Donnerstag, 18. Januar 2024

Museum der Wörter (35)

Gu­ten Tag oder Abend, hier bloggt ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin. Ich über­set­ze und dol­met­sche. Ar­beits­spra­chen: Fran­zö­sisch (ak­tiv und pas­siv) und Eng­lisch (nur Aus­gangs­spra­che). Heu­te im Wör­ter­mu­se­um: Was Zu­kunfts­fes­tes.

Die Wet­ter­la­gen, Hoch­was­ser­wo­chen und Hit­ze­mo­na­te des letz­ten Jah­res ha­ben hof­fent­lich auch den letz­ten ge­zeigt, dass wir ein Pro­blem mit dem Kli­ma ha­ben. Da­zu habe ich ein neu­es Wort wie­der­ge­hört, das ich zuvor nur in Krei­sen kri­ti­scher An­le­ger seit 2018 ver­nom­men ha­be, das aber ins Wör­ter­mu­se­um un­ter "Ak­tu­el­les" ge­hört:
             
                
(ur)en­kel­taug­lich
   
Oder auch: en­kel­fest, nach­hal­tig, zu­kunfts­ori­en­tiert, kli­ma- und so­zi­al­ge­recht, das sind die Syn­ony­me da­zu. 

Qua­li­tät hat ihren Preis — auch auf dem Tel­ler. Und schon sind wir in der letz­ten Woche, in der vie­le Trak­tor­fah­rer ta­ge­lang gan­ze Stra­ßen­zü­ge blo­ckiert ha­ben, weil ih­nen et­was we­ni­ger Sub­ven­tio­nen aus­ge­zahlt wer­den sol­len. Ich möch­te nicht miss­ver­stan­den wer­den: Vie­le ha­ben sich, be­ra­ten von Fach­leu­ten der Ag­rar­in­dus­trie mit ein­deu­ti­gen Ab­sich­ten, in gro­ße Ab­hän­gig­kei­ten rein­ma­nö­vriert und müs­sen jetzt stän­dig lie­fern, ganz gleich, ob es ein gu­tes oder ein schlech­tes Wirt­schafts­jahr war. Vie­le Hö­fe sind so klein, dass sie Schwie­rig­kei­ten nur schwer aus­glei­chen kön­nen.

Land­wir­te in der Kri­se

Seit vie­len Jah­ren dol­met­sche ich in die­sem Be­reich und ken­ne da­her die Kom­ple­xi­tät der Sub­ven­tio­nen. Ich wür­de mir wün­schen, dass die­se Hil­fen aus öf­fent­li­cher Hand über­wie­gend in ei­ne von ethi­schen Prin­zi­pi­en ge­präg­te, nach­hal­ti­ge Land­wirt­schaft gehen wür­den, der die bio­lo­gi­sche Viel­falt ge­n­auso wich­tig ist wie die ge­rech­te Ent­loh­nung der Ar­beit.

Da­bei im­mer mit dem Ziel, dass ge­sun­des, un­ver­ar­bei­te­tes und re­gio­na­les Es­sen soll­te auch für we­ni­ger Be­gü­ter­te be­zahl­bar sein soll­te.

Wir dür­fen Um­welt, Na­tur, Bio­di­ver­si­tät nicht mehr ig­no­rie­ren oder bes­ten­falls als "stau­ch­bare Fi­nanz­pos­ten" de­fi­nie­ren, dé­pen­ses com­pres­si­bles, die den In­ter­es­sen der Men­schen ge­gen­über­ste­hen wür­den.

So­zial ver­sus öko­lo­gisch ist Non­sense

Bis­lang kön­nen sich ma­nche Wa­ren, z.B. To­ma­ten, die wirk­lich nach To­ma­ten schme­cken, über­wie­gend nur Bes­ser­ver­die­nen­de leis­ten, de­ren Haus­halts­bud­get hö­her ist. Die Inflation verschärft die Versorgungslage jener erneut, die schlicht weniger "Geld auf Tasche" haben, wie ich es neulich im Hamburger Hafen gehört habe. (Link zum taz-Artikel "Inflation trifft Arme besonders" mit Quellen vom Statischen Bundesamt). 

Für Menschen wie mich ist die ak­tu­el­le La­ge al­ler­dings in ei­ner Wei­se ab­surd, dass ich das kaum in Wor­te fas­sen kann. Als Al­ler­gi­ke­rin sub­ven­tio­nie­re ich mit mei­nen Steu­ern ei­ne Ag­rar­in­dus­trie, die ich links lie­gen las­se (wie die ge­sprit­zen Äp­fel vom Ho­tel­buf­fet); da­ne­ben ka­ufe ich mir die teu­re­ren, ver­gli­chen mit dem hö­he­ren Pro­duk­ti­ons­auf­wand we­ni­ger sub­ven­tio­nier­ten re­gio­na­len Le­bens­mit­tel in Bio­qua­li­tät. Un­ter dem Strich be­zah­le ich für mein Es­sen also mehr­fach.

Das ak­tu­el­le Ag­rar­sys­tem ist nicht en­kel­fest. Ich wün­sche mir ein grund­sätz­li­ches Um­den­ken, tra­di­tio­nel­len Land­bau mit dem Wie­der­ent­de­ckung al­ter An­bau­me­tho­den, kom­bi­niert mit neu­en wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­sen und leichter, ein­fach nutz­ba­rer und en­er­gie­ef­fi­zi­en­ter High Tech.
 
Viele Lösungen vor aller Augen

Neu­lich rausch­te durch die Me­di­en, dass z.B. der Flug­ha­fen in Mün­chen sei­ne Roll­fel­der mit Gur­ken­was­ser ent­ei­sen wür­de, das aus der Her­stel­lung von Ge­würz­gur­ken aus der Nach­bar­schaft stam­me. Mit Gur­ken­la­ke ent­ei­sen — groß­ar­tig! War­um gibt es nicht längst überall ech­tes Bio­gas aus Gül­le, Wär­me­an­la­gen aus dem Kom­post­hau­fen, Bau­ele­men­te aus Hanf sowie So­lar auf je­dem Scheu­nen­dach? Lö­sun­gen gibt es hun­der­te vor Ort, wenn wir nur hin­se­hen und uns nicht von me­dia­len oder me­di­en­wirk­sa­men Vor­be­ter:in­nen die Ge­dan­ken vor­ge­ben las­sen. 

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Idee: H.F.

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