Freitag, 30. Juli 2021

COVIDiary (348)

Bienvenue auf den Seiten einer Sprachar­bei­te­rin. Wir Übersetzerinnen, Über­set­zer, Dol­metscherinnen und Dolmetscher arbeiten seit Corona überwiegend zu Hause im eigenen Arbeitszimmer. Dabei arbeiten wir nicht nur zu festgelegten Arbeitszeiten. Wir dienen der Gesellschaft auch durch das Finden neuer Begriffe.

Gestern war der Erdüberlastungstag, der Tag, an dem wir Menschen die Menge an Ressourcen verbraucht haben, die der Globus binnen eines Jahres erzeugt. Wir müs­sen den Raubbau an unserem Heimatplaneten stoppen!

Lange war auch im Deutschen der englische Begriff in Umlauf, overshoot day. Das hat Debatten und Handeln erschwert, denn solange die Problematik nicht allen Menschen bewusst ist, wird sich ihr Ver­halten ge­samt­ge­sell­schaftlich nicht verändern lassen. Hier waren Lin­gu­ist­in­nen und Lin­gu­isten am Werk und haben das Wort "Erd­über­las­tungs­tag" ent­wickelt. In Frankreich geschah dasselbe, le jour du dépassement wurde erfunden.

Overshoot-Tag | Die Menschheit hat alle Ressourcen verbraucht, die die Erde in einem Jahr erzeugen kann.
Erdüberlastungstag
Wir Dol­met­scher:innen kennen diese Sprach­proble­matik im politischen Kon­text gut. Vor etli­chen Jahren haben wir das Wort "Gentri­fi­zie­rung" neu über­tra­gen, und zwar zu einer Zeit, als es nur im Stadt­pla­ner­mi­lieu bekannt war.
Ein Englisch-Über­set­zer­kol­lege hat mitgeholfen und kam schließlich auf die "Verdrängungssanierung".

Auf manchen Kon­ti­nen­ten aast die mensch­liche Be­völ­ke­rung mit den Res­sour­cen. Erschreckend finde ich die Schnelligkeit der Verkürzung dieser Zeit, denn der Tag wird seit Jahr­­zehn­­ten immer früher im Jahr erreicht: von Ende De­zem­ber im Jahr 1970 zu Ende Septem­ber im Jahr 2000 bis heute hat die Ent­wick­lung deutlich an Fahrt auf­ge­nom­men. 

Menschen in Indien haben einen CO2-Fußabdruck, der bei 20 Prozent der Menschen in unserem Land liegt. Verglichen mit den USA liegt der Pro­zent­satz sogar nur bei 11%.

Das liegt an der überwiegend vegetarischen Ernährung dort. Der Überkonsum an Fleisch­ in unserer sogenannten westlichen Welt hängt in direkter Linie mit der Rodung des Ama­zonas zusammen, denn von dort kommen wert­vol­le Kalorien, ohne die große Zahl der Vieh­bestän­de in den reichen Ländern nicht er­nährt werden könnte. Im Ama­zonas wird inzwi­schen CO2 freigesetzt, statt dort zu binden, Trocken­heit nimmt zu, Wasser ver­dunstet und erhöht da­durch die Gefahr, dass es anderen­orts zu sint­flut­ar­ti­gen Regen­­fällen kommt.

Und um die Katastrophe noch hässlicher zu machen: Ein Drittel der Lebensmittel in Deutschl­and landen im Müll — im Handel oder bei den Verbrauchern. Ein weiterer, schwer ermit­telbarer Pro­zent­satz wird gar nicht geerntet oder vermarktet, weil die Agrar­pro­dukte nicht der Norm entsprechen.

Wir haben es mit einem strukturellen Problem zu tun und müs­­sen dringend han­deln, um die größte Ka­tastro­phe zu vermeiden. Es wird dra­matisch genug. Und ja, wir müssen anfan­gen und dürfen uns nicht lähmen lassen. Es gibt viele gute Einzel­bei­spiele.

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Foto:
ID (www.linfodurable.fr)

Donnerstag, 29. Juli 2021

COVIDiary (347)

Will­kom­men bei mei­nem Blog aus der Ar­beit­swelt. Wie wir Dol­metscher*innen und Über­set­zer*innen ar­beiten, ist oft nicht gut be­kannt. Durch die Pan­demie fin­den kaum noch Konferenzen statt, auf denen ich nor­ma­ler­weise mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch arbeite. Umso wichtiger sind Privatkunden, die ich berate.

Deepl-Fails, die X-te. Der Autofahrerkunde machte zunächst seine abschließende Mail­kor­­res­­pon­denz al­leine, naja, nicht ganz, er nutzte den be­kann­ten On­­line-Wör­ter­tausch­­ser­vice. 

Was er bei DeepL rein­ge­kippt hat, weiß ich nicht, mir fehlt die Vorlage. Seine Mail war mittel­lang. Mitten­drin findet sich wieder ein grober Fehler. Wenn ich den ein­zel­nen Satz bei DeepL ein­gebe, tauscht das System die Wörter allerdings ak­kurat aus. Nur eben nicht im Kon­text, der kom­plett unauf­fällig war. 

Oben links das, was DeepL aus dem wie gesagt mir nicht bekannten Aus­gangs­text ge­macht hat. Leider heißt projet de loi nicht das, was rechts ins Deutsche zu­rück­ge­tauscht steht, Rechnung, was beabsichtigt war, sondern "Gesetzesvorhaben".

Der Kunde diktiert seine Kor­res­pon­denz in einen Computer. Er spricht sehr schnell. Da geht schon mal was schief. Es wird auch hier wieder ein Deutsch­­fehler an der feh­ler­haf­ten Über­tragung beteiligt gewesen sein.

Da die Mails im Nach­gang noch pa­ral­lel über mein Post­fach liefen, konnte ich die ent­­spre­­chen­de Begleit­­musik spielen. Ich hoffe, dass der Autofah­rerkunde, der Ge­schäfts­­führer einiger Firmen ist, künf­tig Menschen mit der Überset­zung wirk­lich wich­ti­ger Tex­te beauftragt.

Frühere Beiträge zum Thema hier: "PC" und "Ich weise alle Schuld von mir".

Das Auto ist inzwischen ge­bor­gen! Die Dame vom Ret­tungs­dienst schrieb mir als Dank­sa­gung: "Sie haben sehr schnell per E-Mail ge­ant­wor­tet, das habe ich sehr zu schät­zen gewusst, so haben wir keine Zeit verloren. Zum Thema Über­set­zung ist es gut und richtig, dass es dafür Fachleute wie Sie gibt, so hat jeder seinen Beruf. Sie ha­ben es sehr gut gemacht!"

Wagen im Graben, zwei Fahrzeuge zur Bergung waren nötig
Eine anspruchsvolle Aufgabe


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Illustration:
DeepL
Foto:
Merci beaucoup à France Dépannage, Marck (F)

Dienstag, 27. Juli 2021

COVIDiary (346)

Was Dol­met­scher­in­nen und Dol­met­scher für die fran­zösische Sprache so erleben, können Sie hier mitverfolgen. Wir sind im 2. Coronasommer. Anders als früher, als ich meistens vor Ort tätig war, arbeite ich jetzt oft aus der Ferne.

Mutterseelenallein sitzt diesen Montag ein junger Mann auf dem Gang des Berliner Polizeipräsidiums. Er hat am Vortag sein Auto in Frankreich zurücklassen müssen und fragt sich jetzt, wie er es schnell wiederbekommt.

Ein Malheur ist rasch passiert

Bei solchen Problemen kann ich hel­fen. Dass er sich privat eine Dol­met­sche­rin suchen muss, hat ihm ein französischsprechender Po­li­zei­be­­am­ter gesagt, dem ge­gen­über Mi­nu­ten zuvor ein agent de police auf fran­zö­si­scher Seite den Hörer mitten im Telefonat ein­gehängt hat.

Der Erklä­­rungs­versuch des Anrufers war mögli­cherweise etwas schwer ver­stän­d­lich gewesen, genauer weiß ich es nicht.

