Freitag, 30. Juli 2021

COVIDiary (348)

Bienvenue auf den Seiten einer Sprachar­bei­te­rin. Wir Übersetzerinnen, Über­set­zer, Dol­metscherinnen und Dolmetscher arbeiten seit Corona überwiegend zu Hause im eigenen Arbeitszimmer. Dabei arbeiten wir nicht nur zu festgelegten Arbeitszeiten. Wir dienen der Gesellschaft auch durch das Finden neuer Begriffe.

Gestern war der Erdüberlastungstag, der Tag, an dem wir Menschen die Menge an Ressourcen verbraucht haben, die der Globus binnen eines Jahres erzeugt. Wir müs­sen den Raubbau an unserem Heimatplaneten stoppen!

Lange war auch im Deutschen der englische Begriff in Umlauf, overshoot day. Das hat Debatten und Handeln erschwert, denn solange die Problematik nicht allen Menschen bewusst ist, wird sich ihr Ver­halten ge­samt­ge­sell­schaftlich nicht verändern lassen. Hier waren Lin­gu­ist­in­nen und Lin­gu­isten am Werk und haben das Wort "Erd­über­las­tungs­tag" ent­wickelt. In Frankreich geschah dasselbe, le jour du dépassement wurde erfunden.

Overshoot-Tag | Die Menschheit hat alle Ressourcen verbraucht, die die Erde in einem Jahr erzeugen kann.
Erdüberlastungstag
Wir Dol­met­scher:innen kennen diese Sprach­proble­matik im politischen Kon­text gut. Vor etli­chen Jahren haben wir das Wort "Gentri­fi­zie­rung" neu über­tra­gen, und zwar zu einer Zeit, als es nur im Stadt­pla­ner­mi­lieu bekannt war.
Ein Englisch-Über­set­zer­kol­lege hat mitgeholfen und kam schließlich auf die "Verdrängungssanierung".

Auf manchen Kon­ti­nen­ten aast die mensch­liche Be­völ­ke­rung mit den Res­sour­cen. Erschreckend finde ich die Schnelligkeit der Verkürzung dieser Zeit, denn der Tag wird seit Jahr­­zehn­­ten immer früher im Jahr erreicht: von Ende De­zem­ber im Jahr 1970 zu Ende Septem­ber im Jahr 2000 bis heute hat die Ent­wick­lung deutlich an Fahrt auf­ge­nom­men. 

Menschen in Indien haben einen CO2-Fußabdruck, der bei 20 Prozent der Menschen in unserem Land liegt. Verglichen mit den USA liegt der Pro­zent­satz sogar nur bei 11%.

Das liegt an der überwiegend vegetarischen Ernährung dort. Der Überkonsum an Fleisch­ in unserer sogenannten westlichen Welt hängt in direkter Linie mit der Rodung des Ama­zonas zusammen, denn von dort kommen wert­vol­le Kalorien, ohne die große Zahl der Vieh­bestän­de in den reichen Ländern nicht er­nährt werden könnte. Im Ama­zonas wird inzwi­schen CO2 freigesetzt, statt dort zu binden, Trocken­heit nimmt zu, Wasser ver­dunstet und erhöht da­durch die Gefahr, dass es anderen­orts zu sint­flut­ar­ti­gen Regen­­fällen kommt.

Und um die Katastrophe noch hässlicher zu machen: Ein Drittel der Lebensmittel in Deutschl­and landen im Müll — im Handel oder bei den Verbrauchern. Ein weiterer, schwer ermit­telbarer Pro­zent­satz wird gar nicht geerntet oder vermarktet, weil die Agrar­pro­dukte nicht der Norm entsprechen.

Wir haben es mit einem strukturellen Problem zu tun und müs­­sen dringend han­deln, um die größte Ka­tastro­phe zu vermeiden. Es wird dra­matisch genug. Und ja, wir müssen anfan­gen und dürfen uns nicht lähmen lassen. Es gibt viele gute Einzel­bei­spiele.

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Foto:
ID (www.linfodurable.fr)

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