Mittwoch, 12. Februar 2025

KI-Gipfel, Infos aus dem Off (1)

Hal­lo! Hier le­sen Sie No­ti­zen aus dem Ar­beits­tage­buch ei­ner Dol­met­sche­rin. Ge­ra­de ste­he ich zwi­schen den The­men­fel­dern Film­her­stel­lung und Künst­liche In­tel­li­genz. Ein ra­sches Schlag­licht auf die lau­fen­den De­bat­ten ge­wor­fen.

Ein Computer, von Maschinen umgeben
Ein Computer im Netzwerk
Zwi­schen Uto­pie und Dys­to­pie ist das Feld des­sen weit, wie die Zu­kunft der Künst­lichen In­telli­genz (KI) ein­ge­schätzt wird. Die ei­nen be­schwö­ren Ge­fahren her­auf, die von der KI aus­gin­gen. Die an­deren sa­gen, wir müss­ten nur kla­re Leit­linien für die Nut­zung de­fi­nie­ren, dann sei al­les in But­ter. Die­se For­de­rung nennt die erst­ge­nann­te Grup­pe naiv. Im Op­ti­mie­rungs­wahn feh­le uns die Fan­ta­sie auch im Hin­blick auf kri­mi­nel­len Miss­brauch. Wir wür­den mög­li­che Ri­si­ken und Sze­na­ri­en aus­blen­den. (Nun, in Sa­chen Fan­ta­sie be­kom­men wir ja der­zeit aus den USA Nach­hil­fe.)

Die KI als Job­kil­ler
Wie wirkt sich die KI im Al­ltag aus? Ganz kon­kret be­droht die KI der­zeit vie­le Ar­beits­plät­ze, solan­ge die Il­lu­si­on, die KI könn­te al­les, nicht ge­platzt ist. Hier­von sind et­li­che Be­rufe be­trof­fen, un­ter an­de­rem die Be­rei­che Über­set­zen und Dol­met­schen, In­for­ma­tik, Schau­spiel, Syn­chro­nisie­ren und Spre­chen, In­for­ma­tik, Tex­ten für Pres­se, Web­sei­ten etc., aber auch For­schung und Ver­wal­tung.

Die Il­lu­si­on, dass die KI Zeit ein­spa­ren hel­fen wür­de, führt in un­se­ren Fel­dern, wie wir es der­zeit ob­ser­vie­ren müs­sen, im Ge­gen­teil zu Mehr­ar­beit und ge­kürz­ten Ho­no­ra­ren bzw. ver­knapp­ter Ar­beits­zeit — und im Er­geb­nis zu sch­lech­terer Qua­li­tät. Die La­ge ist in vie­len Fel­dern un­ter­schied­lich. Auf­trag­ge­ber bzw. Kun­den kön­nen ver­su­chen, ein be­stimm­tes Werk­zeug vor­zu­schrei­ben, die dann die Ar­beits­er­geb­nis­se im di­gi­ta­len Raum ver­schwin­den las­sen.

Die KI pervertiert Arbeitsbedingungen
Grund­sätz­lich mer­ken wir Frei­be­ruf­ler:in­nen aber, dass et­li­che Auf­trä­ge bei Tech­nik­dienst­leis­tern lan­den, die in­halt­lich gar nicht kom­pe­tent sind. Die­se ver­su­chen, das Werk­zeug KI ohne mensch­li­ches Zu­tun zu ver­kau­fen, be­rech­nen viel­leicht nur ein Drittel bis die Hälf­te un­se­rer Ho­no­ra­ren, manch­mal bit­ten sie uns (hei­mlich) um "klei­ne Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten". Die Wer­bung "die KI kann al­les al­lei­ne" ist eine Lüge. In Sum­me sinkt die Pro­duk­ti­vi­tät des Lan­des und da­mit auch das Steu­er­auf­kom­men, lie­be Po­li­ti­ker:in­nen!

Un­se­re Ar­beit wird zwei­fach unsicht­bar ge­macht. Wir ha­ben, soll­ten wir uns (aus Ide­a­­li­s­mus oder auf­grund schie­rer No­t­wen­dig­keit) auf den Ein­satz ein­ge­las­sen ha­ben, mit un­se­ren Ko­rek­tu­ren nur die wun­der­ba­ren Er­geb­nis­se der KI "ve­redelt", wir kom­men aber na­ment­lich nicht vor. Bei Un­ter­ti­teln oder Tex­ten mit li­te­ra­ri­scher Qua­li­tät feh­len uns dann Na­mens­nen­nung und Nut­zungs­ver­gü­tun­gen. 

Die KI und die Ent­frem­dung
Die Ar­beit wird durch die KI qual­voll. Durch das Hin- und Her­spring­en zwi­schen meh­re­ren Qu­el­len kom­men wir nicht mehr in den Flow; Auf­trä­ge mu­tie­ren zu geis­t­lo­sem Abar­bei­ten frak­tio­nier­ter Klein­auf­ga­ben, das gro­ße Gan­ze ge­rä­t aus dem Blick und die Freu­de dar­an so­wie an der Ar­beit, an un­se­rem fer­ti­gen Werk­stück.