Vielleicht hat auch formal was nicht gestimmt. Die Berliner Polizei ist für ihren di­rek­ten Tonfall bekannt. In Frankreich indes ist bei einer ersten Kontaktaufnahme immer gut zu wissen, wer wie angesprochen wird — und wo er oder sie ist.

Doch der Reihe nach. Der Wagenhalter war Ende letzter Woche über Belgien und Frankreich privat nach Großbritannien gefahren, um dort eine Person abzuholen, die in Deutschland ins Krankenhaus muss. Auf der Rückfahrt, kurz nach dem Tun­nel, der unter dem Kanal entlangführt, forderte die Natur ihren Tribut ein. Der Mann fuhr auf einer Landstraße rechts ran und wollte kurz auf einen Seitenstreifen ne­ben einem Acker parken — oder was er dafür hielt. In Wirklichkeit befindet sich dort ein komplett zugewachsener Graben. Der Wagen ist dann 1,20 Meter in den Graben gerutscht, einige Scheiben zerbrachen, die Airbags gingen auf. 

Glücklicherweise sind den beiden Passagiere vor Ort sehr viele nette Franzosen zu Hilfe geeilt. Jemand hat die eingeklemmten Tür aufgemacht, andere haben Polizei und Krankenwagen gerufen. Da zum Glück kein Schaden an Menschen eingetreten war, blieb die Polizei fern. Mitten am Wochenende kam auch der Abschleppdienst nicht umgehend. Der Fahrgast aus England, der aus anderen als den Unfallgründen in ein Krankenhaus sollte, wurde erstmal in ein Hotel einquartiert. 

Da die Informationslage vor Ort mau war, es schien sich abzuzeichnen, dass die Ver­si­che­rung bei einem selbstverschuldeten Unfall im Ausland den Pan­nen­ser­vice und die Rückholung des Wagens möglicherweise nicht übernimmt, und weil auch kein Pan­nen­dienst in Sicht war, vor allem aber weil der Patient nicht länger un­ter­wegs sein sollte, fuhren die beiden dann mit dem Zug zurück nach Deutschland. 

Der Unfall löste eine Pannenserie an Kommunikationsschwierigkeiten aus: Bestellte Taxis blieen weg, der Besitzer des Unfallwagens schob das auf seine mageren Fran­zö­sisch­kennt­nis­­se, und der Pannendienst beschrieb unwidersprochen als absolute Not­wen­dig­keit, dass der Mann persönlich nach Frankreich zurückkommen müsse um das Au­to eigen­hän­dig auf­zu­schlie­ßen, damit der Abschleppdienst sicher sein könne, dass er selbst der Eigentümer ist. Ein Auto aufzuschließen dauert Se­kun­den, da­ran, es zur Not auf­zu­bre­chen, arbeitet ein Fachmann auch nicht lange.

2000 Kilometer Hin- und Rückfahrt dauern entschieden länger. Dies als absolute Not­wen­dig­keit darzustellen, klingt unwahrscheinlich in Zeiten, in denen wir heute ganz alltäglich in Konferenzräumen sitzen, die von New York über Nairobi, Berlin, Paris, Genève reichen, um nur ein aktuelles Beispiel zu erwähnen. 

Die Dolmetscherin kommt ins Spiel, also ich, per Telefon. Es gibt erste In­for­ma­tio­nen, dass der Auto-Schutzbrief doch den Rücktransport deckt. In der Sommerpause ist beim Po­li­zei­re­vier einer mittelkleinen Stadt die Unfallabteilung unbesetzt, ich frage mich durch, suche dann auch nach einer passenden Ab­schlepp­fir­ma, kurz­zei­tig war so­gar mal eine vor Ort, jene, die vom eigenhändigen Aufschließen sprach. Auch die­ses Pro­blem löst sich sehr schnell in Wohlgefallen auf. 

