Es ist unser vornehmster Auftrag, allen Menschen, die unsere Hilfe brauchen, sprachlich beizustehen. Mit anderen Worten: Dolmetscher haben eine große Kundenvielfalt. Wir dolmetschen für sehr unterschiedliche Kreise.
Kunde ohne blauem oder weißem Kragen |
Bei anderen Dolmetschinteressenten weiß ich definitiv, dass sie von den Diensten beobachtet werden.
Das ficht mich aber nicht an. Denn dabei handelt es sich um Vertreter der Zivilgesellschaft und gewählte Volksvertreter, z.B. das Bündnis "Aufstehen gegen Rassismus" (AgR), das Vertreter einer Regierungspartei unterstützen, darunter Manuela Schwesig (SPD) sowie Vertreter der parlamentarischen Opposition wie Cem Özdemir (Grüne).
Ich dekonspiriere hier, spreche die Lage offen an. So habe ich es als kritische Westjugendliche in der DDR gelernt. Hier habe ich keine Geheimnisse. Wir Dolmetscher sind für die Verständigung ausgebildet und arbeiten, sofern alles rechtens ist und der Demokratie dient.
Noch eine Gruppe, die mich nie angefragt hat, sind offizielle Stellen, die unlängst dadurch aufgefallen sind, dass sie gewisse Ermittlungsinformationen, die erwiesene, militante Staatsfeinde angehen, 120 Jahre unter Verschluss halten möchten (nicht nur der SPIEGEL berichtete).
Die Kundenvielfalt ist positiv. Einmal habe ich mit Streetworkern aus dem Pariser Vorort zwei Nächte lang in Neukölln obdachlose Jugendliche aufgesucht, ein anderes Mal mit belgischen Sozialarbeitern ein Haus der Treberhilfe besichtigt. Wir Dolmetscher leihen unsere Stimmen auch Menschen auf Konferenzen, die von Geflüchteten selbst organisiert werden. Oder aber wir kommen im Rahmen von Ausstiegsprogrammen junger Drogenabhängiger zum Einsatz.
Nicht immer werden wir hier für unsere Arbeit bezahlt. Mancher Veranstalter kann auch ohne große Finanzierung für seinen Kongress, sein Seminar oder Panel außerhalb der Hauptsaison mit ehrenamtlichen Spracharbeitern rechnen, wenn der Tagungszweck dem politischen und sozialen Diskurs der Zivilgesellschaft dient. Manchmal bekommen wir nur Reisekosten und Spesen gezahlt.
Diese Einsätze folgen einer vierfachen Logik. Erstens hat die Allgemeinheit die Hochschulen finanziert, an denen wir studiert haben. Wir geben also zurück. Dann kann es nicht schaden, in der langen Sommerpause mal ein wenig die Neuronen durchschütteln zu gehen. Der Nachwuchs erwirbt sich Routine; wir Erfahreneren bauen eine weitere Sprache auf. Und schließlich dient auch jeder noch so kleine Einsatz der Fortbildung.
So konnte passieren, dass ich einst nach besagtem Job mit obdachlosen Jugendlichen zu Beginn einer Woche gegen Ende der nämlichen Woche im Kanzleramt zum gleichen Thema für Abgeordnete, Staatssekretäre und Minister gedolmetscht habe. In der Kaffeepause bestätigte sich meine Befürchtung: Ich war die Einzige mit (auch noch so winziger) "Terrainkenntnis".
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Foto: C.E.
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