Donnerstag, 30. Mai 2013

Ohr

Schön, dass Sie (be­ab­sich­tigt oder zu­fäl­lig) auf die Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs ge­fun­den ha­ben. Hier blogge ich als Dolmetscherin und Über­setzerin. Regelmäßig denke ich an dieser Stelle auch über die Grundlagen der Arbeit nach, die Sprachen.

Wir Dolmetscher sind immer ganz Ohr. Und wir sind oft nicht im Besitz desselben.
Was wir regelmäßig anderen schenken, müssen wir gut pflegen. Also: Keine lauten Konzerte, Clubs oder Feuer­werke, das findet alles ohne mich statt. Auch das ein Beweis für meine These, dass Dolmetschen kein Beruf ist, sondern eine Lebensweise.

Interessant: Während wir im Deutschen "jemanden ein Ohr schenken", wird dasselbe auf Französisch nur verliehen (prêter l'oreille à quelqu'un).

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Illustration: Archiv

Mittwoch, 29. Mai 2013

Duale Ausbildung

Bonjour ! Seit vie­len Jah­ren ar­bei­te ich als Dol­met­scherin und Über­setzerin. Es ist mein zwei­ter Be­ruf. Hier kön­nen Sie meinen sprach­be­ton­ten Alltag mit­ver­fol­gen.

Manchmal ärgere ich mich über meinen Nachnamen. Elias, das ist der Name eines Propheten aus dem alten Testament. Mitunter habe ich das ungute Gefühl, auf nahezu prophetische Art und Weise mehr zu wissen, als ich ei­gent­lich wissen kann.

Schlagzeilen von Le Monde
Das erlebe ich erst heute früh wieder. Ich schla­ge die Zeitung auf und weiß schon, was drin­steht. Ich meine jetzt nicht dieses "Neu­lich in der Kabine, heute in der Zeitung", das da­durch entsteht, dass wir Dol­met­scher manchmal schneller als die Presse auf dem Lau­fen­den sind, weil wir jenen zu­ar­beiten, die hinter den Schlag­zeilen stehen.

Das Phänomen reicht weiter. Und es ist für mich, da ich im ersten Beruf (gelernte) Journalistin war, paradox, denn in der Vorbereitung der Dolmetscheinsätze kommt mir diese Erstausbildung zugute: Ich beobachte regelmäßig die News zu meinen Themen und frage gezielt nach, wenn ich am Rand einer Meldung einen Halbsatz höre, der nicht in das sonstige Bild passt. Indem ich die Nach­richt hinter der Nachricht suche oder dem Mainstream widersprechende Informationen, bereite ich mich auf oft kontrovers geführte Disskussionen nach Konferenzbeiträgen vor. (Und im Grunde mache ich damit etwas, wozu viele Journalisten heute mangels Zeit = Geld oft nur noch unzureichend kommen.)

Dieser Tage darf ich öfter zum Thema der 'dualen Berufsausbildung' deutschen Typs arbeiten, die häufig als DIE Lösung der europäischen Ju­gend­ar­beitslosigkeit prä­sentiert wird. Die heutige Berichterstattung von Le Monde über die deutsch-fran­zö­si­sche Konferenz in Paris zu diesem Thema beinhaltet einen kurzen Artikel über Zahlen, die wir neulich bereits im selbst hergestellten Vorbereitungsmaterial hatten.

Unter der Überschrift Le faible chômage des jeunes, un miracle en trompe-l'œil (sehr frei übersetzt: "Die geringe Jugendarbeitslosigkeit, Wunder oder optische Täuschung?") werden die deutschen 6-8 % Arbeitslosen unter den 15-24-jährigen vor dem Hintergrund erläutert, dass hierzulande der Geburtenknick schon seit längerem spürbar ist. Die Unternehmen müssten sich also ernsthaft um ihre die Mitarbeiter von morgen be­mü­hen. Nicht, dass ich das Modell nicht selbst sehr at­traktiv fände, aber um seine Qualität wirklich mit den Statistiken anderer Länder vergleichen zu können, wäre zunächst die Umrechnung der Zahlen erforderlich.

Ich fand diese zuvor selbst angestellten Gedanken bereits am 8. Mai in einer Pres­se­meldung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) wieder. DIW-Arbeitsmarktexperte Karl Brenke wird hier noch dahingehend zitiert, dass Ju­gend­ar­beits­losigkeit in Deutschland überwiegend ein Problem der Qualifikation sei, da die Ausbildungsquote (wie ja auch die Schulerfolgsquote) von sozialer Herkunft und Wohnort abhängen würde.

Blick über einen Computermonitor aus der Dolmetscherkabine in den SaalUnd so geschah es eben erst in Berlin, dass die hier be­richt­er­stat­tende Dolmetscherin in ihrer Kabine ganz nervös wur­de, weil sie am liebsten einen Tipp zur Arbeitsweise gegeben hätte, wo sie doch offenbar über Informationen verfügt hat, die außhalb der Kabine nicht bekannt waren. Wie schön, dass diese dann kurz darauf in den Medien stehen.

Vielleicht gingen sie auch gestern in die Gespräche der Pariser Zusammenkunft ein. (Hier ist ein Link zur einer Videodokumentation der Veranstaltung mit den Stimmen aus der Englischkabine; also, bei der nächsten Vorbereitungsrunde zum Thema ...) Mal sehen, wann wir hier in Berlin für die nächsten Konferenzen zu diesem Thema verpflichtet werden, das mich seit Wochen wiederholt beschäftigt.

Also: Recherchieren wie Journalisten, alles schnell verarbeiten und "sprechen" wie Dolmetscher — unsere Berufspraxis lebt idealerweise von dieser Dualität, meine ganz gewiss.


Vokabelnotiz: la formation (professionnelle) en alternance — duale Ausbildung ______________________________  
Fotos: C.E.

Dienstag, 28. Mai 2013

stürmisch

Hello, guten Tag, bon­jour ! Sie ha­­ben das Ar­­beits­­ta­­ge­­buch­ ei­­ner Über­setzerin an­­ge­­klickt. Ich be­rich­te aber auch aus der Welt der Kon­fe­renz­dol­metscher in Ber­lin und an­ders­wo. Meine Fachgebiete sind Po­li­tik, Soziales und Wirt­schaft, Kino und Kul­tur, ich arbeite vor allem mit der französischen Sprache, aber auch aus dem Englischen. Dolmetschen ist kein Beruf, sondern eine Lebensweise, das schrieb ich hier gestern. Heute folgt Teil zwei.

Der stürmische Morgen, ziemlich geschwind, doch kräftig.Etwa alle sechs Monate wache ich davon auf, dass in meinem Schlafzimmer jemand laut ver­nehmbar lacht. Bei ge­nau­e­rem Hinsehen, die Augen blinzeln vorsichtig in den Tag hinein, bin ich allein. Diese Art nächt­licher Ruhestörung ist mir lie­ber als das Wach­werden durch 'Hundegebell', wie ich's in den 1970-er Jahren im Ruhr­pott bei der [Omma] erlebt habe.

Der Pseudokrupp-Husten ist lange schon Geschichte. Aber wie damals träume ich sehr lebendig, manchmal sogar stürmisch. Heute gegen Morgen also folgendes Traumgeschehen: Erst arbeite ich als Lautmalerin vor einer Staffelei in einem Schallarchiv. Ich male sehr genussvoll, genieße, was ich mache.

Wenig später habe ich es mit französischen Gästen zu tun. Wir haben komische Bäu­me vor dem Haus, die palmenartige, kleine Blätter produzieren, die immer wie ein Strauß zusammenhängen. Ich erzähle, dass wir daraus immer unsere Gast­ge­schen­ke gebunden hätten. Und zeige, was für eine Eigenart diese Pflanzen noch haben. Sie reagieren wie Mimosen auf Berührung, versteifen sich kurz, spannen sich auf und schleudern sich selbst dann pfeilartig in die Ferne.

Meine Gäste lachen ... Et présenter ça comme cadeau, comment l'interpréter, c'est extra ! (Sowas als Geschenk anzubieten, wie soll denn das interpretiert werden, großartig!)

Ich suche keine großen Deutungen dieser ineinander übergehenden Momente, sehe aber, dass ich einmal Sprache wörtlich nehme und mit viel Lebenslust und Hingabe an meine Aufgabe gehe. Beim zweiten Moment weiß ich nicht, ob mir die Gäste gelegen kommen, vielleicht stören sie mich ja auch in meiner Elfenbeintürmigkeit. Mir fällt auf, wie comicartig diese Pflanzengschosse gewirkt haben. Und die lusti­ge, zweideutige Reaktion der Gäste, die ganz selbstverständlich Französisch sprechen, gefällt mir.

Was ich tags mache, von einem Idiom zum anderen switchen, den Flow suchen und erreichen, mich Künstlerischem hingeben (manchmal), kommunizieren, gerne auch mit doppeltem Boden, das finde ich hier wieder. Was das jetzt alles mit Dol­met­schen zu tun hat? In den Träumen habe ich ja gar nichts übertragen. Aber von einem Moment zum anderen könnte ich mit einem derart geschärften Bewusstsein loslegen. Das ist es, was zählt.

Träumen Ingenieure eigentlich ähnlich intensiv von den Brücken, die sie bauen?

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Foto: C.E. (Schubert-Notenblatt)

Montag, 27. Mai 2013

Knickhalslaute

Bienvenue ! Hier bloggt eine Dol­met­scherin und Über­setzerin. Meine Ar­beits­spra­chen sind Deutsch, Fran­zö­sisch sowie Eng­lisch als Aus­gangs­spra­che. Dolmetschen ist kein Beruf, sondern eine Lebensweise. Hier folgt der Beweis.

Letzten Freitag mit halbem Ohr aufgeschnappt: le témoin assisté. Sofort suche ich über Suchmaschinen nach den Details der News. Es geht um Christine Lagarde, die ehemalige französische Finanzministerin und heutige IWF-Chefin (auf Französisch übrigens FMI, fonds monétaire international, manchmal drehen sich beim Wechsel der Sprache nicht nur die Reihenfolge der Buchstaben um, sondern auch einzelne Buch­staben).

Gibt es auch Zeugen ohne Rechtsbeistand, Peter?
Drei Minuten Lesezeit halten die Autoren einer Seite zur Lektüre des ganzen Bei­trags für notwendig, siehe Pfeil, ich bin auf der Seite des 1. TV-Programms Frankreichs gelandet, das schon vor Ewig­keiten pri­va­ti­siert wurde, lese dann weiter auf den Seiten von Le Monde und Spiegel Online.
Mich irritiert der Ausdruck "Zeuge mit Rechts­bei­stand".

Der Spiegel-Autor schreibt denn auch "verdächtige Zeugin". Ich werde das weiter beobachten.

Flash back: Vor einer Woche in der Hamburger Kunsthalle. Ich stehe vor einem Gemälde, auf dem unter anderem eine Knickhalslaute abgebildet ist. Das Problem: Ich sehe erst länger nicht das Gemälde, sondern nur meine sprachliche Lücke. Hm, unschön. Ich reiße mich zusammen (aber muss als Memo schnell ein Bild knipsen).

Später am Tag versuche ich in den üblichen Internet-Lexika Aufklärung zu finden, leider erfolglos, dann suche ich mit dem französischen Wort luth nach erklärenden Bildern und finde allerlei, nirgendwo aber explizit die Sache mit dem Knickhals.

Sowas kann mir echt die Laune verhageln.

Flash forward: Demnächst werde ich in der Unibibliothek nach einem Fach­wörter­buch für Musik Ausschau halten ...

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Illustration: TF1 und ... Maler leider verges-
sen, aufzuschreiben (wird nachgetragen)

Sonntag, 26. Mai 2013

BücherboXX

Bien­ve­nue beim Dol­met­scher­web­log aus Berlin. Hier ver­suche ich, Schlag­lich­ter auf un­se­ren eher we­nig bekannten Beruf zu werfen. Daneben arbeite ich in Ber­lin, Paris, Hamburg oder Cannes auch als Übersetzerin. Heute ist wieder Zeit für die Sonntagsbilder!

Eine ältere Dame sitzt vor einer Telefonzelle und sortiert Bücher. Moment mal, denke ich im Vorbeigehen, es gibt doch gar keine Telefonzellen mehr! Und hier haben wir es zudem mit einer französischen cabine téléphonique zu tun, und das mitten in Berlin.

Ich beobachte die Szene, unterhalte mich mit der Dame. Das Interview folgt frü­hes­tens Donnerstag (hängt vom Arbeitsaufwand dieser Woche ab).

Aus dem offiziellen Pressetext: "Zum 50-jährigen Jubiläum des deutsch-fran­zö­si­schen Elysée-Vertrags und des Deutsch-Französischen Jugendwerks wurde im Rahmen der "50 Jahre, 50 Projekte" eine französische Telefonzelle von fran­zö­si­schen und deutschen Auszubildenden in eine BücherboXX umgebaut.

Die sogenannte BücherboXX ist eine von INBAK entwickelte Straßenbibliothek, die nach dem Motto: "Bring ein Buch, nimm ein Buch, lies ein Buch" funktioniert und im Rahmen von verschiedenen Jugendaustauschen zwischen dem Lycée Jules Verne und dem Oberstufenzentrum Konstruktionstechnik Hans-Böckler-Schule, dem OSZ Marcel-Breuer-Schule und dem Lycée professionnel Adrienne Boland auf die Beine gestellt wurde. In dem Pariser Vorort Poissy wird ebenfalls eine ausrangierte deutsche Telefonzelle umgebaut. (...)

Die BücherboXX, gefüllt mit Büchern und Informationen zur französischen Sprache und Kultur sowie zur deutsch-französischen Versöhnung, wird nach ihrer Ein­wei­hung am 19.4.13 innerhalb Berlins u.a. in Schulen auf Reisen gehen, bevor sie sich dann langfristig — pünktlich zum Sommerfest des CFBs — am 21.6. zum "Berliner Eif­fel­turm" gesellt."



Die BücherboXX steht derzeit und noch bis zum 20. Juni 2013 vor dem Gebäude des deutsch-französischen Jugendwerks, Molkenmarkt 1, Berlin-Mitte. Und als "Rausschmeißer" noch einen Link zu einer Kolumne über die Liebe zu Spra­chen, über die ich herzlich gelacht habe, hier steht die Sprache Skakespeares im Focus: "Sevgi" heißt "Liebe" von Jens Mühling, heute im Berliner "Tagesspiegel" erschienen.

______________________________ Fotos: C.E.
Der Anlass wird unterstützt von:
Das Projekt fördert die Nach­hal­tig­keit
in der be­ruf­li­chen Bil­dung

Samstag, 25. Mai 2013

Archive.org

Hallo! Zu­fäl­lig oder ab­sicht­lich le­sen Sie in mei­nem vir­­tu­­el­­len Ar­beits­­ta­­ge­­buch. Ich ar­bei­te in Paris, Ber­lin und an­ders­wo als Sprach­mitt­lerin mit den Fach­ge­bie­ten Wirtschaft, Politik, Soziales und Kultur. Samstags folgt hier immer mein Link der Woche.

Passend zum Wetter noch ein Filmtipp. Dank archive.org werden auch in ent­le­ge­nen Regionen die Rechner zu Abspielstätten einer virtuellen Kinemathek.

Während sich mein erweitertes Wohnzimmer, das Kino Arsenal der "Freunde der deutschen Kinemathek", auch auf seinen 50. Geburtstag vorbereitet, sehe ich ab und zu (nach ameri­ka­ni­schem Recht) völlig legal alte Streifen im Netz, und zwar nicht nur bei YouTube. Hier stehen mitt­ler­wei­le mehr als 5000 Filme zum Streaming bereit.

Angesichts der Unterschiede in Sachen Urheberrecht zwischen den USA und Europa empfehle ich Filme im Streaming zu sehen. Nicht nur historische Filmschnipsel finden sich da, sondern Klassiker der Filmgeschichte! Andere Blogger haben einige Streifen ausgewählt und mit Links versehen, hier BLORGE auf Englisch, dort golem13 auf Französisch.

Nur ein Beispiel: The Phantom of the Opera von 1925, Produktion: Carl Laemmle, Regie: Rupert Julian, Ernst Laemmle, Edward Sedgwick.

Ich schließe mit einem Lob des Kinos. Grundsätzlich ziehe ich natürlich den dunklen Raum dem heimischen Filmesehen vor, selbst dann, wenn ich wie dieser Tage bei einstelligen Graden und Regen einmal quer durch die halbe Stadt muss. Kino be­deu­tet: mehr Ruhe und Konzentration, große Leinwand, bessere Akustik, Men­schen, mit denen ich nach dem Film sprechen kann, darunter gerne Fachleute wie Kritiker, Wissenschaftler oder Macher.

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Illustration: Archiv

Freitag, 24. Mai 2013

Welttag des Aufräumens!

Willkommen auf den Seiten meines Blogs. Ich bin Konferenzdolmetscherin und Übersetzerin für die französische und deutsche Sprache und aus dem Englischen (ins Französische oder Deutsche). Das Blog ist mein digitales Ar­beits­ta­ge­buch, in das ich nahezu täglich schreibe.

Sachen gibt's! Also, heute ist der Welttag des Aufräumens, wie anregend! Den Tag hat wohl eine Beratungsfirma für Büro­ma­nagement "erfunden". Die Idee des kollektiven Aufräumens und Her­zeigens der Arbeitsplätze mit Vorher- und Nachherbildern ist ja ganz lustig, aber vor allem für Computernerds gut ver­­ständ­­lich. Schön da­her auch der Hinweis, tech­nische Bürogestände wie Rechner und Handy vorher auszumachen!

