*AKTUALISIERT*
Die deutschen Medien sind voll von geheimen Depeschen, die Wikileaks publiziert hat. Ich gewähre heute einen Blick auf meinen Schreibtisch.
Lieber Herr Verleiher Soundso,
wir kennen uns seit meinen Tübinger Tagen, als ich für die Französischen Filmtage Programm ausgewählt, dem Publikum vorgestellt und Gespräche mit Filmschaffenden verdolmetscht habe (2003, 05, 06). Ich denke, dass Du mich damals sowie bei der Berlinale als Moderatorin und vor allem Dolmetscherin erlebt hast. In unserer Branche laufen wir einander ja regelmäßig über den Weg.
Leider warst Du letzte Woche nicht beim Branchentreffen in Heidelberg mit von der Partie. Denn ich wollte Dir natürlich persönlich dazu gratulieren, dass Ihr als Team für Eure Verleih- und Kinoarbeit erneut einen Preis bekommen habt. Diese Auszeichnung habt Ihr Euch redlich verdient. Besonders möchte ich unterstreichen, wie sehr mich Dein und Euer treues Engagement in Sachen französischer Filmkultur begeistert.
Letztlich betrübt mich nur eine Tatsache: Dass ich nur noch so selten für Euch als Übersetzerin/Autorin von Pressemappen und Dolmetscherin von Presseinterviews arbeiten kann – im Grunde nur noch, wenn Journalist XXXX verhindert ist.
Als Dolmetscherin enthalte ich mich jetzt jeglicher wertenden Einschätzung seiner Arbeit als 'Sprachmittler', er geht ganz anders an die Arbeit ran, als Journalist eben, rafft und verkürzt ... und begeistert im Kino immer wieder das in Sachen Film nicht beruflich "vorbelastete" Publikum. Das ist sehr schön mit anzusehen!
Dass es aber auch viele kritische Stimmen zu seiner Arbeit gibt, meist von Seiten der Profis, weißt Du.
Mich treibt etwas anderes um - die Nicht-Trennung von Journalismus und PR, wenn hier jemand Pressetexte verfasst/übersetzt, Stars dolmetscht und dann am Ende eigentlich einen objektiven Beitrag verfassen sollte. Ich kann da nur von mir selbst sprechen: Wenn ich einen ganzen Nachmittag lang eine Filmemacherin oder einen Star "vertone", sage ich immer dann "ich", wenn mein "Klient" in der ersten Person Singular spricht. Im Laufe der Interviews muss ich mich mit dem Entstehungsprozess des Films ebenso identifizieren wie mit den Problemen und den künstlerischen Absichten, um gut zu sein. Durch die totale Beanspruchung, die professionelles Dolmetschen darstellt, habe ich keine einzige Hirnwindung mehr frei, um für die Herstellung eines Berichts auf Distanz zu gehen. Und Distanz ist nötig, wenn ich als Filmjournalistin und Filmkritikerin arbeiten will. (...) Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass die Verquickung von PR-Arbeit und öffentlich-rechtlichem Journalismus rechtlich zulässig ist. Als Ex-Journalistin weiß ich, wie hoch innerhalb der Redaktionen die Unabhängigkeit der Berichterstatter von wirtschaftlichen, privaten und anderen Einflüssen gewertet wird.
Ich wünsche Dir alles Gute und hoffe, dass wir uns doch auch mal wieder persönlich sprechen können.
Mit freundlichen Grüßen,
Caroline
P.S.: Noch ein französisiches Sprichwort: on ne peut à la fois être juge et partie, man kann nicht zugleich Richter und Partei sein.
16 Kommentare:
von welcher konkurrenzfreien gesellschaft träumt die verfasserin eigentlich, in der sie durch öffentliche verunglimpfungen und drohungen mit juristischen schritten aufträge ergattern kann?
Wer lesen kann, liebe(r) Anonym, ist klar von Vorteil:
"von welcher konkurrenzfreien gesellschaft träumt die verfasserin eigentlich, in der sie durch öffentliche verunglimpfungen und drohungen mit juristischen schritten aufträge ergattern kann?"
Nicht sie träumt, und andere haben aufgehört zu träumen und angefangen zu prüfen.
Ich denke, hier kommen zwei Dinge zueinander. Und wenn das Bildblog oder Bild oder Spiegel oder andere mitbekommen, können sich die ÖR warm anziehen. Denn immerhin ein Geschmäckle hats.
Beste Grüße - so von anonym zu anonym.
Den Vorteil verschaffen sich hier klar die Verleiher.
Zitat: "Dass er dann über jeden Film, für den er tätig wurde, auch noch einen Beitrag und/oder ein Studiogespräch 'liefert' ..."
Jede Woche startet ein Dutzend Filme im Kino, und da wird dann einer hervorgehoben, weil dieser Film jemandem einen Zuverdienst ermöglicht hat.
Nee, nee, nicht gut.