Das Gute: Der staatliche Abschleppdienst (la fourrière) hat sich in der Zwi­schen­zeit des Autos nicht ermächtigt, damit wäre es sofort teuerer und ad­mi­nis­tra­tiv kom­pli­zier­ter geworden. Es wurde auch noch nichts polizei­lich zu Proto­koll ge­ge­ben, auf Fran­zö­sisch: aucune main courante n'a été déposée, auch keine An­zei­ge wegen illega­len Abstellens des Autos, so dass die Polizei auch jetzt nicht handeln muss (pas d'in­ter­ven­tion policière) und die Ange­le­genheit ein reines privat- und ver­si­che­rungs­recht­li­ches Problem ist, das Kosten für die Pan­nenhilfe (frais de dé­pan­nage) und Abschlepp­­kosten (frais de re­mor­quage) auslöst, zu überschaubaren Pau­scha­len, plus die Stun­den­sätze der Beteiligten.

Die beste Nachricht zum Schluss: Der Patient ist wohl­be­halten in einem deut­schen Kran­kenhaus angekommen, und das ganz ohne das Zutun einer Dolmetscherin.

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Illustration:
Lehrbuch (eigenes Archiv)

Donnerstag, 22. Juli 2021

COVIDiary (342)

Was Dol­met­scher und Über­setzer umtreibt (hier: eine Dol­met­sche­rin­ und Über­set­ze­rin­), be­schreibe ich seit 2007 an dieser Stelle. Meine Sprachen sind Franzö­sisch, natürlich Deutsch, und Englisch als Ausgangs­sprache. Der Som­mer lässt Be­gehr­lich­kei­ten wachsen: Kopfeinsichten und Blick auf den Schreibtisch.

Gefühlt alle sind derzeit im Urlaub. Ich war zwölf Tage weg, einen Tag zur Arbeit, der Rest der Zeit war Familie und Filmfest gewidmet. Ich durfte einen Film mit­be­tre­uen, was sich aber nicht nach Arbeit angefühlt hat. "Tendenziell gibt es bei Frauen eine gewisse Sehnsucht nach Ef­fi­zienz", sagte die Kanzlerin heute bei ihrer letzten Som­mer-Pressekonferenz. Vielleicht war mir allerdings diese Reise doch zu effizient.

Buntes Palettengesicht
Naive urban art
Ein wenig träumt mein Hin­ter­kopf von einem Ferien­domizil, nichts aufregendes, von ver­trö­del­ter Zeit, ein wenig Bas­te­leien, einige Ent­deckun­gen in der Nähe, Wochen­markt, See oder Meer. Und dann weiß ich, wenn ich den Tag­traum ein we­nig von außen betrachte, dass ich mich glück­lich schätzen darf, das alles am May­bach­ufer längst zu haben.

Dieser Tage mache ich mir ein­mal mehr Gedanken über Fra­gen des Wohnens und Ein­rich­tens, grund­le­gen­de Fragen, Stichwort "Ferien­wohnungs­am­biente". 

Wie kann ich meinem Umfeld die unbekümmerte Leichtigkeit und den zau­ber­haf­ten Charme eines Ferienhauses geben? Was macht gemütliches Woh­nen aus? Was macht eine Wohnung visuell ruhiger mit meinen Dutzen­den Aktenordnern und Tausenden Büchern? Wie kann ich hier die Arbeit optisch ein wenig in den Hin­ter­grund treten lassen und Multi­funktiona­lität rein­bringen?

Wobei ich schon beim nächsten Gedanken bin. Wir Dol­met­scherin­nen und Dol­met­scher pauken ja alles immer am besten so, dass es "prüfungsfest" sitzt. Wir möch­ten die Begriffe nicht nur passiv kön­nen, wir müssen sie aktiv beherrschen. ("Beherrschen" und "aktiv" kommt mir hier ein wenig vor wie ein Pleo­nasmus.)

Im Gründe könnte ich, da ich mich intensiv mit diversen Materien beschäftige, auch noch Hochschul­seminare belegen, um etwas mehr Systematik rein­zu­be­kom­men. Und dann im Vorbei­gehen Prüfungen machen. Richtig gelesen, ich spiele mit dem Gedan­ken eines Dritt­studiums neben der Berufs­tätigkeit, die ja ohnehin zu 80 Prozent aus Lesen und Lernen besteht.

