Bonjour! Sie haben eine Seite meines digitalen Arbeitstagebuchs angesteuert. Als Dolmetscherin und Übersetzerin bin ich in Berlin, Paris und überall dort tätig, wo ich gebraucht werde. Ich arbeite für die Politik, Medien, Wirtschaft und in der Kultur. Heute geht's auf eine kleine Reise, was sicher am grauen Novemberwetter liegt.
Ach, die Bretagne! Meine alte Heimat! Gewissermaßen ... Wenn mich Bretonen kennenlernen, freuen sie sich immer, denn der Name Elias klingt so, als stamme er vom bretonischen Familiennamen Helias ab. Aber darum geht's jetzt eigentlich nicht.
Heute folgt mal wieder eine Schnurre zum Thema "Dolmetschwerdung". Ich weiß, derlei interessiert nicht jeden. Also: Wir reisen zurück ins 20. Jahrhundert.
Tschüss und bis morgen an jene, die nur an Aktuellem interessiert sind!
Schön, jetzt sind wir unter uns. Also: Es war einmal eine blondbezopfte Göre, die mit ihrer Mutter in die Bretagne fuhr. Da die Mutter Lehrerin war und viele gute Freunde hatte, fuhren an die 20 Erwachsenen mit den dazugehörigen Minis in den großen Ferien in den Urlaub. Wir waren gefühlte sechs Wochen weg. Hinzu ging es sehr langsam, wir tourten in Frankreich von Loireschloss zu Loireschloss, so wurde ich früh (weiter) für Geschichte begeistert.
Und dann waren wir eine kleine Ewigkeit in Quiberon. Heißt es "in Quiberon" oder "auf"? Quiberon ist eine Halbinsel, auf Französisch presqu'île, was Fast-Insel heißt. Und da unter den 20 Lehrern auch eine Französischlehrerin war, wanderte so manche Info bis zu meinen Ohren weiter. Fast-Insel fand ich klasse und hatte gleich zwei Worte gelernt.
Wir waren auf dem Zeltplatz. Morgens durfte ich zum Bäckerwagen, zwei Hörnchen und ein Stangenweißbot kaufen. Macht vier Vokabeln, un, deux, croissants, baguette.
Wir spielten im Sand, schwammen, segelten, lasen, tobten durch die Zelte, eine Horde von Kindern, ich die Älteste. Und dann hatten wir Taschengeld, das war unter die Leute zu bringen. Ein Eis, Vanille und Erdbeere: une, glace, vanille, fraise.
Aha, es gibt also "ein" und "eine" ... und dann noch citron, chocolat, caramel, das klang alles bekannt.
Die kleinen Kinder konnten sich nicht immer so gut merken, was nun was jeweils heißt. Also entstand automatisch eine Kommunikationssituation, die damals niemand Kommunikationssituation genannt hätte, wo ich, die Älteste, mir immer versucht habe, neue Vokabeln gut zu merken und oft, wenn ich was vergessen hatte, nochmal bei der Französischlehrerin nachfragte und dann meinerseits von den anderen Kindern gefragt wurde und die Wörter wieder in Umlauf brachte. Sehr schnell hat sich ein Sprachhandel auf Gegenseitigkeit eingestellt: Ich erhielt neue Begriffe von den anderen gebracht, prüfte sie mit der Fachfrau, gab sie bei Bedarf weiter.
Le camping, la libellule, le sable, c'est à moi!, je m'appelle ... offenbar hatten wir Kontakt mit kleinen Franzosen.
Und dann kam der magische Moment, indem ich durch Ausprobieren selbst lernte und erfuhr, dass eine Vokabel mehrere Bedeutungen haben konnte. Wir waren Obélix' Hinkelsteine ansehen gegangen, ich musste mal aufs Klo, als ich wiederkam, war meine Gruppe ganz vorne.
Vor mir eine dichte Wand aus Menschen. Und was tat ich in meiner Not? Ich trat den Wartenden auf die Füße, entschudigte mich dafür, wie es sich gehört, pardon!, das sagte ich wohl recht laut, so dass sich andere Touristen umdrehten und dann den Platz frei machten. Ich merkte erstaunt: Pardon geht zum Durch-eine-Menge-Kommen auch ohne vorheriges Auf-die-Füße-Treten.
Abends habe ich meine Entdeckung mit der Lehrerin besprochen. Ich war sehr stolz auf meine Erfahrung. Und ich wurde sehr gelobt.
Das geschah im Sommer, als ich acht Jahre und vier Monate alt war. Ja, ich denke, auch solche Erfahrungen können Grundsteine für künftige Lebensformen legen (denn der Dolmetscherberuf kommt mir oft mehr wie eine Lebensform als wie ein Beruf vor).
Auch die anderen wurden damals für ihr Leben geprägt. Mein Patchworkbruder Joachim (so nannte man das damals auch noch nicht) fährt gerne und oft mit seiner Familie in den Urlaub ... am liebsten nach Frankreich.
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Fotos: Uta Elias, Natascha Firl
Was ich anbiete
Donnerstag, 29. November 2012
Mittwoch, 28. November 2012
tb a/b/c
Hallo beim Blog einer Dolmetscherin und Übersetzerin! Hier können Sie mehr über unsere Arbeit erfahren. Unsereiner kann viele Sprachen, die Fremdsprachen, aber auch die Berufsjargons derer, für die wir arbeiten.
Das ist schon ein Alphabet für sich, womit sich Veranstalter von Events so ausdrücken. Ich komme um ... tbc, to be confirmed. Und wo muss ich hin? ... tbd.
Woanders las ich mal tba. Gut, mal schön der Reihe nach: Eine Presseerklärung ist tba, to be announced, tbc hatten wir gerade, tbd bedeutet ... determined, tbe ... evaluated. Aber einen Buchstaben haben wir ja übersprungen. Was bitteschön könnte tbb heißen? This has tbf ... to be fixed!
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Foto: C.E. (Archiv)
Das ist schon ein Alphabet für sich, womit sich Veranstalter von Events so ausdrücken. Ich komme um ... tbc, to be confirmed. Und wo muss ich hin? ... tbd.
Woanders las ich mal tba. Gut, mal schön der Reihe nach: Eine Presseerklärung ist tba, to be announced, tbc hatten wir gerade, tbd bedeutet ... determined, tbe ... evaluated. Aber einen Buchstaben haben wir ja übersprungen. Was bitteschön könnte tbb heißen? This has tbf ... to be fixed!
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Foto: C.E. (Archiv)
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Am Wegesrand aufgelesen,
Sprachschatz
Dienstag, 27. November 2012
Blicke und Worte
Willkommen beim ersten Weblog Deutschlands, der in der Dolmetscherkabine entsteht. Hier oder am Übersetzerschreibtisch denke ich öffentlich über die Grundlagen unseres Berufs nach, stets unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse. Die Spracharbeit wirkt sich bis in die privaten Bereiche des Lebens aus.
Augen sehen mich an. Erst ein Augenpaar, dann zwei. Drei und mehr Augenpaare sehen mich an. Zu den Augen gehören Münder. Die Münder reden abwechselnd, brav nach- und auch mal durcheinander. Ich sehe sie sprechen. Ich höre zu. Ich weiß, dass ich gleich dolmetschen muss.
Die Menschen, die zu den Mündern und Augen gehören, sprechen Deutsch. Aber das, was sie sagen, verstehe ich nicht. Ich sitze vor ihnen, mein Entsetzen steigert sich von Minute zu Minute. Ich muss gleich dolmetschen. Das Gesagte ist unverständlich.
Die Ohren sind gespitzt, das Hirn rödelt, es ist kein Sinn in den Lauten zu finden.
Ich wache auf ... und kann icht mehr einschlafen. Die komischen, unverständlichen Botschaften sind eigenfabriziert, mein Hirn wirbelt allerlei durcheinander. Ich weiß, dass es immer absurd wird beim Einschlafen. Aber das hier stört mich. Ich bin noch im Dolmetschmodus, der den ganzen Tag meine Funktionsweise war, und daraus wird jetzt eine Einschlafstörung.
Ich verstehe plötzlich die Kolleginnen und Kollegen, die am liebsten geschützt im Dunkel einer Kabine sitzen und die sich an Scheinwerfern z.B. von Filmpremieren stören. Am Vortag hatte ich wieder einige Stunden in Bewerbungsgesprächen zugebracht; hoffnungsvolle Bewerber hatten ihre Augenpaare lange ebenso hoffnungsvoll auf mich gerichtet.
Hier, wie das beim vorletzten Mal ablief: klick! (Dieses Mal habe ich mich übrigens gleich im zweiten Satz als Dolmetscherin vorgestellt.)
OK, das sind Schlafstörungen de luxe, aber sie sind eben von der Art, wie ich sie nicht hätte, wenn ich einem|normalen| anderen Beruf nachgehen würde.
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Foto: C.E.
Augen sehen mich an. Erst ein Augenpaar, dann zwei. Drei und mehr Augenpaare sehen mich an. Zu den Augen gehören Münder. Die Münder reden abwechselnd, brav nach- und auch mal durcheinander. Ich sehe sie sprechen. Ich höre zu. Ich weiß, dass ich gleich dolmetschen muss.
Die Menschen, die zu den Mündern und Augen gehören, sprechen Deutsch. Aber das, was sie sagen, verstehe ich nicht. Ich sitze vor ihnen, mein Entsetzen steigert sich von Minute zu Minute. Ich muss gleich dolmetschen. Das Gesagte ist unverständlich.
Die Ohren sind gespitzt, das Hirn rödelt, es ist kein Sinn in den Lauten zu finden.
Ich wache auf ... und kann icht mehr einschlafen. Die komischen, unverständlichen Botschaften sind eigenfabriziert, mein Hirn wirbelt allerlei durcheinander. Ich weiß, dass es immer absurd wird beim Einschlafen. Aber das hier stört mich. Ich bin noch im Dolmetschmodus, der den ganzen Tag meine Funktionsweise war, und daraus wird jetzt eine Einschlafstörung.
Ich verstehe plötzlich die Kolleginnen und Kollegen, die am liebsten geschützt im Dunkel einer Kabine sitzen und die sich an Scheinwerfern z.B. von Filmpremieren stören. Am Vortag hatte ich wieder einige Stunden in Bewerbungsgesprächen zugebracht; hoffnungsvolle Bewerber hatten ihre Augenpaare lange ebenso hoffnungsvoll auf mich gerichtet.
Hier, wie das beim vorletzten Mal ablief: klick! (Dieses Mal habe ich mich übrigens gleich im zweiten Satz als Dolmetscherin vorgestellt.)
OK, das sind Schlafstörungen de luxe, aber sie sind eben von der Art, wie ich sie nicht hätte, wenn ich einem
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Foto: C.E.
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Am Wegesrand aufgelesen,
Arbeitsplätze
Montag, 26. November 2012
... machtest du ...
Willkommen! Sie haben eine Seite meines digitalen Arbeitstagebuchs aufgeschlagen. Ich bin Übersetzerin und Dolmetscherin, meine zweite Sprache ist Französisch, die dritte (passive) Englisch. Meine Kunden kommen aus der Welt der Wirtschaft, Politik und Kultur. Und, déformation professionelle oblige, mein Beruf verstellt mir leider den unbefangenen Blick auch auf Unterhaltendes.
"Was machtest du hier?" steht doch tatsächlich im Untertitel eines französischen Films. Eine junge Frau entdeckt am Morgen, dass ihr Liebhaber die Nacht auf dem Treppenabsatz vor ihrer Wohnungstür verbracht hat (oder eine Szene in dieser Preislage, vielleicht hat auch der liebe Gatte auf dem Sofa genächtigt).
Qu'est-ce que t'as fait ici ? waren die Worte der jungen Frau. Das t'as fait ist die umgangssprachliche Verkürzung von tu as fait, wie sie eben für mündlichen Austausch typisch ist. Der Satz ist in der Vergangenheitsform passé composé gehalten, dem Perfekt. Das nach altem Testament klingende "machtest" passt so gar nicht zu gesprochener Sprache.
Mitunter liebäugeln Übersetzer von Untertiteln damit, auf Wendungen wie das Präterium zurückzugreifen, die einen merkwürdig verstaubt anwehen. Das geschieht meist dann, wenn Platz oder Zeit nicht für die richtige, längere Variante reichen. Die Anzahl der möglichen Zeichen ist oft ebenso wie die Lesezeit begrenzt, da wiegt ein Grammatikfehler leichter als eine nicht vermittelte Information. Aber hier: Nichts dergleichen. Zeit und Platz waren vorhanden.
Zwei Möglichkeiten: Der/die Übersetzer/in hatte kaum Zeit für die Arbeit oder/und ist sehr unerfahren. Die Gründe sind sekundär, auch wenn es der Honorarverfall und der zunehmende Zeitdruck in der Branche nicht sind. Was hier auffällt: Es liest offenbar niemand mehr Korrektur. Wenig später kommen Titel doppelt und "stehen falsch". Not amused at all.
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Foto: C.E. (Achiv/FIDMarseille)
"Was machtest du hier?" steht doch tatsächlich im Untertitel eines französischen Films. Eine junge Frau entdeckt am Morgen, dass ihr Liebhaber die Nacht auf dem Treppenabsatz vor ihrer Wohnungstür verbracht hat (oder eine Szene in dieser Preislage, vielleicht hat auch der liebe Gatte auf dem Sofa genächtigt).
Qu'est-ce que t'as fait ici ? waren die Worte der jungen Frau. Das t'as fait ist die umgangssprachliche Verkürzung von tu as fait, wie sie eben für mündlichen Austausch typisch ist. Der Satz ist in der Vergangenheitsform passé composé gehalten, dem Perfekt. Das nach altem Testament klingende "machtest" passt so gar nicht zu gesprochener Sprache.
Mitunter liebäugeln Übersetzer von Untertiteln damit, auf Wendungen wie das Präterium zurückzugreifen, die einen merkwürdig verstaubt anwehen. Das geschieht meist dann, wenn Platz oder Zeit nicht für die richtige, längere Variante reichen. Die Anzahl der möglichen Zeichen ist oft ebenso wie die Lesezeit begrenzt, da wiegt ein Grammatikfehler leichter als eine nicht vermittelte Information. Aber hier: Nichts dergleichen. Zeit und Platz waren vorhanden.
Eindeutig im Präsens ... Oder: "The medium is the message" |
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Foto: C.E. (Achiv/FIDMarseille)
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Am Wegesrand aufgelesen
Sonntag, 25. November 2012
Novembersonntag
Willkommen beim Dolmetscherweblog aus Berlin. Hier schreibe ich regelmäßig über meinen Berufsalltag als Dolmetscherin, Übersetzerin und Autorin. Als Spracharbeiterin erhole ich mich mit Musik, Natur und Kino. Sonntags werde ich hier privat. — Letzten Freitag war der Himmel blau, wir saßen arbeitsbedingt viel im Taxi. Was für ein Kontrast zu heute!
Mütter drängen ihre Kinder zur Eile, denn langsam bricht die Nacht herein. Leichter Wind kommt auf, Spaziergänger schlagen ihre Mantelkrägen hoch. Der feuchte Weg fühlt sich unter den Füßen besonders an, meine Augen können ihn aber nicht mehr als solchen erkennen. Vor mir gehen zwei schnellen Schritts nach Hause.
Heute ist Totensonntag. Ich muss mich noch bewegen, auch bei schwindendem Licht. Die letzten Tage saß ich viel in Besprechungen mit Dolmetschkunden sowie in Klausur mit anderen meines Berufsverbandes. Wir waren zwar an See und Wald, sahen beides aber nur durch die Fenster. Die Tagesordnung war kompakt. Ich habe wieder mitgetippt fürs Protokoll, 73.297 Anschläge in anderthalb Tagen. Nur gestern Abend sind wir zu dritt durch den Nebel marschiert, eine kurze halbe Stunde, einmal die Köpfe kurz vor dem Abendessen durchlüften. Es roch nach verrottenden Blättern und frisch und sauber zugleich.
