Montag, 14. März 2022

Akustik (2)

Was Dol­met­scher und Über­setzer umtreibt (hier: eine Dol­met­sche­rin­ und Über­set­ze­rin­), be­schrei­be ich seit 2007 an die­ser Stel­le. Wir Sprach­ar­bei­te­rin­nen sind, was die Akustik angeht, be­son­ders em­pfind­lich. Hier ein ers­ter Text über Akustik: klick!

Viele Über­setzer:in­nen ar­bei­ten schon immer im "Home­of­fice", jetzt auch et­li­che von uns Dol­met­scher:innen. Mein Ar­beits­zim­mer wird im­mer mehr zum Dol­metsch­stu­dio, denn kon­se­kutiv arbeite ich schon fast stan­dard­mä­ßig von hier aus. Seit ei­ni­ger Zeit auch si­mul­tan, wo­bei ich es vor­ziehe, wenn bei der Ar­beit die Kol­legin phy­sisch an meiner Sei­te ist.

Hier auf dem Schreib­tisch liegt derzeit dies:
⊗ Unter­titel eines von mir geführten Interviews für Film­pres­searbeit (die Fra­gen waren zum Teil von der Kun­din vorgegeben)
⊗ Kos­ten­vor­an­schlag für einen zwei­tägigen Euro-Betriebsrat
⊗ Lexik der letzten Woche nach­be­arbeiten

Ein Bekannter von mir, er lebt in Nord­afrika, plant seine dienst­lichen Rei­sen des Jah­res. Er ist ein Buch­mensch. Er schreibt: "Die Buch­messe Leip­zig wur­de ja leider am 9. Februar zum drit­ten Mal in Fol­ge abge­sagt. Aber warst du vorhin dabei?"

Ich antworte ihm kurz vor der Mit­tagspause so: "Es ist Mittag. Ich sitze im Büro. Vorhin hat die Post drei Mal geklingelt, um Pakete für die Nach­barn abzugeben. Es waren drei verschie­dene Ku­rier- und Paket­dienste. Und nein, ich war in den ver­gan­ge­nen Jah­ren nicht regel­mä­ßig in Leipzig, aber auch nicht regel­mäßig in Frank­furt. Ich fahre nur zur Buch­messe, wenn ich dort Dol­metsch­ein­sätze habe."

Kundschaft! Oder etwa nicht?


Das war schon spek­ta­ku­lär: In den Wo­chen­an­fang sind gefühlt 90 Pro­zent der Be­völ­ke­rung mit einer vollen To-Do-Liste gestartet, da­run­ter einige Men­schen, die in Neu­kölln aus al­len mög­li­chen Spra­chen Ge­burts- oder sons­tige Ur­kun­den über­setzt haben möchten, was nicht ich mache, wohl aber Kol­leg:in­nen, an die ich das dann weiterleite. Also saß ich selbst am Rech­ner, habe gedolmetscht und hätte ei­gent­lich wie eine Hydra zehn Arme und fünf Köpfe ha­ben müssen, wenn denn Hy­dren (Hy­dras? Hy­dran­ten? Hy­tan­ten? Hy­da­men? Hy­dra­men?) auf Händen gehen, sonst noch­mal zehn Beine hinzu. Schwer zu vermitteln, dass es eben nichts nützt, 20 Mal am Stück an­zu­ru­fen, fest­netz­lich oder mo­bil, dass ich mich schon zu­rück­mel­de, wenn ich wie­der frei spre­chen kann.

Ich lobe die­se Nach­bar:innen für ihren Biss, die ei­gene To­Do-Liste rasch kürzer zu bekom­men, und wenn es zu dem Preis ist, nach den er­folg­lo­sen Te­le­fo­na­ten bei mir an der Tür zu klingeln … mitunter Sturm.

Im Ne­ben­raum saß eine Kol­le­gin und über­setzte, weil ihr Büro re­no­viert wird, und sie durf­te stän­dig sprin­gen. Am Ende bin ich selbst dran­ge­gan­gen, als das Fest­netz­te­le­fon ge­läutet hat. Diese Num­mer ist kaum be­kannt, es war wie­der Spam, ein blö­des Ge­winn­spiel mit Schrei­stim­me aus dem Com­pu­ter, da­bei steh­en wir seit Jah­ren auf der Robin­son­liste.

Wir sind am bes­ten per Mobil­te­le­fon und per Mail er­reich­bar. Das hand­liche Te­le­fon ist bei der Ar­beit leise­ge­stellt; im An­schluss ru­fe ich zu­rück.

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Illustration: Netzfund

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