Montag, 26. November 2012

... machtest du ...

Willkommen! Sie haben eine Seite meines digitalen Arbeitstagebuchs aufgeschlagen. Ich bin Übersetzerin und Dolmetscherin, meine zweite Sprache ist Französisch, die dritte (passive) Englisch. Meine Kunden kommen aus der Welt der Wirtschaft, Politik und Kultur. Und, déformation professionelle oblige, mein Beruf verstellt mir leider den unbefangenen Blick auch auf Unterhaltendes.

"Was machtest du hier?" steht doch tatsächlich im Untertitel eines französischen Films. Eine junge Frau entdeckt am Morgen, dass ihr Liebhaber die Nacht auf dem Treppenabsatz vor ihrer Wohnungstür verbracht hat (oder eine Szene in dieser Preislage, vielleicht hat auch der liebe Gatte auf dem Sofa genächtigt).

Qu'est-ce que t'as fait ici ? waren die Worte der jungen Frau. Das t'as fait ist die umgangssprachliche Verkürzung von tu as fait, wie sie eben für mündlichen Austausch typisch ist. Der Satz ist in der Vergangenheitsform passé composé gehalten, dem Perfekt. Das nach altem Testament klingende "machtest" passt so gar nicht zu gesprochener Sprache.

Mitunter liebäugeln Übersetzer von Untertiteln damit, auf Wendungen wie das Präterium zurückzugreifen, die einen merkwürdig verstaubt anwehen. Das geschieht meist dann, wenn Platz oder Zeit nicht für die richtige, längere Variante reichen. Die Anzahl der möglichen Zeichen ist oft ebenso wie die Lesezeit begrenzt, da wiegt ein Grammatikfehler leichter als eine nicht vermittelte Information. Aber hier: Nichts dergleichen. Zeit und Platz waren vorhanden.

Eindeutig im Präsens ...
Oder: "The medium is the message"
Zwei Möglichkeiten: Der/die Übersetzer/in hatte kaum Zeit für die Arbeit oder/und ist sehr unerfahren. Die Gründe sind sekundär, auch wenn es der Honorarverfall und der zunehmende Zeitdruck in der Branche nicht sind. Was hier auffällt: Es liest offenbar niemand mehr Korrektur. Wenig später kommen Titel doppelt und "stehen falsch". Not amused at all.

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Foto: C.E. (Achiv/FIDMarseille)

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