Sonntagnachmittag, nach der Rückkehr von der Klausurtagung, zieht es mich also in die Natur. In meinen mp3-Player ist ein Radio integriert, so höre ich auf dem Weg eine meiner Lieblingssendungen auf Kulturradio vom rbb, eine Stunde der Reihe "Interpretationen", die musikalischen Werken gewidmet ist. Heute geht es um Alban Bergs Violinkonzert aus dem Jahr 1935, sein letztes Violinkonzert, in das er als Zitat einen Bach-Choral einbaute. (Leider gibt es das Programm nicht als Podcast.)
Am alten Hafen hockt eine Frau auf einem Stein, ihr ist wohl nicht kalt, sie sieht aus wie eine Statue. Die Trauerweide über ihr verliert dieser Tage ihre Blätter. Auf der anderen Seite, im Kranken(hoch)haus der Urban-Klinik, gehen immer mehr Lichter an. Der Fotoapparat hat eine Funktion, mit der sich Sternenhimmel fotografieren lassen. Fünfzehn Sekunden lang öffne ich den Verschluss und nehme Unschärfen in Kauf. Und ich denke an meine Großmütter, an meine Freundin Natascha aus der Grundschulzeit und an einige andere, die nicht mehr auf der Welt sind.
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Fotos: C.E.
Mütter drängen ihre Kinder zur Eile, denn langsam bricht die Nacht herein. Leichter Wind kommt auf, Spaziergänger schlagen ihre Mantelkrägen hoch. Der feuchte Weg fühlt sich unter den Füßen besonders an, meine Augen können ihn aber nicht mehr als solchen erkennen. Vor mir gehen zwei schnellen Schritts nach Hause.
Heute ist Totensonntag. Ich muss mich noch bewegen, auch bei schwindendem Licht. Die letzten Tage saß ich viel in Besprechungen mit Dolmetschkunden sowie in Klausur mit anderen meines Berufsverbandes. Wir waren zwar an See und Wald, sahen beides aber nur durch die Fenster. Die Tagesordnung war kompakt. Ich habe wieder mitgetippt fürs Protokoll, 73.297 Anschläge in anderthalb Tagen. Nur gestern Abend sind wir zu dritt durch den Nebel marschiert, eine kurze halbe Stunde, einmal die Köpfe kurz vor dem Abendessen durchlüften. Es roch nach verrottenden Blättern und frisch und sauber zugleich.
Sonntagnachmittag, nach der Rückkehr von der Klausurtagung, zieht es mich also in die Natur. In meinen mp3-Player ist ein Radio integriert, so höre ich auf dem Weg eine meiner Lieblingssendungen auf Kulturradio vom rbb, eine Stunde der Reihe "Interpretationen", die musikalischen Werken gewidmet ist. Heute geht es um Alban Bergs Violinkonzert aus dem Jahr 1935, sein letztes Violinkonzert, in das er als Zitat einen Bach-Choral einbaute. (Leider gibt es das Programm nicht als Podcast.)
Am alten Hafen hockt eine Frau auf einem Stein, ihr ist wohl nicht kalt, sie sieht aus wie eine Statue. Die Trauerweide über ihr verliert dieser Tage ihre Blätter. Auf der anderen Seite, im Kranken(hoch)haus der Urban-Klinik, gehen immer mehr Lichter an. Der Fotoapparat hat eine Funktion, mit der sich Sternenhimmel fotografieren lassen. Fünfzehn Sekunden lang öffne ich den Verschluss und nehme Unschärfen in Kauf. Und ich denke an meine Großmütter, an meine Freundin Natascha aus der Grundschulzeit und an einige andere, die nicht mehr auf der Welt sind.
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Fotos: C.E.
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Sonntagsbilder
Samstag, 24. November 2012
Auslese
Hallo beim Blog einer Dolmetscherin und Übersetzerin! Hier können Sie mehr über unsere Arbeit erfahren. Samstags veröffentliche ich hier meinen Link der Woche. Heute geht's um Literatur.
Am letzten Montag erschien in der NZZ ein sehr lesenswertes Interview mit der literarischen Übersetzerin Grete Osterwald. Mir gefällt sehr, wie sie literarisches Übersetzen beschreibt: "Ein Roman ist ein Gesamtkunstwerk wie ein Gebäude, das transponiert und neu errichtet werden muss. Hier braucht es ein Grundverständnis für den Text, den spezifischen Humor, die Ironie, den Sprachrhythmus. Er hat manchmal Vorrang vor einem Wort, das zwar inhaltlich korrekt wäre, aber störrisch in der Satzkonstruktion steht."
Auch über die schlechte Bezahlung im Literaturbereich spricht die Übersetzerin. Das Grundhonorar einer Seite betrage nur zwanzig Euro, was aber dem Aufwand nicht entspreche. Vor allem dann nicht, wenn "für eine bestimmte Stelle erst nach Tagen eine befriedigende Lösung (gefunden wird), die aber dazu führt, dass man den Umgebungstext neu übertragen muss." Dieses genaue Arbeiten sei, auf die Stunden umgerechnet, kaum zu bezahlen.
Für jene, die Französisch lesen, folgt hier gleich noch ein Tipp. Auf der Seite des Nouvel Obs fand ich vor zwei Tagen einen Beitrag von Odile Benyahia-Kouider, der Berlin, capitale des écrivains français überschrieben ist, "Berlin, Hauptstadt der französischen Schriftsteller". In der Tat können wir seit etlichen Jahren den Trend beobachten, dass französische Literaten nach Berlin ziehen und sich auch längerfristig hier einrichten. (Der Artikel erschien bereits im Oktober im Nachrichtenmagazin.)
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Illustration: NZZ
Am letzten Montag erschien in der NZZ ein sehr lesenswertes Interview mit der literarischen Übersetzerin Grete Osterwald. Mir gefällt sehr, wie sie literarisches Übersetzen beschreibt: "Ein Roman ist ein Gesamtkunstwerk wie ein Gebäude, das transponiert und neu errichtet werden muss. Hier braucht es ein Grundverständnis für den Text, den spezifischen Humor, die Ironie, den Sprachrhythmus. Er hat manchmal Vorrang vor einem Wort, das zwar inhaltlich korrekt wäre, aber störrisch in der Satzkonstruktion steht."
Auch über die schlechte Bezahlung im Literaturbereich spricht die Übersetzerin. Das Grundhonorar einer Seite betrage nur zwanzig Euro, was aber dem Aufwand nicht entspreche. Vor allem dann nicht, wenn "für eine bestimmte Stelle erst nach Tagen eine befriedigende Lösung (gefunden wird), die aber dazu führt, dass man den Umgebungstext neu übertragen muss." Dieses genaue Arbeiten sei, auf die Stunden umgerechnet, kaum zu bezahlen.
Für jene, die Französisch lesen, folgt hier gleich noch ein Tipp. Auf der Seite des Nouvel Obs fand ich vor zwei Tagen einen Beitrag von Odile Benyahia-Kouider, der Berlin, capitale des écrivains français überschrieben ist, "Berlin, Hauptstadt der französischen Schriftsteller". In der Tat können wir seit etlichen Jahren den Trend beobachten, dass französische Literaten nach Berlin ziehen und sich auch längerfristig hier einrichten. (Der Artikel erschien bereits im Oktober im Nachrichtenmagazin.)
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Illustration: NZZ
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Am Wegesrand aufgelesen,
Link der Woche
Donnerstag, 22. November 2012
Kleinknüselkram
Bonjour! Sie haben eine Seite meines digitalen Arbeitstagebuchs angesteuert. Als Dolmetscherin und Übersetzerin bin ich in Berlin, Paris und (fast) überall dort tätig, wo meine Kunden mich hinschicken. Heute gewähre ich wieder einen Blick auf meinen Schreibtisch, allerdings ein wenig als "Feature", manche Phase erscheint hier im Zeitraffer, was (auch) an der digitalen Bürotechnik liegt.
Irritation ist heute mein dominierendes Gefühl, und ich gebe mir Mühe, mit Gelassenheit zu kontern. Die Veränderung der Sitten durch das Internet hatte ich hier wiederholt beklagt, vielmehr: Wie sehr der Eindruck des nachgerade "simultanen" Zugriffs auf alles und alle manche Kunden nicht nur dazu verleitet, unsereinen erst kurz vor knapp zu bestellen, sondern dass diese (aufgrund welcher Quellen?) auch besser zu wissen glauben, was unsere|Arbeit| Zeit wert ist.
Die Hitparade der Spontaneinsätze führte bislang eine nicht näher bezeichnete französische staatliche Institution an, die mich auf der Berlinale per Mail morgens um vier (also nach Rückkehr der Verantwortlichen von der Party) für den direkt folgenden Vormittag um elf Uhr einbestellt hatte. Nun wieder ein Franzose, von einer Institution in Berlin, der brachte es neulich auf den großartigen Buchungsvorlauf von sage und schreibe 50 Minuten! Ich kam zum Glück gerade schön aufgewärmt vom diplomatischen Frühstückstermin und ging dann eben nicht nach Hause, sondern stieg geistesgegenwärtig in den Bus ein, der gerade um die Ecke bog.
Berlin ist bekanntlich intra muros neunmal so groß wie Paris innerhalb der Stadtautobahn périphérique, zehn Minuten vor dem Einsatz kam ich also am Arbeitsort an. Man bot mir 50 % mehr Honorar für den Spontaneinsatz an. Wenigstens das. Vorbereitet hätte ich mich trotzdem gerne. Leider war der Stress plötzlich wieder der ganz alte, wie bei meiner allerersten Pressekonferenz ...
Und wie gehen wir mit einer Absage um, die 18 Stunden vor Einsatz ins Haus flattert? Erstmal suche ich den französischen Begriff für Ausfallhonorar, mir fällt nur das englische cancellation fee ein. Diverse Wörterbücher bleiben stumm. Ich suche weiter und beziehe dazu die sozialen Netzwerke ein, hier hat die neue Zeit dann doch ihr Gutes. Twitter, der Nachrichtendienst mit den Kurzmeldungen, ist ein Ort, an dem sich nicht nur Kaffeeküchentratsch und Lesetipps, sondern auch Teile von Wortfeldern austauschen lassen. Kill fee kennt Martina_Der, derzeit London, auch aus frankophonem Kontext. Klingt etwas martialisch, und was ist da jetzt der Unterschied, also im Englischen? Ich frage und fasse das Ergebnis wenig später für de Kollegen zusammen:
18 Stunden! Bei einer derart kurzfristigen Absage, ein Privatkunde aus Kanada möchte die Versorgungslage seiner Tochter klären, die gerade in Berlin ihr erstes Kind bekommen hat, wird strenggenommen trotzdem 100 % Ausfallhonorar fällig, denn der Tag ist reserviert, ein Ersatzauftrag so schnell nicht zu beschaffen. Ich muss ihm also meine Lage erklären ...
Die sozialen Netzwerke sind schon prima, wenn man sie richtig zu nutzen weiß. Mit Alexander aus Brüssel diskutierte ich da neulich über Lexiken und digitale "Vokabeldienste", jetzt erhielt ich den Hinweis auf eine Französischkolumne, den mein langjähriger Kunde Radio Canada veröffentlicht, das ist der québecer öffentlich-rechtlicher Sender. Und der internationale Dolmetscherverband aiic weist uns gleich auch noch auf das zugehörige Quiz hin. Ach ja, "so muss das!" (Redewendung von Menschen, die als "cool" gelten möchten, erstmals Anfang der zehner Jahre des 20. Jahrhunderts beobachtet.)
Zwischendurch versucht der Kunde mit den 50 Minuten Vorlauf, die eilige französische Pressekonferenz, die von ihm selbsttätig angebotene Honorarerhöhung wieder rückgängig zu machen, Tenor: Ich hätte es doch gar nicht nötig, ich wäre doch gut im Geschäft. Erstens bleibe ich (aufgrund meiner oft armen Dokumentarfilmkunden) ständig deutlich unterhalb dessen, was ich einen Arbeitgeber in Festanstellung kosten würde (inklusive NK wie Büro, Sozialabgaben und Fortbildungen), zweitens geht den das überhaupt nichts an. Ich bleibe freundlich und hart und denke mir meinen Teil, zitiere in Gedanken eine Kollegin: Am Erfolg anderer stören sich immer nur die Mittelmäßigen.
Wie zur Bestechung sendet der fast-schon-Auftragsstalker einen Lektoratsauftrag mit ... und lobt "kleines Geld" als Lesehonorar aus. Um es so gestelzt zu sagen, wie ich es neulich im Sprecherkabinentext eines bekannten Kultursenders gefunden habe: "für einen Apfel und ein Ei". Für sowas arbeite ich ungern. Ich lese die Sache an. Liest sich, wie von der Praktikantin verfasst (oder von einem automatischen Übersetzerdienst übertragen).
Meine Antwort ist wieder verbindlich, freundlich, fest: Ich sende ein Kostenangebot (und gehe auf andere Ansinnen nicht ein). Und gebe eine Knacknuss mit, lese eine halbe Stunde Probe, also totalement gratis, denn ich muss ja einschätzen können, wieviel Arbeit ich insgesamt veranschlagen muss, und verstecke an einer Stelle im Kommentar das hübsche Wort "Kleinknüselkram", weil es inhaltlich dorthin passt und weil, naja, es geht hier um Nuancen.
Nein, ich will keine "Arbeit für Erdnüsse", um es original computerübersetzt zu sagen ... Als ich mich gerade daran mache, endlich mal wieder das Arbeitszimmerfenster zu putzen, ist wirklich höchste Zeit, macht es "plopp!" im elektronischen Briefkasten. Meine Argumente in Sachen Ausfallhonorar, Stichwort "18 Stunden", waren wohl überzeugend. Super, am Ende begleite ich doch den frischgebackenen Opa aus Québec, der in Berlin schon zu Lebzeiten mit seinem Vermögen die Existenzgrundlage von Tochter und Enkelin verbessern möchte, denn das Schul- und Hochschuldeutsch von Monsieur ... (hier verpflichten mich Höflichkeit, interkulturelle awareness und mein berufliches Schweigegelübde dazu, den Schnabel zu halten). Mal sehen, was Mister fifty minutes noch so bringt.
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P.S.: Wie immer, Stichwort Kundenschutz, liegen
die Ereignisse etwas zurück und auch leicht anders.
Der Tenor ist aber zu 100 % original. Leider.
Irritation ist heute mein dominierendes Gefühl, und ich gebe mir Mühe, mit Gelassenheit zu kontern. Die Veränderung der Sitten durch das Internet hatte ich hier wiederholt beklagt, vielmehr: Wie sehr der Eindruck des nachgerade "simultanen" Zugriffs auf alles und alle manche Kunden nicht nur dazu verleitet, unsereinen erst kurz vor knapp zu bestellen, sondern dass diese (aufgrund welcher Quellen?) auch besser zu wissen glauben, was unsere
Die Hitparade der Spontaneinsätze führte bislang eine nicht näher bezeichnete französische staatliche Institution an, die mich auf der Berlinale per Mail morgens um vier (also nach Rückkehr der Verantwortlichen von der Party) für den direkt folgenden Vormittag um elf Uhr einbestellt hatte. Nun wieder ein Franzose, von einer Institution in Berlin, der brachte es neulich auf den großartigen Buchungsvorlauf von sage und schreibe 50 Minuten! Ich kam zum Glück gerade schön aufgewärmt vom diplomatischen Frühstückstermin und ging dann eben nicht nach Hause, sondern stieg geistesgegenwärtig in den Bus ein, der gerade um die Ecke bog.
