch la bise, Küss­chen links, Küss­chen rechts. Als ich dann nach Deut­schland zu­rück­kam, ging es mir wie den Os­sis mit den Wes­sis: Alle so dis­tan­ziert hier!

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Foto:
C.E. (Archiv)

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