Hello, bonjour, guten Tag! Einblicke in das Leben einer
Spracharbeiterin können Sie hier erhalten. Ich bin Dolmetscherin
für die französische Sprache, und ich übersetze auch aus dem
Englischen. Seit Beginn der Pandemie arbeite ich meistens von zuhause aus.
Tage wie heute, an denen ich nur Themen in die Tastatur kloppen kann: Untertitel, Technikhassle, Veranstaltungsplanung, ein runtergefallener Laptop, Datenschutzbestimmungen, Nachzüglerrechnung und die technische Machbarkeit von zweisprachigen Hybridveranstaltungen mit Dolmetschbedarf auch vor Ort.
Tarasque, das Ungeheuer, das der Stadt Tarascon seinen Namen gab |
COVIDiary: Die Infektionszahlen gehen in Deutschland weiter hoch, ebenso
in Frankreich. Konferenzdolmetscher:innen zählen mit anderen Menschen
aus der Veranstaltungsbranche mit zu jenen Berufstätigen, die nach dem
medizinischen Personal am stärksten an der Pandemie zu leiden haben, allerdings auf ganz andere Art und Weise.
Normalerweise würden wir zu dieser Jahreszeit viele Kostenvoranschläge für Konferenzen schreiben. Stattdessen wurde mir ein Termin von Ende März soeben abgesagt. Dazu die allgemeine Weltlage: Es stellt sich ein bitteres
Gefühl ein.
Um im selben Moment auch schon wieder umzuschlagen:
Die Börsen sind vorsichtig optimistisch, und sie wissen oft mehr. Ist
das ein Lichtstreif (zumindest für den Krieg in der Ukraine)? Oder
schlägt mein biologisches Programm hier zu, dass mich die Welt immer
besser sehen lässt? (... die Stimme meines Bruders im Ohr: "Optimisten
sind schlecht informierte Realisten.")
Und hin und her. Wie gestern den Newstickern zu entnehmen war, hat die Bundesregierung
mit diversen Impfstoffherstellern vereinbart, dass diese gegen eine
Milliardensumme von Euros ihre Produktionskapazitäten bereithalten —
natürlich bei fortlaufenden Forschungen — und diese bei Bedarf auch
kurzfristig ausweiten können. Der Vertragszeitraum geht bis 2029.
Ich hoffe sehr, dass die Fachleute nicht davon ausgehen, dass wir so lange unter stark veränderten Bedingungen leben müssen. Als Konferenzdolmetscherin fühle ich mich oft wie ein Fisch ohne Wasser. Das, was virussicher online veranstaltet wird, entspricht derzeit vielleicht zehn Prozent des vorpandemischen Aufkommens ... optimistisch geschätzt.
Ach, die Optimisten (siehe oben). Ich rechne halt immer mit positiv eingestellten Zeitgenossen, die sich rational verhalten — und zwar auf allen Ebenen. Dass die Menschen diesem Virus weiterhin ständig Beine machen, konnte doch im Vorfeld niemand ahnen!
Daher müssen wir uns erstmal anpassen. Konferenzen finden üblicherweise im Frühjahr oder im Herbst statt. Es wäre einfach, vieles vor Ort in der wärmeren Jahreszeit stattfinden zu lassen. Hier fehlt es an Flexibilität, die sich letzten Endes auf die mangelnde Bereitschaft zurückführen lässt, überall die Sommerpausen zu verkürzen. Anders gesagt: In der Zeit, in der die Veranstaltungsbranche sicher ihr Einkommen generieren könnte, müssen andere in den Urlaub fahren.
Als ich diese Zeilen schreibe, flattert mir eine Anfrage für drei Tage im Juli in den Mailbriefkasten. Gewerkschaftsarbeit. Na, geht in manchen Kreisen eben doch!
Am Sonntag gibt die Bundesregierung das Management der pandemischen Lage in die Hände der Länder, wodurch sich für Deutschlandreisende (manchmal muss es sein, für Arbeits- oder Familientermine) eine Vielzahl regionaler Unterschiede ergibt, die idealerweise alle zu befolgen sind. Das ist sicher etwas gewöhnungsbedürftig und nicht immer optimal. Aber warum soll eine nahezu unbetroffene Region künftig im Beinahe-Lockdown sitzen, während Durchschnittsmaßnahmen für schwer betroffene Gegenden zu leicht sein können? Jetzt gehen die Zahlen erstmal wieder hoch. Ein Prosit auf die Gemütlichkeit, ein deutsches Wort, das die Pandemie vielleicht nicht überleben wird.
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Illustration: Wikimedia
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