Ich zeige ja hier regelmäßig meine vielfältigen Arbeits­plätze, sehe mir gerne ab und zu welche bei Flickr oder bei Pinterest an, denn unsereiner, der ja oft tagelang mutterseelenallein das eigene Ar­beits­zim­mer bevölkert, kommt so leichter auf die Idee, damit auf dieser Welt eben nicht ganz allein zu sein. Nach einem spannenden Konferenztag (Rou­ti­ne diesmal) geht's also ab ins Arbeitszimmer zum Ausmisten? Hm, aber das deutsch-französische Jugendwerk feiert heute Abend in seinen Berliner Büros den Auftakt des 50. Geburtstags, ich bin ein­ge­la­den. Also doch gleich das Tanzbein schwingen und morgen in die Tiefen der Ablagen eintauchen?

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Illustrationen: www.rangementdebureaux.fr/

Donnerstag, 23. Mai 2013

Rumms-schlurps-klickedieklack

Hallo! Sie lesen im ersten deut­schen Web­log aus dem In­ne­ren einer Dol­­met­­scher­kabine. Hier kön­nen Sie Ein­blick in un­se­ren Ar­beits­all­tag ne­hmen.
 
Es gibt Tage im Dolmetscherleben, die würde ich am liebsten aus demselben streichen. Sogar dann, wenn es wie heute am Ende extra Applaus für uns Wesen in den Kabinen gibt. (Naja, wenn es denn Kabinen gibt ... über das Leben außerhalb der schallisolierten Kästen schrieb ich bereits.)

Wir Sprachmittler sind hellhörige Wesen, sprechen leise bis halblaut, während wir unsere Arbeit verrichten, das gehört zur Inhaltsvermittlung, ohne das geht es nur bei Gebärdendolmetschern, solche waren nicht einbestellt wor­den. Dafür steht Flüstersimultan in einem Vortragssaal auf dem Programm. Wir sitzen also zu zweit hinter zwei Kunden, eine andere Dame sitzt neben uns und hört mit halbem Ohr rein. Wenn sie was hört.

Zwei Herren stehen vorne in großer Entfernung zum Mikro; in einer hinteren Reihe schreibt eine männliche Hand etwas auf, ein weiblicher blonder Kopf ist in Flüsternähe zu nämlichem Mann.Wir hören teilweise auch nicht so viel ... von den Vorträgen. Der junge Mann hin­ten links lässt die Mine seines Ku­gel­schrei­bers immer wieder raus- und rein­schnap­pen, bis ihn ein böser Blick von mir ereilt. Er wirft einen Ent­schul­di­gungs­blick zurück. (Eine halbe Stun­de später wird er am Kuli nu­ckeln (sic!), was auch nicht ohne Be­gleit­ge­räu­sche geht.)

Direkt hinter uns Getuschel, ich feuere wieder einige Blicke ab. Neben uns die Tür ist nur angelehnt, wir hören, wie draußen Tische gedeckt werden. Als die Kol­le­gin dran ist, schließe ich die Tür. Und weiß dann, warum sie vorher leicht verkeilt "an­ge­lehnt" war: Jedes Mal, wenn jetzt jemand den Raum betritt oder verlässt, setzt es ein lautes Rumms, ganz zu schweigen vom Klickediklack der schicken Hacken­schuhe, für die sich heute ungefähr der Hälfte der anwesenden Damen entschieden hat. Hatschi!, wieder gibt's ein Tonloch, zwei Reihen vor uns agiert ein Kampf­blät­terer, leider erreichen ihn meine Blickpfeile nicht.

Die Kollegen einer anderen Sprachrichtung, die überwiegend aus In­for­ma­tions­gründen mit­ge­kom­men waren, werden später sagen, dass bei der beschriebenen Ver­an­stal­tung erster Teil, Außentermin eines EU-Seminars, auch ohne diese Stör­ge­räusch­arie die leise sprechenden Redner oft kaum verständlich gewesen seien.

Soviel fürs Setting. In dieses akustische Ambiente hinein dürfen wir flüster­dol­met­schen. Aber wir können gar nicht so leise sprechen, wie es nötig gewesen wäre, um die jeweiligen Redner durchgehend zu verstehen. Wir haben natürlich auch Respekt für unsere direkten Dol­metsch­kli­en­ten, die entspannt vor uns sitzen sollten, denen am Ende wir aber fast auf dem Schoß hocken.

Die Sache war heterogen. Einmal überlege ich gerade, in wessen Ohr ich jetzt hin­ein­krie­chen soll, da tritt ein Redner auf den Plan, der offenbar vorab von kun­di­gen Wesen in den Gebrauch eines Mikrofons eingewiesen worden ist. Aber auch hier ist die Lautstärke bald im Sinkflug. Gibt es vorne irgendwelche akustischen Artefakte, ein Echo wie im Cinéma Paris?

Um die Sache klarzustellen: Unserer Not ist unsereiner nicht vollständig aus­ge­lie­fert. Wir arbeiten zu zweit, eine dolmetscht, die andere notiert Zahlen, Namen, Kürzel ... und geht im Bedarfsfall eine Runde mosern. Der Angesprochene gibt die Sache mit einigem zeitlichen Abstand an den Haustechniker des Gastgebers weiter, der sich bei uns erstmal ausführlich erkundigt, was denn los sei, anstatt selbst zu hören, selbst zu sehen und selbst zu urteilen.

Entsprechend gibt es erstmal ein My mehr Lautstärke — und erneut ausführliche Nachfragen durch nämlichen Haustechniker, sodass es mir fast schon leid tut, dass wir überhaupt etwas gesagt haben. Wir hätten natürlich die ganze Veranstaltung kurz unterbrechen und Sitzplätze in Reihe eins und zwei einfordern können, was unsere Dolmetschklienten aber explizit nicht wollten. (Sowas ist auf in­ter­na­tio­na­lem Parkett immer ein wenig delikat; die Angst, als etwas zwischen ein wenig selbstüberschätzend und nicht polyglott genug wahrgenommen zu werden, über­wiegt.)

Am Ende, welch' Glück, ergreift eine junge Auszubildende das Mikrofon, die Heldin des Tages, und bedient es sachgerecht. Es tut gut, ungestört dolmetschen zu dürfen.

Der Rest des Tages brachte weitere Kataströphchen, aber es lief dann doch OK ab, so dass wir am Abend, nach mittäglichem Umzug ins Kongresshotel und damit in die sicheren Gefilde der Kabinen, sogar eine extra Danksagung mit lang­an­hal­ten­dem Applaus erhielten. Das aber ist eine andere Geschichte.

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Foto: C.E.

Mittwoch, 22. Mai 2013

Magische Dreiecke

Bienvenue, welcome, hallo ... beim Dol­met­scher­weblog. An dieser Stel­le denke ich über unseren Ar­beits­all­tag nach. Wir über­setzen und dolmetschen aus der französischen und in die französische Sprache sowie aus dem Englischen.

Elbstrand, vom Wasser aus durch die blaue Brille gesehen
Gute Bezahlung, ordentlich Spaß und (bzw. oder) viel Lernmöglichkeit, eine schmückende Referenz das sind die drei Eckpunkte für einen schmucken Auftrag. Am liebsten hab ich es, wenn alle drei Punkte erfüllt sind. Zur Not gehen zwei von drei ... wenn der 1. Aspekt ausreichend oft sein Häckchen bekommt, denn alles wird teurer, das geht auch Sprachdienstleistern so.

Leider haben manche Kunden allerdings das folgende Dreieck vor Augen: Am bil­ligsten, am schnellsten und am besten. Hier gehen immer zwei von drei: schnell und gut (aber teuer) oder billig und schnell (und eher nicht gut).

Jobs, die nur Spaß und Ansehen bringen, kann und will ich mir nicht mehr leisten. Spaß ohne Umsatz hat einen anderen Namen: Freizeit, Wochenende oder Urlaub. Ab aufs Wasser, statt über Dreiecke nachzudenken, oder: Auf Zeit im Ber­mu­da­dreieck verschwinden.

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Foto: C.E. (Hamburg-Ausbeute)

Sonntag, 19. Mai 2013

Durchblicke

Blick durch ein Kronleuchterlement auf ein Fenster mit dahinterliegender grüner WieseHallo, hello, bon­jour, beim ersten Blog Deutsch­lands aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine.

Re­gel­mä­ßig be­rich­te ich aus mei­nem Le­ben in der Welt der Spra­chen. Ein­mal in der Woche zeige ich hier meine Sonn­tags­bil­der.


