Donnerstag, 4. Dezember 2025

Nachhaltiges Jahresende

Seit fast zwei Jahr­zehn­ten bin ich als Dol­met­sche­rin Deutsch ↔ Fran­zö­sisch so­wie aus dem Eng­li­schen un­ter­wegs. Ganz gleich, ob auf Kon­fe­ren­zen, bei De­le­ga­tio­nen oder in Work­shops — ich sor­ge da­für, dass Wor­te an­kom­men. Hier den­ke ich über die Ja­hres­zeit nach.

Der­zeit geht viel mit W. los: Es­sen, Fei­er, Mu­sik, Märk­te. Mir ist das zu­viel der Hei­lig­keit. Das christ­li­che Fest, das an das hei­dnisch­e Lich­ter­fest zur Win­ter­son­nen­wen­de an­dockt, ist ge­müt­lich und schön, auch die Rau­näch­te: Fa­mi­lie und Freun­de tref­fen ein­an­der, tau­schen Ide­en und Bü­cher, le­sen, ko­chen und es­sen ge­mein­sam, hö­ren Mu­sik. Al­les schön, bis auf das Brim­bo­ri­um da­vor!

Mir ging die Vor­weih­nachts­freu­de per­dü, seit nor­mal wur­de, dass die ers­te Ar­ma­da an Scho­ko­ni­ko­läu­sen an den letz­ten Som­mer­ba­de­ta­gen in die Su­per­märk­te ein­mar­schiert. Me­ga­hit­ze weg, zack!, die Aus­la­gen vol­ler Nasch­kram fürs Jah­res­en­de. Das ers­te Weih­nachts­es­sen war die­ses Jahr am 19. 9. an­be­raumt, das ist ge­ra­de noch Spät­som­mer. Durch die Co­ro­na-Kri­se hät­ten vie­le Re­stau­rants für im­mer ge­schlos­sen, hieß es, es müs­se lang­fris­tig ge­plant und re­ser­viert wer­den. (Muss so­was dann „Weih­nachts­fei­er“ hei­ßen?)

Klar, den gan­zen Sums re­gelt der Markt, und der ist groß. Aber die Au­to­mo­bil­in­dus­trie (Ver­bren­ner!) und der Weih­nachts­markt (ech­ter Stroh­stern und mund­ge­bla­se­ne Ku­geln) sind doch nicht das Rück­grat der deut­schen Wirt­schaft! Au­ßer­dem ha­ben wir doch erst Ad­vent! Be­griff und Ge­dan­ke da­hin­ter schei­nen nur in -ka­len­der, -kranz oder -ge­steck für die Sonn­ta­ge vor Weih­nach­ten über­lebt zu ha­ben. Seit En­de Ok­to­ber über­all Weih­nachts­bäu­me in vol­lem Or­nat: Das war frü­her nicht so.

Mit den Jah­ren hat bei mir aber die Ge­las­sen­heit ge­won­nen, viel­leicht ei­ner der Vor­zü­ge des Alt­wer­dens: die iro­ni­sche Dis­tanz­ung. Als Lin­gu­is­tin ist mei­ne Freu­de über kind­li­che Wor­te wie „ein Be­griff mit drei Z“, der Az­venz­kranz, un­ver­än­dert frisch. Das ist kein be­lie­bi­ger Witz, son­dern selbst ge­hört von ei­nem der Brü­der.

Buy local
Gese­hen in Ber­lin, gilt über­all

Am Tag der Ta­ge hän­gen wir his­to­ri­schen Schmuck in die Zim­mer­pal­men, denn einst, im ge­lob­ten Land, gab es kei­ne Tan­nen. Die Pal­me ist al­so der Baum der Sai­son. Hin­zu kommt das, was zar­te Kin­der­hän­de fa­bri­zie­ren an den Stät­ten ih­rer Bil­dung. Nur die Fräu­leins be­kom­men, weil sie es wie al­le ha­ben dür­fen, ih­ren Baum.

Zum Fest der Fes­te tau­schen wir Bü­cher und Zeit. Gro­ße Wunsch­ge­schen­ke macht sich je­de(r) selbst.

Trau­rig, das? Nein. Es be­wahrt uns vor Fehl­käu­fen (und macht uns nur selbst ver­ant­wort­lich).

