Sonntag, 14. November 2010

Vertrauenssache!

Als Französischdolmetscherin stehe ich in Berlin regelmäßig neben Regisseuren auf der Bühne, oder aber ich sitze irgendwo in Deutschland auf Konferenzen in der Kabine, wenn ich nicht gerade Geschäftsleute auch ins frankophone Ausland auf Werks- oder Messebesuch begleite.

Das sind die großen Jobs. Bei den weniger sichtbaren Aufträgen, die den Großteil meines Umsatzes ausmachen, sitze ich am heimischen Rechner, recherchiere, übersetze, schreibe - oder ich lese Korrektur, gerade mein erstes eigenes Buch, das im Frühjahr erscheinen wird.

Und dann sind da die Ausnahmeaufträge, die ich sehr liebe, die aber auch nicht unbedingt lukrativ sind. Hier investiere ich in diplomatische Beziehungen - und wenn gedreht wird, dolmetsche ich ein paar Tage am Set. Hintergrund ist eine deutsch-französische Koproduktion (die leider unterfinanziert ist).
In Vorbereitung der Dreharbeiten kommt ein junger französischer Schauspieler, den ich mal auf der Berlinale dolmetschte, zum Deutschkurs nach Berlin. Da ich ihm einst zwischen Pressekonferenz, Einzelinterviews und Empfang beim Botschafter im Vorbeirennen zwei, drei Eindrücke von der Stadt und ihrer Geschichte vermittelt habe, bekomme ich einen Sonderauftrag. Ich zeige ihm die Stadt, ergänze durch Konversationsstunden den Unterricht, den er am Goethe-Institut erhält, und helfe damit, die Rolle mit "Hinterland" auszustatten, die der Mann bald spielen soll: Einen jungen Franzosen, der seit Jahren in Berlin lebt.

Zu dieser landeskundlichen Ausbildung gehören Museums- und Theaterbesuche ebenso wie ausgedehnte Spaziergänge ... Mitte November ist es in Berlin nochmal richtig warm, wir ergehen uns in der Sonne und sind wie alle Menschen im Park deutlich zu warm angezogen. Und wie die anderen auch ziehen wir unsere Herbstjacken aus und wickeln sie uns um den Leib, die Ärmel vor dem Bauch verknotet. Dann zücken wir die Fotoapparate. Es strengt an, in einer Fremdsprache zu sprechen bzw. Fehler zu sortieren und mit Regeln zu verknüpfen, also lockert ein kleiner Fotowettbewerb unsere grauen Zellen auf.

Wir beschließen unseren Nachmittag in einem der französischen Cafés der Gegend, bei les enfants gatés (die verwöhnten Kinder) oder im salon sucré (süßer Salon), die beide hervorragend sind, auch viele Franzosen als Kunden anziehen und einmal mehr beweisen, dass Berlin gerade eine neue französische Stadt wird, wenn wir uns die steigende Zahl der französischen Neubürger vergegenwärtigen.


P.S.: Natürlich wird die Identität der Person genauso vertraulich behandelt wie der Inhalt unserer Gespräche. Das gilt auch für alle anderen Aufträge. Uns Dolmetschern ist die Schweigepflicht heilig, sie ist eine der zentralen Grundlagen unseres Arbeitsalltags.
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Foto: C. Elias

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