Heute: Durchblicke aus Hamburg, wo ich meinen Pfingsturlaub verbringe.
Dass es kühl und reg­ne­risch ist, lässt sich zu­min­dest er­ahn­en.
Ge­nießen kann ich hier aber nicht nur das sat­te Grün der Stadt.
Blick auf Spaziergängerinnen im Grünen, im Hintergrund scheint der Hamburger Hafen durch
Blick in die Weite eines Parks, durch ein Fenstergitter hindurch aufgenommen

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Fotos: C.E.

Donnerstag, 16. Mai 2013

Träges Haupt

« Bien­ve­nue !» Sie ha­ben die Ar­beits­ta­ge­buch­sei­ten ei­ner Über­setzerin an­ge­klickt, die da­ne­ben in Ber­lin und anders­wo für Po­li­tik, Soziales und Wirt­schaft, Kino und Kul­tur als Fran­zö­sisch­dol­met­scherin tätig ist. Hier denke ich regelmäßig über meine Arbeit nach.

Muskelkater in den grauen Zellen, Matschbirne, Postdolmetschhirnvernebelung, post-interpreting speech impairedness — die Begriffe für den Zustand sind zahl­reich. Ein richtig träges Haupt ist der Preis für anstrengende Einsätze. Manchmal fühle ich mich dann wie kurz vor grippal, ein anderes Mal einfach nur wunderbar müde und glücklich mit mir und der Welt.

In einem Berufsbildungzentrum arbeiten zwei jungen Männer mit Schaltkreis, Computer und Bleistift.Ich rechne bei den wirklich fordernden Einsätzen je geleistetem Arbeitstag mit einem Tag "Rückreise" in mein normales Leben. So wie diese Woche. Der 1,5-tä­gi­ge Einsatz endete Dienstag mit einem gemeinsamen Mittagessen, an­schlie­ßend hielt ich Mittagsschlaf: drei Stunden Tiefschlaf ohne Unterbrechung, also zwei volle Schlafphasen, ganz so, wie ich üblicherweise die Nachtruhe beginne. (Das konnte ich für mich zweifelsfrei er­ken­nen. Nachts bin ich nach den ersten zwei stets zu­­sam­­men­­hän­­gen­­den Schlaf­pha­sen nach jeder Phase kurz wach; die ver­gli­chen­en langen Phasen fühlten sich exakt gleich an.)

Interessant war allerdings, dass ich zu Beginn dieser Postdolmetschschlafphase das Gefühl hatte, sofort in die REM-Phase einzutreten. Ich bekam die starken Au­gen­be­we­gungen mit, wie sich mein Bewusstsein veränderte und zack! war ich "weg". (Und in der Nacht drauf schlief ich problemlos ein und dann acht Stunden lang.)

Am Tag danach bummelte ich vor mich hin: Hier ein wenig bloggen, dort ein­kau­fen, vor allem die Sonne genießen, auch Freunde sehen, wenig sprechen. Und ich habe eher lustlos in die Tonaufnahme reingehört, die ich vom Einsatz gemacht habe.

Nachdem ich oft die Aufnahmgeräte fotografieren konnte, die Journalisten bei den Interviews der Stars verwendet haben, die ich einst über­tra­gen ha­be (bevor ein Journalist die Arbeit übernommen hat, der nun ein meines Erachtens unlauteres Koppelungsgeschäft daraus macht: (qualitativ fragwürdiges) "Dolmetschen" plus (stets begeisterte) öffentlich-rechtliche Radiobeiträge), nachdem ich also diese Aufnahmegeräte oft bewundert habe, stehe ich nun selbst mitten in einer Probe­phase mit einem solchen.

Dafür gibt es zwei Gründe. Wir Dolmetscher kümmern uns in der Regel allein um die eigene Qualitätskontrolle. Nach den Einsätzen schaue ich mir kritisch an, ob ich mich gut und richtig vorbereitet habe. Ziel ist natürlich stets, Fehler zu fin­den und beim nächsten Mal zu vermeiden. Es gibt auch einen vorbeugenden Aspekt, daher muss ich mich ab und zu selbst hören.

Um zu prüfen, dass ich mir keinen "Sprachtic" eingefangen habe, fertige ich (bis­lang mit der Diktatfunktion des Mobiltelefons) regelmäßig kurze Aufnahmen an. Oder aber ich zeichne wie dieses Mal nahezu alles auf. Denn der Einsatz zu Wo­chen­an­fang war ein Solo-Einsatz. Normalerweise kommen wir Dolmetscher immer im Doppelpack vor und wechseln uns alle 20 bis 30 Minuten ab. Hier war kon­se­ku­ti­ves Dolmetschen geplant, da halten wir länger durch, gerne bis zu einer Stunde, in der Arbeitssituation wurde etwas wie "semi-simultan" daraus ... also simultanes Dolmetschen, aber mit Sprechpausen der Redner mitten in den Sätzen oder sogar Halbsätzen.

Die Damen und Herren ließen mir auch die nötige Zeit, um manchen kom­pli­zier­ten Ge­danken zuende zu dolmetschen, bevor der nächste ausgesprochen wur­de. Das ist natürlich weniger stressig als in der Dolmetscherkabine bei mehr­spra­chi­gen Veranstaltungen, wo, wenn die eigene Sprache mitunter auch noch "Pivot" ist, also die Schaltsprache, von der aus Verdolmetschungen in andere Sprachen erfolgen, der Stress noch einmal höher ist.

Dolmetschzeiten von 30 bis 51 Minuten, Pausenzeiten von 3 bis 55 Minuten. 1. Tag: Insgesamt ca. vier Dolmetschstunden über den ganzen Tag verteilt. 2. Tag: Vier Dolmetschstunden nur am Vormittag.Da ich das Wortfeld, um das es zu Wochenanfang ging, bereits gut kenne, habe ich überdies nicht nur aus dem “Arbeits­spei­cher” verdolmetscht, son­dern zum Teil auch von der “Festplatte" weg. Zudem war vereinbart worden, dass ich Dol­metsch­mo­dus und Pausen stets selbst wählen und gerne alle 30 bis 40 Minuten Pausen in der Länge meiner Wahl (bzw. wie nötig) ansagen darf.

Das habe ich denn auch getan, siehe oben. Damit lief dann der Rechner unterm Schädel nicht ganz so heiß! Auch weil die Inhalte hochspannend waren, sank mein eigener Stresspegel, ich kam in den Flow, die Pausen wurden kürzer.

Die "Ko-Kabine" (2. Dolmetscherin) ist sonst nicht nur für die Ablösung zuständig, sondern auch fürs Aufschreiben von Zahlen, Eigennamen oder Wortpaaren, wenn sich mancher Fachbegriff erst während einer Sitzung klärt (was gar nicht so sel­ten vorkommt: Über die Standardverwendungen hinweg gibt es ja auch immer grup­pen­spezifische, ja sitzungsspezifische Ausdrucksweisen). Und über die eigene Qualitätskontrolle hinaus habe ich durch die Aufnahme sichergestellt, dass ich meine Liste mit den Fachtermini vervollständigen kann. Vokabeln, die mir sonst bei der Solo-Nummer durchgeschlüpft wären, ziehe ich in den nächsten Tagen stundenweise aus dem Material. (Vielleicht fällt auch eine kleine Hörprobe für den Blog ab.)

Am Mittwoch, am Tag nach dem 1,5-Tage-Einsatz, war ich wunderbar knülle. Und ich hielt erneut einen Mittagsschlaf, diesmal am frühen Abend. Ich schlief 1,5 Stunden, nachdem ich zunächst eine halbe Stunde lang acht Mal mit zuckenden Gliedern in der Einschlafphase hochgeschreckt war. Die Augenlider waren dieses Mal ganz ruhig, der Schlaf in der Folgenacht nicht beeinträchtigt.

Heute fühlt sich der Kopf noch ein wenig träge an. Dolmetschen würde ich erst morgen wieder wollen, zum Glück 'mussdarf' ich erstmal nur weiterlernen, ein Seminar zum Thema Übergang von Schule in den Beruf steht an, das Thema "geht auf An­schluss". Nächste Woche werden wir zu zweit in der Kabine sitzen und im Vorfeld auch schon im Team lernen können. Das ist immer leichter, nicht nur für die ab­ge­bil­de­ten jungen Männer in einem Berliner Be­rufs­bil­dungs­zen­trum.

Und ja, nach einem mehrstündigen Solo-Einsatz dauert die Erholungsphase doch länger ...

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Handyfotonotiz aus einem Berufsbil-
dungszentrum/Notizbuch: C.E.

Mittwoch, 15. Mai 2013

Tonlagen (und Wertschätzung)

Bonjour ! Schön, dass Sie mein Blog an­ge­steu­ert (oder die Sei­ten abon­niert) ha­ben! Hier schrei­be ich über den wechsel­vol­len All­tag von uns Sprach­mittlern. Als Über­­setzerin und Dol­met­scherin für die fran­zö­si­sche Sprache arbeite ich zum Beispiel in Berlin ... für die Bereiche Medien, Wirtschaft, Politik und Soziales.

