Hallo! Sie sind auf den Blogseiten einer Französischdolmetscherin gelandet, hier schreibe ich unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse über den Berufsalltag. Heute folgt einiges ganz kunterbunt: Nachlese, Lesefrüchte und Filmtipp.
Gestern schrieb ich über eine misslungene Dolmetschanfrage. Die erste Veranstaltung der anrufenden Person war dolmetschtechnisch schiefgelaufen, wir fanden den Grund: Der Kunde hatte weniger als ein Zehntel des Marktpreises für die Dienstleistung bezahlt. Es waren keine Profis am Werk.
Hier und bei ähnlich gelagerten "Anfragen" fällt auf, dass Kulturprojekte, die oft von mehreren Institutionen gemeinsam getragen werden, gern dem schwächsten Partner das Anheuern von Sprachmittlern überlassen. Vermutlich, weil nur sie sagen können, dass kein Geld vorhanden sei, weil sie vielleicht auch jüngere Leute kennen, die wiederum jemanden kennen ... und weil sie unbeeinflusst von Vorkenntnissen ihr Sätzchen frisch abspulen können von der Chance, es doch einmal miteinander auszuprobieren und beim nächsten Mal ist dafür echt richtiges Geld in der Kasse, wirklich jetzt.
So wirkt es mir jedenfalls auf mich. Ich beobachte nur. Vor allem der Kultursektor ist betroffen. Ich streiche bald dieses Fachgebiet, so wie ich Film nur noch selten bearbeite, letztes Jahr: 40 % der Arbeitszeit, dafür nur 15 % der Umsätze. Wobei — hier steigt die Anfragehäufigkeit gerade wieder. Vielleicht spricht sich doch rum, wozu Profis taugen.
Am Montag hatte ich eine Gastautorin, die über eine andere Art des Übersetzens berichtet hat, Elke Zobel. Und genau diese Elke wurde gestern von Susanne Ackstaller, einer anderen Textine (wie sich Texttreff-Wortfrauen nennen), in ihrem Modeblog portraitiert, hier der Link. Den Text finde ich besonders spannend, weil es um "Modesozialisation" geht und Elke in Rumänien und der DDR aufgewachsen ist. (Durch Weiterklicken habe ich gelernt, wie man szeklerisch ausspricht.)
Auch ich habe Montag eine Texterin beschenkt, mir fiel ein Unterschied zwischen Übersetzern und Dolmetschern ein, nachzulesen hier bei Birte Mirbach.
Themenwechsel. Dieser Mann hieß fast wie ein Zinssatz: Mark Lombardi. Zwei meiner Lieblingsgebiete, Wirtschaft und Kunst, hat er genial verbunden. Der deutsch-französische Heimatsender zeigt heute Abend den ihm gewidmeten Dokumentarfilm Mark Lombardi — Kunst und Konspiration von Mareike Wegener, allerdings in einer leicht gekürzten Fassung (21.45 Uhr auf Deutsch, 22h20 en français, danach eine Woche lang auf Arte +7).
In Frankreich darf man sich bis zum 31. Januar noch ein gutes Neues wünschen, das schrieb vor wenigen Tagen Le Figaro, auch hier der Link. Dieser Grußaustausch sei eine Art, die Angestellten zu vereinheitlichen und ihr Zusammengehörigkeitsgefühl durch ein gemeinsames Erlebnis zu stärken, analysiert in dem Beitrag die Arbeitssoziologin Danièle Linhart. Nun denn.
Was für Angestellte gut ist, mag für unsereinen auch gelten. Aus Deutschland kenne ich die Regel mit dem einstelligen Datum, am besten ganz niedrig, und habe als gute Deutsch-Französin gestern meinen Gruß unter dem Datum vom 1.1. versteckt. Die Jalousie, auf der die Berliner Youngsters ihre Buchstaben hinterließen (womit sie ihre Gruppenzugehörigkeit unterstreichen, was Elke so schön als Modefunktion beschreibt), verdeckt bei mir gleich um die Ecke ein Restaurantfenster. Ich musste nur mit Pixlr.com zwei Worte aus dem durchgehenden Schriftzug 'bauen'.
So, rasch weiterlernen. Europa ruft! Nachdem die Bundestagswahl faktisch erst kurz vor Weihnachten mit der Ernennung der neuen Minister beendet wurde, weshalb wir Dolmetscher im Herbst in Sachen Politik fast nichts zu tun hatten, geht diese Woche der Europawahlkampf los. Und Samstag beginnt für uns Berlinale-Dolmetscher auch schon das Filmfestival mit den ersten Pressevorführungen! Wie war das noch, im Alter schnurrt die Zeit zusammen? Oder ist das einfach nur mein dolmetschtypischer Alltagsmischmasch (le pêle-mêle)?
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Foto: C.E. (Wer mit dem Cursor über das
Foto geht, findet die Übersetzung.)
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