Berlin ist bekanntlich intra muros neunmal so groß wie Paris innerhalb der Stadtautobahn périphérique, zehn Minuten vor dem Einsatz kam ich also am Arbeitsort an. Man bot mir 50 % mehr Honorar für den Spontaneinsatz an. Wenigstens das. Vorbereitet hätte ich mich trotzdem gerne. Leider war der Stress plötzlich wieder der ganz alte, wie bei meiner allerersten Pressekonferenz ...
Und wie gehen wir mit einer Absage um, die 18 Stunden vor Einsatz ins Haus flattert? Erstmal suche ich den französischen Begriff für Ausfallhonorar, mir fällt nur das englische cancellation fee ein. Diverse Wörterbücher bleiben stumm. Ich suche weiter und beziehe dazu die sozialen Netzwerke ein, hier hat die neue Zeit dann doch ihr Gutes. Twitter, der Nachrichtendienst mit den Kurzmeldungen, ist ein Ort, an dem sich nicht nur Kaffeeküchentratsch und Lesetipps, sondern auch Teile von Wortfeldern austauschen lassen. Kill fee kennt Martina_Der, derzeit London, auch aus frankophonem Kontext. Klingt etwas martialisch, und was ist da jetzt der Unterschied, also im Englischen? Ich frage und fasse das Ergebnis wenig später für de Kollegen zusammen:
18 Stunden! Bei einer derart kurzfristigen Absage, ein Privatkunde aus Kanada möchte die Versorgungslage seiner Tochter klären, die gerade in Berlin ihr erstes Kind bekommen hat, wird strenggenommen trotzdem 100 % Ausfallhonorar fällig, denn der Tag ist reserviert, ein Ersatzauftrag so schnell nicht zu beschaffen. Ich muss ihm also meine Lage erklären ...
Die sozialen Netzwerke sind schon prima, wenn man sie richtig zu nutzen weiß. Mit Alexander aus Brüssel diskutierte ich da neulich über Lexiken und digitale "Vokabeldienste", jetzt erhielt ich den Hinweis auf eine Französischkolumne, den mein langjähriger Kunde Radio Canada veröffentlicht, das ist der québecer öffentlich-rechtlicher Sender. Und der internationale Dolmetscherverband aiic weist uns gleich auch noch auf das zugehörige Quiz hin. Ach ja, "so muss das!" (Redewendung von Menschen, die als "cool" gelten möchten, erstmals Anfang der zehner Jahre des 20. Jahrhunderts beobachtet.)
Zwischendurch versucht der Kunde mit den 50 Minuten Vorlauf, die eilige französische Pressekonferenz, die von ihm selbsttätig angebotene Honorarerhöhung wieder rückgängig zu machen, Tenor: Ich hätte es doch gar nicht nötig, ich wäre doch gut im Geschäft. Erstens bleibe ich (aufgrund meiner oft armen Dokumentarfilmkunden) ständig deutlich unterhalb dessen, was ich einen Arbeitgeber in Festanstellung kosten würde (inklusive NK wie Büro, Sozialabgaben und Fortbildungen), zweitens geht den das überhaupt nichts an. Ich bleibe freundlich und hart und denke mir meinen Teil, zitiere in Gedanken eine Kollegin: Am Erfolg anderer stören sich immer nur die Mittelmäßigen.
Wie zur Bestechung sendet der fast-schon-Auftragsstalker einen Lektoratsauftrag mit ... und lobt "kleines Geld" als Lesehonorar aus. Um es so gestelzt zu sagen, wie ich es neulich im Sprecherkabinentext eines bekannten Kultursenders gefunden habe: "für einen Apfel und ein Ei". Für sowas arbeite ich ungern. Ich lese die Sache an. Liest sich, wie von der Praktikantin verfasst (oder von einem automatischen Übersetzerdienst übertragen).
Meine Antwort ist wieder verbindlich, freundlich, fest: Ich sende ein Kostenangebot (und gehe auf andere Ansinnen nicht ein). Und gebe eine Knacknuss mit, lese eine halbe Stunde Probe, also totalement gratis, denn ich muss ja einschätzen können, wieviel Arbeit ich insgesamt veranschlagen muss, und verstecke an einer Stelle im Kommentar das hübsche Wort "Kleinknüselkram", weil es inhaltlich dorthin passt und weil, naja, es geht hier um Nuancen.
Nein, ich will keine "Arbeit für Erdnüsse", um es original computerübersetzt zu sagen ... Als ich mich gerade daran mache, endlich mal wieder das Arbeitszimmerfenster zu putzen, ist wirklich höchste Zeit, macht es "plopp!" im elektronischen Briefkasten. Meine Argumente in Sachen Ausfallhonorar, Stichwort "18 Stunden", waren wohl überzeugend. Super, am Ende begleite ich doch den frischgebackenen Opa aus Québec, der in Berlin schon zu Lebzeiten mit seinem Vermögen die Existenzgrundlage von Tochter und Enkelin verbessern möchte, denn das Schul- und Hochschuldeutsch von Monsieur ... (hier verpflichten mich Höflichkeit, interkulturelle awareness und mein berufliches Schweigegelübde dazu, den Schnabel zu halten). Mal sehen, was Mister fifty minutes noch so bringt.
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P.S.: Wie immer, Stichwort Kundenschutz, liegen
die Ereignisse etwas zurück und auch leicht anders.
Der Tenor ist aber zu 100 % original. Leider.
Kategorien:
Am Wegesrand aufgelesen,
Sprachschatz
Mittwoch, 21. November 2012
Anzug
Willkommen! Sie lesen gerade in meinem digitalen Arbeitstagebuch. Ich bin Übersetzerin und Dolmetscherin, meine zweite Sprache ist Französisch, außerdem arbeite ich aus dem Englischen, und zwar in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Kultur ... und Kino! Dazu brauche ich passende Kleidung.
Jetzt habe ich die Shoppingtouren auf der Suche nach einem weiteren Anzug für die kalte Jahreszeit satt. Ich war in den stadtbekannten Läden, hier gefiel mir der Schnitt des berühmten Designers nicht, da war der Stoff einer Modeschöpferin nicht mein Geschmack, dort passte es in der Taille, die Ärmellänge sah indes aus wie ein Zweidrittel-Arm, das liegt eher an meinen Extremitäten als an einem besonderen Wintertrend.
Das mit den knappen Ärmeln ist ohnehin mein Dauerproblem, dabei habe ich eigentlich keine Giacomettifigur. Aber auch so schlabbern bei mir die Sachen entweder in der Taille, oder aber die Ärmel sehen aus wie hochgekrempelt ... Ich besitze daher mindenstens zehn Paar Pulswärmer, um mir Jacken und Pullis zu verlängern, damit ich nicht dauernd an den Händen friere.
Aber der Probleme nicht genug: Fast alle Sakkos haben Ärmelknöpfe, nur eins nicht, und das ist nicht so elegant. Schade, dass es von diesem Modell keine Varianten zur Auswahl gibt. Die anderen mag ich nicht nehmen, denn mit den Ärmeln müsste ich erst wieder zum Änderungsschneider, um sie abmachen zu lassen (und nicht selten sind die Knopfleisten so geschnitten, dass die Ärmel am Ende enger zu werden drohen. Dann helfen nur stoffbezogene Knöpfe).
Der Hintergrund für diese Manie ist schnell erklärt: Alles, was in der Kabine zu störenden Begleitgeräuschen führen kann, versuche ich zu vermeiden. Als da wären hörbares Schlucken beim Trinken, Essen von Knäckebrot, Rascheln mit Süßigkeitenpapier. Ich packe vorher um oder reiße die Tüte in der Pause auf, so ähnlich wie im Kino ...
Ach, ich müsste ratzfatz die Honorare verdoppeln und zur Stammkundin einer Maßschneiderei werden!, denke ich seufzend. Da erzählt mir eine Kollegin von einer Firma, die übers Netz erreichbar ist: Die Kunden vermessen sich selbst (oder, besser, sie gehen dafür zur Vertragsschneiderin am Wohnort), suchen sich ein Modell aus, wobei die Kragenform ebenso bestimmt werden kann wie die Anzahl der Knöpfe, zugeschnitten wird alsdann in Osteuropa, vernäht von eben dieser Vertragsschneiderin in der Nähe, die bei Bedarf auch letzte Anpassungen vornimmt.
Das klingt gut. Auch das Stoffangebot scheint groß zu sein, wow, ich bin begeistert, sogar Waschmaschinenwaschbares ist dabei! Noch zögere ich ... aber wo ich seit Jahren schon Flugtickets online kaufe, was ich noch vor zehn Jahren nicht für möglich gehalten hätte ...
Und dann finde ich im Laden um die Ecke einen schicken Anzug von der Stange, der so ausieht, als wäre er für mich maßgeschneidert worden. Dieses Mal hab ich noch Glück gehabt ...
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Collage: C.E.
Jetzt habe ich die Shoppingtouren auf der Suche nach einem weiteren Anzug für die kalte Jahreszeit satt. Ich war in den stadtbekannten Läden, hier gefiel mir der Schnitt des berühmten Designers nicht, da war der Stoff einer Modeschöpferin nicht mein Geschmack, dort passte es in der Taille, die Ärmellänge sah indes aus wie ein Zweidrittel-Arm, das liegt eher an meinen Extremitäten als an einem besonderen Wintertrend.
Das mit den knappen Ärmeln ist ohnehin mein Dauerproblem, dabei habe ich eigentlich keine Giacomettifigur. Aber auch so schlabbern bei mir die Sachen entweder in der Taille, oder aber die Ärmel sehen aus wie hochgekrempelt ... Ich besitze daher mindenstens zehn Paar Pulswärmer, um mir Jacken und Pullis zu verlängern, damit ich nicht dauernd an den Händen friere.
Aber der Probleme nicht genug: Fast alle Sakkos haben Ärmelknöpfe, nur eins nicht, und das ist nicht so elegant. Schade, dass es von diesem Modell keine Varianten zur Auswahl gibt. Die anderen mag ich nicht nehmen, denn mit den Ärmeln müsste ich erst wieder zum Änderungsschneider, um sie abmachen zu lassen (und nicht selten sind die Knopfleisten so geschnitten, dass die Ärmel am Ende enger zu werden drohen. Dann helfen nur stoffbezogene Knöpfe).
Der Hintergrund für diese Manie ist schnell erklärt: Alles, was in der Kabine zu störenden Begleitgeräuschen führen kann, versuche ich zu vermeiden. Als da wären hörbares Schlucken beim Trinken, Essen von Knäckebrot, Rascheln mit Süßigkeitenpapier. Ich packe vorher um oder reiße die Tüte in der Pause auf, so ähnlich wie im Kino ...
Ach, ich müsste ratzfatz die Honorare verdoppeln und zur Stammkundin einer Maßschneiderei werden!, denke ich seufzend. Da erzählt mir eine Kollegin von einer Firma, die übers Netz erreichbar ist: Die Kunden vermessen sich selbst (oder, besser, sie gehen dafür zur Vertragsschneiderin am Wohnort), suchen sich ein Modell aus, wobei die Kragenform ebenso bestimmt werden kann wie die Anzahl der Knöpfe, zugeschnitten wird alsdann in Osteuropa, vernäht von eben dieser Vertragsschneiderin in der Nähe, die bei Bedarf auch letzte Anpassungen vornimmt.
Das klingt gut. Auch das Stoffangebot scheint groß zu sein, wow, ich bin begeistert, sogar Waschmaschinenwaschbares ist dabei! Noch zögere ich ... aber wo ich seit Jahren schon Flugtickets online kaufe, was ich noch vor zehn Jahren nicht für möglich gehalten hätte ...
Und dann finde ich im Laden um die Ecke einen schicken Anzug von der Stange, der so ausieht, als wäre er für mich maßgeschneidert worden. Dieses Mal hab ich noch Glück gehabt ...
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Collage: C.E.
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Dienstag, 20. November 2012
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Bienvenue beim Weblog aus der Dolmetscherkabine! Ich dolmetsche Französisch in beide Richtungen sowie aus dem Englischen. Meine Arbeitsschwerpunkte sind Wirtschaft, Politik, Medien und Kultur. Wir Spracharbeiter müssen uns ständig in neue Arbeitsgebiete einarbeiten ... und uns immer wieder auf neue Situationen einstellen.
Wir betreten den Konferenzraum. Ohne zu zögern setzen wir uns an die Schmalseite des langen Tisches. Wir, das sind ein mittelständischer Unternehmer aus der französischsprachigen Schweiz und ich. Ihn zieht es aus Geschäftsgründen nach Berlin. Noch ist es mit seinen Deutschkenntnissen nicht sehr weit gediehen, deshalb wurde ich ihm empfohlen. Und jetzt gründen wir also in Berlin. Nein, er gründet, ich aber immer mit.
Wer in Berlin Arbeitsplätze schaffen will, wird hier mit offenen Armen empfangen, besonders dann, wenn er so etwas wie ein Patent mitbringt.
Wir ließen uns beraten, suchten die kompetenten Stellen, Fachanwälte und Steuerbüro auf, schauten uns auch schon nach passenden Geschäftsräumen um.
Noch eine Station: Die Arbeitsagentur. Dort half uns ein Mitarbeiter mit den richtigen Fachtermini weiter. Dann erschien die Anzeige.
Das war vor über zwei Wochen. Zehn Tage später betreten wir also den Konferenzraum. Hier warten zwölf Menschen auf uns, die alle hoffen, dass sich ihr berufliches Schicksal heute wendet.
In meinem bisherigen beruflichen Leben habe ich nur wenig Bewerbungsphasen hinter mich gebracht ... oder aber viele. Als Freiberuflerin bewerbe ich mich ständig um Verträge, meistens kommen aber die Kunden auf mich zu, die Situation ist von vorneherein eine andere. Und auf Festanstellungen habe ich mich nur selten beworben. So eine Gruppenpräsentation (wie die erste Stufe eines kleinen Assessment Centers) kenne ich nur aus Erzählungen. Und jetzt sitze ich direkt auf der anderen Seite!
Verunsicherte Blicke erreichen mich. Mitgehangen, mitgefangen, denke ich und beobachte meine Körpersprache. Ich bin erschrocken, wie schnell ich mich einfinde in diese Rolle. Ich übertrage, komoderiere, fasse auf Bitte des Schweizers zusammen, was zusammenzufassen ist, weil ich die Materie kenne. Nein, ich wirke nicht, als wäre ich hier "nur" die Dolmetscherin.
Zunächst muss ich prüfen, wer von den Angemeldeten erschienen ist. Auf die Lebensläufe hat die Genfer Mitarbeiterin die Anschreiben getackert, ich brauche immer ein paar Minuten, bis ich mich reingeblättert habe. Ich entschuldige mich für den Zeitverzug, sage, dass ich die Lebensläufe heute zum ersten Mal sehe: "Ich bin also nicht beeinflusst". Musste ich das jetzt sagen? Ich wundere mich selbst über mich, wie routiniert ich hier die Personalerin gebe. Auf der anderen Seite hat mich der Dolmetschkunde gebeten, mit ihm zusammen die Bewerber für die zweite Runde auszuwählen, die Einzelgespräche. Irgendwie will ich das zumindst andeuten.
Dann kündige an, dass sich nach einer Präsentation des unternehmerischen Projekts heute noch alle vorstellen können ... und bin erleichtert, weil mir diese Sätze die Möglichkeit geben, selbst kurz zu sagen, wer ich bin. Damit wäre ich also nach einer guten Viertelstunde in meine eigene Identität zurückgekehrt!
Die Veranstaltung dauert den ganzen Nachmittag lang. In der Vorstellungsrunde habe ich komplett den Hut auf, frage, mache mir Notizen auch zu den Deutsch- und den Fremdsprachenkenntnissen der Bewerberinnen und Bewerber, überlege mir in Windeseile kleine Symbole und Stichworte, denn ich werde meine Eindrücke morgen rechtfertigen müssen.
Danach bin ich "durch". Die Idee, zuhause noch einmal die Lebensläufe durchzugehen, verwerfe ich sofort. Am nächsten Morgen stehen weitere Termine an, ich plane anderthalb Stunden Besprechung der Bewerber ein.
Und genau das machen wir also anderntags ... Eindrücke zusammentragen und austauschen.
Mein Problem: Während ich dolmetsche, habe ich oft keine anderen Kanäle auf, die ganze Energie geht in die Sprache. Anfangs habe ich Mühen, diverse durchaus aufgenommene Eindrücke den Personen zuzuordnen. Mein Kunde hatte sich den Konferenztisch aufgemalt, notiert, wer wo saß, die Passbilder halfen auch ... und dann durfte ich in die Lebensläufe reinsehen.
Überrascht war ich am Ende, wie oft wir ein- und derselben Meinung waren. Wir sprachen sehr lang und ausführlich über jede/n Einzelne/n. In zwei Fällen wich mein Eindruck stark von dem des Kunden ab — und da sollen jetzt die Bewerber ihre Chance in der zweiten Runde bekommen.
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Fotos: C.E.
Wir betreten den Konferenzraum. Ohne zu zögern setzen wir uns an die Schmalseite des langen Tisches. Wir, das sind ein mittelständischer Unternehmer aus der französischsprachigen Schweiz und ich. Ihn zieht es aus Geschäftsgründen nach Berlin. Noch ist es mit seinen Deutschkenntnissen nicht sehr weit gediehen, deshalb wurde ich ihm empfohlen. Und jetzt gründen wir also in Berlin. Nein, er gründet, ich aber immer mit.
Wer in Berlin Arbeitsplätze schaffen will, wird hier mit offenen Armen empfangen, besonders dann, wenn er so etwas wie ein Patent mitbringt.
Wir ließen uns beraten, suchten die kompetenten Stellen, Fachanwälte und Steuerbüro auf, schauten uns auch schon nach passenden Geschäftsräumen um.
Noch eine Station: Die Arbeitsagentur. Dort half uns ein Mitarbeiter mit den richtigen Fachtermini weiter. Dann erschien die Anzeige.
Das war vor über zwei Wochen. Zehn Tage später betreten wir also den Konferenzraum. Hier warten zwölf Menschen auf uns, die alle hoffen, dass sich ihr berufliches Schicksal heute wendet.
In meinem bisherigen beruflichen Leben habe ich nur wenig Bewerbungsphasen hinter mich gebracht ... oder aber viele. Als Freiberuflerin bewerbe ich mich ständig um Verträge, meistens kommen aber die Kunden auf mich zu, die Situation ist von vorneherein eine andere. Und auf Festanstellungen habe ich mich nur selten beworben. So eine Gruppenpräsentation (wie die erste Stufe eines kleinen Assessment Centers) kenne ich nur aus Erzählungen. Und jetzt sitze ich direkt auf der anderen Seite!
Verunsicherte Blicke erreichen mich. Mitgehangen, mitgefangen, denke ich und beobachte meine Körpersprache. Ich bin erschrocken, wie schnell ich mich einfinde in diese Rolle. Ich übertrage, komoderiere, fasse auf Bitte des Schweizers zusammen, was zusammenzufassen ist, weil ich die Materie kenne. Nein, ich wirke nicht, als wäre ich hier "nur" die Dolmetscherin.
Zunächst muss ich prüfen, wer von den Angemeldeten erschienen ist. Auf die Lebensläufe hat die Genfer Mitarbeiterin die Anschreiben getackert, ich brauche immer ein paar Minuten, bis ich mich reingeblättert habe. Ich entschuldige mich für den Zeitverzug, sage, dass ich die Lebensläufe heute zum ersten Mal sehe: "Ich bin also nicht beeinflusst". Musste ich das jetzt sagen? Ich wundere mich selbst über mich, wie routiniert ich hier die Personalerin gebe. Auf der anderen Seite hat mich der Dolmetschkunde gebeten, mit ihm zusammen die Bewerber für die zweite Runde auszuwählen, die Einzelgespräche. Irgendwie will ich das zumindst andeuten.
Dann kündige an, dass sich nach einer Präsentation des unternehmerischen Projekts heute noch alle vorstellen können ... und bin erleichtert, weil mir diese Sätze die Möglichkeit geben, selbst kurz zu sagen, wer ich bin. Damit wäre ich also nach einer guten Viertelstunde in meine eigene Identität zurückgekehrt!
Die Veranstaltung dauert den ganzen Nachmittag lang. In der Vorstellungsrunde habe ich komplett den Hut auf, frage, mache mir Notizen auch zu den Deutsch- und den Fremdsprachenkenntnissen der Bewerberinnen und Bewerber, überlege mir in Windeseile kleine Symbole und Stichworte, denn ich werde meine Eindrücke morgen rechtfertigen müssen.
Danach bin ich "durch". Die Idee, zuhause noch einmal die Lebensläufe durchzugehen, verwerfe ich sofort. Am nächsten Morgen stehen weitere Termine an, ich plane anderthalb Stunden Besprechung der Bewerber ein.
Und genau das machen wir also anderntags ... Eindrücke zusammentragen und austauschen.
Mein Problem: Während ich dolmetsche, habe ich oft keine anderen Kanäle auf, die ganze Energie geht in die Sprache. Anfangs habe ich Mühen, diverse durchaus aufgenommene Eindrücke den Personen zuzuordnen. Mein Kunde hatte sich den Konferenztisch aufgemalt, notiert, wer wo saß, die Passbilder halfen auch ... und dann durfte ich in die Lebensläufe reinsehen.
Überrascht war ich am Ende, wie oft wir ein- und derselben Meinung waren. Wir sprachen sehr lang und ausführlich über jede/n Einzelne/n. In zwei Fällen wich mein Eindruck stark von dem des Kunden ab — und da sollen jetzt die Bewerber ihre Chance in der zweiten Runde bekommen.
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Montag, 19. November 2012
Vorführkabine, die Zwote
Hallo und herzlich willkommen auf den Seiten meines Blogs. Als Spracharbeiterin mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Politik und Kultur arbeite ich oft für Film und Kino. Samstag war ich nicht allein, wir dolmetschten zu viert, und niemand musste ich sich in eine zwei Quadratmeter kleine Box zwängen. Heute in Bild und Ton: Wie die Vorführkabine eines Berliner Kinos zur Dolmetscherkabine wurde.
Die Moderatorin, Filmjournalistin Dorothee Wenner, musste das Podiumsgespräch mit einer Entschuldigung eröffnen: "Eigentlich wollten wir vor der Diskussion einen Kurzfilm zeigen, wir bringen ihn aber erst erst gegen 19.00 Uhr, weil der Projektor so laut ist, auch dann noch, wenn er eben gelaufen ist, und die Dolmetscher sitzen ja mitten im Vorführraum ... Daher zeigen wir den Film erst nach der Debatte."
Dazu meinte Bodo, der Filmvorführer, nur trocken: "Irgendwann hat die Industrie leise Staubsauger entwickelt, die wollte aber niemand haben, und deshalb gibt's jetzt den digitalen Projektor gleich richtig laut, damit alle wissen, es ist eben doch ein Filmprojektor!"
Das Einsprecherkabuff ist aus dem Arsenal-Bildwerferraum verschwunden. Nur die "Engländer" saßen nebeneinander, fast noch an der Stelle, an der dieses alte Kabuff gestanden hat:
Uns "Franzosen" trennte ein altes Filmvorführgerät. (Gestern zeigte ich hier schon die Totale.) Wir merkten, dass es gar nicht so einfach ist sich zu verabreden, wann wir uns in der Arbeit abwechseln. Was leider überhaupt nicht ging: Sich auf einem Zettel, der zwischen uns liegt, fehlende Vokabeln oder in Windeseile runtergeratterte Zahlen aufzuschreiben. Das machen wir sonst immer, denn Dolmetschen ist Teamarbeit.
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Bilder: C.E. (leider hat beim Überspiel auf
YouTube die optische Qualität gelitten)
Die Moderatorin, Filmjournalistin Dorothee Wenner, musste das Podiumsgespräch mit einer Entschuldigung eröffnen: "Eigentlich wollten wir vor der Diskussion einen Kurzfilm zeigen, wir bringen ihn aber erst erst gegen 19.00 Uhr, weil der Projektor so laut ist, auch dann noch, wenn er eben gelaufen ist, und die Dolmetscher sitzen ja mitten im Vorführraum ... Daher zeigen wir den Film erst nach der Debatte."
Dazu meinte Bodo, der Filmvorführer, nur trocken: "Irgendwann hat die Industrie leise Staubsauger entwickelt, die wollte aber niemand haben, und deshalb gibt's jetzt den digitalen Projektor gleich richtig laut, damit alle wissen, es ist eben doch ein Filmprojektor!"
Das Einsprecherkabuff ist aus dem Arsenal-Bildwerferraum verschwunden. Nur die "Engländer" saßen nebeneinander, fast noch an der Stelle, an der dieses alte Kabuff gestanden hat:
Uns "Franzosen" trennte ein altes Filmvorführgerät. (Gestern zeigte ich hier schon die Totale.) Wir merkten, dass es gar nicht so einfach ist sich zu verabreden, wann wir uns in der Arbeit abwechseln. Was leider überhaupt nicht ging: Sich auf einem Zettel, der zwischen uns liegt, fehlende Vokabeln oder in Windeseile runtergeratterte Zahlen aufzuschreiben. Das machen wir sonst immer, denn Dolmetschen ist Teamarbeit.
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Bilder: C.E. (leider hat beim Überspiel auf
YouTube die optische Qualität gelitten)
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Sonntag, 18. November 2012
Vorführkabine
Bienvenue beim Weblog aus der Dolmetscherkabine für die französische Sprache! Oft schreibe ich meine Einträge aber auch am Übersetzerschreibtisch oder sonst irgendwie außerhalb des sicheren Gefildes des zwei bis drei Quadratmeter großen, schützenden Gehäuses. Ja, uns ist eine Kabine verlorengegangen ...
Gestern dolmetschten wir wieder das jährlich stattfindende Podiumsgespräch des wunderbaren Festivals Afrikamera. Wir saßen zwischen den Projektoren und konnten einander auch ohne technische Hilfmitel zuhören.
Vor einem Jahr arbeitete die Englisch-Französisch-Fraktion noch in einer Art Dolmetscherkabine, dem Einsprecherkabuff des Kinos Arsenal, hier hatten wir's schön eng und warm ... Das Ding ist unlängst abgebaut worden, Grund: Ein digitales Vorführgerät kam hinzu und damit ist der "Bildwerferraum", der gerade einmal seit 12 Jahren in Betrieb ist, auch schon wieder zu klein, um auch noch eine Dolmetscherkabine zu beherbergen. Dieses Jahr gab es wieder DE<>FR und DE<>ENG, so dass wir zu viert antreten konnten. Mein heutiges Sonntagsbild gilt daher einer besonderen Vorführkabine:
Morgen mehr zu gestern. Ich muss noch ein Filmchen mit Bild- und Tonbeispiel so bearbeiten, dass ich es hochladen kann. Hoffentlich klappt's.
Heute geht das Festival leider auch schon zuende. Hier noch rasch das Programm: klick! (Und hier Teil zwei des Themas: klack!)
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Foto: C.E.
Gestern dolmetschten wir wieder das jährlich stattfindende Podiumsgespräch des wunderbaren Festivals Afrikamera. Wir saßen zwischen den Projektoren und konnten einander auch ohne technische Hilfmitel zuhören.
Vor einem Jahr arbeitete die Englisch-Französisch-Fraktion noch in einer Art Dolmetscherkabine, dem Einsprecherkabuff des Kinos Arsenal, hier hatten wir's schön eng und warm ... Das Ding ist unlängst abgebaut worden, Grund: Ein digitales Vorführgerät kam hinzu und damit ist der "Bildwerferraum", der gerade einmal seit 12 Jahren in Betrieb ist, auch schon wieder zu klein, um auch noch eine Dolmetscherkabine zu beherbergen. Dieses Jahr gab es wieder DE<>FR und DE<>ENG, so dass wir zu viert antreten konnten. Mein heutiges Sonntagsbild gilt daher einer besonderen Vorführkabine:
Morgen mehr zu gestern. Ich muss noch ein Filmchen mit Bild- und Tonbeispiel so bearbeiten, dass ich es hochladen kann. Hoffentlich klappt's.
Heute geht das Festival leider auch schon zuende. Hier noch rasch das Programm: klick! (Und hier Teil zwei des Themas: klack!)
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Foto: C.E.
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Donnerstag, 15. November 2012
stillsitzen!
Haben Sie sich schon mal für die Dauer eines langen Tages in einer zwei bis drei Quadratmeter kleinen Box aufgehalten? Falls nein, dann sind Sie von Beruf eher nicht Dolmetscher/in. By the way, wie sieht der Arbeitsplatz von Souffleuren aus? Das weiß ich nicht, ich berichte hier nur fast täglich über den Arbeitsalltag von Dolmetschern und Übersetzern.
Wer sitzt schon freiwillig ganztags in einer Zelle rum, die je einen Meter 70 breit und tief ist?
Manche Dolmetscherkabine ist noch kleiner, wenn sie nicht nach DIN-Norm gebaut, sondern nachträglich in ein schon fertiges Gebäude installiert worden ist. Da fehlt dann schon mal der Abstand für ein gutes Foto.
Abends ist der Schädel wie leer. Ja, ich weiß noch, wie ich heiße und warum. Aber lieber jetzt das Thema nicht vertiefen. Ich will nicht sprechen. Nein. Eile nach Hause. Beim Überqueren der Straße sehe ich zehnmal hin. Große Müdigkeit wirkt sich ähnlich aus wie|Suff| überhöhter Alkoholkonsum: Aufmerksamkeit und das Einschätzungsvermögen sind gemindert. Hallo, Taxi!
Zuhause erstmal schlafen. Beim Wegdämmern zucken kurz die Beine. Nach einer halben Stunde hochaktiven Traumschlafs bin ich hellwach, wie überdreht. Ich ziehe mich an, endlich wieder Räuberzivil, Schal, Pulswärmer, Mütze, Wintermantel. Draußen ist es neblig und um null Grad. Ich laufe, laufe, laufe! Viel Bewegung jetzt nach dem stundenlangen Stillsitzen, das ist optimal.
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Foto: C.E.
Es ist dunkel und wir sind "auf Sendung" |
Manche Dolmetscherkabine ist noch kleiner, wenn sie nicht nach DIN-Norm gebaut, sondern nachträglich in ein schon fertiges Gebäude installiert worden ist. Da fehlt dann schon mal der Abstand für ein gutes Foto.
Abends ist der Schädel wie leer. Ja, ich weiß noch, wie ich heiße und warum. Aber lieber jetzt das Thema nicht vertiefen. Ich will nicht sprechen. Nein. Eile nach Hause. Beim Überqueren der Straße sehe ich zehnmal hin. Große Müdigkeit wirkt sich ähnlich aus wie
Zuhause erstmal schlafen. Beim Wegdämmern zucken kurz die Beine. Nach einer halben Stunde hochaktiven Traumschlafs bin ich hellwach, wie überdreht. Ich ziehe mich an, endlich wieder Räuberzivil, Schal, Pulswärmer, Mütze, Wintermantel. Draußen ist es neblig und um null Grad. Ich laufe, laufe, laufe! Viel Bewegung jetzt nach dem stundenlangen Stillsitzen, das ist optimal.
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Mittwoch, 14. November 2012
gender vs. sex
Guten Tag! Sie sind mitten im Arbeitstagebuch einer Berliner Übersetzerin gelandet, die außerdem als Französischdolmetscherin für Wirtschaft und Gesellschaft, Medien und Politik arbeitet. Daher verfolge ich die Politik aufmerksam. Heute kam aus Brüssel die Information, dass sich auf Initiative der EU-Kommissarin Viviane Reding die Kommission mehrheitlich für eine Frauenquote für Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen ausgesprochen hat.
Die Gender-Thematik ist hochaktuell. Gender, en anglais dans le texte (wie wir 'auf Deutsch' sagen), bezeichnet laut Wikipedia "als Konzept die soziale oder psychologische Seite des Geschlechts einer Person im Unterschied zu ihrem biologischen Geschlecht (engl. sex).
Indes, mit dem Thema Gender bin ich hier fertig, noch ehe ich richtig angefangen habe: Die Mehrzeil der Dolmetscher ist weiblich, die Mehrzahl der Kunden aus Industrie und Politik männlich. Also synchronisieren im Alltag Frauenstimmen Männer in Maßanzügen mit grauen Schläfen. Ja, ich verallgemeinere jetzt durchaus sehr, aber dieser Tage weht es mich schon komisch an.
Hintergrundgespräche in der Politik sind etwas, für das ich regelmäßig gebucht werde. Ich finde diese Arbeit spannend, weil es eine Arbeit außerhalb der Kabine ist. Oft arbeite ich halbe Tage auch allein, weil ich viele kurze Meetings dolmetsche.
Anders als im Konferenzbetrieb, wo wir unsere "Klienten" nur aus der Ferne mitkriegen, sitze ich dann in der Mittagspause mit den zu Verdolmetschenden am selben Tisch. Und wenn ich nicht gerade Essenstermine dolmetsche, werde ich nicht selten über Berlin ausgefragt.
Da ich aus einem Historiker- und Germanistenhaushalt stamme und schon als Kleinkind in die DDR gereist bin, kann ich viel über Berlin, deutsche Geschichte und die Wende vermitteln. Und wenn es sich einrichten lässt, zeige ich den Berliner Gästen auch noch einige Besonderheiten der Stadt wie das wunderbare Neue Museum (siehe zweites Foto), in dem ich seit der Renovierung durch David Chipperfield inzwischen zum fünften Mal war.
Meine Stadtführungen am Rande sind der Mehrwert, mit dem ich aufwarten kann. Auch wenn ich nicht in Berlin geboren bin, fühle ich mich als Berliner Gastgeberin — und diese Art von persönlicher Betreuung durchbricht das starre Protokoll. Die Gäste freut's. Ich denke schmunzelnd an den berühmten französischen Regisseur, der einst meine Andeutungen in Sachen Stadt richtig interpretiert hat ... keine Namen! ... und so waren wir nach der Filmpremiere, nach dem letzten Vorhang und vor dem Eintreffen in der französischen Botschaft, wo viele wichtige Menschen zum Empfang zusammenkamen, einfach mal für über eine Stunde in der großen Stadt "verloren" gegangen.
Vom Kino holte uns eine Limousine ab und es hat einiger Überredungskünste bedurft, den Chauffeur von der Route abzubringen. Auf die Frage des Botschafters, wo wir denn geblieben wären, hat mir die Kinolegende so erfrischend zugezwinkert, dass sich keiner der Außenstehenden getraut hat, weiterzufragen. So geht das also: Seinen Ruf als französisches Mannsbild zementieren. Ich habe einfach nur zurückgelacht. Mir doch egal, was die denken ... Komisches Moment. Als Dolmetscherin bin ich grundsätzlich identitäts- und körperlos, lebe nur als Stimme; und hier erntete ich plötzlich schräge Blicke.
Wir ließen die Situation eine Weile in der Schwebe. Dann nickte mir Monsieur zu, dites-le leur ! Zunächst bat ich darum, den Fahrer zu entschuldigen, ihm sei kein Vorwurf zu machen.
Ich sagte, der arme Kerl habe keine Chance gehabt gegen unsere Bestimmtheit. Ob man uns nun glaube oder nicht, sei egal, wir seien nur einen kleinen Umweg gefahren, um einigen historischen Bauwerken unsere Aufwartung zu machen. (Ich bin nicht sicher, dass man uns geglaubt hat. Diese Episode ist ganz und gar nicht gender ...)
Aber ganz im Ernst, über das schöne Moment hinaus, Wissen und Bildung mehren zu dürfen, indem ich sie teile, fällt mir nach Jahren im Dolmetscherbetrieb (auch) für VIPs der Politik und Kultur auf, dass sich dieses gender-Thema in unserem Feld keinen Deut verändert hat. Gut, es scheint so zu sein, dass Frauen die Mehrgleisigkeit der mehrsprachigen Kommunikation aufgrund der Tatsache leichter fällt, dass das Corpus callosum bei Frauen dicker sein soll als bei Männern, also der auch "Balken" genannte Bereich, der die beiden Hemisphären verbindet, weshalb Wissenschaftler annehmen, dass die beiden Hirnhälften weiblicher Gehirne besser miteinander kommunizieren.
Der Text, auf den der Link verweist, Gehirn und Verhalten: Ein Grundkurs der physiologischen Psychologie, Pritzel, Brand, Markowitsch (bei Spektrum Heidelberg), stammt von 2003. Diese Interpretation habe ich auch an der Uni gehört. Neuere Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass die Unterschiede geschlechtsunabhängig erworben sind (Dossier "Gender", Goethe-Institut, 2009).
Wie dem auch sei, mir gefällt, dass zur Not dann eben per Gesetz mehr Frauen in Aufsichtsräte aufsteigen sollen. Mal sehen, wo ich doch ohnehin das halbe Jahr pauke, mache ich vielleicht doch noch einen MBA und wechsle die Seite ...
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Fotos: C.E.
Die Gender-Thematik ist hochaktuell. Gender, en anglais dans le texte (wie wir 'auf Deutsch' sagen), bezeichnet laut Wikipedia "als Konzept die soziale oder psychologische Seite des Geschlechts einer Person im Unterschied zu ihrem biologischen Geschlecht (engl. sex).
Indes, mit dem Thema Gender bin ich hier fertig, noch ehe ich richtig angefangen habe: Die Mehrzeil der Dolmetscher ist weiblich, die Mehrzahl der Kunden aus Industrie und Politik männlich. Also synchronisieren im Alltag Frauenstimmen Männer in Maßanzügen mit grauen Schläfen. Ja, ich verallgemeinere jetzt durchaus sehr, aber dieser Tage weht es mich schon komisch an.
Hintergrundgespräche in der Politik sind etwas, für das ich regelmäßig gebucht werde. Ich finde diese Arbeit spannend, weil es eine Arbeit außerhalb der Kabine ist. Oft arbeite ich halbe Tage auch allein, weil ich viele kurze Meetings dolmetsche.
Anders als im Konferenzbetrieb, wo wir unsere "Klienten" nur aus der Ferne mitkriegen, sitze ich dann in der Mittagspause mit den zu Verdolmetschenden am selben Tisch. Und wenn ich nicht gerade Essenstermine dolmetsche, werde ich nicht selten über Berlin ausgefragt.
Da ich aus einem Historiker- und Germanistenhaushalt stamme und schon als Kleinkind in die DDR gereist bin, kann ich viel über Berlin, deutsche Geschichte und die Wende vermitteln. Und wenn es sich einrichten lässt, zeige ich den Berliner Gästen auch noch einige Besonderheiten der Stadt wie das wunderbare Neue Museum (siehe zweites Foto), in dem ich seit der Renovierung durch David Chipperfield inzwischen zum fünften Mal war.
Meine Stadtführungen am Rande sind der Mehrwert, mit dem ich aufwarten kann. Auch wenn ich nicht in Berlin geboren bin, fühle ich mich als Berliner Gastgeberin — und diese Art von persönlicher Betreuung durchbricht das starre Protokoll. Die Gäste freut's. Ich denke schmunzelnd an den berühmten französischen Regisseur, der einst meine Andeutungen in Sachen Stadt richtig interpretiert hat ... keine Namen! ... und so waren wir nach der Filmpremiere, nach dem letzten Vorhang und vor dem Eintreffen in der französischen Botschaft, wo viele wichtige Menschen zum Empfang zusammenkamen, einfach mal für über eine Stunde in der großen Stadt "verloren" gegangen.
Vom Kino holte uns eine Limousine ab und es hat einiger Überredungskünste bedurft, den Chauffeur von der Route abzubringen. Auf die Frage des Botschafters, wo wir denn geblieben wären, hat mir die Kinolegende so erfrischend zugezwinkert, dass sich keiner der Außenstehenden getraut hat, weiterzufragen. So geht das also: Seinen Ruf als französisches Mannsbild zementieren. Ich habe einfach nur zurückgelacht. Mir doch egal, was die denken ... Komisches Moment. Als Dolmetscherin bin ich grundsätzlich identitäts- und körperlos, lebe nur als Stimme; und hier erntete ich plötzlich schräge Blicke.
Wir ließen die Situation eine Weile in der Schwebe. Dann nickte mir Monsieur zu, dites-le leur ! Zunächst bat ich darum, den Fahrer zu entschuldigen, ihm sei kein Vorwurf zu machen.
Ich sagte, der arme Kerl habe keine Chance gehabt gegen unsere Bestimmtheit. Ob man uns nun glaube oder nicht, sei egal, wir seien nur einen kleinen Umweg gefahren, um einigen historischen Bauwerken unsere Aufwartung zu machen. (Ich bin nicht sicher, dass man uns geglaubt hat. Diese Episode ist ganz und gar nicht gender ...)
Aber ganz im Ernst, über das schöne Moment hinaus, Wissen und Bildung mehren zu dürfen, indem ich sie teile, fällt mir nach Jahren im Dolmetscherbetrieb (auch) für VIPs der Politik und Kultur auf, dass sich dieses gender-Thema in unserem Feld keinen Deut verändert hat. Gut, es scheint so zu sein, dass Frauen die Mehrgleisigkeit der mehrsprachigen Kommunikation aufgrund der Tatsache leichter fällt, dass das Corpus callosum bei Frauen dicker sein soll als bei Männern, also der auch "Balken" genannte Bereich, der die beiden Hemisphären verbindet, weshalb Wissenschaftler annehmen, dass die beiden Hirnhälften weiblicher Gehirne besser miteinander kommunizieren.
Der Text, auf den der Link verweist, Gehirn und Verhalten: Ein Grundkurs der physiologischen Psychologie, Pritzel, Brand, Markowitsch (bei Spektrum Heidelberg), stammt von 2003. Diese Interpretation habe ich auch an der Uni gehört. Neuere Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass die Unterschiede geschlechtsunabhängig erworben sind (Dossier "Gender", Goethe-Institut, 2009).
Wie dem auch sei, mir gefällt, dass zur Not dann eben per Gesetz mehr Frauen in Aufsichtsräte aufsteigen sollen. Mal sehen, wo ich doch ohnehin das halbe Jahr pauke, mache ich vielleicht doch noch einen MBA und wechsle die Seite ...
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Fotos: C.E.
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Dienstag, 13. November 2012
Mütter in Deutschland
Willkommen! Sie lesen gerade in meinem digitalen Arbeitstagebuch. Ich bin Übersetzerin und Dolmetscherin, meine zweite Sprache ist Französisch, und die Unterschiede zwischen "meinen" beiden Ländern reichen oft bis ins Privatleben.
Heute brachte die französische Libération eine Doppelseite über Mütter in Deutschland. Vor über einem Monat traf ich mich in Begleitung meines Vaters mit Journalistin Nathalie Versieux, als sie für diesen Beitrag recherchiert hat. Nun kommen wir darin recht ausführlich vor, auch meine Situation als (weltliche) Patentante.
Der Beitrag handelt auch von langen Studienzeiten in Deutschland, von der Herdprämie und der leidigen Unterbringungssituation von Kleinst- und Kleinkindern in Deutschland, wenn beide Eltern arbeiten wollen (oder müssen). Da ich in einem früheren Berufsleben selbst Journalistin war, weiß ich, wie schnell sich eine Verkürzung für die Betreffenden falsch anfühlt. Jetzt geht es mir ein "minibisschen" auch so, um es in den Worten des weltbesten Patensohns zu sagen. (Vor allem, da ich hier als Beispiel für die langen, deutschen Studienzeiten angeführt werde, wo ich doch mein Erststudium sehr flugs in Frankreich absolviert hatte und dann rasch ins Arbeitsleben eingetreten war.) Aber die Freude über den Artikel, in dem drei Frauen vorgestellt werden, die sehr vielfältig das statistische Material illustrieren, überwiegt.
Für Frankreich ist die Situation vor allem deshalb beachtenswert, weil das Land nicht nur eine hohe Geburtenquote, sondern kürzere Studienzeiten und mehr Kleinstkinder in Krippe und Kindergarten aufweisen kann, als das in Deutschland der Fall ist.
Der Artikel ist leider nicht außerhalb der Bezahldienste aufrufbar, für Abonnenten hier der Link. Demnächst folgt an dieser Stelle eine Übersetzung (sofern das für Verlag und Autorin OK ist).
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Foto: C. Enache
Ceci n'est pas une pomme. |
Der Beitrag handelt auch von langen Studienzeiten in Deutschland, von der Herdprämie und der leidigen Unterbringungssituation von Kleinst- und Kleinkindern in Deutschland, wenn beide Eltern arbeiten wollen (oder müssen). Da ich in einem früheren Berufsleben selbst Journalistin war, weiß ich, wie schnell sich eine Verkürzung für die Betreffenden falsch anfühlt. Jetzt geht es mir ein "minibisschen" auch so, um es in den Worten des weltbesten Patensohns zu sagen. (Vor allem, da ich hier als Beispiel für die langen, deutschen Studienzeiten angeführt werde, wo ich doch mein Erststudium sehr flugs in Frankreich absolviert hatte und dann rasch ins Arbeitsleben eingetreten war.) Aber die Freude über den Artikel, in dem drei Frauen vorgestellt werden, die sehr vielfältig das statistische Material illustrieren, überwiegt.
Für Frankreich ist die Situation vor allem deshalb beachtenswert, weil das Land nicht nur eine hohe Geburtenquote, sondern kürzere Studienzeiten und mehr Kleinstkinder in Krippe und Kindergarten aufweisen kann, als das in Deutschland der Fall ist.
Der Artikel ist leider nicht außerhalb der Bezahldienste aufrufbar, für Abonnenten hier der Link. Demnächst folgt an dieser Stelle eine Übersetzung (sofern das für Verlag und Autorin OK ist).
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Foto: C. Enache
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Am Wegesrand aufgelesen
Montag, 12. November 2012
laut und leise
Bonjour, guten Tag, Sie sind (zufällig oder absichtlich) auf meinem Notizblo|ck|g gelandet! Als Spracharbeiterin schreibe ich hier regelmäßig über das, was Dolmetscher und Übersetzer machen, und zwar in Berlin, Paris, München und Lyon. Dabei beschreibe ich allgemeine und besondere sprachliche Aspekte des Berufslebens, stets unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse.
Hochfloriger Teppichboden, weiche Sitzgarnitur, bilderbuchhafter Gartenblick: Wir sitzen in der Botschaft eines Staates, der in Berlin akkreditiert ist. Entsprechend gedämpft sind die Gespräche der Herren, die ich dolmetsche. Eine Mitarbeiterin serviert Getränke.
Dann betritt die Botschafterin den Raum. Händeschütteln. Ich stehe als vorletzte in der Reihe, reiche meine Hand, die Botschafterin hatte mich aber schon übersehen und sich ihrem Mitarbeiter zugewandt, der an letzter Stelle stand. Sie sieht mich, die Hand, lacht, "die Dame zuerst", schüttelt mir die Hand, dann ist ihr Mitarbeiter dran.
Mich durchläuft es heiß und kalt. War ich zu schnell? Hätte ich warten müssen, bis der Handgebeimpuls von ihr ausgeht? Oder war das eventuell bereits ein Fauxpax auf diplomatischem|Parkett| Hochflor in Tiefrot?
