Ohne Dolmetschbedarf |
Nur sei er dort nicht anzutreffen. Er habe ihr unlängst etwas von arrêt de travail gesagt. Was er ihr habe mitteilen wollen, möchte sie wissen.
Ich grinse still. Normalerweise wird in Kundengesprächen nach der Erklärung des Bedarfs über Geld gesprochen. Nicht so hier.
Wenn der kecke Bengel Amor seine Pfeile verschießt und Götterbote Hermes, das ist jener, der für die Kommunikation zuständig ist, ihm in den Arm fällt, ist ein wenig Dolmetschpower Ehrensache.
Arrêt de travail heißt üblicherweise Krankschreibung, sage ich ihr. Das hätte sie auch herausgefunden, meint die Anruferin. Vielleicht habe er etwas anderes sagen wollen, denn er sei kerngesund. Er habe sich möglichst einfach ausgedrückt, um ihre minimalen Französischkenntnisse nicht überzustrapazieren.
Cette semaine, j'arrête de travailler, hat er vielleicht gesagt, wörtlich: "Diese Woche höre ich zu arbeiten auf." Ich spreche den Satz laut vor, sie bejaht. Wie kann das sein gemeint sein? "Diese Woche beende ich die Arbeit", ich habe bei der Firma gekündigt, na klar, aber auch: "Das ist meine letzte Arbeitswoche" für immer und ewig. (Ich kenne jemanden, der in Frankreich mit 55 Jahren in Rente gegangen ist, da er als junger Mensch eine Zeitlang für ein Bergbauunternehmen tätig war. Glückwunsch auch auf diesem Weg!) Oder aber er hat schlicht gemeint, dass es die letzten Arbeitstage vor der Sommerpause sind.
Leider kommen wir nicht weiter, kann ich hier nicht weiterhelfen. Ich wünsche der Dame alles Gute und erlaube ihr, mich bei Bedarf wieder zu stören. Solche Störungen sind selten, kommen vor und nein, dies hier ist keine Ermutigung, mich als laufendes Wörterbuch anzusprechen. Ich bin Konferenzdolmetscherin und Übersetzerin, verdiene damit mein Geld, und werde den Sommer über großenteils die Stellung halten, während die Kolleg:innen im Urlaub sind (oder sich von Covid-19 erholen).
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Foto: Motiv von der Frankfurter Buchmesse (2017)
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