Wäh­rend ich das schrei­be, klin­gelt es mir als Mensch mit ei­ni­ger­maßen trag­fä­hi­ger All­ge­mein­bil­dung na­tür­lich laut­stark im Ohr. Die frus­trie­ren­de Auf­tei­lung der Ar­beit in klei­ne Ges­ten durch die Ma­schi­nen, die Ent­frem­dung, da­zu gibt es be­rühm­te Tex­te nam­haf­ter Au­to­ren!

Das Gan­ze ge­schieht als Ein­zel­ent­schei­dung von Un­ter­neh­men und ohne de­mo­kra­ti­sche Mit­wir­kung am Ar­beits­platz, ohne fach­li­che Be­ra­tung durch uns Pro­fis, die wir ab­ra­ten wür­den und je­den Text erst ein­mal prü­fen wür­den, be­vor wir ent­schei­den, wie und mit wel­chen Werk­zeu­gen er evtl. be­ar­bei­tet wer­den kann.

Die KI als Da­ten­dieb
Zu den mög­li­chen Ur­he­ber­rechts­ver­stö­ßen kommt in der Nut­zung auch der Da­ten­klau, der hin­ter al­lem steht, sie­he Ar­ti­kel 4 der DSM-Richt­li­nie aus dem Jahr 2019. Hier geht es um Ur­he­ber­recht im di­gi­ta­len Bin­nen­markt, um Text- und Da­ta-Mi­ning (TDM) für kom­mer­zi­el­le Zwe­cke, was auch im Zu­sam­men­hang mit der KI-Tech­no­lo­gie re­le­vant ist, die nicht ohne vor­be­steh­en­de Text­kor­po­ra funk­tio­nie­ren könn­te.

Hier kommt das Po­si­ti­ve!
Aber es gibt auch un­ge­zähl­te po­si­ti­ve As­pek­te. Ein ein­zel­ner Arzt hat nie und nimmer eine gro­ße An­zahl be­stimm­ter Krank­hei­ten in sei­ner Pra­xis ge­se­hen, um z.B. Haut­krebs so ak­ku­rat zu er­ken­nen wie es die mit KI "ge­schärf­te" Lu­pe ver­mag. Ich beschrä­nke mich heute auf ein Bei­spiel. Es gibt sie tau­send­fach.

Zug­leich dür­fen wir mög­li­che Ri­si­ken durch vor­aus­schau­en­de Pla­nung und Re­gu­lie­rung mi­ni­mie­ren. Wir brau­chen öf­fent­li­chen Dis­kus­si­onen, und zwar auf Län­der- und auf EU-Ebe­ne. Wir dür­fen am Qua­li­täts­be­wusst­sein bei den Kun­den ar­bei­ten, die der All­ge­mein­heit der­zeit qua­li­ta­tiv sch­lech­te­re Tex­te oder Dol­mets­chung oder Stim­men oder an­de­re Di­enst­leis­tun­gen zu­mu­ten.

Aus­gleichs­fonds
In der Zeit des Wild­wuch­ses ist eine Art "Schlecht­wet­ter­geld" nö­tig. Es ist mir un­ver­ständ­lich, war­um es das nicht schon längst gibt. Ich be­trach­te jetzt nur mei­nen Be­rufs­stand: Di­ver­se Qu­el­len spre­chen von knapp mehr als 60.000 Dach­de­cker: in­nen in Deutsch­land, dar­un­ter vie­le So­lo-Selbst­stän­di­ge. Und dem Sta­tis­ti­schen Bun­des­amt zu­fol­ge gibt es hier­zu­lan­de 40.000 Über­set­ze­rin­nen und Dol­met­scher, da­von ar­bei­ten 33.000 frei­be­ruf­lich.

Ré­su­mé
Wir al­le, be­son­ders je­ne, die die Gren­zen der KI di­rekt se­hen, sind da­für ver­ant­wor­tlich, so­wohl un­se­re Ver­nunft als auch die Fan­ta­sie ein­zu­set­zen, um eine si­che­re und vor­teil­haf­te In­te­gra­ti­on von KI in die Ar­beits­welt zu be­glei­ten. Da­her müs­sen wir JETZT auf Miss­brauch und man­geln­de Funk­tio­na­li­tät auf­merk­sam ma­chen. Die Fra­ge ist nur wie!

Kom­men­tar von ChatGPT
"Die KI kann den sub­ti­len, kul­tu­rel­len und nu­an­zier­ten (sic!) As­pekt mensch­li­cher Spra­che nicht in vol­lem Um­fang ab­bil­den. Ob sie je­mals die mensch­li­che Kom­plexi­tät in der Kom­mu­ni­ka­tion voll­stän­dig nach­ah­men kann, ist eher un­wahr­schein­lich."

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Il­lus­tr­ation: pixlr.com (Zu­falls­fund)

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