Minister Georges Mandaoué blättert am anderen Ende des Tisches in einem Dokument, die Dolmetscherin spricht ins Mikrophon und hat viel Arbeitsmaterial um sich herum ausgebreitet
Minister Georges Mandaoué, Dolmetscherin
Als ich im Büro darauf warte, mit dem Wa­gen abgeholt zu werden, erhalte ich eine SMS: "Wir haben unseren Minister ver­loren!" Die Herren kommen zwar von weit her, sind aber seit dem Vorabend in einem Hotel Unter den Linden un­ter­ge­bracht, daher mache ich mir keine Sor­gen. Und liege richtig. Wenig später kommt eine zweite Nachricht aufs Handy, Entwarnung, ça y est, die Herren fahren los.

Das Moment mit dem verloren­ge­gang­en­en Minister war wie ein kleiner Vorbote für anderthalb Dolmetschertage, der sich voll und ganz erfüllt hat: Die Tage waren höchst ungewöhnlich, was zum Großteil am Team lag.

Der Arbeitsminister Neukaledoniens hielt sich mit kleiner Entourage in Berlin auf um zu erfahren, wie junge und benachteiligte Menschen hierzulande in den Ar­beits­markt integriert werden. Wir eilten von Termin zu Termin, sahen Werk­stät­ten, Schu­lungs­räu­me, eine Beratungseinrichtung mit integriertem Kindergarten und das Job­cen­ter von Treptow-Köpenick.

Als Dolmetscherin habe ich zu diesem Bereich schon wiederholt gearbeitet, das letzte Mal vor einem Jahr, der erste große Einsatz war 2007, der allererste kleine Einsatz vor den Hartz-Reformen. Wenn ich meine Lexiken zum Thema ansehe, kann ich die Veränderungen klar nachzeichnen. Das "Arbeitsamt" ist tot, wir haben mit einer "Agentur für Arbeit" und dem "Jobcenter" zu tun.

Jene, die dort aufschlagen, um Hilfe zu erhalten, werden "Kunden" genannt, was mich dauer­haft irritiert. Als Kundin bin ich König (Königin!), ich habe die Wahl zwischen ver­schiedenen Anbietern; hier stimmt wohl beides nicht. Nach einigem Nach­den­ken habe ich die Lösung für den Begriff, der vom englischen client kommt, eine Über­tra­gung wohl ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass die deutsche Sprache für das englische Wort sowohl den "Kunden", als auch den "Klienten" kennt. Ich per­sön­lich hätte "Klient" für angemessener empfunden, aber das hat in den Augen derer, die die Wörter festgelegt haben, sicher zu sehr nach der Welt der Anwälte und Psychologen geklungen und zu kompliziert für die zum Teil eher wenig gebildeten Menschen, die zur Zielgruppe der Einrichtungen gehören.

Mit Sprachniveaus habe ich es auch bei den Fachgesprächen zu tun. Einmal klärt die Delegation rasch unter sich etwas ab, halbe Sätze fliegen hin und her, am Ende kommt so etwas wie eine kleine Frage auf, die aber nicht gestellt wird. Alle sehen mich an. Ich hatte abgewartet, das Hin und Her nicht simultan verdolmetscht, weil es mit dem Bezug auf Interna losging und dann voller Begriffe war, die ich in der Situation einfach nicht wiedergeben konnte (eigentlich nicht mal abends in der Kneipe, wenn ich denn mit den Betreffenden abends in die Kneipe ginge).

Gruppenbild, fünf Herren, eine Dame
Gruppenbild mit Minister vor einem Berliner Jobcenter
Die Blicke ruhen weiter auf mir. Ich nicke und sage den Dolmetsch"kunden" im Af­fen­tem­po: "OK, ich wähle aber diplomatischere Be­grif­fe!" ... und lege los. Unsere Gast­geber haben davon nichts mit­be­kom­men. Später er­zäh­len mir die Herren aus Nou­méa, dass es typisch für Neukaledonier sei, mit der­ben Wörtern um sich zu wer­fen; man hoffe, ich sei nicht schockiert.

Zum Glück kann ich den Gästen erklären, dass die Berliner Umgangsformen mit­unter auch etwas handfester sind. Und ich grinse still, als der Staatssekretär zwi­schen­durch zu seinem Chef sagt: "Du, Minister, jetzt komm' doch mal auf den Punkt!" Das ist nur möglich, weil von Minister Georges Mandaoué eine sehr an­ge­neh­me, natürliche Autorität ausgeht und die Herren eine hohe kommunikative Kultur mitbringen, in der zielführende Kritik zum guten Ton gehört.
Merci beaucoup, Messieurs, et bon retour !

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Fotos: privat

Dienstag, 14. Mai 2013

Dienstwege

Gu­ten Tag oder gu­ten Abend! Ab­sicht­lich oder zu­fäl­lig ha­ben Sie ei­ne Sei­te mei­nes Ar­beits­ta­ge­buchs auf­ge­schla­gen. Als Dol­met­scher­in aus den Spra­chen Deutsch, Fran­zö­sisch und Eng­lisch (ins Fran­zö­si­sche und Deut­sche) schrei­be ich hier, was mir im Be­rufs­all­tag auf­fällt. Da­ne­ben über­setze ich auch. Bei­de Be­rufs­bil­der bie­ten im­mer wie­der An­lass, über die Spra­chen nach­zu­den­ken.

Dienstwege kenne ich nur als "Dienst­gänge", wenn ich zum Beispiel für einen Kunden einen Tag lang in der Staats­biblio­thek sitze oder bei Gericht ein Dokument abholen muss. Ansonsten hat unsereiner keinen Chef. Die Dienstwege und Hierarchien sind kurz, wenn ich mir selbst die Meinung sagen muss, z.B. weil ich mich mal wieder zu lange un­pro­duk­tiv an einem Buch festgelesen habe. 

Jetzt fanden sich in meiner letzten ins Französische zu wuppenden PPT (Power­PointPräsentation) so nette Begriffe wie "der direkte Dienstweg", "der kurze Dienstweg" oder "der kleine Dienstweg". Erst wurde ich stutzig, dann konnte mir eine frühere Studienkollegin, die heute als Beamtin wirkt, bestätigen, dass diese Begriffe synonymal gebraucht werden. Den "Dienstweg" kennen Franzosen auch.

Dort ist er la voie hiérarchique, wobei voie die direkte Entsprechung für "Weg" ist. Dem deutschen Begriff am nächsten kommt also la petite voie hiérarchique, ich fand auch den an eine Beschreibung grenzenden Ausdruck par voie hiérar­chique abrégée"(*). Franzosen würden wohl eher par voie directe sagen, auf di­rek­tem Wege. — Hier sind wir di­rekt auf dem Weg durch ein "Arbeitsamt".



(*): Abrégé bedeutet "verkürzt". Das ist mein Eintrag heute auch. Morgen mehr zum abgebildeten Einsatz und darüber, warum das Wort "Ar­beits­amt" hier in An­füh­rungs­zeichen steht.
Vokabelnotiz: "zweiter Arbeitsmarkt"   emplois partiellement subventionnés
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Handyfotonotizen: C.E.

Montag, 13. Mai 2013

Ohne Nachrichten

Hallo, Willkommen auf der Blogseite einer Dolmetscherin und Übersetzerin. Französisch ist meine zweite Arbeitssprache, Englisch meine "passive" Sprache. Hier notiere ich, was mir im Beruf und auch privat auffällt.

Heute gibt's keine Nachrichten, gar keine, und der Eintrag hier ist höchst redun­dant. Denn dieser Tage bin ich viel draußen zum Dolmetschen, da ist alles Routine und Höflichkeit, das gibt keine Nachricht ab.

Oder, wie die Gallier zu sagen pflegen: pas de nouvelles, bonnes nouvelles. Keine Nachrichten sind gute Nachrichten, andersrum ist das fast eine journalistische Grundregel, leider, nur schlechte Botschaften sind Nachrichten.

Neulich fiel mir als "Entsprechnung" für die französische Redewendung in einem Untertitel das hier auf: bad news travel quick. (Dabei gibt es no news is good news auch, es ist sogar weiter verbreitet!)

Nochmal zum Mitdenken: "Keine Nachrichten (bedeutet) gute Nachrichten" sagte der französische Originalton, "schlechte Nachrichten reisen schnell" der englische Untertitel. Hier wäre diese Übersetzung wie gesagt nicht zwingend gewesen, es gibt eindeutigere Fälle, wo der Mensch, der die Untertitelung gemacht hat, keine Wahl gehabt hat, wo sich also Filmton und Untertitel in ihrem emotionalen Gehalt zu widersprechen scheinen.

