Samstag, 13. Dezember 2025

Überwachungssoftware

Bon­jour oder bon­soir auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. In die­sem di­gi­ta­len Ta­ge­buch kön­nen Sie an ei­ni­gen Ta­gen der Wo­che mit­le­sen, wie Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer und Dol­met­scher ar­bei­ten. Heu­te: Link der Wo­che.

Un­be­strit­ten gibt es seit Jah­ren häufiger At­ten­ta­te, Amok­läu­fe, Kri­sen­alarm, in­ter­na­tion­al­en Ter­ror­is­mus, re­li­giö­se Fun­da­men­ta­lis­ten und ir­re Men­schen­fein­de. Die Re­gie­rung ist auf­ge­for­dert, sich Maß­nah­men zu über­le­gen, wie sich das ein­he­gen lässt. Zugleich gibt es in Deutsch­land einen brei­ten Kon­sens: Die DDR war ein Über­wa­chungs­staat, und flä­chen­dec­ken­de, au­to­ma­ti­sier­te Ein­mi­schung von oben wi­der­spricht den Rech­ten der Men­schen, zum Beispiel auf Un­ver­letz­lich­keit der Woh­nung oder des Brief­ver­kehrs. Para­dox: In Deutsch­land soll bald, Jahr­zehn­te nach dem En­de der DDR, flä­chen­de­ckend eine Soft­ware ge­nutzt wer­den, die der feuchte Traum je­des Stasi-Offi­ziers ge­we­sen wäre. Schlim­mer noch: Sie ist in Hän­den von fa­schis­toi­den, ex­tre­mis­ti­schen Über­rei­chen auf ei­nem an­de­ren Kon­ti­nent.

... und für Deutsch­land?
Schwei­zer Ab­leh­nung
Es geht um die um­strit­te­ne Pa­lan­tir-Soft­ware. Die Schwei­zer Be­hör­den haben sie gerade nach gründ­li­cher Ri­si­ko­prü­fung ab­ge­lehnt. Ein in­ter­ner Be­richt der dor­ti­gen Ar­mee stell­te klar: Die Soft­ware birgt er­heb­li­che Ge­fah­ren für Da­ten­ho­heit, na­tio­na­le Sou­ve­rä­ni­tät und Pri­vat­sphä­re. 

Ein Da­ten­ab­fluss aus den Sys­te­men kann tech­nisch nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, die Ab­hän­gig­keit von hoch­qua­li­fi­zier­tem Per­so­nal des US-Kon­zerns ist ge­ge­ben, und die Kos­ten sind schwer kal­ku­lier­bar.

Undemokratische Ziele
Ab­ge­zielt wird auf „Ver­bre­chens­vor­her­sage“, auf Englisch Pre­dic­tive Po­li­cing. Da­mit sind wir nicht weit ent­fernt von Me­tho­den, die in der Ver­gan­gen­heit zu „Schutz­haft“ oder „Sip­pen­haft“ führ­ten, die Be­grif­fe stam­men aus der Na­zi­zeit. Datentausch per Echt­zeit­kom­mu­ni­ka­ti­on (En­de-zu-En­de-Ver­schlüs­se­lung) schwächt die in­ne­re Si­cher­heit des Landes mas­siv. Der Staat ver­liert da­durch einen nicht geringen Teil an Sou­ve­rä­ni­tät. Netzpolitik.org hat darüber berichtet.

Ge­fah­ren für Bür­ger­rech­te
Be­son­ders kri­tisch: Die Soft­ware sam­melt und ver­knüpft rie­si­ge Da­ten­men­gen, wodurch Men­schen an­hand sta­tis­ti­scher Mus­ter ins Vi­sier ge­ra­ten kön­nen, oh­ne Ver­dacht, nur durch al­go­rith­mi­sche Ver­knüp­fung. Dis­kri­mi­nie­rungs­po­ten­zial und Grund­rechts­ein­grif­fe sind Teil der Analyse.

Deut­sche Igno­ranz
Wäh­rend die Eid­ge­nos­sen ab­lehn­ten, set­zen vier deut­sche Lan­des­po­li­zei­en (NRW, Hes­sen, Bay­ern, Ba­den-Würt­tem­berg) Pa­lan­tir be­reits ein. In­nen­mi­nis­ter Do­brindt plant zu­sätz­lich, die Soft­ware bun­des­weit zu nut­zen, ob­wohl die Ri­si­ken be­kannt sind. Fra­gen der di­gi­ta­len Sou­ve­rä­ni­tät, Da­ten­ho­heit und Grund­rech­te wer­den da­bei an­sichts der of­fen­sicht­li­chen War­nun­gen igno­riert.

Glaub­wür­dig­keit
Soft­ware und Al­go­rith­men, ganz be­son­ders die KI, küm­mern sich nicht um die Wahr­heit. Sie in­ter­es­sie­ren sich ge­nau­so we­nig für Ge­nau­ig­keit wie manche Po­li­ti­ker:innen of­fen­bar für die ei­ge­ne Glaub­wür­dig­keit. Sie wol­len plau­si­bel ge­nug klin­gen, damit das Publikum zu­stim­mt. Rea­lis­tisch be­trach­tet kön­nen Amts­trä­ger:innen die Auf­ga­be der Sou­ve­rä­ni­tät über sen­si­ble Da­ten nicht mit ihrem Amt­seid ver­ein­ba­ren.

Fa­zit
Was in der Schweiz als zu ris­kant gilt, soll in Deutsch­land Rea­li­tät wer­den. Mil­lio­nen un­ver­däch­ti­ger Bür­ge­rin­nen und Bür­ger könn­ten der Soft­ware und de­ren Ei­gen­tü­mern in einem prä-faschistischen Staat aus­ge­setzt sein. Die Dis­kre­panz zwi­schen Ri­si­ko­ein­schät­zung und po­li­ti­scher Um­set­zung wirft viele Fra­gen auf, vor al­lem zur Ver­ant­wor­tung der Po­li­tik im Um­gang mit sen­si­blen Da­ten.

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Bild: Netz­fund

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