Derzeit geht viel mit W. los: Essen, Feier, Musik, Märkte. Mir ist das zuviel der Heiligkeit. Das christliche Fest, das an das heidnische Lichterfest zur Wintersonnenwende andockt, ist gemütlich und schön, auch die Raunächte: Familie und Freunde treffen einander, tauschen Ideen und Bücher, lesen, kochen und essen gemeinsam, hören Musik. Alles schön, bis auf das Brimborium davor!
Mir ging die Vorweihnachtsfreude perdü, seit normal wurde, dass die erste Armada an Schokonikoläusen an den letzten Sommerbadetagen in die Supermärkte einmarschiert. Megahitze weg, zack!, die Auslagen voller Naschkram fürs Jahresende. Das erste Weihnachtsessen war dieses Jahr am 19. 9. anberaumt, das ist gerade noch Spätsommer. Durch die Corona-Krise hätten viele Restaurants für immer geschlossen, hieß es, es müsse langfristig geplant und reserviert werden. (Muss sowas dann „Weihnachtsfeier“ heißen?)
Klar, den ganzen Sums regelt der Markt, und der ist groß. Aber die Automobilindustrie (Verbrenner!) und der Weihnachtsmarkt (echter Strohstern und mundgeblasene Kugeln) sind doch nicht das Rückgrat der deutschen Wirtschaft! Außerdem haben wir doch erst Advent! Begriff und Gedanke dahinter scheinen nur in -kalender, -kranz oder -gesteck für die Sonntage vor Weihnachten überlebt zu haben. Seit Ende Oktober überall Weihnachtsbäume in vollem Ornat: Das war früher nicht so.
Mit den Jahren hat bei mir aber die Gelassenheit gewonnen, vielleicht einer der Vorzüge des Altwerdens: die ironische Distanzung. Als Linguistin ist meine Freude über kindliche Worte wie „ein Begriff mit drei Z“, der Azvenzkranz, unverändert frisch. Das ist kein beliebiger Witz, sondern selbst gehört von einem der Brüder.
![]() |
| Gesehen in Berlin, gilt überall |
Am Tag der Tage hängen wir historischen Schmuck in die Zimmerpalmen, denn einst, im gelobten Land, gab es keine Tannen. Die Palme ist also der Baum der Saison. Hinzu kommt das, was zarte Kinderhände fabrizieren an den Stätten ihrer Bildung. Nur die Fräuleins bekommen, weil sie es wie alle haben dürfen, ihren Baum.
Zum Fest der Feste tauschen wir Bücher und Zeit. Große Wunschgeschenke macht sich jede(r) selbst.
Traurig, das? Nein. Es bewahrt uns vor Fehlkäufen (und macht uns nur selbst verantwortlich).
Ich schenke mir dieses Jahr einen langen, warmen Mantel (schon passiert, Lammfell, lang, innen leider Plastikflausch, der Flohmarkttausch gegen zwei alte Fellmäntel ging zu schnell), vielleicht einen alten, schmalen Küchenschrank. Für den überlangen Flur gibt's Unterschränke fürs Familienarchiv und für Bett- und Tischwäsche. Dann eine Vereinsgründung, an der ich mitwirke, und Stunden für einen anderen Verein, alles gute Inhalte, sowie Glühweinzeit und Keksbacken mit Freundinnen, last but not least Konzertbesuche.
En famille bedeutet das Jahresende ohne Stress. Wir schenken auch alte, geerbte Sachen, vielleicht bald zwei historische Holzschatullen für die kleinen Fräuleins. Wir haben innerfamiliär neben den Buchgaben zum Jahresende fast einen kleinen Wettbewerb, was praktische Gaben angeht. Die „Grüne Palme“ ging mal an formschöne Luftbefeuchter aus offenporiger Keramik. Nur kein Chichi!
Ohne Verabredung hat sich die Fünf-R-Regel eingeschlichen, hier ein wenig ergänzt. Dabei geht es darum, den ökologischen Fußabdruck zu verringern und unsere Lebensweise an die globalen Grenzen ein wenig anzupassen. Es folgen die Grundsätze einer zirkulären Wirtschaft auf Haushaltsebene.
The 7 Rs of sustainability
Recycle, reuse, reduce, refuse, rot, repurpose or regional.
Reuse, natürlich. In Sachen Kinderkleidung bin ich oft die Sherpa zwischen diversen Haushalten. Dann sind da die alten Möbel ...
Reduceja: Nach der Auflösung unseres Elternhauses werde ich weiter reduzieren. Weniger ist oft mehr, aber nicht immer bei Historischem. Der Teil des Aufsatzmaterials meines Vaters, aus dem ich etwas machen kann, wurde gerettet.
Refuse: Der Blick eines Liebsten, der mal mit einem riesigen ledernen Nagelpflegeset ankam, obwohl ich, die ich ständig reisen muss, längst ein leichtes Reise-Set besaß! Ich: „Nimm’s mir nicht übel, aber das ist nichts für mich! Behalte es für jemanden, für die oder den es perfekt ist!“
Rot, EN für „verrotten“: Als Hinterhofgärtnerin war mein erster Schritt ein Kompost;
Repurpose: wie Umnutzen oder U wie Upcycling: Mums Hackenporsche ist kaputt, aber nur die Tasche, das Gestell ist perfekt. In der ruhigen Zeit werde ich aus alten Jeans eine neue Tasche nähen.
Regional: Gerne schenke ich Handstulpen oder Schals aus einer Strickerei um die Ecke, bei Anyonion in der Bürknerstraße, es lässt sich auch per Post bestellen. Oder Sachen vom W-Markt der Vereine.
Und es wird mir ein Fest sein.
______________________________
Fotos:C.E.

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen