Minister Georges Mandaoué, Dolmetscherin |
Das Moment mit dem verlorengegangenen Minister war wie ein kleiner Vorbote für anderthalb Dolmetschertage, der sich voll und ganz erfüllt hat: Die Tage waren höchst ungewöhnlich, was zum Großteil am Team lag.
Der Arbeitsminister Neukaledoniens hielt sich mit kleiner Entourage in Berlin auf um zu erfahren, wie junge und benachteiligte Menschen hierzulande in den Arbeitsmarkt integriert werden. Wir eilten von Termin zu Termin, sahen Werkstätten, Schulungsräume, eine Beratungseinrichtung mit integriertem Kindergarten und das Jobcenter von Treptow-Köpenick.
Als Dolmetscherin habe ich zu diesem Bereich schon wiederholt gearbeitet, das letzte Mal vor einem Jahr, der erste große Einsatz war 2007, der allererste kleine Einsatz vor den Hartz-Reformen. Wenn ich meine Lexiken zum Thema ansehe, kann ich die Veränderungen klar nachzeichnen. Das "Arbeitsamt" ist tot, wir haben mit einer "Agentur für Arbeit" und dem "Jobcenter" zu tun.
Jene, die dort aufschlagen, um Hilfe zu erhalten, werden "Kunden" genannt, was mich dauerhaft irritiert. Als Kundin bin ich König (Königin!), ich habe die Wahl zwischen verschiedenen Anbietern; hier stimmt wohl beides nicht. Nach einigem Nachdenken habe ich die Lösung für den Begriff, der vom englischen client kommt, eine Übertragung wohl ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass die deutsche Sprache für das englische Wort sowohl den "Kunden", als auch den "Klienten" kennt. Ich persönlich hätte "Klient" für angemessener empfunden, aber das hat in den Augen derer, die die Wörter festgelegt haben, sicher zu sehr nach der Welt der Anwälte und Psychologen geklungen und zu kompliziert für die zum Teil eher wenig gebildeten Menschen, die zur Zielgruppe der Einrichtungen gehören.
Mit Sprachniveaus habe ich es auch bei den Fachgesprächen zu tun. Einmal klärt die Delegation rasch unter sich etwas ab, halbe Sätze fliegen hin und her, am Ende kommt so etwas wie eine kleine Frage auf, die aber nicht gestellt wird. Alle sehen mich an. Ich hatte abgewartet, das Hin und Her nicht simultan verdolmetscht, weil es mit dem Bezug auf Interna losging und dann voller Begriffe war, die ich in der Situation einfach nicht wiedergeben konnte (eigentlich nicht mal abends in der Kneipe, wenn ich denn mit den Betreffenden abends in die Kneipe ginge).
Gruppenbild mit Minister vor einem Berliner Jobcenter |
Zum Glück kann ich den Gästen erklären, dass die Berliner Umgangsformen mitunter auch etwas handfester sind. Und ich grinse still, als der Staatssekretär zwischendurch zu seinem Chef sagt: "Du, Minister, jetzt komm' doch mal auf den Punkt!" Das ist nur möglich, weil von Minister Georges Mandaoué eine sehr angenehme, natürliche Autorität ausgeht und die Herren eine hohe kommunikative Kultur mitbringen, in der zielführende Kritik zum guten Ton gehört.
Merci beaucoup, Messieurs, et bon retour !
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Fotos: privat
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