In Berlin geht heute die Berliner Woche der Sprache und des Lesens zu Ende. Los ging es mit 10.000 Büchern, die in Berliner Parkbäumen hingen. Mein Bezirk Neukölln war in Sachen Sprach- und Lesewoche lange Vorreiter, angestoßen vom türkischstämmigen Psychologen Kazim Erdogan. Da das Leben von Dolmetschern und Übersetzern ohnehin eine große Feier gesprochener und (literarisch) geschriebener Sprache ist, fehlte mir bislang der Impuls, das zu erwähnen. Jetzt aber, in Verbindung mit interessanten Links.
Dieser Tage fand eine Ratspräsidentschaftskonferenz zur Alphabetisierung statt.
Neben echtem Analphabetismus, 7,5 Millionen Betroffene allein in der Bundesrepublik nannte die FAZ letzten Februar, gibt es viele leseschwache Schüler in Europa; man schätzt, dass jeder 5. Jugendliche bis 15 Jahren dazu zählt. Hier und bei einer Maschinensteuer müssten wir in der Diskussion über die künftige Rentensituation ansetzen, bei der bislang leider gebetsmühlenartig nahezu identische Argumente vorgebracht werden.
Zugleich führen alle das Wort vom "lebenslangen Lernen" im Mund und vergessen, dass innerhalb der nächsten sieben Jahre ein Anstieg des Anteils der Arbeitsplätze für Hochqualifizierte von derzeit 29% auf 35% erwartet wird (Quelle: EU-Infothek). Als Dolmetscherin und Übersetzerin handele ich pragmatisch. Neben Einsätzen zur Schreibförderung in der Grundschule des weltbesten Patensohns dolmetsche ich seit vielen Jahren für das ILB vor Schulklassen (Kinder- und Jugendprogramm als PDF hier), das Literaturfestival hat in der Sprachwoche begonnen und geht noch bis zum 16. September. Denn Lesekompetenz entsteht durch Praxis, und die gilt es zu vermitteln.
An erster Stelle steht das Erkennen dessen, was für viele von uns unvorstellbar ist. Dann schließen der richtige Umgang und Beratungsangebote an. Heute ist der internationale Weltalphabetisierungstag. Hoffentlich stellen sich viele Menschen vor wie es wäre, nicht lesen und schreiben zu können, denn wer empathisch ist, kann nicht mehr wegsehen.
Und für Menschen mit hochentwickelten Lese- und Schreibkompetenzen, sogar in toten Sprachen, folgt hier noch ein Link. Le Monde hat vor drei Tagen auf seinem Blog schöne lateinische Übersetzungen für Dinge des modernen Alltags gefunden, zum Beispiel tunicula minima, puer indulgéntia depravatus oder fistula nicotiana (Beziehungen zwischen den Begriffen rein zufällig).
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Foto: alphabuendnis.wordpress.com
Link: Übersicht und Servicetelefone
für den "Alltag ohne ABC"
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