Bienvenue auf den Seiten einer Spracharbeiterin. Seit 2007
berichte ich hier in loser Folge über das Arbeitsleben von
Übersetzerinnen, Übersetzern, Dolmetscherinnen und Dolmetschern. Unser Beruf kann sogar auch mal gemütlich sein.
Für Handys gibt's kaum stabile Stative |
Die Sitzung dauert drei Stunden. Vier oder fünf längere Gesprächsphasen gibt es, in der Zwischenzeit wird formuliert, um Verben gerungen, werden Kommata gesetzt, Nebensätze gelöscht. Dann gehen alle in eine kurze Pause. Da habe ich Zeit, in die Küche zu flüchten, weil neben dem Büro Türen abgeschliffen werden.
Damit ich gut mitlesen kann, lege ich mir den Text auf den Klapprechner und die Konferenz aufs Handy, Stichwort second screen, denn das Tablet ist in der Reparatur.
Alle haben zeitgleich ihre Hände auf den Tastaturen. Das gesprochene Wort tritt hinter dem Geschriebenen zurück. Was für eine Erholung, verglichen mit manchen Konferenztagen, an denen uns übermotivierte Promovend:innen ihre ganze Dissertation auf 20 Minuten reduziert zumuten! Das sind Menschen, die noch so wenig Abstand zur eigenen Arbeit haben, dass sie alle Aspekte der eigenen Forschung in die kurze Redezeit hineinpressen möchten.
Das klappt natürlich nicht, weil sie, statt wohlformulierte Sätze zu sprechen, mit verbalen MG-Salven um sich feuern. Sie reden so schnell, dass sogar Muttersprachler in der Ausgangssprache nicht mitkommen, und sie überziehen gerne ihre Vortragszeit. Wie sollen wir Dolmetscher:innen das leisten, zumal wir in solchen Fällen vorab oft weder eine Inhaltszusammenfassung noch das Manuskript erhalten haben? Da stoßen wir an die Grenzen unserer Kunst und brauchen eine Erholung.
Gut, wenn dann Moderatoren wie beim letzten Vorfall dieser Art sagen: "Jetzt ist nach drei fünfminütigen Vorträgen eine gute Stunde vergangen, und nach ihrem sportlichen Einsatz haben unsere Dolmetscherinnen eine Pause verdient."
Anders heute: Wir haben viel Schweigen verdolmetscht und Nachdenkpausen. In der Zwischenzeit ließen sich Glossare vervollständigen. Eine bezahlte Atempause für uns. Wunderbar.
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Foto: C.E.
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