Was Dolmetscher und Übersetzer umtreibt (hier: eine Dolmetscherin und Übersetzerin), beschreibe ich seit 2007 an dieser Stelle. Wir Spracharbeiterinnen sind, was die Akustik angeht, besonders empfindlich. Hier ein erster Text über Akustik: klick!
Viele Übersetzer:innen arbeiten schon immer im "Homeoffice", jetzt auch etliche von uns Dolmetscher:innen. Mein Arbeitszimmer wird immer mehr zum Dolmetschstudio, denn konsekutiv arbeite ich schon fast standardmäßig von hier aus. Seit einiger Zeit auch simultan, wobei ich es vorziehe, wenn bei der Arbeit die Kollegin physisch an meiner Seite ist.
Hier auf dem Schreibtisch liegt derzeit dies:
⊗ Untertitel eines von mir geführten Interviews für Filmpressearbeit (die Fragen waren zum Teil von der Kundin vorgegeben)
⊗ Kostenvoranschlag für einen zweitägigen Euro-Betriebsrat
⊗ Lexik der letzten Woche nachbearbeiten
Ein Bekannter von mir, er lebt in Nordafrika, plant seine dienstlichen Reisen des Jahres. Er ist ein Buchmensch. Er schreibt: "Die Buchmesse Leipzig wurde ja leider am 9. Februar zum dritten Mal in Folge abgesagt. Aber warst du vorhin dabei?"
Ich antworte ihm kurz vor der Mittagspause so: "Es ist Mittag. Ich sitze im Büro. Vorhin hat die Post drei Mal geklingelt, um Pakete für die Nachbarn abzugeben. Es waren drei verschiedene Kurier- und Paketdienste. Und nein, ich war in den vergangenen Jahren nicht regelmäßig in Leipzig, aber auch nicht regelmäßig in Frankfurt. Ich fahre nur zur Buchmesse, wenn ich dort Dolmetscheinsätze habe."
Kundschaft! Oder etwa nicht? |
Das war schon spektakulär: In den Wochenanfang sind gefühlt 90 Prozent der Bevölkerung mit einer vollen To-Do-Liste gestartet, darunter einige Menschen, die in Neukölln aus allen möglichen Sprachen Geburts- oder sonstige Urkunden übersetzt haben möchten, was nicht ich mache, wohl aber Kolleg:innen, an die ich das dann weiterleite. Also saß ich selbst am Rechner, habe gedolmetscht und hätte eigentlich wie eine Hydra zehn Arme und fünf Köpfe haben müssen, wenn denn Hydren (Hydras? Hydranten? Hytanten? Hydamen? Hydramen?) auf Händen gehen, sonst nochmal zehn Beine hinzu.
Schwer zu vermitteln, dass es eben nichts nützt, 20 Mal am Stück anzurufen, festnetzlich oder mobil, dass ich mich schon zurückmelde, wenn ich wieder frei sprechen kann.
Ich lobe diese Nachbar:innen für ihren Biss, die eigene ToDo-Liste rasch kürzer zu bekommen, und wenn es zu dem Preis ist, nach den erfolglosen Telefonaten bei mir an der Tür zu klingeln … mitunter Sturm.
Im Nebenraum saß eine Kollegin und übersetzte, weil ihr Büro renoviert wird, und sie durfte ständig springen. Am Ende bin ich selbst drangegangen, als das Festnetztelefon geläutet hat. Diese Nummer ist kaum bekannt, es war wieder Spam, ein blödes Gewinnspiel mit Schreistimme aus dem Computer, dabei stehen wir seit Jahren auf der Robinsonliste.
Wir sind am besten per Mobiltelefon und per Mail erreichbar. Das handliche Telefon ist bei der Arbeit leisegestellt; im Anschluss rufe ich zurück.
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Illustration: Netzfund
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