Innenarchitektur und Design könnte ein Fach sein, außerdem begeistere ich mich für Agro-Forstwirtschaft und Bodengesundheit, betreue immer wieder Kinder aus der Migration und gebe Lernmethoden weiter, Didaktik und Wissensmanagement sind zentrale Themen, Medienerziehung und Literatur. Außerdem begeistere ich mich für narrative Strukturen und Rhetorik. Ich suche mir jetzt etwas zur Mo­ti­va­tion für den Herbst, das ich nach der Pandemie hof­fent­lich hy­brid wei­ter­stu­die­ren kann.

Was wir/ich derzeit so mache(n): Schreiben (eigene Sachen), Filmstart vorbereiten (der nächste Mitmensch, ich assistiere hier und da ein wenig), Sprach­auf­nahmen (für Kunden), Vokabellisten pflegen, Ablagen ausmisten, ins Kino gehen, Museen be­suchen, jeden Tag fünf bis acht Kilometer zu Fuß gehen, Blüh­pflanzen für den Spät­som­mer aussähen und jeden Tag mit einem kleinen Jungen, der Deutsch als Zweit­sprache lernt, ein Buch weiterlesen.

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Foto: C.E.

Dienstag, 20. Juli 2021

COVIDiary (341)

Ob ge­plant oder zu­fäl­lig, Sie sind auf den Sei­ten des ers­ten Dol­met­scher­blogs Deutsch­lands aus dem Inneren der Dol­metscherkabine gelandet. Ich arbeite mit den Sprachen Deutsch, Französisch und Englisch. Die Umstände ma­chen aus mei­nem Blog aus dem Be­rufsall­tag das eher private COVIDiary.

Eine Erinnerung aus der Zukunft. Ich freue mich schon heute auf den Tag, wenn jemand sagen wird: "Ach, lasst uns doch mal wieder per Zoom treffen, so wie früher!"


Und dann fällt mir das Foto vom schram­me­li­gen Ein-Euro-Laden am Kott­bus­ser Damm und seiner Schau­­fens­­ter­­deko wie­der ein, die ich Januar 2020 fo­to­gra­fiert habe.

Was für eine Weit­sicht damals mit dem Heul­ge­sicht auf den Lüftungsschlitzen, eine Maskenverpackung, die an sich ja schon höchst ungewöhnlich ist, dem großen Plastik­co­ro­na­vi­rus und den Mur­meln, an denen etliche eine haben, was sich bald erweisen sollte!

"Einen an der Murmel haben" ist wie "eine Schraube locker haben" oder "nicht mehr alle Tassen im Schrank haben" ein weiterer Ausdruck für "spinnen", "bekloppt sein" oder "einen an der Waffel haben".

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Foto:
C.E.

Sonntag, 18. Juli 2021

COVIDiary (340)

Was und wie Über­setzer und Dol­met­scher arbeiten, können Sie hier mitlesen. Die meis­ten von uns sind selb­stän­dig. Co­ro­na stellt auch un­sere Exis­tenzen auf tö­ner­ne Füße. Wir erholen uns mehrsprachig und im Spiel. Sonn­tags­bild!

Viele Familien verbrin­gen derzeit die großen Ferien ganz oder in großen Teilen am Wohnort. Das gilt auch für Berlin. Eine Parallel­straße hier wird an Sonn- und Fei­er­ta­gen regelmäßig zur Spielstraße, so dass entfernte Ziele plötzlich nicht immer so attraktiv erscheinen wie sonst. Die touristi­­schen Destinatio­nen der Stadt lassen sich auch un­ter der Woche ansteuern; die Sonntags­spielstraßen verringern dort übergroßen An­drang am sie­ben­ten Tag der Woche, pande­misch vorteilhaft, andere können da­rü­ber nach­denken, wem eigentlich der öffentliche Straßenraum gehört.

Das Ganze geschieht in unserem Fall viersprachig: DE, FR, IT, AR. Nebenbei erreilt mich die Überraschung, dass junge Schul­kinder inner­halb eines Jahres eine Spra­che fast kom­plett vergessen können. 