Die Sitzrunde sitzt in einer weichen Couchgarnitur. Nur ein niederrangiger Mitarbeiter (exakt jener, welcher die Hand ...) und ich hocken daneben auf Stühlen wie die Hühnchen auf der Stange. Nach dem Austausch von viel Höflichkeit, die Franzosen sagen zu derlei manchmal ironisch faire des Salamaleiks, geht es zur Sache. Ich dolmetsche simultan, spreche laut, um Entfernungen zu überbrücken, mir raucht schnell der Schädel.
Die Botschafterin geht bald wieder, nachdem sie ihre Anweisungen gegeben hat. Ihr Platz bleibt frei. Ich sitze weiterhin in weitestmöglicher Entfernung zu meinen Klienten und spreche weiterhin auffallend laut. Aber ohne vorherige Einladung ergreife ich jetzt keine Initiative mehr! Nein, ich setze mich jetzt nicht auf den freien Sessel! Vielleicht ist Madame ja auch nur kurz raus.
In meinen Nachdenkpausen, die immer nur sekundenlang dauern, höre ich traumhafte Stille. Uns trennt eine Doppeltür vom Nebenraum. In meinem Kopf sind die Gedanken trotzdem laut vor möglichen Variationen der Verdolmetschung.
Weitere Elemente zur Definition des Dolmetscherberufs: Sie (also wir) sind in doppeltürbewehrten Hinterzimmern der Politik tätig, sprechen meistens eher leise, sitzen in schallisolierten Kisten, die wie Kleiderschränke aussehen ... oder auf Stühlchen neben Sitzgruppen — und bei Podiumsgesprächen haben sie (bzw. wir) kein Namensschild. Sie (wir) bestehen nur aus Stimme und Vokabeln, ansonsten handelt es sich um identitäts- und körperlose Wesen.
Das hier ist keine Klage, nur eine Feststellung, ich hatte es so gewollt (den Beruf). Ein Glück, dass|den| meinen (!) Stimmbändern ein Tässchen Tee angeboten wurde.
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Foto: C.E.
Hochfloriger Teppichboden, weiche Sitzgarnitur, bilderbuchhafter Gartenblick: Wir sitzen in der Botschaft eines Staates, der in Berlin akkreditiert ist. Entsprechend gedämpft sind die Gespräche der Herren, die ich dolmetsche. Eine Mitarbeiterin serviert Getränke.
Dann betritt die Botschafterin den Raum. Händeschütteln. Ich stehe als vorletzte in der Reihe, reiche meine Hand, die Botschafterin hatte mich aber schon übersehen und sich ihrem Mitarbeiter zugewandt, der an letzter Stelle stand. Sie sieht mich, die Hand, lacht, "die Dame zuerst", schüttelt mir die Hand, dann ist ihr Mitarbeiter dran.
Mich durchläuft es heiß und kalt. War ich zu schnell? Hätte ich warten müssen, bis der Handgebeimpuls von ihr ausgeht? Oder war das eventuell bereits ein Fauxpax auf diplomatischem
Die Sitzrunde sitzt in einer weichen Couchgarnitur. Nur ein niederrangiger Mitarbeiter (exakt jener, welcher die Hand ...) und ich hocken daneben auf Stühlen wie die Hühnchen auf der Stange. Nach dem Austausch von viel Höflichkeit, die Franzosen sagen zu derlei manchmal ironisch faire des Salamaleiks, geht es zur Sache. Ich dolmetsche simultan, spreche laut, um Entfernungen zu überbrücken, mir raucht schnell der Schädel.
Die Botschafterin geht bald wieder, nachdem sie ihre Anweisungen gegeben hat. Ihr Platz bleibt frei. Ich sitze weiterhin in weitestmöglicher Entfernung zu meinen Klienten und spreche weiterhin auffallend laut. Aber ohne vorherige Einladung ergreife ich jetzt keine Initiative mehr! Nein, ich setze mich jetzt nicht auf den freien Sessel! Vielleicht ist Madame ja auch nur kurz raus.
In meinen Nachdenkpausen, die immer nur sekundenlang dauern, höre ich traumhafte Stille. Uns trennt eine Doppeltür vom Nebenraum. In meinem Kopf sind die Gedanken trotzdem laut vor möglichen Variationen der Verdolmetschung.
Weitere Elemente zur Definition des Dolmetscherberufs: Sie (also wir) sind in doppeltürbewehrten Hinterzimmern der Politik tätig, sprechen meistens eher leise, sitzen in schallisolierten Kisten, die wie Kleiderschränke aussehen ... oder auf Stühlchen neben Sitzgruppen — und bei Podiumsgesprächen haben sie (bzw. wir) kein Namensschild. Sie (wir) bestehen nur aus Stimme und Vokabeln, ansonsten handelt es sich um identitäts- und körperlose Wesen.
Das hier ist keine Klage, nur eine Feststellung, ich hatte es so gewollt (den Beruf). Ein Glück, dass
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Foto: C.E.
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Arbeitsplätze,
Kopfeinsichten
Freitag, 9. November 2012
Sie könnten Dolmetscher sein!
Hallo beim Blog einer Dolmetscherin und Übersetzerin! Hier können Sie mehr über unsere Arbeit erfahren. Wenn der Dolmetscheinsatz vorbei ist, ist der Einsatz nicht immer vorbei. Das kann zu Irritationen führen.
Heute, nach langem Verhandlungsdolmetschen mit einem Kunden aus Paris: Wir sind in der Nähe des Kurfürstendamms und er outet sich als Liebhaber von Socken einer bestimmten deutschen Marke.
Zufällig gibt es diese Socken direkt um die Ecke ... und Zeit ist auch noch, bevor der Rückweg zum Flughafen angetreten werden muss. Also gehen wir einmal ums Karrée. (Das klingt Französisch, ist es ursprünglich auch. Heute sagen französischsprachige Menschen allerdings faire le tour du pâté de maisons.)
Stadtführung und Berlinhintergründe gibt's im Vorbeigehen. Dann stehen wir in einer eleganten Boutique. Nicht nur die Auswahl überfordert uns, auch das Suchen nach den richtigen Größen. Eine Verkäuferin hilft uns beim Finden. Ich sorge dafür, dass die beiden einander verstehen ... zumindest nehme ich das an. Einmal muss die junge Frau länger kramen.
Dann hält sie triumphierend das Sockenpaar dem französischen Gast hin und sagt akzentfrei: Voila ! Worauf sie weitersucht und ich weiterdolmetsche. Der Gast wählt aus. Und irgendwann meint die Verkäuferin über die Schulter hinweg zu mir: "Sie könnten ja als Dolmetscherin arbeiten!" Kurz bin ich sprachlos (ja, das kann's geben!), dann untermauert sie ihre Bemerkung: "Ich kann das beurteilen, ich bin zweisprachig aufgewachsen! ... Sie sind so schnell und kleben nicht an den Worten", ergänzt sie — und zieht Bilanz: "Das ist gar nicht so einfach."
Natürlich habe ich mich geoutet, großes Gelächter. Wer erwartet denn schon, dass ausländische Kunden zum Sockenkauf eine Konferenzdolmetscherin mitschleppen?
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Foto: C.E. (das ist Joana, die freundliche
Berufsberaterin ;-)
Heute, nach langem Verhandlungsdolmetschen mit einem Kunden aus Paris: Wir sind in der Nähe des Kurfürstendamms und er outet sich als Liebhaber von Socken einer bestimmten deutschen Marke.
schwarz in schwarz: die Boutique im Vordergrund die Tasche mit den Socken |
Stadtführung und Berlinhintergründe gibt's im Vorbeigehen. Dann stehen wir in einer eleganten Boutique. Nicht nur die Auswahl überfordert uns, auch das Suchen nach den richtigen Größen. Eine Verkäuferin hilft uns beim Finden. Ich sorge dafür, dass die beiden einander verstehen ... zumindest nehme ich das an. Einmal muss die junge Frau länger kramen.
Dann hält sie triumphierend das Sockenpaar dem französischen Gast hin und sagt akzentfrei: Voila ! Worauf sie weitersucht und ich weiterdolmetsche. Der Gast wählt aus. Und irgendwann meint die Verkäuferin über die Schulter hinweg zu mir: "Sie könnten ja als Dolmetscherin arbeiten!" Kurz bin ich sprachlos (ja, das kann's geben!), dann untermauert sie ihre Bemerkung: "Ich kann das beurteilen, ich bin zweisprachig aufgewachsen! ... Sie sind so schnell und kleben nicht an den Worten", ergänzt sie — und zieht Bilanz: "Das ist gar nicht so einfach."
Natürlich habe ich mich geoutet, großes Gelächter. Wer erwartet denn schon, dass ausländische Kunden zum Sockenkauf eine Konferenzdolmetscherin mitschleppen?
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Foto: C.E. (das ist Joana, die freundliche
Berufsberaterin ;-)
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Am Wegesrand aufgelesen
Mittwoch, 7. November 2012
Zielzuweisung
Bonjour und guten Tag beim Blog einer Dolmetscherin und Übersetzerin! Hier können Sie mehr über unsere Arbeit erfahren. Wer anderen seine Stimme leiht, muss regelmäßig die Begriffswelten derjenigen kennenlernen, für die er oder sie arbeitet. Und außerdem müssen wir Spracharbeiter/innen uns darauf einstellen, nicht immer eindeutig als solche wahrgenommen zu werden.
Die Polizei ruft an, es geht um einen Dolmetschertermin. Was sonst? Naja, mancher könnte auf andere Ideen kommen.
"Sie sind mir als Dolmetscherin zugewiesen worden!", spricht mit viel Schwung der Lieblingspolizeioberkomissar (POK) meiner Kollegin B. in die Sprechmuschel seines Fernsprechapparates. "Wo sollen wir Sie abholen?"
Wir verständigen uns ganz konspirativ auf einen neutralen Ort, Ausgang einer U-Bahn-Station. Er gibt mir das entsprechende KFZ-Kennzeichen durch. Die Nummer geht mit BP los. Stimmt das, ist das der Ort "Bundespolizei"?
Meiner Kollegin Lieblings-POK meint trocken: "Damit Sie mir nicht in den falschen Wagen einsteigen! Da könnt ja sonst wer halten, wenn da eine Dame am Straßenrand steht ...!"
Danke fürs Mitdenken. Der POK weiter: "So, jetzt hätten wir die Zielzuweisung geklärt, ich wünsche Ihnen eine schöne Woche!"
OK ... ich glaube, ich muss noch ein wenig Militärjargon|nach|lernen bis zum Dolmetscheinsatz.
Aber mir ist eine Zielzuweisung im freien Feld lieber als dass die Männer in Grün bei mir zuhause vorbeischauen. Kam schon mal vor, wenn spontan eine Dolmetscherin gebraucht wurde, dann fuhr ich nicht mit dem beigen, sondern mit dem grünen Taxi.
Dass ich so "schon von der Polizei abgeholt" wurde, hat das Misstrauen einiger Nachbarn geweckt. Was heißt hier "geweckt". Einmal war ich wegen Jobs an anderem Ort und dem Versuch eine dauerhafte Patchworkfamilie zu gründen drei Jahre nur ab und zu in meiner Wohnung, die ich in der Zwischenzeit untervermietet hatte. (Die Untervermietung ging problemlos, denn der einstmals 'unterbürgerliche' nördliche Teil Neuköllns entwickelte sich schon damals zu einem gesuchten Pflaster.)
Als ich wiederkam, hatte sich ein anderer Mieter meinen Kellerraum unter den Nagel gerissen. Auf meine Beschwerde hin sagte dessen oh holde Gattin: "Du hast hier gar nichts mehr zu sagen, du hast gesessen!" (*)
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Foto: C.E. (Archiv)
(*) für die fremdsprachlichen Leserinnen und Leser:
"sitzen" (ugs) — eine Gefängnisstrafe abbüßen
Die Polizei ruft an, es geht um einen Dolmetschertermin. Was sonst? Naja, mancher könnte auf andere Ideen kommen.
"Sie sind mir als Dolmetscherin zugewiesen worden!", spricht mit viel Schwung der Lieblingspolizeioberkomissar (POK) meiner Kollegin B. in die Sprechmuschel seines Fernsprechapparates. "Wo sollen wir Sie abholen?"
Wir verständigen uns ganz konspirativ auf einen neutralen Ort, Ausgang einer U-Bahn-Station. Er gibt mir das entsprechende KFZ-Kennzeichen durch. Die Nummer geht mit BP los. Stimmt das, ist das der Ort "Bundespolizei"?
Meiner Kollegin Lieblings-POK meint trocken: "Damit Sie mir nicht in den falschen Wagen einsteigen! Da könnt ja sonst wer halten, wenn da eine Dame am Straßenrand steht ...!"
Danke fürs Mitdenken. Der POK weiter: "So, jetzt hätten wir die Zielzuweisung geklärt, ich wünsche Ihnen eine schöne Woche!"
OK ... ich glaube, ich muss noch ein wenig Militärjargon
Aber mir ist eine Zielzuweisung im freien Feld lieber als dass die Männer in Grün bei mir zuhause vorbeischauen. Kam schon mal vor, wenn spontan eine Dolmetscherin gebraucht wurde, dann fuhr ich nicht mit dem beigen, sondern mit dem grünen Taxi.
Dass ich so "schon von der Polizei abgeholt" wurde, hat das Misstrauen einiger Nachbarn geweckt. Was heißt hier "geweckt". Einmal war ich wegen Jobs an anderem Ort und dem Versuch eine dauerhafte Patchworkfamilie zu gründen drei Jahre nur ab und zu in meiner Wohnung, die ich in der Zwischenzeit untervermietet hatte. (Die Untervermietung ging problemlos, denn der einstmals 'unterbürgerliche' nördliche Teil Neuköllns entwickelte sich schon damals zu einem gesuchten Pflaster.)
Als ich wiederkam, hatte sich ein anderer Mieter meinen Kellerraum unter den Nagel gerissen. Auf meine Beschwerde hin sagte dessen oh holde Gattin: "Du hast hier gar nichts mehr zu sagen, du hast gesessen!" (*)
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Foto: C.E. (Archiv)
(*) für die fremdsprachlichen Leserinnen und Leser:
"sitzen" (ugs) — eine Gefängnisstrafe abbüßen
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Am Wegesrand aufgelesen,
Komisches
Montag, 5. November 2012
Hahnuhr
Den Alltag aus Sicht einer Wortarbeiterin, den können Sie hier mitverfolgen. Jenseits meiner sprachbasierten Brotarbeit als Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache (und aus dem Englischen) erlebe ich immer wieder, wie mich mein Beruf auch in den Stunden "konditioniert", in denen ich nicht arbeite.
"Das muss in meinen Blog", war der Gedanke, als ich aufwachte. Sowas ist mir ja noch nie passiert! Meistens träume ich eher sehr unrealistisch, meine Geschwister sind noch klein, der weltbeste Patensohn ist im gleichen Alter wie sie und ich, denn auch ich bin oft noch Kind. Ich kann fliegen, zaubern und, wenn es gefährlich wird, die Entwicklungen verändern. Das habe ich mit 12 Jahren gelernt, als ich eine Phase mit Albträumen hatte.
Meine Träume haben zudem oft eine dramaturgisch abgeschlossene Form und ich merke das auch noch währenddessen ... und kann mich normalerweise beim Aufwachen an viele Details dieser "Filme" erinnern.
So ist es mir fast immer möglich, am nächsten Morgen einen Teil des nächtlichen Kopfkinos zu rekonstruieren.
Nach fünf Schlafphasen à 1,5 Stunden habe ich normalerweise genug. Eine weitere Phase, die aber verkürzt, brauche ich, wenn ich viel lerne, das Gehirn viele neue Synapsenverschaltungen sichern muss. (Das mit den Schaltungen ist ja der Grund, weshalb Babies so viel schlafen; als Sprachlernende schlafe ich immer viel und auch zwischendurch gern, Siesta!) Je näher ich der Aufwachzeit komme, desto leichter und realistischer träume ich.
