Montag, 27. Januar 2014

We're paid for waiting

Will­kom­men auf den Blog­sei­ten einer Sprach­mitt­lerin. Was Fran­zö­sisch­dol­met­scher machen, die ne­ben­bei auch übersetzen, können sie hier erfahren. Neben der Kon­fe­renz- und Messearbeit übersetze ich auch, und zwar Treatments und Dreh­bü­cher, Projektkonzepte und Finanzierungspläne. Hier blogge ich seit Februar 2007.

Statt Erleuchtung | Licht auf dem Tisch (R. Exner)
Es gibt Tage im Übersetzer- und Dolmetscherleben, die sind kurios. Letzte Woche habe ich zwei Pressetexte für einen Filmproduzenten über­setzt, der zur Berlinale kom­men wird. Einer war (auf Fran­zö­sisch) höchst un­ge­wöhn­lich for­mu­liert. Diese Redewendung ist bewusst höflich gehalten. Mein Um­feld hat da Sätze von anderer Deutlichkeit vernommen.

Sonntag zur besten Mittagszeit landete eine überarbeitete Fassung in meinem Mailbriefkasten. Ich habe mich geärgert, dass ich überhaupt reingesehen hatte, aber immerhin stand da: "EILT! Bitte aus drucktechnischen Gründen bis Montag, 7.00 Uhr liefern. Berechnen Sie einen Sonntagszuschlag."

Die Arbeit bestand, fünf Absätze lang, im Wesentlichen aus Textkürzung. Es waren genau jene Stellen, an denen ich mich neulich so abgemüht hatte, die dem haus­in­ter­nen Cheflektor, der aus dem Skiurlaub zurückgekehrt war, missfallen haben. In seiner Kritik trifft er genau meinen Geschmack. Aber ist er auch Autor eines neu hinzugekommenen Textteils? Der liest sich so kryptisch, dass ich gestern gleich eine Liste von Fragen zurückgeschickt habe. Denn vieles ist doppeldeutig, ein Satz findet überhaupt kein Ende, hängt punktlos in der Luft.

Auf meine Fragen lag um fünf Uhr morgens, als ich mich für die letzte Kor­rek­tur­schlei­fe aus dem Bett geschält habe, noch keine Ant­wort vor. Auch um sechs Uhr nicht. Sogar um sieben Uhr stand die Antwort noch aus. Zu dieser Stunde schickte ich jedenfalls wie erbeten meine Überarbeitung — beim letzten Absatz gab es bei zwei Sätzen jeweils zwei Möglichkeiten, je Interpretation, der Rest war mit Fragen versehen.

Vogelperspektive: Blick auf Rechner des Tonmanns, Endgeräte, auf denen die Stimmen der Sprecher ankommen, Aufnahmegeät für die Verdolmetschung, Kanalumschalter, Platz für den Monitor, Notizbuch, Rechner, Mikrofon, Kopfhörer, Rückkanal für mein Output ins Französische
so sehen wirklich komplizierte Jobs aus: Arte-Dreh dolmetschen
Es ist Montag, 13.00 Uhr. Bis zur Stun­de liegt noch keine Antwort vor. Hm, wie war das gleich noch? Eilauftrag, Sonntagszuschlag, Drucker?

Eigentlich säße ich längst schon wieder bei Berlinale-Pressevorführungen, so blockiert dieser Auftrag hier auch noch die Abläufe.

Not amused.

So, jetzt rasch wieder ein Kilo Selbstmotivation auspacken, Mittagessenstermin mit einem Kunden wahrnehmen, dann eine Vertragsübersetzung anfangen, auch Ber­li­nale-Vorlauf.

Als |Rausschmeißer| Abmoderation fällt mir ein Schnack vom Filmdreh ein: We're paid for waiting, performance is for free. Wer einmal gedreht oder ein Team da­bei beobachtet hat, versteht die Tiefe des Satzes.


P.S.: Bei der vorgetragenen Episode kann es sich auch um ein Moment aus dem Vorjahr handeln, exakt zwei Wochen vor der Berlinale. Ich will ja nicht, dass sich hier jemand auf den Schlips getreten fühlt, es geht mir nur um den Vorgang.
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Foto: C.E.

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