Donnerstag, 2. Dezember 2010

Déjà-vu

Das Saallicht geht aus, im Cinéma Paris, einem der stilvollsten Kinos Berlins, wird der goldene Bühnenvorhang aufgezogen. Ich höre (vielleicht auch nur im Geiste), wie der Projektor startet: Jetzt noch acht Sekunden Vorlauf, bis die ersten Bilder zu sehen sind.

Ich sitze im Kino, habe heiße Ohren, bin glücklich.

Zwei Monate lang habe ich (verteilt auf etwa ein Jahr) das Drehbuch übersetzt, überarbeitet, Änderungen eingefügt - aber auch auf Unstimmigkeiten und Fehler hingewiesen. Amélie, eine von zwei deutschen Koproduzenten, las meine Texte stets gegen und schickte mir ihre sprachlichen Verbesserungsvorschläge zu: Korrektorat kann auch seitens der Produktion erfolgen, und Amélie erwies sich als ein hervorragender Gegenpart, von dem ich viel gelernt habe (encore merci, chère Amélie !) So ging bereits vor einer kleinen Ewigkeit das Drehbuch, Grundlage einer deutsch-französischen Koproduktion, wie ein Weberschiffchen immer hin und her.

Jetzt sitze ich wie gesagt auf einem gemütlichen Kinosessel. Der Film ist nicht nur fertig, mit ihm wird eine kleine französische Filmwoche aus Vorabpremieren eröffnet, die das frankophone Kino wirkungsvoll in Szene setzt. Gäste sind auch da: Schauspieler, Regisseur Bruno Chiche und natürlich die Produzenten aus Frankreich und Deutschland.

Für alle Beteiligten ist es aufregend, der Film "Small World" erlebt hier seine Welturaufführung. Dann sind wir schon mittendrin. Den Text könnte ich oft mitsprechen. Es gibt Stellen, da hatte ich beim Tippen genau diese Rhythmen gefühlt, exakt jene Pausen im Spiel der Schauspieler erahnt ... und manches lakonische Wort fällt in exakt dem Tonfall, den ich im Ohr hatte, als meine Finger so wie jetzt über die Tastatur glitten.

Ich bin zufrieden und sehe einen Film, den ich schon längst kenne, erinnere mich an meine eigenen Lebensumstände aus der Zeit, in der ich das Buch übersetzt habe und weiß, dass ich jetzt den Film erst einmal vergessen werde müssen. In zwei Jahren sehe ich ihn mir nochmal an, dann hoffentlich als neutrale Zuschauerin.


P.S.: Der Rahmen des Abends ist der neuen Protokollbeauftragten (preußischer Hochadel) recht glamourös geraten. Dort, wo einstmals die Leihbibliothek des benachbarten französischen Kulturinstituts war, wurde ein langer, roter Teppich für die Fotografen ausgerollt. Vermutlich geht's nicht ohne Bling-Bling, um die restlichen Subventionen nicht auch noch zu verlieren: Kostbare Medienminuten voller Strass und Sternchen, erkauft mit der Präsenz vieler Fernsehmenschen, die sich auf die Füße traten, auch ein vielen Zuschauern unbekannter Fernsehansager (er stellte sich auch nicht vor) moderierte und "übersetzte" acht Minuten Reden gern mal in 30 Sekunden ("Ich fass' mal kurz zusammen (...) und dann haben sie noch über andere Schauspieler geredet").
______________________________
Foto: "red carpet show" mit lauter Filmfans,
die wie ich zunächst auch die Garderobe am
Anfang des Teppichs übersehen haben ...
Manche müssen Glamour eben erst noch üben!

Keine Kommentare: