Einblicke in den Berufsalltag von Übersetzer:innen und Dolmetscher:innen bekommen Sie hier. Die meisten von uns sind selbständig. Die Coronapandemie
hat die wirtschaftlichen Grundlagen der meisten von uns erschüttert, die Arbeit anstrengender gemacht. Und es hört und hört nicht auf ...
Der netteste Moment dieser Berliner Arbeitswoche: In der sonnigen Pause auf einem Mäuerchen der Spree sitzen, das Metalltablett von der indischen Garküche vor und einen französischen Industriemanager (Kunde) neben mir und infolge einer exzellenten Frage begreifen, dass vor 28 Jahren exakt fünf Minuten über meine berufliche Zukunft entschieden haben. Und dann umgehend vom Manager geduzt werden. (Diese Story erzähle ich später mal.)
Sinnbild für eine Online-Reise nach Marokko |
Die Berechnungsgrundlage meiner Zusage hat Covid-19 also komplett verändert.
Der Hintergrund der besonderen Honorarberechnung, die mich möglicherweise den Job kosten wird, weil der Kunde mit Verständnis für meine Lage reagiert, aber offenbar an den Berechnungsgrundsätzen festhält, ist wohl der, dass Auditoren auf Honorarbasis weniger verlangen als wir Dolmetscher:innen. Nun haben Fachingenieur:innen in der Regel nicht maximal 70 bezahlte Arbeitstagen per annum in vorcoronösen Zeiten wie ich (und die in Pandemiezeiten großartige Zahl von ca. 30 vollen Tagen im dritten Coronajahr), sondern mehr. Ein kurz befragter Kunde, Bausachverständiger aus Berlin, kommt auf 190 bis 200 (von 250 möglichen) Arbeitstagen; das Coronavirus habe ihn kaum beeinträchtigt.
Wir Dolmetscherinnen haben ein sehr hohes Berufsethos. Wenn wir einmal zugesagt haben, bleiben wir in der Regel dabei. Wie anstrengend unser Beruf ist, erahnen viele Menschen nicht. Wir Dolmetscher:innen müssen häufig viel frisch Angelerntes durchs Hirn
schleusen und das lässt es schneller heißlaufen wie Altbekanntes. Das führt zu größerer
Ermüdung und Qualitätsverlusten, wenn Pausen fehlen. Vergleichbar ist das mit einem Computer, der entweder
von der Festplatte arbeitet (= Altbekanntes) oder eine Riesenmenge Tabs
und Programme parallel geöffnet hat. Daher brauchen wir immer mehr Zeit: Zur Vorbereitung und zur Erholung nach stressigen Einsätzen.
Also Gespräche, Nachdenken, Zögern ... und ich bereite mich weiterhin parallel dazu vor. Man weiß ja nie.
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Foto: C.E. (der deutsche doppelkammrige
Teebeutel mit einem Hauch von Marokko)
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