Herzlich willkommen! Hier bloggt eine Dolmetscherin. Was
Konferenzdolmetscher und Übersetzer machen, und natürlich auch
wir Frauen im Beruf, wie sie bzw. wir machen, ist hier seit 2007
regelmäßig Thema. Wir arbeiten oft nah am Kunden und der Kundin, was unseren Alltag nicht erleichtert.
Kunden aus der Hölle, die kein Mensch braucht, sollte diese kleine Portrait überschrieben sein. Es ist beschämend — bis hin zur eigenen Scham.
Kinder der 70-er kennen diese Nervensäge |
Warum biete ich das nicht an? Warum hatte ich einen Hinweis dazu ein Jahrzehnt lang auch im Google-Firmenhinweis stehen?
Dem Gesetzgeber ist vor vielen Jahren in seiner unvergleichlich weisen Art eingefallen, die Honorare der beeidigten Übersetzer:innen für offizielle Dokumente zu kürzen. Sie haben richtig gelesen, zu kürzen.
Einige Sätze wurden erhöht und zugleich wurde die Kategorie, die am meisten Arbeit macht und die gefühlt 95 Prozent der Fälle ausmacht, einfach abgeschafft, der höchste Satz für die Übersetzung von "nicht editierbaren Dokumenten". Sprich: Das ist nichts, was sich per Copy and Paste mit "aus dem Original exzerpieren und die Formatierung übernehmen" lässt, sondern es sind Dokumente auf Papier, oft noch handschriftlich, auf verblichenem, hadernhaltigen Papier und mit vielen Stempeln. Hier ist alles zu übersetzen, von der Anschrift der Behörde bis hin zur unleserlichen Unterschrift. Kärrnerarbeit.
Abgeschafft, gestrichen, ersatzlos. Durch die Presse ging: "Honorarsätze wurden erhöht." In Wirklichkeit ist der Rückfall auf den zweithöchsten Satz auch nach dessen Erhöhung eine Honorarkürzung. Viele Kolleg:innen haben anschließend aus Protest die Stempel zurückgegeben.
Der Bedarf bleibt gleich. Das Telefon klingelt bei mir täglich zwei Mal zu diesem Thema. Bislang habe ich 'nein' gesagt und für Freunde dann doch übersetzt, Kolleginnen haben beglaubigt.
Dann traf ich eine Kollegin im einstigen Ostdeutschland. Sie macht den Job weiter gerne. Sie muss keine überhöhte Berliner Miete zahlen. Wir tüteten eine Kooperation ein. Die Sachen gehen nur über meinen Schreibtisch, ich werfe einen Blick auf die Originaldokumente, sehe, dass sie nicht gefälscht sind (soweit ich das beurteilen kann), dazu verpflichtet unsereinen zurecht der Gesetzgeber, denn es entsteht mit der beglaubigten Übersetzung ja ein neues Original. Der Rest ist die Sache der Kollegin. Mir verlangt es einige Terminzusagen ab, that's all. Keine große Sache, no big deal.
Ab und zu komme ich dann doch an meine Grenzen. Da ist der Kunde, der, obwohl ihm wiederholt gesagt worden ist, die Originaldokumente mitzubringen, ohne sie vor der Tür steht. Und dann anfängt, mich zu beschimpfen. Er sei extra vom anderen Ende der Stadt angereist und was ich mir rausnehmen würde. Ich solle aber subito mit ihm ins Auto steigen, wir würden zu ihm nachhause fahren, dort könne er mir das Original zeigen.
Es gibt Menschen, die explodieren von jetzt auf gleich. Die sind nicht nur jähzornig, sondern auch körperlich dominant. Ich war froh, ihn vor der Tür abzufertigen. Eigentlich hatte ich ihm die Anweisung gegeben, im Hofgarten auf mich zu waren. Aber er liest nicht nur nicht, er hört auch nicht.
Im Hof hätte es zur Not mehr Menschen gegeben, die eingeschritten wären, als nur auf dem Treppenabsatz.
Ein Mann ohne Empathie und Mitdenken, ohne Interesse an den anderen, ohne Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt, Zuhören. Dabei ist meine Rolle hier die einer Dienstleisterin an der dokumentenarmen Menschheit und der Kollegin, das war's. Damit verdiene ich nicht meine Brötchen. Selbst, als ich ihm das sage, bleibt er bei seinem Text.
Zwischendurch hatte er schon x-fach dasselbe gefragt, nach 22.00 Uhr angerufen (macht mensch einfach nicht), hatte uns mit Mails bombardiert und war schließlich zur Abholung ohne meine Adresse losgegangen und alles mögliche andere, was sich unsereiner so vorstellen kann ... und noch viel mehr, denn meine Phantasie in Sachen Schieflaufpotential war begrenzt.
Ich schaffe es an besagtem Tag, ihn |rauszuschmeißen| hinauszukomplimentieren, bin aber kurz davor, die gesamte Nachbarschaft herbeizubrüllen. [BRÜLLEN. Ich? Wir Dolmetschpersonen sind derart in Diplomatie gewalkt, dass wir eher zu den Leisetretern zählen.]
Zwei Tage später kommt er wieder vorbei, pünktlich, bleibt brav auf der Straße, bedankt sich (ein erster Schritt) und hört sich sogar den Hinweis geduldig an, dass es für Zugewanderte exzellente Deutschkurse an den Volkshochschulen gebe, dass die Allgemeinheit diese auch finanziere, und für jene, die mit der lateinischen Schrift Probleme hätten, sogar Lese- und Schreibkurse.
Denn irgendwann ist meiner Kollegin und mir eingefallen, dass dieses Prachtexemplars eines HB-Männchens vielleicht ein Analphabet sein könnte. Und nun sind wir doppelt peinlich berührt.
Ein Tag im Leben des HB-Männchens
______________________________
Foto: HB und YouTube
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen