Bonjour, hier bloggt eine Übersetzerin und Dolmetscherin. Heute: Blick auf den Schreibtisch.
Am Sprachberuf liebe ich die Tatsache, dass wir uns ständig weiterbilden. Dieser Tage lese ich viel zum Thema Urbanismus. Dieser Begriff erhält derzeit eine neue Bedeutungsebene, denn innerstädtische grüne Flächen wie Felder, Brachen und Gärten, die künftig auch zur Ernährung der Menschen und Tiere beitragen könnten, werden immer öfter als urbanes Moment empfunden.
Konkret geht es um Klimafragen in Großstädten. Ich bin irritiert, wenn ich in dem Zusammenhang über die Pläne einer Berliner GmbH lesen muss, die im Auftrag des Berliner Senats über 1/3 des Tempelhofer Felds vermarkten (= bebauen) soll. Hier starteten und landeten bis 2008 innerhalb des S-Bahn-Rings Flugzeuge.
Bislang war mein Kenntnisstand der, dass wir diese Freifläche als Lunge Berlins dringend brauchen, konkret: für die Frischluftzufuhr. Vor vielen Jahren schien das die Standardmeinung der Wissenschaft zu sein, die auch häufig publiziert wurde. Hier ein ntv-Bericht von 2009.
Der Sender ntv zitiert Manuela Damianakis, damals Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, über das Kaltluftentstehungsgebiet Flughafenfeld: "Seine Kühlschrank-Funktion muss erhalten werden".
Heute scheinen das viele vergessen zu haben. Im Zusammenhang mit der Tempelhofer Fläche beklagt Historikerin Marion Detjen den Ausverkauf des öffentlichen Raums im FAZ-Blog, auch das ein wichtiger Gedanke: Berlin lebt von seinem Ruf als Ort mit Freiräumen und Spielflächen. Das Image zieht auch die Touristen an, immerhin Berlins wichtigster "Industrie"zweig.
Ich erlebe Berlin als eine Stadt, die im Vergleich mit Paris deutlich weniger zementiert ist (das gilt sowohl für die Architektur als für Entscheidungswege bzw. Durchlässigkeit der Eliten). Und was die Tempelhofer Randbebauung an S-Bahn-Linie und Autobahn angeht, so
fällt mir immer nur der Stoßseufzer ein, der mir regelmäßig
angesichts diverser Trumms entfleucht, mit denen die
Bauindustrie in diesen Jahrzehnten gemäß der Formel Geschossflächenoptimierung
multipliziert mit Gewinnmaximierung geteilt durch Mindeststandards der
Bauverordnungen die Stadtlandschaft zustellt: "Und wo bitte bauen wir,
wenn wir wieder Geschmack haben?"
Oft wird in der Rückschau Zeit zum Nachdenken als großer Glücksfall empfunden. Die oft vom bürgerlichen Lager gescholtenen Hausbesetzer Kreuzbergs beispielsweise haben im 20. Jahrhundert den großflächigen Abriss alter Wohnquartiere und die Ausrichtung ihrer Standflächen auf den massenhaften Autoverkehr verhindert. Ich bin froh, dass in meiner Nachbarschaft keine sechsspurige Autorennpiste entlangführt und wir nur wenige Problemstandorte wie den Hochhausblock vom 'Neuen Kreuzberger Zentrum' haben. Zur Würdigung der Besetzer der Hinweis auf eine Buchveröffentlichung im Tagesspiegel, das Buch von Lothar Schmid: "Häuserkampf im Berlin der 1980er Jahre" erschien im Berlin Story Verlag.
So, weiter mit den Städteplanern von heute, die mit ähnlichen Argumenten wie noch 2009 üblich aufwarten, es geht um Luft, Klima, Nachhaltigkeit. Ein nicht mehr ganz so neuer urbaner Trend heißt übrigens urban gardening bzw. urban farming, auch dazu bin ich als Sprachmittlerin regelmäßig aktiv, hier dazu ein Webseiteneintrag der Stadt Berlin.
Mal sehen, ob sich die Lexiken kombinieren lassen. Und weg vom Lesen und Lernen hin zur Recherche: Europapolitik-Lexik, allgemeine Trends, FR/DE/EN, hat da jemand was in der Schublade zum Abgleich/Weiterführen?
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Foto: C.E. (Archiv)
7 Kommentare:
Hallo Frau Elias,
meinen Sie nicht, dass mit mehr Straßenbäumen die Luftsituation zu verbessern wäre? Und das Flugfeld ist doch ein wunderbarer Bauplatz für Wohnraum, den Berlin so dringend braucht?
Gruß,
H. Welter
In Berlin gibt es 7000 Grünflächen, der Park ist überflüssig.
Das sind doch echt Reichenprobleme, Besitzstandswahrung, hier so viel Bauland einfach als "Park" (oder vielmehr: Stadtbrache) links liegen zu lassen.
Nein, den Mietmarkt wird das wohl kaum grundlegend ändern. Suchen Sie doch im Netz Informationen über "Frischluftschneise", dann wissen Sie mehr, es geht um große, zusammenhängende, unverbaute Flächen.
Außerdem sind auch etliche Schrebergärten und Bienenvölker am Rand durch die Baupläne gefährdet, z.T. wohl schon vorauseilend gekündigt. Seit den 1950er Jahren hat sich die Zahl der Bienen mehr als halbiert, sie sterben oft an Düngemitteln der Agrarindustrie, städtische Grünflächen sind inzwischen ein bedeutender Rückzugsraum geworden.
Sagen Sie mir jetzt nicht, Bienen seien unwichtig. Die Biene gilt als eines der wichtigsten Nutztiere Deutschlands, der Honig ist da nicht wichtig, die Bestäubung zählt!
Manitou sagt einfach: sehr engagiert und "bravoureusement" verteidigt
Hier, mehr Infos zum Bienensterben:
Bee Colony Collapse: What's going on? Exposing The Truth
Th.
Einer Leserin verdanke ich folgenden Hinweis über die sich verändernde Landwirtschaft aus der FAZ. Schon allein der sich verknappenden Ressourcen wegen muss sich die "konventionelle" Ararindustrie immer mehr dem Öko-Landbau angleichen.
Dabei wird gegen Ende des Artikels auch der Fall des Gemeinguts erklärt. Gemeingut sind Dinge, die uns alle gehören, die sich schlecht als Rendite beziffern lassen, womit z.B. Wildbienen der Kultur oder den Kulturschaffenden ähneln, denn ihr Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt lässt sich, der harten Theorie zufolge, nur schwer rausrechnen.
So sei, dem Artikel zufolge, ein Drittel der Erträge des ganzen Globus negativ davon betroffen, wenn es keine tierischen Bestäuber mehr geben würde. [Wie? Nur so wenig? Leider gibt es hier keine Quellenangabe.]
Aber das Nachstehende unterschreibe ich zu 100 %: "So ist es wichtig, dass ihnen Lebensraum bleibt. Weil sie, ökonomisch formuliert, ein öffentliches Gut sind, besteht das Problem, dass sie allen Landwirten nützen, aber niemand ihnen den Lebensraum schafft."
Smart Farming mit Wildbiene von Jan Grossarth
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