Donnerstag, 17. März 2022

Beine machen

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ein­blicke in das Le­ben einer Sprach­ar­bei­terin können Sie hier ­ erhalten. Ich bin Dol­met­scherin für die fran­zö­sische Sprache, und ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen. Seit Beginn der Pandemie arbeite ich meistens von zuhause aus.

Tage wie heute, an denen ich nur Themen in die Tas­ta­tur kloppen kann: Un­ter­ti­tel, Technikhassle, Veran­stal­tungs­planung, ein run­ter­ge­fallener Laptop, Daten­schutz­be­stim­mungen, Nachzügler­rechnung und die tech­nische Mach­barkeit von zweis­prachigen Hybrid­ver­an­stal­tun­gen mit Dolmetsch­bedarf auch vor Ort.

TARASQUE, Zeichnung von Conrad Mouren
Tarasque, das Ungeheuer, das der Stadt Tarascon seinen Namen gab

COVIDiary: Die Infektionszahlen gehen in Deutschland weiter hoch, ebenso in Frankreich. Konferenz­dol­metscher:innen zäh­len mit anderen Menschen aus der Veran­stal­tungsbranche mit zu jenen Berufs­tätigen, die nach dem medi­zi­ni­schen Personal am stärks­ten an der Pande­mie zu leiden haben, allerdings auf ganz an­de­re Art und Weise. Nor­ma­ler­weise wür­den wir zu dieser Jahres­zeit viele Kos­ten­vor­an­schläge für Konferenzen schreiben. Statt­des­sen wurde mir ein Termin von Ende März soeben abge­sagt. Dazu die all­ge­mei­ne Welt­lage: Es stellt sich ein bit­teres Gefühl ein.

Um im selben Moment auch schon wieder um­zu­schlagen: Die Börsen sind vor­sich­tig opti­mis­tisch, und sie wissen oft mehr. Ist das ein Licht­streif (zu­mindest für den Krieg in der Ukraine)? Oder schlägt mein bio­lo­gi­sches Pro­gramm hier zu, dass mich die Welt immer besser sehen lässt? (... die Stimme meines Bruders im Ohr: "Op­ti­mis­ten sind schlecht in­for­­mier­te Realis­ten.")

Und hin und her. Wie gestern den News­tickern zu ent­neh­men war, hat die Bun­des­re­gie­rung mit diversen Impf­stoff­her­stel­lern vereinbart, dass diese gegen eine Mil­liar­den­summe von Euros ihre Pro­duktions­kapazitäten bereithalten — natürlich bei fort­laufenden For­schungen — und diese bei Bedarf auch kurz­fristig auswei­ten können. Der Vertrags­zeitraum geht bis 2029. 

Ich hoffe sehr, dass die Fach­leute nicht davon aus­gehen, dass wir so lange unter stark verän­derten Bedingungen leben müssen. Als Konferenz­dol­met­scherin fühle ich mich oft wie ein Fisch ohne Wasser. Das, was virussicher online veranstaltet wird, entspricht derzeit vielleicht zehn Prozent des vorpan­de­mi­schen Auf­kom­mens ... opti­mis­tisch geschätzt.

Ach, die Optimisten (siehe oben). Ich rechne halt immer mit po­sitiv einge­stellten Zeit­ge­nossen, die sich rational verhalten — und zwar auf allen Ebe­nen. Dass die Men­schen diesem Virus weiter­hin ständig Beine machen, konnte doch im Vorfeld nie­mand ahnen!

Daher müssen wir uns erstmal anpassen. Konferenzen finden üblicherweise im Früh­jahr oder im Herbst statt. Es wäre einfach, vieles vor Ort in der wärmeren Jahres­zeit statt­fin­den zu lassen. Hier fehlt es an Flexi­bi­li­tät, die sich letzten Endes auf die mangeln­de Be­reit­schaft zu­rück­füh­ren lässt, überall die Sommer­pausen zu ver­kürzen. Anders gesagt: In der Zeit, in der die Ver­an­stal­tungs­bran­che sicher ihr Ein­kom­men generieren könnte, müs­sen andere in den Urlaub fahren.

Als ich diese Zeilen schreibe, flattert mir eine An­fra­ge für drei Tage im Juli in den Mail­brie­fkasten. Gewerk­schafts­ar­beit. Na, geht in man­chen Krei­sen eben doch!

Am Sonn­tag gibt die Bundes­re­gierung das Management der pandemischen Lage in die Hände der Länder, wodurch sich für Deutsch­land­rei­sende (manchmal muss es sein, für Arbeits- oder Familientermine) eine Viel­zahl regionaler Un­ter­schiede er­gibt, die idealer­weise alle zu befolgen sind. Das ist sicher etwas gewöhnungs­be­dürf­tig und nicht immer opti­mal. Aber warum soll eine nahezu un­be­trof­fene Re­gion künf­tig im Bei­nahe-Lock­down sitzen, wäh­rend Durch­schnitts­maß­nahmen für schwer betroffene Gegenden zu leicht sein können? Jetzt gehen die Zahlen erstmal wieder hoch. Ein Prosit auf die Gemüt­lich­keit, ein deut­sches Wort, das die Pan­de­mie viel­leicht nicht über­le­ben wird.

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Illustration: Wikimedia

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