Hand- und Fußabdrücke auf Asphalt
Berliner Spielstraße


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Fotos:
C.E.

Mittwoch, 7. Juli 2021

COVIDiary (337)

Was Dol­met­scher und Über­setzer umtreibt (hier: eine Dol­met­sche­rin­ und Über­set­ze­rin­), be­schreibe ich seit 2007 an dieser Stelle. Meine Branche verändert sich, woran Corona nicht unbeteiligt ist. Aber auch die KI, die Künstliche Intelligenz, spielt eine Rolle. Die allerdings an ihre Grenzen stößt.

Der Stress auf der Baustelle neulich war groß. Aber alle haben es geschafft, die Dinge so anzunehmen, wie sie sind; es wurde sogar hier und da gelacht.

Anschluss diverser "Medien" (Gas, Wasser)
Sich zu ärgern würde an der Lage ohnehin nichts ändern. 

Die Baupreise explodieren, al­lein Edelstahl hat jüngst ein Plus von 50 Prozent ver­zeich­net, was Teil einer langen Ver­ket­tung ist: In der Pan­de­mie gehen die Im­mo­bi­lien­preise durch die Decke, denn die Ban­ken ver­lan­gen für Depots "Ne­ga­tiv­zin­sen", gleichzeitig fluten die Regierungen viele Branchen mit Geld. 

Offenbar landet viel von den sogenannten Coronahilfen einfach nur auf Bank­kon­ten, wird also gar nicht dringend benötigt. Nur bei vielen Solo-Selbstän­digen kommt nichts an, wir hatten's schon davon. (Auch ich kann das als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin mit Schwerpunkt Kunst, Kino, Kultur, Politik und Gesell­schafts­wis­sen­schaf­­ten leider bezeugen. Zum Glück wurde aus meinem "Spielbein", der Arbeit für die Indus­trie, inzwischen mein "Stand­bein".)

Zurück auf die Baustelle: Natürlich wurde trotzdem dort auch ein wenig nach den Schuldigen ge­sucht. Im Anschluss daran gingen Mails hin und her. Der Online­dienst DeepL lie­fert oft eine Grobübersetzung dieser Korres­pon­denz. Zum Glück behalte ich den Austausch im Auge. Hier unsere jüngsten DeepL-Perlen.

Einer der Planer schrieb: "Ich weiße damit alle Schuld von mir, dass ein Bauverzug dadurch entsteht, dass ich nicht die Pläne liefere." Den Schreibfehler "weiße" statt "weise" interpretierte das System wohl als "ich weiß, dass ... " und machte daraus "Je prends toute la responsabilité d'un retard dans la construction parce que je ne livre pas les plans."

8. Die Rohbaufirma könnte daher los bauen. Da das Material aber noch nicht da ist, geht dies nicht. 9. Ich weiße damit alle Schuld von mir, dass ein Bauverzug dadurch entsteht, dass ich nicht die Pläne liefere. // 8. L'entreprise de construction en coquille pourrait donc commencer à construire. Cependant, comme le matériau n'est pas encore là, ce n'est pas possible. 9. Je prends toute la responsabilité d'un retard dans la construction parce que je ne livre pas les plans.

Es ist das Gegenteil dessen, was auf Deutsch gesagt worden war. Denn ohne Kon­text automatisch rückübersetzt, ergibt der in der deutschen Urfassung fett ge­setz­te Satz:

Je prends toute la responsabilité d'un retard dans la construction parce que je ne livre pas les plans. // Ich übernehme die volle Verantwortung für eine Bauverzögerung, weil ich die Pläne nicht liefere.

Gegenprobe: Die Rechtschreibung des Ausgangssatzes habe ich korrigiert nochmal ins System eingegeben, was wiederum ergibt: 

Ich weise damit alle Schuld von mir, dass ein Bauverzug dadurch entsteht, dass ich nicht die Pläne liefere. //  Je décline toute responsabilité pour tout retard dans la construction résultant de mon incapacité à fournir les plans.

