Dienstag, 27. November 2012

Blicke und Worte

Willkommen beim ersten Weblog Deutschlands, der in der Dolmetscherkabine entsteht. Hier oder am Übersetzerschreibtisch denke ich öffentlich über die Grundlagen unseres Berufs nach, stets unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse. Die Spracharbeit wirkt sich bis in die privaten Bereiche des Lebens aus.

Augen sehen mich an. Erst ein Augenpaar, dann zwei. Drei und mehr Augenpaare sehen mich an. Zu den Augen gehören Münder. Die Münder reden abwechselnd, brav nach- und auch mal durcheinander. Ich sehe sie sprechen. Ich höre zu. Ich weiß, dass ich gleich dolmetschen muss.

Die Menschen, die zu den Mündern und Augen gehören, sprechen Deutsch. Aber das, was sie sagen, verstehe ich nicht. Ich sitze vor ihnen, mein Entsetzen steigert sich von Minute zu Minute. Ich muss gleich dolmetschen. Das Gesagte ist unverständlich.
Die Ohren sind gespitzt, das Hirn rödelt, es ist kein Sinn in den Lauten zu finden.

Ich wache auf ... und kann icht mehr einschlafen. Die komischen, unverständlichen Botschaften sind eigenfabriziert, mein Hirn wirbelt allerlei durcheinander. Ich weiß, dass es immer absurd wird beim Einschlafen. Aber das hier stört mich. Ich bin noch im Dolmetschmodus, der den ganzen Tag meine Funktionsweise war, und daraus wird jetzt eine Einschlafstörung.

Ich verstehe plötzlich die Kolleginnen und Kollegen, die am liebsten geschützt im Dunkel einer Kabine sitzen und die sich an Scheinwerfern z.B. von Filmpremieren stören. Am Vortag hatte ich wieder einige Stunden in Bewerbungsgesprächen zugebracht; hoffnungsvolle Bewerber hatten ihre Augenpaare lange ebenso hoffnungsvoll auf mich gerichtet.

Hier, wie das beim vorletzten Mal ablief: klick! (Dieses Mal habe ich mich übrigens gleich im zweiten Satz als Dolmetscherin vorgestellt.)

OK, das sind Schlafstörungen de luxe, aber sie sind eben von der Art, wie ich sie nicht hätte, wenn ich einem |normalen| anderen Beruf nachgehen würde.

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Foto: C.E.

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