Auf dem Schreibtisch gerade Juristisches. Einerseits ein Koproduktionsvertrag fürs Kino, die Berlinale wirft ihre Schatten voraus, dann ein Vertrag einer deutschen Bühnentruppe, die ein Gastspiel in Frankreich vorbereitet.
Zum Dolmetscherberuf gehört auch, gelegentlich Leute unter die Haube zu bringen.
Ab und zu werden Dolmetscher für die "Ringefirma" angefordert, ich bin regelmäßig im Standesamt Schöneberg aktiv, werde dort ad hoc beeidigt, weil ich mich nach reiflicher Überlegung nicht in Berlin gerichtlich beeidigen ließ. (Die Aufträge, die das Gericht anbietet, passen mir in ihren Arbeitsbedingungen nicht, Dolmetscher müssen dort meistens allein arbeiten, die Honorarsätze bei Übersetzungen sind im letzten Jahr durch Wegfall der höchsten Stufe sogar gekürzt worden. Nein, kein Interesse.)
Dass ich auch vor Ort spontan beeidigt werden kann, entspricht der Gesetzeslage. Viele Rathäuser akzeptieren bei exotischen Sprachen sogar Bekannte, die über exzellente Sprachkenntnisse verfügen.
Jetzt wollen Freunde von mir heiraten, ein Studentenpärchen, schwanger bis unter die Ohren, beide freuen sich sehr. Der werdende Vater will sich nicht nur voll und ganz verantwortlich zeigen, ihm machen die deutschen Gesetze Angst, die unverheirateten Vätern keine selbstverständliche Teilnahme an der Erziehung garantieren. Angesichts dieser schönen Episode erweist sich nun ein Mitarbeiter des örtlichen Rathauses als wenig verantwortungsvoll dem künftigen kosmopolitischen Neuberliner gegenüber.
In Neukölln bestehen sie nun auf einem gerichtlich beeidigten Dolmetscher — es gibt sogar einen Vordruck dafür (während in Schöneberg das Formular zur ad hoc-Beeidigung aufliegt.) Ich frage mich, ob diese Forderung zulässig ist. Ich lese nach und finde die Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes (Personenstandsverordnung - PStV) vom 22.11.2008. (In Änderungen aus dem Jahr 2013 habe mich eingelesen, sie beziehen sich auf Fragen der Lebenspartnerschaft, der digitalen Einwohnerregister usw.)
Nach meinem Rechtsverständnis darf sich ein Bezirk nicht über Bundesrecht hinwegsetzen (... das jeweils höhere Recht bricht das "darunterliegende").
Hier, was ich über die Seite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz fand: "Gesetze im Internet". Meine Überraschung ist groß, wird doch die ad hoc-Beeidigung sogar als erster Regelfall vorgestellt.
Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes, § 2 Übersetzung in die deutsche SpracheWie sehen Sie das? Das ist heute eine erweiterte Kollegenumfrage ... ich sammele Argumente für den Anruf beim Amt.
(1) Werden einem Standesamt fremdsprachige Urkunden vorgelegt, so soll eine Übersetzung in die deutsche Sprache gefordert werden.
(2) Versteht ein Beteiligter die deutsche Sprache nicht, ist ein Dolmetscher hinzuzuziehen, wenn der Standesbeamte oder der mit der Amtshandlung befasste Mitarbeiter des Standesamts die fremde Sprache nicht selbst beherrscht. Der Dolmetscher hat gegenüber dem Standesbeamten eine Versicherung an Eides statt darüber abzugeben, dass er treu und gewissenhaft übertragen werde. Ist der Dolmetscher für Übertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften allgemein beeidigt, genügt die Berufung auf diesen Eid. (Hervorhebung von mir.)
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Illustrationen: C.E. und privat
6 Kommentare:
Hallo, diese Frage interessiert uns auch sehr. Mein Liebster ist Belgier und ich bin Deutsche. Wir möchten in Berlin heiraten, leben aber in Brüssel. Mein Verlobter spricht Englisch, Französisch und Flämisch, leider erst wenig Deutsch, so brauchen wir wohl eine Dolmetscherin oder einen Dolmetscher. Das Rathaus hat mir schon geschrieben, dass wir sogar schon beim Vorgespräch und natürlich bei der Trauung selbst einen vereidigten Dolmetscher mitbringen sollen. Bei meiner Suche im Netz habe ich diesbezueglich die widersprüchlichsten Dinge gehört und gelesen.
Meine Cousine hat damals in München geheiratet, dabei durfte der Bruder des Bräutigams dolmetschen (die Familie stammt aus Südafrika). Dazu wurde er vor Ort vereidigt. Andere wiederum sagen, dass leidiglich Bekannte übersetzen dürfen, wieder andere kennen die Regel mit dem Gerichtsdolmetscher. Was stimmt denn nun?
Ein vom Gericht vereidigter Dolmetscher ist viel teurer. Wir haben angefragt, für das Vorgespräch und für den Trauungsakt möchte er jeweils 450 Euro.
Bei meinem Telefonat mit dem Standesbeamten, ich habe da schon noch mal nachgehakt, blieb bei mir das unbestimmte Gefühl hängen, dass er selbst nicht nicht so genau weiß, wie die Rechtslage ist.
LG
Tonia
Meistens reicht es, wenn ein/e Bekannte/r mitkommt und direkt vom Standesbeamten vereidigt wird, die Ämter akzeptieren Familienangehörige aber in der Regel nicht, da sie ja befangen sein könnten.
Was da in Neukölln los ist, kann ich nicht einschätzen, in Stuttgart ging das problemlos mit einem Eid, der vor Ort geleistet werden musste.
Hallo,
wir haben auch mit einem "öffentlich bestellten und vereidigten Dolmetscher" geheiratet, jeder der drei Einsätze hat 380 Euro gekostet (wir waren auch in der Kirche).
Und ja, wir hatten sogar mehrsprachige Bekannte und sogar eine Trauzeugin dabei, die das genauso gut gemacht hätten. Das wurde aber von der Behörde abgelehnt.
Mit freundlichen Grüßen,
P. Monfort
Liebe Kollegin,
nicht nur in NK wird ein beeidigter Dolmetscher gefordert, auf Ihre Frage weiß ich leider keine Antwort, ich bin keine Juristin, aber auf das Ergebnis Ihrer Recherchen sehr gespannt.
Grüße,
L.S.
Vielen Dank, liebe Leser und auch liebe Kolleginnen und Kollegen, die mich direkt angemailt haben.
Es scheint möglich zu werden, die Frage lasse ich aber abschließend noch von einem Anwalt beurteilen, bevor ich hier die Fortsetzung bringe.
Mit der Bitte um noch etwas Geduld,
mit freundlichen Grüßen,
Caroline
Hier das Ergebnis:
Ringefirma, die Zwote
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