Mit dem richtigen Verb wurde der Satzanfang richtig 'übertragen'. Der Mail­schrei­ber hat sich allerdings für die internationale Kommunikation doppelt ungeschickt ausgedrückt: "… dass ich die Pläne nicht liefere" steht hier der Affirmation und nicht als Hypothese. "... da ich an­geb­lich die Pläne nicht liefere“, würde es zum Beispiel auf Französisch heißen, das 'angeblich' könnte im Verb stecken. In diesem Fall wäre die Unterstellung kenntlich gemacht.

Zum Vergleich nochmal das oben erzielte "Ergebnis", das Satzende separat zurück ins Deutsche übertragen. Selbst mit korrigiertem Verb wird die Aus­sage nicht we­ni­ger hässlich und liest sich wie eine Selbstanklage.

... résultant de mon incapacité à fournir les plans. // ...die aus meiner Unfähigkeit resultieren, die Pläne zur Verfügung zu stellen.

Dass hier kein falscher Eindruck entsteht: Es ist garantiert nicht meine Art, hoch­qua­li­fi­zier­ten Menschen mangelnde Schreib­fä­hig­keit vor­zu­wer­fen, im Gegenteil, das ist gar nicht ihr Beruf. Was diese Damen und Herr­­en leisten, könnte ich nie: Bau­vo­lu­mi­na berechnen, Luft­ab­zugs­men­gen oder die Statik des Gebäu­des. Und ge­nau­so­­wenig müssen die mei­nen Beruf beherrschen. 

Die künstli­che Intelli­genz aber auch nicht. Sie kennt keinen Kontext, ahnt nichts von Schuld und Unschuld, von Rechtschreibfehlern und Dialekten, vom Impliziten, das Anlass der Mail war, von Hierarchien und Rechtfertigungen. Das sind alles zu­tiefst mensch­liche Dinge. Einsen und Nullen, die Welt der Rechner, sind indes kalt, ge­fühl­los und weder emotional noch intelligent. Der Begriff KI ist eine Wortlüge.

 

Vokabelnotiz
Medienanschlüsse (wie oben) — les attentes [wörtlich "die Erwartungen"]

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Illustrationen:
C.E. und DeepL

Dienstag, 6. Juli 2021

COVIDiary (336)

Sie sind auf den Sei­ten eines digitalen Ta­ge­buchs aus der Welt der Sprachen ge­landet. Seit 2007 blog­ge ich hier über das Be­rufsle­ben der Über­set­zer und Dol­met­scher, und seit März 2020 gibt es kaum Konferenzen, hat sich unsere Arbeit stark verändert.

Diverse Baubeteiligte
Neulich auf einer Baustelle: 20 Leute ste­hen mit mir im Halbkreis in einem Bü­ro­ge­bäu­de aus Holz, es ist noch ein Roh­bau. Wir spre­chen über Kabel­schä­chte, Ablauf­rinnen, Entlüftungs­kanäle, eine Zwi­schen­decke, Roll­gerüste, die Bo­den­plat­te mit darunterlie­gendem Rohrsystem und ähn­liche Schman­kerl mehr.

Der Kopf rödelt, ich dolmetsche simultan für einen Fran­zosen, der neben mir steht, und konse­kutiv in die Runde hinein. Manche(r) spricht zu leise, mehrfach bitte ich um etwas mehr Laut­stärke. Die Span­nung ist zum Greifen nahe. Wir haben deut­li­chen Bau­verzug, die ein­zel­nen Gewerke müssen sich koordinieren.

Zwischendurch denke ich: Jetzt ein Foto von den Füßen im Kreis schießen. Aber wir stehen so weit aus­einander, je­mand hätte meh­re­re Tor­ten­stück­fotos machen und dann an­ein­and­erlegen müssen. In der Kon­zen­trier­theit entfällt sogar ein Beispielfoto vom Tortenstückchen vor meinen eigenen Füßen.

