Die Technisierung schreitet nicht voran, sie macht große Sprünge. Warum sollten also die Aufgaben von uns Übersetzern und Dolmetschern nicht viel einfacher durch die Technik erledigt werden können, das ist eine Annahme, die mitfühlende Zeitgenossen, vom Thema völlig Unbeleckte und sogar Wissenschaftler immer wieder mal äußern.
Die EU gibt nicht nur für uns Sprachmittler viel Geld aus, sie investiert sehr viel in diese Forschungen, aber das ist ein anderes Thema.
Über automatisches Übersetzen habe ich Donnerstag mal wieder geschrieben, heute geht's kurz und fündig mit dem Thema Dolmetschen weiter, anders gesagt: Mit automatischer Spracherkennungssoftware und ihrer Übertragung in Filmuntertitel.
Mit großem Vergnügen sehe ich derzeit alte Hitchcock-Filme wieder. Seine Werke aus den 30-er Jahren sind jetzt Gemeingut, können gratis und völlig legal z.B. bei YouTube gesehen werden. Unlängst stolperte ich über eine bildrestaurierte Version von "The lady vanishes", sie hat wieder Grautöne, und fing vergnügt an, den Film zu sehen, der auch deutlich mehr Luft um die Köpfe lässt, die Bilder wirken wie anders "kadriert".
Da ich Filme fast immer im Original und am liebsten auch dann mit Untertiteln sehe, wenn ich eine Sprache kenne (gern z.B. mit der gleichsprachigen Untertitelung für Schwerhörige: Zum Hören kommt das Schriftbild hinzu, das sind Lern- und Verfestigungsmomente, die keinerlei Aufwand kosten), da ich also Untertitel liebe, machte ich mich sogleich auf die Suche ... und entdecke welche, die Ergebnis der automatischen Spracherkennung sind.
Was für eine Gaudi! Zum Vergleich die französischen Untertitel anbei. Zur Story: Reisende sind wegen Unwetters in einem osteuropäischen Gebirgsort im Staate "Bandrika "hängengeblieben. Für Dolmetscher bieten diese Szenen des ersten Aktes übrigens eine lustige Rahmenhandlung: Hier wird eine Fantasiesprache gesprochen und das Hotelpersonal jongliert bei der Buchung mit Fremdsprachen. Außerdem kommt in "The lady vanishes" eine Dienstbotenkammer vor — wie die Bediensteten wohnen, wird ja in Filmen ja sonst so gut wie gezeigt. In Ermangelung freier Zimmer müssen zwei Reisende in die Dienstbotenkammer ausweichen. (Wo dann die Angestellten nächtigen, wird nicht erwähnt.)
Nachfolgend zwei kurze Szenen. Zwei englische Herren wollen in der 11. Filmminute dringend Sportergebnisse erfahren, es ist natürlich lange vor TV und Mobiltelefon, der Film stammt von 1938. Außerdem liegt wie ein dichter Nebel über Hitchcocks Filmen jener Zeit die krisenhafte weltpolitische Lage, die kurz darauf zum Weltkrieg führte; sie bietet Subtext und Plot des spannenden Films.
"Schrecklich, wenn der Nachrichtenstrom in Krisenzeiten abreißt." ("Ohne Kontakte" steht im französischen Titel, das gefällt mir nicht.) |
"Sind sie in London? Nein, hier spricht nicht Herr Seltzer, sondern Herr Charters". |
"Es geht um Cricket, meine Güte!" |
Er sagt, dass das Hotel übelaufen sei und dass es nichts mehr zu essen gebe. |
Nichts mehr zu essen! Sie versuchen, uns unterzubringen, aber mit leerem Magen ... |
Die Hundehütte (dog box) aus dem englischen Original wurde also zur dot box im Untertitel. Die Art dieser beiden Begriffe merken wir uns mal.
Die Dame, an deren Tisch sie zufällig geraten sind, verlässt das Land "Bedrika" nach einem längeren Aufenthalt.
In sechs Jahren habe ich dieses Land zu lieben gelernt. |
Während die Herren sich dann an den Resten ihrer Käseplatte bedienen, lobt die fremde Dame das Land und seine Schönheiten. Die Berge hätte sie mit der Zeit wie eine Nachbarsfamilie liebgewonnen:
Papa-Berg und Mama-Berg in Zipfelmützen aus Schnee. |
Ich beobachte sie vom Fenster aus ... in jeder mondhellen Nacht. |
Wer den Film vor langer Zeit gesehen hat und ihn hier nicht wiedererkennen sollte: Kein Angst! Der Film spielt hauptsächlich im Orient-Express, ich bin bei meinen Betrachtungen in der Exposition hängengeblieben, dann habe ich den Film mit französischen UTs weitergesehen. Die automatische Spracherkennung war wirklich anstrengend. Wer kein Englisch versteht, dem kann sie absolut nicht beim Verständnis des Films helfen.
Natürlich werfe ich der Technik hier keinesfalls vor, kein "Bandrikisch" zu verstehen, die Phantasiesprache des Landes. Aber es werden von ihr sogar Geräusche und Musik "transkribiert", also akustische Momente, die alles andere als mit Sprache zu tun haben. Peinlich!
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Screenshots erstellt von C.E.
Filme hier: restaurierte Fassung und
OmfU
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