Staatsgäste sind anstrengend, nicht nur für jene, die an irgendeiner Stelle des Protokolls und der Verdolmetschung mitwirken, sondern auch für viele, die an nämlichen Tagen anderswo in der Bundeshauptstadt arbeiten gehen müssen. Umleitungen und Staus sind an der Tagesordnung, Veranstaltungen werden verschoben oder werden kurzfristig verlegt.
Am Tag, als der Papst in Berlin weilte, war es kaum anders. Bei Konsultationen anderer politischer Abteilungen wurden Termine gestrichen bzw. an entlegeneren Orten veranstaltet. Aber schon Geringere als der Papst haben in Berlin das Protokoll in Stress versetzt. Die Leidtragenden waren vor kurzem frankophone Delegierte, deren Termine sich plötzlich teleskopartig ineinanderschoben.
Gänge, leerer Stuhl der 2. Dolmetscherin, Gänge |
Und so geschah, was geschehen musste: Die Dolmetschkollegin schaffte es leider nicht, zur Delegation durchzukommen ...
Klammer auf: Wir Dolmetscher lösen uns alle 20, 30 Minuten ab. Das machen wir nicht etwa, weil es uns an Energie mangeln würde, sondern weil die Natur die hochkomplexe sprachliche Ausdifferenzierung der Spezies homo sapiens nicht hat kommen sehen und so ein kleines, feines Menschenhirn eingentlich gar nicht gemacht ist für diese Art von Synapsenakrobatik. Bei längeren Einsätzen ohne Ablösung sollen, so die Wissenschaftler, sogar physiologische Schäden am Gehirn entstehen. Klammer wieder zu.
Jetzt die ganze Sache nochmal nacheinander für jene, die an Details interessiert sind. Zum Frühstückstermin war ich alleine gebucht. Das ist im politischen Betrieb bei Kurzeinsätzen nicht unüblich. Nach einer knappen Stunde Flüsterdolmetschen (es waren exakt 53 Minuten) sollten wir von A nach B kutschiert werden, wo mich eine Dolmetscherkollegin erwarten würde. Sie hätte dann weitergemacht, und nach einer etwas längeren Erholungspause für mich hätten wir uns nach dem oben beschriebenen Muster regelmäßig abgewechselt.
Dann wurden Termine geschoben, waren Dienstwagen nicht verfügbar ... und die Sicherheitsstufen für einige Gebäude wurden vorübergehend geändert. Das merkten wir beim Verlassen eines der Bürohäuser im Regierungsviertel. Am Eingang hatte sich eine kleine Schlange gebildet und Menschen telefonierten hektisch, da sie zunächst nicht hereingelassen wurden.
Cut: Ich sitze auf einem Stuhl neben einer doppelten Couchgarnitur in einem akustisch nicht gerade optimalen Raum, flüstere so leise ich kann, um überhaupt hören zu können, was das Gegenüber sagt. Zum Glück habe ich Sendemikrofon und Kopfhörer dabei. Nach dem Ortswechsel mache ich einfach weiter, weil die Kollegin nicht gekommen ist. Der zweite Stuhl für die zweite Dolmetscherin bleibt frei. Per SMS erfahren wir den Grund. Sie ist am alten Sitzungsort. Die Mitarbeiterin eines deutschen Abgeordneten simst ihr die neue Adresse. Ich sehe auf die Uhr. An diesem Vormittag bin ich jetzt bei netto 110 Minuten.
Wir eilen weiter, dieses Mal ist der Weg kurz. Die Mitarbeiterin simst die neue Zimmernummer, eine gute Zeit später geht sie zum Empfang und verhandelt. Ich spreche weiter. Und sage zwischendurch immer wieder kurz in beiden Sprachen: "Der Dolmetscher braucht eine Pause!" Das ist die Notbremse, die unsereiner zieht, um wenigstens zwischendurch mal etwas Frischluft an die grauen Zellen zu kriegen.
Dann kommt die Mitarbeiterin zurück, die Dolmetscherkollegin im Schlepptau.
Da waren wir aber so gut wie durch mit dem Programm. Die Kollegin durfte dann Smalltalk beim Essen übertragen, ich bin mit dem Taxi nach Hause.
Insgesamt habe ich an einem langen Vormittag, er ging um acht Uhr los, völlig allein drei Stunden "netto" gedolmetscht. Anschließend war ich zehn Tage krank, heiser und mit Wortfindungsstörungen, musste Termine absagen, das war nicht schön.
In der Dolmetscherkabine ist es wie im Cockpit: Kopiloten sind wichtig! Selbst dann, wenn die Kabine mal keine Wände hat!
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