Morgens schlafe ich tief und fest, abends aufgrund des Dolmetscher-Wortkarussels oft leider nur schlecht ein. Um nicht zu verschlafen, bringe ich meist (gestaffelt) drei Wecker in Stellung: Handy, Wecker und Haustelefon. Die Sorgen, die Wecker könnten nicht klingeln, haben mich schon am Einschlafen gehindert. Dolmetscher dürfen nicht verschlafen ... an Arbeitstagen jedenfalls.
"Das muss in meinen Blog", war mein Gedanke beim Aufwachen. Ich war irgendwo im Ausland gewesen, sprach eine Sprache, die ich gar nicht kann, die Situation war aber nicht die Bohne angstbesetzt. Außerdem träumte ich auf der muttersprachlichen "Tonspur" im Gehirn, also alles rückübersetzt ins Deutsche. Ich war unterwegs und bat nach einem Wecker. Das Wort für Wecker kannte ich nicht. Ich machte einfach "Hahnuhr" draus. Wie der Hahn, der morgens kräht, und eine Uhr ...
Jetzt wüsste ich nur gern, in welcher Sprache ich auf der anderen, nach außen gelagerten Tonspur geträumt habe ;-) Gibt es eine Sprache auf diesem Globus, in der sich das Wort für Wecker aus diesen Worten zusammensetzt?
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Bild: Danke, Ruven! (damals acht Jahre)
"Das muss in meinen Blog", war der Gedanke, als ich aufwachte. Sowas ist mir ja noch nie passiert! Meistens träume ich eher sehr unrealistisch, meine Geschwister sind noch klein, der weltbeste Patensohn ist im gleichen Alter wie sie und ich, denn auch ich bin oft noch Kind. Ich kann fliegen, zaubern und, wenn es gefährlich wird, die Entwicklungen verändern. Das habe ich mit 12 Jahren gelernt, als ich eine Phase mit Albträumen hatte.
Meine Träume haben zudem oft eine dramaturgisch abgeschlossene Form und ich merke das auch noch währenddessen ... und kann mich normalerweise beim Aufwachen an viele Details dieser "Filme" erinnern.
So ist es mir fast immer möglich, am nächsten Morgen einen Teil des nächtlichen Kopfkinos zu rekonstruieren.
Nach fünf Schlafphasen à 1,5 Stunden habe ich normalerweise genug. Eine weitere Phase, die aber verkürzt, brauche ich, wenn ich viel lerne, das Gehirn viele neue Synapsenverschaltungen sichern muss. (Das mit den Schaltungen ist ja der Grund, weshalb Babies so viel schlafen; als Sprachlernende schlafe ich immer viel und auch zwischendurch gern, Siesta!) Je näher ich der Aufwachzeit komme, desto leichter und realistischer träume ich.
Morgens schlafe ich tief und fest, abends aufgrund des Dolmetscher-Wortkarussels oft leider nur schlecht ein. Um nicht zu verschlafen, bringe ich meist (gestaffelt) drei Wecker in Stellung: Handy, Wecker und Haustelefon. Die Sorgen, die Wecker könnten nicht klingeln, haben mich schon am Einschlafen gehindert. Dolmetscher dürfen nicht verschlafen ... an Arbeitstagen jedenfalls.
"Das muss in meinen Blog", war mein Gedanke beim Aufwachen. Ich war irgendwo im Ausland gewesen, sprach eine Sprache, die ich gar nicht kann, die Situation war aber nicht die Bohne angstbesetzt. Außerdem träumte ich auf der muttersprachlichen "Tonspur" im Gehirn, also alles rückübersetzt ins Deutsche. Ich war unterwegs und bat nach einem Wecker. Das Wort für Wecker kannte ich nicht. Ich machte einfach "Hahnuhr" draus. Wie der Hahn, der morgens kräht, und eine Uhr ...
Jetzt wüsste ich nur gern, in welcher Sprache ich auf der anderen, nach außen gelagerten Tonspur geträumt habe ;-) Gibt es eine Sprache auf diesem Globus, in der sich das Wort für Wecker aus diesen Worten zusammensetzt?
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Bild: Danke, Ruven! (damals acht Jahre)
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Sprachschatz
Sonntag, 4. November 2012
glücklich, die Zwote
Guten Tag! (oder guten Abend, gute Nacht ...) Absichtlich oder zufällig sind Sie auf den Blogseiten einer Spracharbeiterin gelandet. Wie wir in Berlin, Paris, München, Köln, Lyon und Marseille als Dolmetscher und Übersetzer arbeiten, erzähle ich hier auf den Blogseiten, denn wir sind ein im Netzwerk lose verbundenes Team. Sonntags werde ich privat: Sonntagsbilder!
Heute gibt es nur ein Sonntagsbild. Erst gestern sprach ich hier übers Glück, heute kommt daher zwei meiner eigenen Tipps für ein glückliches Leben. Es ist ganz einfach: Sich jeden Tag in der Natur aufhalten und täglich mindestens eine Stunde lang lesen ... was gerade gefällt.
Dazu ein Zitat einer jungen Unternehmerin und Mutter, das mir diese Woche in die Hände fiel und das gut zusammenfasst, was ich meine: "Wenn man Kindern vermitteln kann, dass Literatur ein bester Freund und kostbarer Schatz sein kann, hat man viel erreicht." (Sina Trinkwalder, Manomama)
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Foto: C.E. (Bild verändert)
Heute gibt es nur ein Sonntagsbild. Erst gestern sprach ich hier übers Glück, heute kommt daher zwei meiner eigenen Tipps für ein glückliches Leben. Es ist ganz einfach: Sich jeden Tag in der Natur aufhalten und täglich mindestens eine Stunde lang lesen ... was gerade gefällt.
Dazu ein Zitat einer jungen Unternehmerin und Mutter, das mir diese Woche in die Hände fiel und das gut zusammenfasst, was ich meine: "Wenn man Kindern vermitteln kann, dass Literatur ein bester Freund und kostbarer Schatz sein kann, hat man viel erreicht." (Sina Trinkwalder, Manomama)
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Foto: C.E. (Bild verändert)
Kategorien:
Sonntagsbilder
Samstag, 3. November 2012
glücklich
Bienvenue beim Weblog aus der Dolmetscherkabine für die
französische Sprache! Oft schreibe ich meine Einträge aber auch am
Übersetzerschreibtisch. Hier denke ich über unseren Berufsalltag nach
... und samstags kommt mein "Link der Woche", öfter auch im Doppelpack.
Diese Woche stellen etliche Medien die Glücks- und Sinnfrage. DIE ZEIT schreibt in ihrer Titelgeschichte über das Hausfrauenleben und stellt auch die wirtschaftliche Situation von Getrennten ungeschönt dar. Paradox: Nie waren Frauen besser ausgebildet als heute (inzwischen besser als die Männer), und doch ist eigenen Beobachtungen zufolge der Traum vom Hausfrauenleben gerade wieder sehr aktuell, was auch an der immer stressigeren Arbeitswelt liegt. In manchen Berufen sind Erwerbstätigkeit und Familienleben eindeutig nicht mehr vereinbar, z.B. für viele Filmschaffende. (So kam ich zum weltbesten Patensohn.)
Spiegel Online (SPON) widmet sich der Glücksforschung und wertet Studien dazu aus, was Frauen alles den lieben langen Tag am liebsten so machen würden ... und tatsächlich tun.
Interessant ist, dass vor allem Abwechslung dafür sorgen soll, "dass jede Aktivität ein gewisses Maß an Glück mit sich bringt".
Eines wurde mir beim Nachdenken über diese Themen wieder mal klar: Wir bräuchten einen weiteren Begriff dessen, was Arbeit ist. Auch im Beitrag von SPON wird Arbeit aber auch nur als Erwerbsarbeit begriffen. Dass zum Beispiel das Erziehen von Kindern oder die Pflege von Alten und Kranken derzeit als niedere Tätigkeiten empfunden werden, ist schlicht ein Skandal. Spätere Kulturen werden hieran (und an der Naturzerstörung) den Grad des Barbarischen unserer Gesellschaften messen, dabei geht es hier um zivilisatorische Grundlagen. Eine Nähe zu ihnen sorgt zwar nicht immer automatisch für Glücksgefühle, aber doch das Bewusstsein, etwas Sinnvolles zu machen.
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Foto: C.E. (Tageslichtlampe)
Diese Woche stellen etliche Medien die Glücks- und Sinnfrage. DIE ZEIT schreibt in ihrer Titelgeschichte über das Hausfrauenleben und stellt auch die wirtschaftliche Situation von Getrennten ungeschönt dar. Paradox: Nie waren Frauen besser ausgebildet als heute (inzwischen besser als die Männer), und doch ist eigenen Beobachtungen zufolge der Traum vom Hausfrauenleben gerade wieder sehr aktuell, was auch an der immer stressigeren Arbeitswelt liegt. In manchen Berufen sind Erwerbstätigkeit und Familienleben eindeutig nicht mehr vereinbar, z.B. für viele Filmschaffende. (So kam ich zum weltbesten Patensohn.)
Spiegel Online (SPON) widmet sich der Glücksforschung und wertet Studien dazu aus, was Frauen alles den lieben langen Tag am liebsten so machen würden ... und tatsächlich tun.
Interessant ist, dass vor allem Abwechslung dafür sorgen soll, "dass jede Aktivität ein gewisses Maß an Glück mit sich bringt".
Eines wurde mir beim Nachdenken über diese Themen wieder mal klar: Wir bräuchten einen weiteren Begriff dessen, was Arbeit ist. Auch im Beitrag von SPON wird Arbeit aber auch nur als Erwerbsarbeit begriffen. Dass zum Beispiel das Erziehen von Kindern oder die Pflege von Alten und Kranken derzeit als niedere Tätigkeiten empfunden werden, ist schlicht ein Skandal. Spätere Kulturen werden hieran (und an der Naturzerstörung) den Grad des Barbarischen unserer Gesellschaften messen, dabei geht es hier um zivilisatorische Grundlagen. Eine Nähe zu ihnen sorgt zwar nicht immer automatisch für Glücksgefühle, aber doch das Bewusstsein, etwas Sinnvolles zu machen.
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Foto: C.E. (Tageslichtlampe)
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Lerntipps,
Link der Woche
Freitag, 2. November 2012
Herr Rommel und Gatte
Hallo! Sie haben ein digitales Logbuch aus der Welt der Sprachen angesteuert. Hier schreibe ich über meinen Berufsalltag als Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache mit den Schwerpunkten Politik, Wirtschaft, Kultur ... und Film.
Film ist Teamwork, manches Unternehmen hat sich von dieser Tatsache sogar zu seinem Firmennamen anregen lassen. Leider gerät im Zusammenhang von Globalisierung und digitaler Industrialisierung auch die Filmbranche immer öfter unter enormen Druck. Am Ende entsteht nicht nur an manchem Set, sondern auch in einigen Etagen der Kulturverwaltungen, eine Stimmung, die weniger ein kreatives Miteinander ist denn ein stetes Einander-Übertrumpfen im Hinblick auf den nächsten Zeitvertrag.
Das ist sehr unschön. Oft können wir Basisarbeiter, Sprachmittler arbeiten zwar auf allen Ebenen, tragen aber vor allem zu den Grundlagen der Kommunikation bei, nicht erkennen, wer aufgrund welcher Interessen wo blockiert. Wir sehen nur die Ergebnisse.
Gestern lief mit großer Ankündigung aller Medien der TV-Film "Rommel" in der ARD, Regie: Niki Stein. Ich war bei Freunden eingeladen, um den Film mitzusehen, möchte jetzt inhaltlich nicht detailliert auf den Film eingehen, weil ich erst noch anderes Material sichten möchte, bevor ich meine Meinung äußere.
Mir fiel nur zweierlei auf. An einer Stelle verlässt Rommel das französische Schloss, in dem er einquartiert ist, und will ins Auto steigen. In der Nähe des Wagens steht der Schlossherr, macht einen kleinen Schritt auf ihn zu ... und übergibt ihm ein Geschenk. Er sagt (eindeutig): "Für ihren Mann ...!" Die aus Luxemburg stammende Schauspielerin, die seine Tochter verkörpert "übersetzt": "Für ihre Frau zum Geburtstag!" Hier kurz der Unterschied in phonetischer Schrift: [epu] für den Gatten, [epuz] für die Gattin, am Ende von épouse ist ein warmes, rundes "s" zu hören.
Hier ist der Ton, ca. 16 Sekunden: Klick!
Ich weiß natürlich nicht, wie die Stimmung am Set von "Rommel" war. Ich sehe (bzw. höre) nur das Ergebnis. So stelle ich mir die Frage, warum im Produktionsprozess niemand dem Team sagen konnte, dass der deutsche Darsteller (vermutlich ein Komparse) da einen Fehler gemacht hat ... Für den Fehler ist übrigens nicht er verantwortlich zu machen. Es wäre die Aufgabe des Teams gewesen, das Einüben des kleinen Sätzchens professionell zu begleiten. Durch geschärfte Aufmerksamkeit beim Dreh hätte diese Stelle leicht als mögliche Fehlerquelle identifiziert werden können. Es wäre anschließend keine große Sache gewesen, einen Sprachkundigen kurz an den Schneidetisch zu holen, um den vielleicht sogar vor Ort doch auch richtig aufgenommenen "take" heraussuchen zu helfen.
Hier hat wiederholt das Teamwork nicht geklappt. Das ist, angesichts dessen, wie viel Mühe und Geld solche Produktionen kosten, mehr als bedauerlich. Und ich beobachte sowas nicht zum ersten Mal (Link).
Frankreich kam übrigens im Film nur als unscharfe Kulisse vor. Auch das ist schade und entspricht nicht mehr den kulturellen Erfahrungen und Sehgewohnheiten vieler. Solche Grundtendenzen sind dafür verantwortlich, dass Menschen wie ich lange TV-abstinent gelebt haben. Ab nächstem Jahr werden wir zur Zahlung genötigt, Stichwort "Haushaltsabgabe". Wir werden uns einmischen müssen.
Meine Schlusspointe ist ein wenig schlicht, ich bitte vorab um Verzeihung, sie ist mehr ein Kalauer. Die Firma, die den Film hergestellt hat, heißt ... teamWorx.
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Ton: soundcloud.com
Film ist Teamwork, manches Unternehmen hat sich von dieser Tatsache sogar zu seinem Firmennamen anregen lassen. Leider gerät im Zusammenhang von Globalisierung und digitaler Industrialisierung auch die Filmbranche immer öfter unter enormen Druck. Am Ende entsteht nicht nur an manchem Set, sondern auch in einigen Etagen der Kulturverwaltungen, eine Stimmung, die weniger ein kreatives Miteinander ist denn ein stetes Einander-Übertrumpfen im Hinblick auf den nächsten Zeitvertrag.
Das ist sehr unschön. Oft können wir Basisarbeiter, Sprachmittler arbeiten zwar auf allen Ebenen, tragen aber vor allem zu den Grundlagen der Kommunikation bei, nicht erkennen, wer aufgrund welcher Interessen wo blockiert. Wir sehen nur die Ergebnisse.
Gestern lief mit großer Ankündigung aller Medien der TV-Film "Rommel" in der ARD, Regie: Niki Stein. Ich war bei Freunden eingeladen, um den Film mitzusehen, möchte jetzt inhaltlich nicht detailliert auf den Film eingehen, weil ich erst noch anderes Material sichten möchte, bevor ich meine Meinung äußere.
