Montag, 28. August 2017

Stereotypen

Bienvenue! Absichtlich oder zufällig blättern Sie in meinem digitalen Arbeits­jour­nal. Hier berichte ich aus dem Alltag meiner Beschäftigung mit Sprachen. Ich dol­metsche aus dem Französischen und Englischen sowie in die französische Sprache.

Eine alte Dame aus der Nachbarschaft hat mich neulich zu sich reingebeten. Wir haben ein Nick-Grußver­hältnis, ich kannte ihren Namen nicht. Wir kamen zeit­gleich vom Markt zurück, und für den Folgetag war ich dann prompt zum Kaf­fee ver­ab­re­det. Ich brachte Blumen mit. Sie müsse mir etwas zeigen, hatte sie noch gesagt.

Woher sie weiß, dass ich mit Sprachen arbeite, weiß ich nicht. Als ich ankam, war der Tisch mit weißem Damast gedeckt, und eine Vase stand schon bereit. Neben dem einen Kuchenteller lag ein Stapel Bücher: fremdsprachige Werke, Sprach­kur­se und Reclam-Heftchen. Die Bücher seien von ihrem Gatten, sagt sie, und dass ich mitnehmen dürfe, was ich möchte. Der Nachmittag war über die Bücher hinaus auch spannend.

Der Englischsprachkurs liest sich wie ein Sitten­gemälde. Mir fielen vor allem das unironisch vorgetragene Geschlechterverhältnis auf. Eher einseitig, diese Ste­re­o­­typen; heute nicht mehr politisch korrekt. Naja, heute werden Fuß­ball­spiele ja auch nicht mehr monoral übertragen.

– Robert! – Yes, darling. – Must you listen that match? – Yes, I must, because I have ... – No, you needn't. Turn it off. – But it's interesting, isn't it? – No, it is not. Not for us. We are women.

______________________________  
Illustration: TR-Verlagsunion, Name des Ur-
hebers nicht genannt, grafisch aufgearbeitet

Keine Kommentare: