Ein Jahr voller historischer Rückblicke hat begonnen. Heute schaue ich mit dem Sonntagsbild auch zurück, vor allem in Textform, mit ein em Archivbild und einem Link. Fürs Fotografieren ist mir in diesen grauen Januartagen das Licht zu knapp.
Ich muss um die sechs, sieben Jahre alt gewesen sein, als ich zum ersten Mal Berlin besucht habe. Ich erinnere mich an die Landung in Tempelhof, wir gingen zu Fuß übers Flugfeld und musste an die TV-Nachrichten denken. Meine Mutter hatte ein Jahr zuvor ein Fernsehgerät angeschafft. Ich durfte Informationssendungen sehen, sesame street, Les Gammas und die Nachrichten, danach ging es "ohne Kommentar und Wetterkarte" ins Bett.
Flugzeugcrashs kamen bei den Abendnachrichten auch vor. Meine Mutter hat mir bei schlimmen Bildern immer die Augen zugehalten. Auf jeden Fall soll ich, halb als Witz, halb ernsthaft, bei unserem Marsch übers Flugfeld kommentiert haben: "Wir sind ja gar nicht abgestürzt!"
Ich war als Göre für meine teils spontanen, teils naiv-gespielten Sprüche bekannt. Als sich Tante L. einmal über meine Altklugheit beschwerte, wandte ich ein: "Was kann ich denn dafür, dass ich klüger bin, als ich alt bin, das muss ich wohl geerbt haben!" Und ein wenig flackert die Flughafen-Kommentarszene in meiner Erinnerung noch auf. Hier ist vor allem das kinetische Gedächtnis aktiv: Ich sehe links von uns Hangars und habe noch ein Gefühl für meine eigene Körpergröße im Verhältnis zu der meiner Mutter.
Die Autorin dieser Zeilen bei der Oma in Sachsen |
Die S-Bahn hatte gerade den Bahnhof Friedrichstraße gen Westen verlassen. Einige Meter weiter befestigten (oder erneuerten) Arbeiter auf der Brücke links und rechts der Geleise riesige Metallplatten, die die Sicht behinderten. Ich werde in Richtung Berliner Ensemble und Albrechtstraße gesehen haben.
An noch etwas erinnere mich mich lebhaft: Die Geisterbahnhöfe im DDR-Untergrund. Einige Linien führten weiterhin unter Ostberliner Stadtgelände hindurch (Netzplan hier), verbanden den Nordwesten der Stadt mit dem politisch "westlich" liegenden, südlichen Teil des Berliner Ostens, Kreuzberg genannt. Ich drückte mir in der langsam fahrenden U-Bahn die Nase platt beim Betrachten der toten Bahnsteige, der Zugwärterhäuschen ohne Licht und Ansage, bei manchen waren die Fenster zugemauert und nur noch schießschartenartige Löcher und manchmal schemenhaft ein, zwei Aufpasser zu sehen.
An den Wänden hing an manchen Stellen noch uralte Werbung für längst nicht mehr im Handel befindliche Waren. (Schade, dass da nach der Wende nicht etwas für spätere Generationen unter Glas gesichtert wurde.) Und in der Mitte des Bahnsteigs waren Treppen, die nur jene Geister hochgehen konnten, die ab einer gewissen Höhe Stufe für Stufe schrumpfen konnten — bis sie am Ende Mauerwerk durchdringen mussten. (Hier war die Treppe wohl im Bereich der Decke bzw. des Fußbodens des darüberliegenden Geschosses dichtgemacht worden.)
Daran hat mich die Rezension eines Buches erinnert, hier, auf "Spiegel online". SPON zeigt eine schöne Bilderstrecke aus dem Buch von Gerhard Sälter und Tina Schaller: "Grenz- und Geisterbahnhöfe im geteilten Berlin". Letztes Jahr im Berliner Christoph Links Verlag erschienen, 144 Seiten.
Gleich noch ein Lesetipp dazu: Heinz Knobloch, "Stadtmitte umsteigen" (1982). Er erzählt von einem "wohnzimmergroßen Fleck" auf dem Boden in der Station gleichen Namens. Von ihm stammt auch ein von mir gerne zitierter Satz: "Misstraut den Grünanlagen!"
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Foto: Heiner Elias (Archiv)
2 Kommentare:
Welch' eine Schönheit, ein hübsches Kind.
Dies ist mehr als ein Kompliment, es handelt sich um eine tatsächliche Bemerkung
Herzlichen Glückwunsch.
MaNiTou
Thank you for the flowers.
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