Nicht-Profis in Sachen Untertitelung könnten dann sagen: Die Untertitel waren falsch. Waren sie aber nicht. Beim Untertiteln gehen wir von zweierlei aus, dass der Leser die andere Sprache eher nicht kann und dass er nur eine sehr begrenzte Zeit zum Lesen zur Verfügung hat (oder sie, na klar).

Hier bei Hitchkocks Damentrio sind die unterschiedlichen Grade der Aussagen im Vergleich zwischen Französisch und Deutsch nicht ganz so stark aus­ge­prägt, aber vorhanden: das "nur noch ..." klingt deutlich negativer, auch weil die französische Negation aus zwei Wortteilen besteht, ne und que (weshalb ich unten ein "übrig" eingefügt habe).

Zwei Screenshots ein- und derselben Szene mit unterschiedlichen Untertiteln, links: "match" (automatische Spracherkennung von "marriage")
Die höhere Tochter: "Ich hab alles erlebt ... bis auf die Ehe."
Auf Französisch: "Da bleibt nur noch die Ehe übrig."
Hübsch als kleiner Nachtrag zu gestern, was die automatische Spracherkennung aus "marriage" gemacht hat ... (siehe linker screen shot. Das ist um die Ecke gedacht ja gar nicht mal so falsch, heißt ein "Eheanbahner" auf Englisch doch matchmaker.)

Frage an die Wissenschaft: Werden sich durch die zunehmenden Sprachkenntnisse zumindest einiger wichtiger Sprachen vielleicht eines Tages die Unter­ti­te­lungs­ge­wohn­heiten verändern? Vielleicht ist es ja schon der Fall? Ich beobachte weiter.

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Foto: siehe gestern

Sonntag, 12. Mai 2013

Critics are quick!

Hallo, hello et bon­jour ... beim 1. deut­schen Web­log aus der Ka­bi­ne ei­ner Kon­fe­renz­dol­met­scher­in und Über­setz­erin für die fran­zö­si­sche Spra­che. An dieser Stelle schreibe ich über meinen Berufsalltag ... und wie er mein Privatleben verändert. Unbefangen das Fernsehgerät anschalten oder ins Kino kann unsereiner nicht. Hier kommt die Erklärung, warum das so ist. Caroline proudly presents: Link der Woche vom Samstag und Sonntagsbilder auf einmal. 

Die Technisierung schreitet nicht voran, sie macht große Sprünge. Warum sollten also die Aufgaben von uns Über­setz­ern und Dolmetschern nicht viel einfacher durch die Technik erledigt werden kön­nen, das ist eine Annahme, die mitfühlende Zeitgenossen,  vom Thema völlig Unbeleckte und sogar Wissenschaftler immer wieder mal äußern.

Die EU gibt nicht nur für uns Sprachmittler viel Geld aus, sie investiert sehr viel in diese Forschungen, aber das ist ein anderes Thema.

Über automatisches Übersetzen habe ich Donnerstag mal wieder ge­schrie­ben, heute geht's kurz und fündig mit dem Thema Dolmetschen weiter, anders ge­sagt: Mit automatischer Spracherkennungssoftware und ihrer Über­tragung in Film­un­ter­titel.

Mit großem Vergnügen sehe ich derzeit alte Hitchcock-Filme wieder. Seine Werke aus den 30-er Jahren sind jetzt Gemeingut, können gratis und völlig legal z.B. bei YouTube gesehen werden. Unlängst stolperte ich über eine bildrestaurierte Version von "The lady vanishes", sie hat wieder Grautöne, und fing vergnügt an, den Film zu sehen, der auch deutlich mehr Luft um die Köpfe lässt, die Bilder wirken wie anders "kadriert".

Da ich Filme fast immer im Original und am liebsten auch dann mit Untertiteln sehe, wenn ich eine Sprache kenne (gern z.B. mit der gleichsprachigen Un­ter­ti­tel­ung für Schwerhörige: Zum Hören kommt das Schriftbild hinzu, das sind Lern- und Verfestigungsmomente, die keinerlei Aufwand kosten), da ich also Untertitel liebe, machte ich mich sogleich auf die Suche ... und entdecke welche, die Ergebnis der automatischen Spracherkennung sind.

Was für eine Gaudi! Zum Vergleich die französischen Untertitel anbei. Zur Story: Reisende sind wegen Unwetters in einem osteuropäischen Gebirgsort im Staate "Bandrika "hängengeblieben. Für Dolmetscher bieten diese Szenen des ersten Aktes übrigens eine lustige Rahmenhandlung: Hier wird eine Fantasiesprache gesprochen und das Hotelpersonal jongliert bei der Buchung mit Fremdsprachen. Außerdem kommt in "The lady vanishes" eine Dienstbotenkammer vor — wie die Bediensteten wohnen, wird ja in Filmen ja sonst so gut wie gezeigt. In Ermangelung freier Zim­mer müssen zwei Reisende in die Dienstbotenkammer ausweichen. (Wo dann die Angestellten nächtigen, wird nicht erwähnt.)

Nachfolgend zwei kurze Szenen. Zwei englische Herren wollen in der 11. Film­mi­nute dringend Sportergebnisse erfahren, es ist natürlich lange vor TV und Mobil­te­lefon, der Film stammt von 1938. Außerdem liegt wie ein dichter Nebel über Hitch­cocks Filmen jener Zeit die krisenhafte weltpolitische Lage, die kurz darauf zum Weltkrieg führte; sie bietet Subtext und Plot des spannenden Films.

Zwei Screnshots: like this in a coloful communications cut-off time of crisis
"Schrecklich, wenn der Nachrichtenstrom in Krisenzeiten abreißt."
("Ohne Kontakte" steht im französischen Titel, das gefällt mir nicht.)
Hier lässt sich im automatisch übersetzten Untertitel wenigstens erahnen, dass es um Infomangel und eine krisenhafte Situation geht. Dann läutet das Telefon für einen anderen Gast. Der Hotelwirt verlässt den Empfang, die Herren schleichen sich zum Telefonapparat.

Zwei Screenshots ein- und derselben Einstellung, links: and i'm not the filter (rechts übersetzt im Unterititel)
"Sind sie in London? Nein, hier spricht nicht Herr Seltzer, sondern Herr Charters".
Wie das System aus "Seltzer" einen "Filter" macht, ist mir schleierhaft. (Um die Ecke gedacht ist es fast komisch, dass es nicht heißt: "Hier ist nicht Herr Brau­se­tablette!")

Zwei Screenshots ein- und derselben Einstellung, links: critics are quick (rechts übersetzt im Unterititel)
"Es geht um Cricket, meine Güte!"
Ja, Kritiker sind schnell. Und critics und cricket klingt ja auch fast gleich, oder? (Für meine Ohren nicht, aber für einen Computer vielleicht.) Dann sind die Herren hungrig. Sie gehen ins hoteleigene Restaurant.

Zwei Screenshots, der Linke: dated about business
Er sagt, dass das Hotel übelaufen sei und dass es nichts mehr zu essen gebe.
Was die Spracherkennung hier erfasst haben will, überrascht mich schon sehr. Ich finde keinerlei Verbindung mehr.

Zwei Screenshots, links: expect us to sabb plastic dot box on the seven p m
Nichts mehr zu essen! Sie versuchen, uns unterzubringen, aber mit leerem Magen ...
Interessant ist es, an dieser Stelle kurz die deutsche Synchronfassung zu be­trach­ten. Da sagt der ältere Herr: "Man mutet uns zu, mit einem Zimmermädchen eine Hundehütte zu teilen, und noch dazu mit leerem Magen." Ich hatte beim raschen Transkript zunächst "mit knurrendem Magen" aufgeschrieben, was ja wohl der komischere Satz gewesen wäre. Nehmen wir es als schönes Beispiel für die Frage: 'Wie viel Wortwitz kommt durch die Übersetzer in die Werke hinein?' Außerdem ist an dieser Stelle gut zu erkennen, dass Untertitel das Ergebnis von Reduktion sind. Die Dienstbotenkammer kommt im französischen Untertitel gar nicht vor.

Die Hundehütte (dog box) aus dem englischen Original wurde also zur dot box im Untertitel. Die Art dieser beiden Begriffe merken wir uns mal.

Die Dame, an deren Tisch sie zufällig geraten sind, verlässt das Land "Bedrika" nach einem längeren Aufenthalt.

Zwei Screenshots, links: into six years i just her i'd go into dubbed country especially optics i
In sechs Jahren habe ich dieses Land zu lieben gelernt.
Hier stimmt nur die Zeitangabe, wenigstens grob betrachtet. Zurück zu dot und box. Offensichtlich wird die automatische Spracherkennung oft für Technik ein­ge­setzt, Begriffe wie website, dot, business, optics, plastic, cash, notebook, logged of usw. kommen in der automatischen Untertitelung dieses Films re­gel­mä­ßig vor. Will be that website steht dann da auch prompt als 'Übersetzung' für "On the red side for me" als Bestellung für ein Steak. (Er meint vermutlich "blutig" ...)