Die Aktionen des Journalisten haben kein Gschmäckle, sie sind illegal und vom Pressegesetz nicht gedeckt. Das mal so als Ergänzung.
Schade, in dem Moment, in dem ich mich durchringe, einen Kommentar zu hinterlassen, ist der meiner Vorrednerin gelöscht.
Wird hier Missliebiges zensiert?
Ich denke aber auch, dass der Betreffende einfach schneller und ausgebuffter ist als Du. Deine Empörung versteht jeder, denn es geht ja um's Geld. Aber so naiv, dass Du meinst, wir hätten noch objektive Medien, kannst Du doch wohl nicht sein!
Das Modell PR-Journalismus nützt zu vielen, als dass Du kleine Maus dagegen anstinken könntest, so bitter das ist.
Nichts für ungut,
Klaus W.(vom MGL)
Das geht gar nicht, einen Kollegen so anzuschwärzen!!!
@ Klaus: Keine Mutmaßungen bitte. Ich hatte, ebenfalls in Eile, ein Zitat aus einer geschlossenen Newsgroup, die sich auf den Vorgang bezog, hier reingestellt, ohne Namensnennung, denn die Newsgroup ist ein geschlossenes Forum. weil es so wunderbar treffend das zusammenfasste, was ich immer höre, ich paraphrasiere: Gegen seinen Mehrwert bist Du wehrlos.
Die Autorin wollte ihre Formulierung hier nicht lesen, und es tut mir leid, dass ich sie ungefragt hier einstellte, in der Hektik und im Stress habe ich darüber nicht lange genug nachgedacht.
Der erste gelöschte Beitrag ging unter die Gürtellinie.
@ Anonymus zum Thema "Kollegen anschwärzen".
Die Situation hat längst das Feld allen Kollegialen verlassen. Es handelt sich um einen Mitbewerber, der 1. fachfremd ist und 2. sich unlauterer Mittel bedient. Im Ergebnis ist es ein knallharter Verdrängungswettbewerb. Kollegial?
Caroline
Die Empörung der Autorin ist nachvollziehbar und berechtigt, und die Tatsache, dass sie Umsätze verloren hat, entkräftet kein einziges der von ihr angeführten Argumente. Wir leben in Zeiten der medialen Unübersichtlichkeit, dass die Torhüter einiger "Portale" privat Kasse machen, obwohl sie von unser aller Rundfunkgebühren entlohnt werden, ist schlicht ein Skandal.
Wir leben in schwierigen Zeiten. Die allgemein gültigen Umgangsformen scheinen verroht, ungeschriebene Gesetze wie der Berufskodex der Pressevertreter werden missachtet, die sichtbarsten Phänomene privater Vorteilsnahme heißen Wulff und zu Guttenberg.
Wir müssen uns und unser Werteschema neu ordnen.
Frau Elias habe ich über Jahre bei der Berlinale erlebt, sie ist eine herausragende Übersetzerin, die Sprachgefühl, Fachwissen und die professionelle Zurückhaltung ideal verbindet.
Danke für die vielen Publikumsgespräche und Interviews!
Weiter so!
Wibke B.
Schwarze Schafe sollte man immer anschwärzen...
Hallo André,
am Ende habe ich klein beigegeben. In diesem Land haben whisle blower keine Tradition, und Kritik, auch wenn sie substantiiert ist, fällt immer auf den Kritiker zurück. Mein Ärger war ja doppelt, verlorene Umsätze UND mit ansehen zu müssen, wie freie Berichterstattung immer mehr aus den Medien verschwindet. Inzwischen ärgert mich nur noch Letzteres.
Für manche sehr anspruchsvolle Profis kommen die Kunden übrigens wieder zurück, da ist dann doch einigen PR-Agenten zugetragen worden, dass es gewisse Qualitätsunterschiede gibt. Und DAS freut mich jetzt.
Ja, der Blick in den Zeitschriftenhandel ist grausam. Quantität statt Qualität.
Allerdings kämpf ich an der Front immer noch weiter, denn mich gibts noch und die Aufträge nehmen zu, so manchen Kritiker und seltsamen Kunden aber schon lange nicht mehr.
Die Springflut an den Kiosks ist wirklich erschütternd. Zu viel ... und das Wesentliche geht unter. Und bei den öffentlich-rechtlichen Medien verhält es sich kaum anders.
Das mit dem Weiterkämpfen kenne ich wohl. Ruhig weitermachen, Qualität liefern, abwarten und Tee trinken.
Der größte Lump im ganzen Land
Ist und bleibt der Denunziant.
Ich hoffe das wurde nicht in dem Geiste geschrieben, der einem bestimmten Zeitalter der deutschen Geschichte nahesteht.
Und es gibt einen feinen Unterschied zwischen Warnern, die Schaden von anderen abwenden wollen und Denunzianten, die nur zum eigenen Vorteil agieren.
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