Ich schen­ke mir die­ses Jahr ei­nen lan­gen, war­men Man­tel (schon pas­siert, Lamm­fell, lang, in­nen lei­der Plas­tik­flausch, der Floh­markt­tausch ge­gen zwei al­te Fell­män­tel ging zu schnell), viel­leicht ei­nen al­ten, schma­len Kü­chen­schrank. Für den über­lan­gen Flur gibt's Un­ter­schrän­ke fürs Fa­mi­lien­ar­chiv und für Bett- und Tisch­wä­sche. Dann ei­ne Ver­eins­grün­dung, an der ich mit­wir­ke, und Stun­den für ei­nen an­de­ren Ver­ein, al­les gu­te In­hal­te, so­wie Glüh­wein­zeit und Keks­ba­cken mit Freun­din­nen, last but not least Kon­zer­t­be­su­che.

En fa­mi­lle be­deu­tet das Jah­res­en­de oh­ne Stress. Wir schenk­en auch al­te, ge­erb­te Sa­chen, viel­leicht bald zwei his­to­ri­sche Holz­schat­ul­len für die klei­nen Fräu­leins. Wir ha­ben in­ner­fa­mi­liär ne­ben den Buch­ga­ben zum Jah­res­en­de fast ei­nen klei­nen Wett­be­werb, was prak­tische Ga­ben an­geht. Die „Grü­ne Pal­me“ ging mal an form­schö­ne Luft­be­feuch­ter aus of­fen­po­ri­ger Ke­ra­mik. Nur kein Chi­chi!

Oh­ne Ver­ab­re­dung hat sich die Fünf-R-Re­gel ein­ge­schli­chen, hier ein we­nig er­gänzt. Da­bei geht es dar­um, den öko­lo­gi­schen Fuß­ab­druck zu ver­rin­gern und un­se­re Le­bens­wei­se an die glo­ba­len Gren­zen ein we­nig an­zu­pas­sen. Es fol­gen die Grund­sät­ze ei­ner zir­ku­lä­ren Wirt­schaft auf Haus­halts­ebe­ne.

The 7 Rs of sustainability
Recycle, reuse, reduce, refuse, rot, repurpose or regional.

Re­cy­cle: Pfand- und Glas­ge­fä­ße zu­rück in den Kreis­lauf, al­so von Ge­trän­ken, Yo­ghurt, Mar­me­la­de … In mei­nem selbst­or­ga­ni­sier­ten Bio­la­den ge­ben wir auch gro­ße Vor­rats­ge­fä­ße ab, in de­nen un­ver­pack­ter To­fu trans­por­tiert wer­den kann. 
Reu­se
, na­tür­lich. In Sa­chen Kin­der­klei­dung bin ich oft die Sher­pa zwi­schen di­ver­sen Haus­hal­ten. Dann sind da die al­ten Mö­bel ...
Re­du­ceja: Nach der Auf­lö­sung un­se­res El­tern­hau­ses wer­de ich wei­ter re­du­zie­ren. We­ni­ger ist oft mehr, aber nicht im­mer bei His­to­ri­schem. Der Teil des Auf­satz­ma­te­ri­als mei­nes Va­ters, aus dem ich et­was ma­chen kann, wur­de ge­ret­tet. 
Re­fu­se: Der Blick ei­nes Liebs­ten, der mal mit ei­nem rie­si­gen le­der­nen Na­gel­pfle­ge­set an­kam, ob­wohl ich, die ich stän­dig rei­sen muss, längst ein leich­tes Rei­se-Set be­saß! Ich: „Nimm’s mir nicht übel, aber das ist nichts für mich! Be­hal­te es für je­man­den, für die oder den es per­fekt ist!“
Rot
, EN für „ver­rot­ten“: Als Hin­ter­hof­gärt­ne­rin war mein ers­ter Schritt ein Kom­post;
Re­pur­pose
wie Umnutzen oder U wie Up­cy­cling: Mums Ha­cken­por­sche ist ka­putt, aber nur die Ta­sche, das Ge­stell ist per­fekt. In der ru­hi­gen Zeit wer­de ich aus al­ten Jeans ei­ne neue Ta­sche nä­hen.
Re­gio­nal: Ger­ne schen­ke ich Hand­stul­pen oder Schals aus ei­ner Stric­ke­rei um die Ec­ke, bei Any­onion in der Bürk­ner­stra­ße, es lässt sich auch per Post bes­tel­len. Oder Sa­chen vom W-Markt der Ver­ei­ne.

Und es wird mir ein Fest sein.

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Fotos:C.E.

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