Während die Herren sich dann an den Resten ihrer Käseplatte bedienen, lobt die fremde Dame das Land und seine Schönheiten. Die Berge hätte sie mit der Zeit wie eine Nachbarsfamilie liebgewonnen:

Zwei Screenshots, links: mother know templates no hands amid nephews and nieces
Papa-Berg und Mama-Berg in Zipfelmützen aus Schnee.

Die Nichten und Neffen vom Titel links folgen übrigens im nächsten Satz. Und die Stimme der alten Dame bekommt etwas Märchentantenhaftes, worauf die Herren, die ihr gegenüber sitzen, verträumt-schläfrig dreinblicken.

Zwei Screenshots, links: i'd like to box provided to keep in mind that the moon i'm so glad them tonight
Ich beobachte sie vom Fenster aus ... in jeder mondhellen Nacht.
Hier stimmt nur der Mond/die helle Nacht in beiden Untertitelfassungen überein.

Wer den Film vor langer Zeit gesehen hat und ihn hier nicht wiedererkennen sollte: Kein Angst! Der Film spielt hauptsächlich im Orient-Express, ich bin bei meinen Be­trachtungen in der Exposition hängengeblieben, dann habe ich den Film mit fran­zö­si­schen UTs weitergesehen. Die automatische Spracherkennung war wirklich an­strengend. Wer kein Englisch versteht, dem kann sie absolut nicht beim Verständnis des Films helfen.

Natürlich werfe ich der Technik hier keinesfalls vor, kein "Bandrikisch" zu ver­stehen, die Phantasiesprache des Landes. Aber es werden von ihr sogar Geräusche und Musik "transkribiert", also akustische Momente, die alles andere als mit Sprache zu tun haben. Peinlich!

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Screenshots erstellt von C.E.
Filme hier: restaurierte Fassung und
OmfU

Samstag, 11. Mai 2013

Berufsportrait

Willkommen beim Dolmetschweblog! Es ist Samstag, Zeit für einen Lesehinweis.

Während ich einen langen Link der Woche zur späteren Veröffentlichung schreibe, hier ein schneller: klick!

Die "Berliner Zeitung" hat diese Woche einer Kollegin ein Portrait gewidmet. Sonja Harm, mit der ich auch schon für die Filmförderungsanstalt und das ILB zu­sam­men­ge­ar­beitet habe, eine sehr angenehme Kollegin, ist eine der wenigen fest­an­ge­stell­ten Kollegen. Sie ist seit 13 Jahren für den Deutschen Bundestag tätig.

Journalistin Angela Sommersberg beschreibt sehr schön, was auch hier bereits vorkam, wie der "Dolmetschmodus" nicht nur den Alltag, sondern auch viele Näch­te verändert. Es geht um verdolmetschte Träume, Genauigkeit, Re­aktions­schnel­lig­keit, Lernen ... und darum, dass Dolmetschen ein 24-Stunden-Job ist. Und sogar das Dolmetschen von Werbebotschaften auf dem Weg zur Arbeit (oder zurück) kommt vor.


Vokabelnotiz, Reminder: die afrikanisch geführte Unterstützungsmission in Mali heißt auf Deutsch und auf Englisch Afisma, auf Französisch allerdings Misma.
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Illustration: Berliner Zeitung

Freitag, 10. Mai 2013

An Elbe und Alster

Bien­­ve­­nue ! Hier le­­sen Sie in im Ar­­beits­­ta­­ge­­buch ei­­ner Dol­­met­­scherin, die in Ber­lin, Mar­seille und Pa­ris tä­tig wird ...

... und demnächst auch in Hamburg! Vom 16. bis 20. Mai bin ich an Elbe und Alster. Sollten Sie am 16. oder 17. in Hamburg eine Dolmetscherin für die fran­zö­si­sche Sprache suchen, könnte ich möglicherweise weiterhelfen.

Überseeschiff beim Entladen im Hamburger HafenHintergrund ist der Woh­nungs­tausch um drei Ecken mit zwei Kolleginnen aus Hamburg und Paris. Da ich beruflich oft genug in Hotelzimmern woh­nen muss, bin ich nicht nur bei Kurzreisen gerne an­ders un­ter­ge­bracht, z.B. privat oder aber ohne jede Technik im Zelt auf einer Wiese am Bauernhof, von wo wir auch viele Le­bens­mittel beziehen ...

... und im Fluss die Fische selber fangen (idealerweise, wenn sie anbeißen, oder sie uns schenken lassen)! Mitunter logieren wir auch in einem privaten Ferienhaus in Südfrankreich, die letzten beiden Beispiele klingen eindeutig nach Sommer, aber dergestalt sind meine Urlaubsideale.

Oft arbeite ich zu Beginn oder gegen Ende eines Kurztrips am Ziel der Städtereise. Oder ein Auftrag ist Anlass zur Ortsveränderung, und ich bleibe dann noch einige Tage. Ich war schon öfter beruflich in Hamburg, hier, hier und hier gibt es kurze Berichte darüber.

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Foto: C.E. (Archiv)

Donnerstag, 9. Mai 2013

Fonic Smart S

Welcome! Hier bloggt eine Über­setzerin und Dol­met­scherin aus Ber­lin. Der Be­ruf schärft Blick und Ohr. Akusti­sche Kör­per­ver­letzung und Ein­bruch in mei­ne Pri­vat­sphä­re neh­me ich übel.

Heute Morgen hatte ich es von auto­ma­ti­scher Übersetzung, heute Nachmittag ist automatische Werbung dran. Ich versuche für einen anstehenden Dolmetscheinsatz zu verstehen, was eine Integrationsfachkraft beim Jobcenter von einem Fallmanager unterscheidet, lese mich ein in ge­samt­heit­li­chen Bewerbungsservice (ist nicht viel­leicht doch ganzheitlicher gemeint?) und stelle mir vor, was ein Nach­haltig­keits­be­ra­ter zur Überwindung von Ver­mitt­lungs­hemm­nis­sen macht.
Plötzlich erklingen zwei männliche Stim­men und quatschen mein Arbeitszimmer voll mit irgendeineiner Handy­ver­trags­wer­bung.

Nicht irgendeine, ich nenne gerne Ross und Reiter. Es läuft als Schleife:
Die Wahrheit über Fonic Smart S ... Ich wollte doch nur etwas Speck! Wieso soll ich für etwas zahlen, das ich gar nicht brauche!? ... Jetzt wechseln und einen Monat gratis nutzen!
Schluss mit dem Werbetext. In Wahrheit wollte ich doch nur etwas arbeiten! Wieso soll ich jetzt eure blöde Werbung er­leiden, die ich gar nicht angefordert habe!? Ich will weder wechseln, noch möchte ich etwas gratis haben. Während der Dummsprech ein 2. und ein 3. Mal und dann ein 4. und ein 5. Mal läuft, mache ich nacheinander alle Fenster meines Browsers zu.

Halt! Ich habe doch schon vorher viele Seiten weggeklickt, die ich als wenig nütz­lich einschätzen konnte! Ich bin mitten im Lesen, will keine Arbeitszeit ver­nich­ten. Also kopiere ich mir meine Auswahl in einer Rechercheliste zusammen, bevor ich sie wegklicke. Mir fällt ein, dass ich den Ton abstellen kann. Dann läuft der Rechner heiß, die Werbeschleife wird in die 10. Runde gegangen sein.

Zwischendurch mache ich zur Probe den Ton immer wieder kurz an, irgendwann ist Ruhe. Endlich höre ich das Zwischern der Vögel wieder, das Rufen der Mauersegler, die Chopinetuden der Nachbarin, die Spiele der Kinder auf dem Hof.

Sicherung und Wegklicken haben mich sicher zehn Minuten gekostet. Jetzt bin ich total genervt wegen der Unterbrechung. Ich bin raus aus dem Arbeitsflow. Also ab in die Küche, Tee kochen, dann Blogeintrag schreiben, der Ärger muss weg.

Sehr geehrte Anbieter von Fonic Smart S, mit Ihrer penetranten Werbung haben Sie etwas geschafft: Sie haben meine Aufmerksamkeit für Ihr Produkt geschärft.

Glückwunsch! Wenn ich mich demnächst für einen anderen Anbieter entscheiden werde, kommen alle infrage, nur Sie nicht!


P.S. für die Fonic-Werbefritzen: Ist das mit dem Speck ein Selbstzitat? Kam nicht an. Ich hab's mir mit etwas à la "Ich will doch nur Speck, warum soll ich gleich die Sau kaufen" erklärt.
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Foto: C.E. (Achiv)

Mal wieder MT

Hallo! Die Welt der Sprachen, des Dolmetschens und Übersetzens interessiert Sie? Dann sind Sie hier richtig, beim Weblog einer Sprachmittlerin. — Manchmal machen sich andere Menschen Sorgen um uns. Wo die Computer doch immer mehr Arbeiten übernehmen würden, sähen wir uns als Sprachmittler da nicht selbst auch in Gefahr?

