Donnerstag, 23. Juni 2022

Sommerkabine

Ein­blicke in den Berufs­all­tag von Über­setzer:in­nen und Dol­met­scher:inn­en be­kom­men Sie hier. Die meis­ten von uns sind selb­stän­dig. Die Co­ro­na­pan­de­mie hat die wirt­schaft­li­chen Grundlagen der meis­ten von uns er­schüt­tert, die Arbeit an­stren­gen­der ge­macht. Was sich lang­sam ändert ist, dass die Sommer­pause später ein­setzt. Und ja, das ist gut so, auch wenn es an­stren­gen­der ist.

Blick nach drau­ßen
Dol­met­schen an heißen Som­mer­ta­gen oder: Wo sind ei­gent­lich die Kühl­pads, wenn sie ge­­braucht werden? Heiß, heißer, am dol­metsch­ka­bi­nen­hei­ßes­ten. Drau­ßen sind's 30 Grad Cel­sius, die Grade in der Dol­met­sch­ka­bine blei­ben un­er­fasst. Wir lei­den und schweigen nicht. Al­ler­dings spricht bei der Arbeit nie­mand über die Hitze. Lam­pen aus, die Birn­­chen er­zeu­gen mehr Wärme als Hel­lig­­keit. Wa­rum gibt's gleich drei davon?

Stilles Wasser rinnt die Keh­len hinunter, im­mer nur kleine Fläsch­­chen, weil der Nach­schub gut gekühlt sein muss. So oft haben wir nie im Wechsel die Box ver­lassen.

Die Hüt­ten sind ja nicht sehr groß, etwas mehr als andert­halb Me­ter zum Qua­drat, und nicht sehr hoch, von den we­ni­gen Män­nern im Beruf be­kom­men jene, die auf zwei lau­fen­de Meter zugehen, innen drin Probleme. Aber die Din­ger sind ja nicht zum Drin­rum­laufen oder Drin­rum­stehen gemacht. Also fällt es an nor­ma­len Tagen nicht auf. Nur an hei­ßen Tagen könnte ein Mathe­hirn, solle es nicht gerade vom Weg­schmel­zen be­droht sein, ausrech­nen wol­len, wie viel Luftraum bei 1,6 x 1,6 x 2,0 m die Teile bie­ten. Manches ist nicht han­dels­üblich, nicht ISO-konform, also noch kleiner.

Nur nicht auf die Wän­de schau­en: Tep­pich­bo­den, graue Schlinge, darunter ir­gend­ein spät­aus­ga­sen­des Plastik, das nach neuer Turn­halle riecht und die Jahres­zeit dazu nutzt, sich olfaktorisch in Er­in­ne­rung zu bringen. Die Tür der Selbst­bau­box geht nicht ganz zu, gut so. Jeder Luft­hauch ist will­kom­men.

Wann ist endlich wieder Pau­se? Wir sitzen bei ei­nem Hybrid­event, mal fällt am ei­nen Stand­ort das Bild aus, mal beim an­de­ren der Ton. Es entstehen will­kom­me­ne Päus­chen. Wir üben uns in Geduld (und sind we­niger gut drin, wenn es so heiß ist). Der Aus­tausch­be­darf ist riesig, er hält alle bei der Stange, uns auch. Wir ar­bei­ten mit den Spie­gel­neu­ro­nen, mit Empa­thie, ver­ges­sen im Eifer des Gefechts, auf Französisch übrigens le feu de l'action, das Feuer der Aktion, die ei­ge­nen Be­dürf­nisse.

Der Arm reagiert mit Hitze­pickeln. Inmitten der kleinen Pünk­tchen sitzen zwei juckende Mücken­stiche. Packe ich jetzt das An­ti-Juck-Spray von der Imkerin aus? Es hat einen zar­ten Duft nach Arnika, Spitzwegerich und Pro­po­lis? In der Kabine sind Par­fü­me tabu, viele von uns nutzen be­wusst un­par­fü­mierte Seifen und Deos, um die je­weils andere nicht im Ge­rings­ten mit un­er­war­te­ten Aromen zu nahe zu treten. Also das Zeug in der Tasche lassen.

Rechner aus! Lämp­chen aus!

Und dann scheint es auch noch dem In­ter­net zu heiß zu sein. Erst fällt hier das Bild aus, dann wackelt da der Ton: Die Wör­ter rut­schen schnell durch die Lei­tung und pur­zeln kas­ka­den­artig auf­ein­ander auf unserer Seite wieder raus, dann ist es für Se­kun­den­bruch­tei­le still, dann folgt eine Art Quiet­schen, eine Ver­zer­rung. Zwi­schendurch sind Wör­ter zu verstehen.

Die Kol­legin macht eine An­sa­ge: "Leider kön­nen die Dol­met­sche­rin­nen keine kon­ti­nu­ier­liche Über­tra­gung ga­ran­tie­ren" ... dann probieren wir, was eben möglich ist: Eine schreibt mit, was sie erkennt, die an­dere spricht. Im Zu­sam­men­hang und durch die Wie­der­ho­lun­gen ent­steht dann doch noch Sinn.

Irgend­wann stelle ich sogar den Com­pu­ter aus, weil auch der "mit­heizt". Am Ende ver­las­sen wir die die Kabine fluchtartig.

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Fotos: C.E.

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