20 Menschen sind wir im Büro­ge­bäude, an­dere warten im Pau­sen­raum auf uns oder richten einen Imbiss an, wie­der ande­re bauen hier und da weiter. So viele Men­schen auf einem Hau­fen habe ich seit an­dert­halb Jahren nicht er­lebt. Mich schüch­tertet die Situation ein. Aber nur ein bisschen.

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Fotos:
C.E. (gesehen in München)

Sonntag, 4. Juli 2021

COVIDiary (335)

Will­kom­men bei mei­nem Blog aus der Ar­beits­welt. Wie wir Dol­metscher*innen und Über­set­zer*innen ar­beiten, ist oft nicht gut be­kannt. Seit die Pan­demie aus­ge­bro­chen ist, fin­den kaum noch Konferenzen statt (normalerweise arbeite ich mit den Sprachen Französisch und Englisch). Meine Mehr­spra­chig­keit erlebe ich seit lan­gem wieder zusammen mit anderen Menschen. Sonntagsbilder!

Endlich Sommer!

Abendessen im Restaurant mit Freunden in Zusammenhang mit einem neuen Film: Wir sitzen zum ersten Mal seit einem Jahr drinnen, ein wenig fremdele ich, es ist so un­ge­wohnt. Die­ser An­blick ist be­son­ders: Über ei­nem wun­der­schönen Par­kett schwe­ben Plexiglas­wände über Füßen aus ro­hem Bau­holz. Wir sitzen an of­fe­nen Fens­tern beim Edel­chinesen.

Unsere Her­kunfts­­län­­der sind Ge­or­gien, Deutsch­land, Türkei. Frankreich spielt hier auch eine große Rolle, denn es ist für ei­ni­ge von uns die Bil­dungs­heimat.

Wie oft im internationalen Kontext erweist sich zunächst Englisch als die zentrale Umgangssprache. Aber immer wieder geht es in alle möglichen Richtungen, in Win­des­eile wechseln wir die Idiome und dolmetschen auch Nuancen. Das über­rascht die Servicekraft, die am Ende nur noch in Gesten mit uns kom­mu­ni­ziert, weil sie nicht weiß, welche Sprachen die Person spricht, die sie jeweils vor sich hat.

Familienübel: zerstreut danebengestellte Tasse beim Warten
Auf dem Nachhauseweg dann an der Bushaltestelle über Wer­bung sinniert, mit er ein Groß­un­ter­neh­men sich einen Öko-Anstrich ver­pas­sen will. Den in Deutschland oft ver­wen­de­ten Begriff Green­washing habe ich mal kurz mit "Öko­tün­chen" übersetzt. Klappt leider nur be­dingt im mi­gran­ti­schen Milieu, da das "Tün­chen" für "Fär­ben" geho­bene Spra­che ist. "Öko­lo­gi­sche Augen­wischerei" schlägt der Mit­mensch mit mi­gran­ti­schem Hintergrund vor, ja, schön, aber lang. Alibi-Öko-irgendwas ... Hm. Weiter­denken.

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Fotos:
C.E.

Samstag, 3. Juli 2021

COVIDiary (334)

Bonjour und guten Tag! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer machen, und na­tür­lich auch wir Frau­en im Be­ruf, wie sie bzw. wir arbeiten, ist hier seit Mitte der Nuller Jahre re­gel­mä­ßig Gegen­stand in Form kleiner Be­richte aus dem Alltag. Der Blog wurde zum COVIDiary, heute folgt mein Link der Woche!

Rückenfreundlicher Ar­beits­platz

Nach ihren Lieblings­tools hat eine deut­sche Kollegin aus Frankreich neulich einige Über­set­zerinnen und Über­setzer gefragt. Sie dachte dabei an allerlei elektro­nischen Kram, der unsere Arbeit erleichtert.
Bei mir sind diese Werk­zeu­ge indes aus Holz, Leder, Stahl und irgendwas Weichem, das hat mit der Sitzarbeit zu tun und der vielen Re­cherche im Vorfeld von Dol­metsch­ein­sätzen. 

Hier entlang: "Die besten Tools für Übersetzer*innen und Texter*innen" — und ich habe mal wieder das letzte Wort.

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Foto:
C.E. (Archiv)