Stoßseufzer: Wie gut, dass das Programmieren von Übersetzungssoftware derart kompliziert ist, dass die Jungs und Mädels wohl nie damit fertigwerden. Wie ich darauf komme? Sprache ist vielschichtig, widersprüchlich, voller Anspielungen, Codes, sich verändernder Begriffe, Ironie, außerdem spiegeln sich soziale Her­kunft und Gegenwart, kulturelle Erfahrungen bis hin zu Ausdrücken aus Werbung, Politik usw. in den jeweiligen Ausdrucksweisen.

Ich denke, selbst wenn sie einmal "durch" wären mit dieser unermesslichen Viel­falt, könnten sie gleich wieder von vorne anfangen, denn Sprache verändert sich ja ständig. So viele "Mannjahre" (hm, der Ausdruck ist eigentlich Sprachsexismus pur) investiert niemand in einen Bereich, der bezogen auf einzelne Unternehmen und im Vergleich zu den großen Investitionsgütern nicht so viel kostet.

Computer, Regal mit Nachschlagewerken, aufgeschlagenes Worterbuch (angeschnitten), Vokabelkartei
Profis übertragen anders
Machine translation (MT) mag bei der Übertragung immer derselben Textformate als Muster für eine noch zu be­ar­beitende Rohübersetzung nützlich sein, z.B. für Zoll­erklärungen, Bestell­schei­ne und einfachste Handels­kor­respondenz. Aber kaum gibt es eine minmale Abweichung, ist der Mensch wieder ge­fragt, zum Korrekturlesen ohnehin.

Wie gut, dass Betrüger eher individuell schreiben und der automatischen Übersetzung vertrauen. So sind Texte wie diese hier leicht erkennbar.
Entschuldigungen für kommen in Ihre Privatsphäre! Ich bin Anwalt W. Zeller; Ich habe einen wohlhabenden Kunden zum Tode; und er hatte eine sehr geheime Investitionen von €15,000,000.00 bei einer privaten Bank in Großbritannien. Diese Investition wurde ohne einen deklarierten nächsten Angehörigen. Jetzt brauche ich Sie arbeiten mit mir als mein Partner zu erholen und zu je 50 % Aktienfonds. Alle Dokumente werden rechtlich beschafft, und in 5 Werktage, wird diese Transaktion auftreten. Aber ich brauche einen ernsten, treuen und glaubwürdigen Partner. Bitte senden Sie mir eine vertrauliche Antwort, wenn Sie denken, Sie vertraut werden können und sind von den Qualitäten! Ich warte auf Ihre schnelle Antwort.
Wow, 2,5 halbwegs richtig klingende Sätze auf den ganzen (gekürzten) Text, von dem (im Original) 85 % falsch sind. Was mir jetzt Sorgen machen muss, ist nur die Blödheit mancher Zeitgenossen, die offenbar trotzdem darauf reinfallen, sonst bekämen wir alle nicht regelmäßig so ähnlich idiotische Phishing-Mails in die Postfächer.

Was die Schwierigkeiten der automatischen Übersetzung angeht, gilt für gesprochene Sprache dasselbe, nur kommen Dialekte, akustische Einflüsse, nicht zuende gesprochene Sätze, überlappende Stimmen und derlei noch hinzu. Mehr dazu hier am Wochenende, bei meinen Links der Woche. Es wird lustig!

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Foto: C.E. (Archiv)

Mittwoch, 8. Mai 2013

Fast pausenlos

Bonjour und guten Tag! Hier bloggt eine Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache. Ich beschreibe an dieser Stelle die Besonderheiten unseres Berufs, stets unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse. Heute geht's weiter mit der Beschreibung von Arbeitsplätzen.

Staatsgäste sind anstrengend, nicht nur für jene, die an irgendeiner Stelle des Protokolls und der Verdolmetschung mit­wirken, sondern auch für viele, die an nämlichen Tagen anderswo in der Bundeshauptstadt ar­bei­ten gehen müs­sen. Umleitungen und Staus sind an der Tagesordnung, Veranstaltungen werden verschoben oder werden kurzfristig ver­legt.

Am Tag, als der Papst in Berlin weil­te, war es kaum anders. Bei Konsultationen an­derer politischer Abteilungen wurden Termine gestrichen bzw. an ent­le­ge­ne­ren Orten veranstaltet. Aber schon Ge­ring­ere als der Papst haben in Berlin das Protokoll in Stress versetzt. Die Leid­tra­gen­den waren vor kurzem fran­ko­pho­ne Delegierte, deren Termine sich plötzlich teleskopartig in­ein­an­derscho­ben.

Gänge, leerer Stuhl der 2. Dolmetscherin, Gänge
Das brachte mich als Dolmetscherin ins Schwitzen. Aus echten Pausen wurden kurze Wegstrecken, die in Windeseile von einem regierungsamtlichen Ge­bäu­de zu dem nächsten zurückzulegen waren. (Im Regierungsviertel gibt's schicke Tun­nel, aber erholsam ist das nicht.)
Und so geschah, was geschehen musste: Die Dolmetschkollegin schaffte es leider nicht, zur Delegation durch­zu­kom­men ...

Klammer auf: Wir Dolmetscher lösen uns alle 20, 30 Minuten ab. Das machen wir nicht etwa, weil es uns an Energie mangeln würde, sondern weil die Natur die hochkomplexe sprachliche Ausdifferenzierung der Spezies homo sapiens nicht hat kommen sehen und so ein kleines, feines Menschenhirn eingentlich gar nicht ge­macht ist für diese Art von Synapsenakrobatik. Bei längeren Einsätzen ohne Ab­lö­sung sollen, so die Wissenschaftler, sogar physiologische Schäden am Gehirn entstehen. Klammer wieder zu.

Jetzt die ganze Sache nochmal nacheinander für jene, die an Details interessiert sind. Zum Frühstückstermin war ich alleine gebucht. Das ist im politischen Betrieb bei Kurzeinsätzen nicht unüblich. Nach einer knappen Stunde Flüsterdolmetschen (es waren exakt 53 Minuten) sollten wir von A nach B kutschiert werden, wo mich eine Dol­met­scher­kol­leg­in erwarten würde. Sie hätte dann weitergemacht, und nach einer etwas längeren Erholungspause für mich hätten wir uns nach dem oben be­schrie­be­nen Muster regelmäßig abgewechselt.

Dann wurden Termine geschoben, waren Dienstwagen nicht verfügbar ... und die Sicherheitsstufen für einige Gebäude wurden vorübergehend geändert. Das merk­ten wir beim Verlassen eines der Bürohäuser im Regierungsviertel. Am Eingang hatte sich eine kleine Schlange gebildet und Menschen telefonierten hektisch, da sie zunächst nicht hereingelassen wurden.

Cut: Ich sitze auf einem Stuhl neben einer doppelten Couchgarnitur in einem akustisch nicht gerade optimalen Raum, flüstere so leise ich kann, um überhaupt hören zu können, was das Gegenüber sagt. Zum Glück habe ich Sendemikrofon und Kopfhörer dabei. Nach dem Ortswechsel mache ich einfach weiter, weil die Kol­le­gin nicht gekommen ist. Der zweite Stuhl für die zweite Dolmetscherin bleibt frei. Per SMS erfahren wir den Grund. Sie ist am alten Sitzungsort. Die Mitarbeiterin eines deutschen Abgeordneten simst ihr die neue Adresse. Ich sehe auf die Uhr. An diesem Vormittag bin ich jetzt bei netto 110 Minuten.

Wir eilen weiter, dieses Mal ist der Weg kurz. Die Mitarbeiterin simst die neue Zimmernummer, eine gute Zeit später geht sie zum Empfang und verhandelt. Ich spreche weiter. Und sage zwischendurch immer wieder kurz in beiden Sprachen: "Der Dolmetscher braucht eine Pause!" Das ist die Notbremse, die unsereiner zieht, um wenigstens zwischendurch mal etwas Frischluft an die grauen Zellen zu krie­gen.

Dann kommt die Mitarbeiterin zurück, die Dolmetscherkollegin im Schlepptau.
Da waren wir aber so gut wie durch mit dem Programm. Die Kollegin durfte dann Smalltalk beim Essen übertragen, ich bin mit dem Taxi nach Hause.

Insgesamt habe ich an einem langen Vormittag, er ging um acht Uhr los, völlig allein drei Stunden "netto" gedolmetscht. Anschließend war ich zehn Tage krank, heiser und mit Wortfindungsstörungen, musste Termine absagen, das war nicht schön.

In der Dolmetscherkabine ist es wie im Cockpit: Kopiloten sind wichtig! Selbst dann, wenn die Kabine mal keine Wände hat!

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Fotos (mit Handy aus der Hüfte ge-
schossen): C.E.