Der Ton ist metallisch, voller Echo, die Silben scheinen einzeln durchgeschoben zu werden, dann knallen die Wörter so schnell aus der Leitung wie eine Salve aus dem Gewehrlauf. Wir sind im Dolmetschstudio bei einer Arbeit, die inzwischen zur einer Grundübung unseres Berufs avanciert ist. Dabei sitzen jene, die wir vertonen, an einem anderen Ort, viele Kilometer von uns entfernt.
Vor einigen Jahren haben wir Anbieter von Ferndolmetschen alias Remote Simultaneous Interpreting (RSI) noch ausgelacht, so geschehen in Berlin auf einem Berufskongress. Wir haben uns veräppelt gefühlt. Das konnte doch nicht ernstgemeint sein: Irgendwo in einer Box sitzen, ganz ohne Kontakt- und Nachfragemöglichkeit in der Kaffeepause oder die kurze Erinnerung an ausstehende Präsentationen, ohne den Besuchsanteil vor Ort, ohne Besichtigungen und direkten Einblick zum Thema zu erhalten, wie das sonst häufig der Fall ist? Stattdessen irgendwo ab vom Schuss in einer Box zu hocken wie eine x-beliebige Person im Telefonmarketing, das hat unsexy und vor allem wenig praktikabel geklungen.
Online-Konferenzsoftware hat unsere Arbeit verändert |
Dann schlug auch bei uns die Pandemie ein wie eine Bombe. Die digitale Revolution wird indes von den Gegebenheiten hierzulande ausgebremst. Deutschlands Ruf in Sachen Technik ist besser als das, was vorhanden ist. Sogar jetzt, im 3. Coronajahr, gibt es noch Probleme mit verzerrtem Ton, der komprimiert ist oder abgehackt, mit
schwachen Leitungen und unzureichenden Settings bei den Teilnehmenden "draußen".
Die meisten Probleme, so meine Beobachtung, entstehen tatsächlich dort, an der
Ausgangsseite mit geringer Leistung, abwesender Netzanbindung des Rechners (Wlan reicht oft nicht) und
fehlenden Head Sets.
Um mehrsprachige Sitzungen erfolgreich betreuen zu können, ist viel Teamarbeit zwischen
den Dolmetscher:innen nötig, aber auch mit den Redner:innen, die langsam
begreifen, was ihr Anteil ist.
Und die auch sonst Verantwortung
übernehmen. Vorbereitung auf ein Event, der Redner bleibt zuhause und
schreibt sehr freundlich: "Ich wurde gebeten, den Keynote-Vortrag
zu halten. Das habe ich zunächst abgelehnt, weil ich ein Flugzeug für die Reise hätte benutzen müssen, denn die Nachtzüge sind ausgebucht (...) Seit Jahren nehme ich keine Einladungen
mehr außerhalb Europas an. Innerhalb des Kontinents reise ich, wo immer möglich,
mit dem Nachtzug. Daher werde ich jetzt zum Event zugeschaltet."
Ja, finde ich überzeugend, zumal er weiter schreibt, er könne als Wissenschaftler nicht ständig die Verschwendung von Ressourcen und die Verschmutzung der Umwelt anprangern und unverändert so weitermachen: "Wie kann ich sonst meinen Kindern erklären, wie der Planet in Zukunft aussehen wird?"
Es ist wichtig, dass das ständige Fliegen nicht mehr als eine normale Sache verstoffwechselt wird. Ja, Flugscham muss stattdessen normal werden. Und gleich noch ein Ja: Freunde von uns leben in den USA, die Großeltern in der Schweiz. Natürlich wird da geflogen. Aber eben auch nicht häufig (und sie spenden viel für Ausgleichspflanzungen). Wir brauchen mehr Vielflieger, die sich verantwortlich verhalten, und, wenn möglich, auf den Zug umsteigen.
An deutschen Flughäfen herrscht dieser Tage Chaos, denn in der Krise wurde dort (trotz hoher Subventionen) Personal eingespart. Wir müssen in die Schiene investieren, die gut beim Publikum ankommt, wenn sie bezahlbar ist, was das Experiment Neun-Euro-Ticket gerade beweist. "Wir brauchen mehr Züge" sagen auch die Fachleute, hier ein aktueller Link.
Zurück in die Kabine. Erst Stille, dann macht es einmal plopp! ... und polyperkussive Pattern pumpen sich durchs Netz. Ja, RSI ist häufig noch eine Zumutung, auch hier muss investiert werden. Es ist wohl die schwierigste Arbeitsweise in unserem Berufs. Wie gut, dass wir alle im Netzwerk in den letzten Jahrzehnten viel Erfahrung sammeln konnten, so dass wir gewappnet waren dafür.
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Foto: C.E. (Archiv)
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