Mir fiel nur zweierlei auf. An einer Stelle verlässt Rommel das französische Schloss, in dem er einquartiert ist, und will ins Auto steigen. In der Nähe des Wagens steht der Schlossherr, macht einen kleinen Schritt auf ihn zu ... und übergibt ihm ein Geschenk. Er sagt (eindeutig): "Für ihren Mann ...!" Die aus Luxemburg stammende Schauspielerin, die seine Tochter verkörpert "übersetzt": "Für ihre Frau zum Geburtstag!" Hier kurz der Unterschied in phonetischer Schrift: [epu] für den Gatten, [epuz] für die Gattin, am Ende von épouse ist ein warmes, rundes "s" zu hören.
Hier ist der Ton, ca. 16 Sekunden: Klick!
Ich weiß natürlich nicht, wie die Stimmung am Set von "Rommel" war. Ich sehe (bzw. höre) nur das Ergebnis. So stelle ich mir die Frage, warum im Produktionsprozess niemand dem Team sagen konnte, dass der deutsche Darsteller (vermutlich ein Komparse) da einen Fehler gemacht hat ... Für den Fehler ist übrigens nicht er verantwortlich zu machen. Es wäre die Aufgabe des Teams gewesen, das Einüben des kleinen Sätzchens professionell zu begleiten. Durch geschärfte Aufmerksamkeit beim Dreh hätte diese Stelle leicht als mögliche Fehlerquelle identifiziert werden können. Es wäre anschließend keine große Sache gewesen, einen Sprachkundigen kurz an den Schneidetisch zu holen, um den vielleicht sogar vor Ort doch auch richtig aufgenommenen "take" heraussuchen zu helfen.
Hier hat wiederholt das Teamwork nicht geklappt. Das ist, angesichts dessen, wie viel Mühe und Geld solche Produktionen kosten, mehr als bedauerlich. Und ich beobachte sowas nicht zum ersten Mal (Link).
Frankreich kam übrigens im Film nur als unscharfe Kulisse vor. Auch das ist schade und entspricht nicht mehr den kulturellen Erfahrungen und Sehgewohnheiten vieler. Solche Grundtendenzen sind dafür verantwortlich, dass Menschen wie ich lange TV-abstinent gelebt haben. Ab nächstem Jahr werden wir zur Zahlung genötigt, Stichwort "Haushaltsabgabe". Wir werden uns einmischen müssen.
Meine Schlusspointe ist ein wenig schlicht, ich bitte vorab um Verzeihung, sie ist mehr ein Kalauer. Die Firma, die den Film hergestellt hat, heißt ... teamWorx.
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Ton: soundcloud.com
Kategorien:
Am Wegesrand aufgelesen,
Sprache im Film
Donnerstag, 1. November 2012
A wie Autsch!
Willkommen! Sie lesen gerade in meinem digitalen Arbeitstagebuch. Ich bin Übersetzerin und Dolmetscherin, meine zweite Sprache ist Französisch, die dritte Englisch. Wie Sie mich buchen können, steht rechts.
In den Herbstferien war wenig zu tun, ich machte Urlaub ... zuhause und mit Besuch. Zwischendurch hatte ich zwei kleine Einsätze, in beiden Fällen kamen diese über Dolmetschagenturen rein, für die ich normalerweise nur selten arbeite.
Die Agenturbetreiber und ihre Mitarbeiter fragen mich nur vereinzelt an. Ich kann mir vorstellen, dass diese mit einer im Netz präsenten Einzelunternehmerin, die Teil eines Netzwerks ist, schon aus ethischen Gründen ihre Probleme haben.
Und ich mit ihnen.
Nun traf es sich, dass die beiden Anfragen gut zu meinen sonstigen Arbeitsbereichen passten: Architektur, einmal im Bereich energieoptimierter Bauweisen, einmal zum Thema Innenarchitektur. Viel Zeit zur Vorbereitung war also nicht zu investieren, die Einsätze waren kurz, einmal waren drei Stunden angesetzt, das andere Mal 1,5 ... ich hatte es als "Taschengeld" verbucht.
Oha, was für ein Fehler. Ich öffne eine Klammer: Dass Dolmetschagenturen zum Teil extrem präsent im Netz sind (sowie auf klassischen Werbeträgern), ist Teil ihrer Strategie und verändert den Markt. Leider legen manche seltsame Geschäftsgebaren an den Tag. Eine dieser Firmen hat mal unsere Kundenliste abtelefoniert und einen Schwung Kunden "abgeworben". Ach ja, und sicher gibt es auch irgendwo die Agenturen, die super, freundlich, professionell, zuvorkommend ... arbeiten und ihre Mitarbeiter leistungsgerecht entlohnen. Nur habe ich sie noch nicht gefunden. Vorab Dank für Hinweise. Ende der Klammer.
Der erste Einsatz lief richtig super, also die energieoptimierten Um- und Neubauten. Das Honorar ... naja. Der Berliner Architekt, der seine Auftraggeber aus der Schweiz über die Baustellen begleitete, rühmte am Ende meiner Kollegin und meine Verdolmetschungen. Er habe, sagte er, noch nie das Gefühl gehabt, selbst Französisch zu sprechen, und hier sei der Dialog ja nachgerade zeitgleich geschehen. So kam es, dass er uns stante pede für die nächste Baustellenbegehung buchen wollte und um unsere Visitenkarten bat.
Wir winkten ab. Kundenschutz! Vor der Veranstaltung hatten wir beide ein 13-seitiges Dokument unterzeichnet, in dem wir versprachen, die kommenden 12 Monate nicht direkt für den Kunden zu arbeiten. Versprechen ist ein Wort, wir verpflichteten uns angesichts der Androhung hoher Konventionalstrafen dazu.
Der Architekt insistierte. Wir schlugen vor, er könne seine Dolmetscher doch bei der Agentur in der Teambesetzung von heute bestellen, wir würden es einzurichten versuchen. Nun, die Herbstferien sind inzwischen Geschichte, von der Agentur kam nicht einmal ein Dankeschön geschweige denn eine zweite Anfrage.
Zweites Moment. Auch hier wieder ein Vertrag vorab, acht Seiten diesmal. Das Honorar, so die Dolmetschagentur im Vorfeld, sei leider, leider nicht so hoch, Auftrag für eine Privatperson eben. Eine Dame aus Québec sei im Gespräch mit ihrem Innenarchitekten zu verdolmetschen. Sie und ihr Gatte wollten sich für den Ruhestand in seiner Geburtsstadt niederlassen, in der inzwischen auch Tochter und Enkel lebten. Man bot mir 200 Euro an, die Sache werde wie gesagt in anderthalb Stunden zu erledigen sein. Ich schaffte es, den Preis auf 300 Euro hochzuverhandeln. Und dann solle ich noch eine Bescheinigung ausdrucken, um sie anschließend von der Kundin unterschreiben zu lassen, hieß es.
Die Wohnung war in Kudamm-Nähe, ich kenne derlei nur von exklusiven Berlinaleparties. Es war die einstige Heimstätte einer der sprichwörtlichen Wilmerdsorfer Witwen (➔ Linie 1), acht Zimmer inklusive Plüschchen, Rüschchen und Ameublemang. (Letzteres sollte noch ein Trödler vom Orte entfernen.) Wir waren drei spannende Stunden vor Ort. Kurz vor dem Gehen merkte ich, dass ich das Formular zur Auftragsbestätigung im Büro vergessen hatte, weil ich nochmal zurückgeeilt war, um einen Brief auszuwiegen. Pech halt.
Da zog Madame ihre Auftragsbestätigung aus der Tasche und meinte, ich könne doch auf ihrem Papier abzeichnen. Was ich tat. Dabei fiel mein Auge auf den Preis meiner Dienstleistung: 980 Euro ... für, ich habe genau hingesehen, einen einzigen Einsatz. Wo fängt etwas an, sittenwidrig zu sein?
Ich hab der Dolmetschagentur keck den doppelten Honorarsatz in Rechnung gestellt, war ja schließlich auch die doppelte Zeit. In einem knappen Vierteljahr weiß ich, ob sie zahlt. Sie selbst hat nämlich das Zahlungsziel auf 90 Tage festgelegt (was an sich schon eine Sch...erei ist).
Merke: Eine Dolmetschagentur verdient ihr Geld, indem sie Dolmetscher vermittelt.
Ein Dolmetscher/eine Dolmetscherin verdient sein/ihr Geld, indem er/sie dolmetscht.
Da wir oft auch für größere Veranstaltungen angefragt werden, arbeiten wir als loses Netzwerk zusammen. Netzwerke sind Zusammenschlüsse von Spracharbeitern, die einander aus der Arbeit kennen und ausschließlich Kollegen empfehlen, deren Qualität sie selbst (oder die eigenen Gewährsleute) einschätzen können. Dolmeschagenturen achten natürlich auch bei der Auswahl derer, an die sie die Aufträge weitervergeben, auf gewisse Kriterien wie Studienabschluss und Erfahrung, kennen aber zumeist "ihre" Pferdchen nicht persönlich bzw. haben, da sie selbst oft nicht vom Fach sind, nicht immer die Möglichkeit, sie einzuschätzen.
A wie Agentur: Dolmetschagenturen stehen leider schon allein aufgrund des ersten Buchstabens in vielen Verzeichnissen ganz oben. Die Arbeitsweise mancher gemahnt an digitale Wegelagerei.
Unser Einkommen auf Taschengeldniveau zu reduzieren, ist einfach eine Unverschämtheit und vielleicht sogar, der Gedanke sei mir hier erlaubt, kriminell, denn sie weisen uns einen Platz am Katzentisch zu, obwohl wir doch die qualifizierte Arbeit machen.
Ich werde den Anwalt meines Vertrauens fragen. Blogposts wie dieser sind keine Jammerei, sondern einfach nur Feststellungen. Und wir müssen unsere werte Kundschaft informieren.
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Fotos: C.E.
Und ich mit ihnen.
Nun traf es sich, dass die beiden Anfragen gut zu meinen sonstigen Arbeitsbereichen passten: Architektur, einmal im Bereich energieoptimierter Bauweisen, einmal zum Thema Innenarchitektur. Viel Zeit zur Vorbereitung war also nicht zu investieren, die Einsätze waren kurz, einmal waren drei Stunden angesetzt, das andere Mal 1,5 ... ich hatte es als "Taschengeld" verbucht.
Oha, was für ein Fehler. Ich öffne eine Klammer: Dass Dolmetschagenturen zum Teil extrem präsent im Netz sind (sowie auf klassischen Werbeträgern), ist Teil ihrer Strategie und verändert den Markt. Leider legen manche seltsame Geschäftsgebaren an den Tag. Eine dieser Firmen hat mal unsere Kundenliste abtelefoniert und einen Schwung Kunden "abgeworben". Ach ja, und sicher gibt es auch irgendwo die Agenturen, die super, freundlich, professionell, zuvorkommend ... arbeiten und ihre Mitarbeiter leistungsgerecht entlohnen. Nur habe ich sie noch nicht gefunden. Vorab Dank für Hinweise. Ende der Klammer.
Der erste Einsatz lief richtig super, also die energieoptimierten Um- und Neubauten. Das Honorar ... naja. Der Berliner Architekt, der seine Auftraggeber aus der Schweiz über die Baustellen begleitete, rühmte am Ende meiner Kollegin und meine Verdolmetschungen. Er habe, sagte er, noch nie das Gefühl gehabt, selbst Französisch zu sprechen, und hier sei der Dialog ja nachgerade zeitgleich geschehen. So kam es, dass er uns stante pede für die nächste Baustellenbegehung buchen wollte und um unsere Visitenkarten bat.
Wir winkten ab. Kundenschutz! Vor der Veranstaltung hatten wir beide ein 13-seitiges Dokument unterzeichnet, in dem wir versprachen, die kommenden 12 Monate nicht direkt für den Kunden zu arbeiten. Versprechen ist ein Wort, wir verpflichteten uns angesichts der Androhung hoher Konventionalstrafen dazu.
Der Architekt insistierte. Wir schlugen vor, er könne seine Dolmetscher doch bei der Agentur in der Teambesetzung von heute bestellen, wir würden es einzurichten versuchen. Nun, die Herbstferien sind inzwischen Geschichte, von der Agentur kam nicht einmal ein Dankeschön geschweige denn eine zweite Anfrage.
Zweites Moment. Auch hier wieder ein Vertrag vorab, acht Seiten diesmal. Das Honorar, so die Dolmetschagentur im Vorfeld, sei leider, leider nicht so hoch, Auftrag für eine Privatperson eben. Eine Dame aus Québec sei im Gespräch mit ihrem Innenarchitekten zu verdolmetschen. Sie und ihr Gatte wollten sich für den Ruhestand in seiner Geburtsstadt niederlassen, in der inzwischen auch Tochter und Enkel lebten. Man bot mir 200 Euro an, die Sache werde wie gesagt in anderthalb Stunden zu erledigen sein. Ich schaffte es, den Preis auf 300 Euro hochzuverhandeln. Und dann solle ich noch eine Bescheinigung ausdrucken, um sie anschließend von der Kundin unterschreiben zu lassen, hieß es.
Die Wohnung war in Kudamm-Nähe, ich kenne derlei nur von exklusiven Berlinaleparties. Es war die einstige Heimstätte einer der sprichwörtlichen Wilmerdsorfer Witwen (➔ Linie 1), acht Zimmer inklusive Plüschchen, Rüschchen und Ameublemang. (Letzteres sollte noch ein Trödler vom Orte entfernen.) Wir waren drei spannende Stunden vor Ort. Kurz vor dem Gehen merkte ich, dass ich das Formular zur Auftragsbestätigung im Büro vergessen hatte, weil ich nochmal zurückgeeilt war, um einen Brief auszuwiegen. Pech halt.
Da zog Madame ihre Auftragsbestätigung aus der Tasche und meinte, ich könne doch auf ihrem Papier abzeichnen. Was ich tat. Dabei fiel mein Auge auf den Preis meiner Dienstleistung: 980 Euro ... für, ich habe genau hingesehen, einen einzigen Einsatz. Wo fängt etwas an, sittenwidrig zu sein?
Ich hab der Dolmetschagentur keck den doppelten Honorarsatz in Rechnung gestellt, war ja schließlich auch die doppelte Zeit. In einem knappen Vierteljahr weiß ich, ob sie zahlt. Sie selbst hat nämlich das Zahlungsziel auf 90 Tage festgelegt (was an sich schon eine Sch...erei ist).
Merke: Eine Dolmetschagentur verdient ihr Geld, indem sie Dolmetscher vermittelt.
Ein Dolmetscher/eine Dolmetscherin verdient sein/ihr Geld, indem er/sie dolmetscht.
Da wir oft auch für größere Veranstaltungen angefragt werden, arbeiten wir als loses Netzwerk zusammen. Netzwerke sind Zusammenschlüsse von Spracharbeitern, die einander aus der Arbeit kennen und ausschließlich Kollegen empfehlen, deren Qualität sie selbst (oder die eigenen Gewährsleute) einschätzen können. Dolmeschagenturen achten natürlich auch bei der Auswahl derer, an die sie die Aufträge weitervergeben, auf gewisse Kriterien wie Studienabschluss und Erfahrung, kennen aber zumeist "ihre" Pferdchen nicht persönlich bzw. haben, da sie selbst oft nicht vom Fach sind, nicht immer die Möglichkeit, sie einzuschätzen.
A wie Agentur: Dolmetschagenturen stehen leider schon allein aufgrund des ersten Buchstabens in vielen Verzeichnissen ganz oben. Die Arbeitsweise mancher gemahnt an digitale Wegelagerei.
Unser Einkommen auf Taschengeldniveau zu reduzieren, ist einfach eine Unverschämtheit und vielleicht sogar, der Gedanke sei mir hier erlaubt, kriminell, denn sie weisen uns einen Platz am Katzentisch zu, obwohl wir doch die qualifizierte Arbeit machen.
Ich werde den Anwalt meines Vertrauens fragen. Blogposts wie dieser sind keine Jammerei, sondern einfach nur Feststellungen. Und wir müssen unsere werte Kundschaft informieren.
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Fotos: C.E.
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