Freitag, 7. September 2012

Spannende Anfragen

Sie lesen (absichtlich oder zufällig) Notizen aus dem Arbeitsalltag einer Sprach­ar­bei­te­rin. Ich dolmetsche und übersetze, meine Hauptsprachen sind Französisch und Deutsch, außerdem Englisch (als Ausgangssprache). Hier der Blick auf den Schreibtisch mit den "spannendsten" Anfragen aus den letzten Wochen. 

Schreibtisch mit Rechner, Wörterbüchern, Akten, "best book", Kalender, Stiftköcher, Papiersammler, Lampe und Sockel, auf dem normalerweise ein Monitor steht (von 2008)
Verein A. plant, mit Gefängnisinsassen ein Theaterstück zu inszenieren, der Regisseur kommt aus dem fran­zö­sisch­spra­chi­gen Ausland. Leider war der Zeit­be­darf dafür so groß und das an­ge­bo­te­ne Ent­gelt dafür so gering, dass ich nur eine Studentin weiterempfehlen konnte.

Kollege D. sucht für ein Kin­der­film­fes­tival jemanden, der einen sie­ben­mi­nü­ti­gen Film aus dem Schwedischen über­set­zen kann, der im Rahmen eines Dop­pel­pro­gramms läuft. Die Dialoge wer­den bei der Vorführung für das junge Publikum live eingesprochen. Der feilgebotene Leider-leider-Tarif ist nicht der Rede wert, es sind die anderen "3K" (|Kinokarten| Kinderkreischen, Kaffee und Kuchen). In Sachen Übersetzung höre ich mich um, meine minimalen Schwedischgrundlagen würden indes dafür aus­rei­chen, diesen und den längeren Film einzusprechen, wenn die Dialoge vorher übersetzt wurden. Kinder und Bildung gehen vor. Immer. (Meine liebe Mutter, Skandinavistin im Ruhestand, ist der gleichen Meinung.) Done.

Firma S. fragte nach Liveuntertitelung mit zeitgleicher Übersetzung an. Es gehe um Politikerreden im Rahmen von Feierlichkeiten zum 50. Jubiläums des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags. Damals richtete sich de Gaulle noch auf Deutsch an die deutsche Jugend (hier ein Bericht im "Focus"). Inzwischen lernen immer weniger Franzosen Deutsch und um die französische Sprache ist es an deut­schen Schulen auch nicht gut bestellt, gleichzeitig gibt es immer mehr deutsch-fran­zö­si­sche Paare und Menschen, die im Nachbarland leben. Es wäre also toll, wenn Reden z.B. im Hof von Schloss Ludwigsburg live in beiden Sprachen verfolgt werden könnten, vielleicht auch in "Kurzschrift" notiert. Ja, es gibt so eine Art "Untertitelsteno", programmierte Kürzel, die dann in Langform als Titel er­schei­nen, sie werden zur Life-Untertitelung von Programmen für Menschen mit Hör­pro­ble­men eingesetzt. Aber jene, die darin erfahren sind, haben selten oder nie langjährige Erfahrung als Konferenzdolmetscher. Wir haben uns zu mehreren Gedanken zum Thema gemacht, leider bislang ohne Rückmeldung.

Polizeiobermeister W. hätte mich gern für das Dolmetschen von Verhören ver­pflich­tet. Es ging um Scheckbetrug und Identitätsdiebstahl, das klingt wenigstens nicht langweilig. An fraglichem Tag war ich leider schon unter Vertrag. Absage.

Frau B. wollte mich anheuern, weil sie ihren Mann der Untreue verdächtigt. Er sei von Französinnen besonders fasziniert, ich möge mir doch zeitweilig einen Akzent aufhelfen und auf eine Kontaktanzeige eingehen, zu der sie mir einen Link sandte. Das wäre wohl "besondere Spannung" geworden. Ab damit in den Müll.

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Foto: C.E. (Archiv/2008)

2 Kommentare:

marieluise hat gesagt…

Wirklich amüsant dieser kleine Einblick, habe ich sehr genossen :)

caro_berlin hat gesagt…

Danke, Marieluise! Und an normalen, unspannenden Jobs gab's auch noch ein Filmgespräch, eine Diskussion über die Wirkung von Filmen und ein Panel über Energiesicherheit. Da bestand kein Nachdenkbedarf ;-)