Muskelkater in den grauen Zellen, Matschbirne, Postdolmetschhirnvernebelung, post-interpreting speech impairedness — die Begriffe für den Zustand sind zahlreich. Ein richtig träges Haupt ist der Preis für anstrengende Einsätze. Manchmal fühle ich mich dann wie kurz vor grippal, ein anderes Mal einfach nur wunderbar müde und glücklich mit mir und der Welt.
Interessant war allerdings, dass ich zu Beginn dieser Postdolmetschschlafphase das Gefühl hatte, sofort in die REM-Phase einzutreten. Ich bekam die starken Augenbewegungen mit, wie sich mein Bewusstsein veränderte und zack! war ich "weg". (Und in der Nacht drauf schlief ich problemlos ein und dann acht Stunden lang.)
Am Tag danach bummelte ich vor mich hin: Hier ein wenig bloggen, dort einkaufen, vor allem die Sonne genießen, auch Freunde sehen, wenig sprechen. Und ich habe eher lustlos in die Tonaufnahme reingehört, die ich vom Einsatz gemacht habe.
Nachdem ich oft die Aufnahmgeräte fotografieren konnte, die Journalisten bei den Interviews der Stars verwendet haben, die ich einst übertragen habe (bevor ein Journalist die Arbeit übernommen hat, der nun ein meines Erachtens unlauteres Koppelungsgeschäft daraus macht: (qualitativ fragwürdiges) "Dolmetschen" plus (stets begeisterte) öffentlich-rechtliche Radiobeiträge), nachdem ich also diese Aufnahmegeräte oft bewundert habe, stehe ich nun selbst mitten in einer Probephase mit einem solchen.
Dafür gibt es zwei Gründe. Wir Dolmetscher kümmern uns in der Regel allein um die eigene Qualitätskontrolle. Nach den Einsätzen schaue ich mir kritisch an, ob ich mich gut und richtig vorbereitet habe. Ziel ist natürlich stets, Fehler zu finden und beim nächsten Mal zu vermeiden. Es gibt auch einen vorbeugenden Aspekt, daher muss ich mich ab und zu selbst hören.
Um zu prüfen, dass ich mir keinen "Sprachtic" eingefangen habe, fertige ich (bislang mit der Diktatfunktion des Mobiltelefons) regelmäßig kurze Aufnahmen an. Oder aber ich zeichne wie dieses Mal nahezu alles auf. Denn der Einsatz zu Wochenanfang war ein Solo-Einsatz. Normalerweise kommen wir Dolmetscher immer im Doppelpack vor und wechseln uns alle 20 bis 30 Minuten ab. Hier war konsekutives Dolmetschen geplant, da halten wir länger durch, gerne bis zu einer Stunde, in der Arbeitssituation wurde etwas wie "semi-simultan" daraus ... also simultanes Dolmetschen, aber mit Sprechpausen der Redner mitten in den Sätzen oder sogar Halbsätzen.
Die Damen und Herren ließen mir auch die nötige Zeit, um manchen komplizierten Gedanken zuende zu dolmetschen, bevor der nächste ausgesprochen wurde. Das ist natürlich weniger stressig als in der Dolmetscherkabine bei mehrsprachigen Veranstaltungen, wo, wenn die eigene Sprache mitunter auch noch "Pivot" ist, also die Schaltsprache, von der aus Verdolmetschungen in andere Sprachen erfolgen, der Stress noch einmal höher ist.
Da ich das Wortfeld, um das es zu Wochenanfang ging, bereits gut kenne, habe ich überdies nicht nur aus dem “Arbeitsspeicher” verdolmetscht, sondern zum Teil auch von der “Festplatte" weg. Zudem war vereinbart worden, dass ich Dolmetschmodus und Pausen stets selbst wählen und gerne alle 30 bis 40 Minuten Pausen in der Länge meiner Wahl (bzw. wie nötig) ansagen darf.
Das habe ich denn auch getan, siehe oben. Damit lief dann der Rechner unterm Schädel nicht ganz so heiß! Auch weil die Inhalte hochspannend waren, sank mein eigener Stresspegel, ich kam in den Flow, die Pausen wurden kürzer.
Die "Ko-Kabine" (2. Dolmetscherin) ist sonst nicht nur für die Ablösung zuständig, sondern auch fürs Aufschreiben von Zahlen, Eigennamen oder Wortpaaren, wenn sich mancher Fachbegriff erst während einer Sitzung klärt (was gar nicht so selten vorkommt: Über die Standardverwendungen hinweg gibt es ja auch immer gruppenspezifische, ja sitzungsspezifische Ausdrucksweisen). Und über die eigene Qualitätskontrolle hinaus habe ich durch die Aufnahme sichergestellt, dass ich meine Liste mit den Fachtermini vervollständigen kann. Vokabeln, die mir sonst bei der Solo-Nummer durchgeschlüpft wären, ziehe ich in den nächsten Tagen stundenweise aus dem Material. (Vielleicht fällt auch eine kleine Hörprobe für den Blog ab.)
Am Mittwoch, am Tag nach dem 1,5-Tage-Einsatz, war ich wunderbar knülle. Und ich hielt erneut einen Mittagsschlaf, diesmal am frühen Abend. Ich schlief 1,5 Stunden, nachdem ich zunächst eine halbe Stunde lang acht Mal mit zuckenden Gliedern in der Einschlafphase hochgeschreckt war. Die Augenlider waren dieses Mal ganz ruhig, der Schlaf in der Folgenacht nicht beeinträchtigt.
Heute fühlt sich der Kopf noch ein wenig träge an. Dolmetschen würde ich erst morgen wieder wollen, zum Glück 'mussdarf' ich erstmal nur weiterlernen, ein Seminar zum Thema Übergang von Schule in den Beruf steht an, das Thema "geht auf Anschluss". Nächste Woche werden wir zu zweit in der Kabine sitzen und im Vorfeld auch schon im Team lernen können. Das ist immer leichter, nicht nur für die abgebildeten jungen Männer in einem Berliner Berufsbildungszentrum.
Und ja, nach einem mehrstündigen Solo-Einsatz dauert die Erholungsphase doch länger ...
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Handyfotonotiz aus einem Berufsbil-
dungszentrum/Notizbuch: C.E.
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