Die französische Berufsbezeichnung für meine Arbeit lautet "interprète". Interpretieren müssen wir immer bei langen Sätzen, wenn das Verb an allerletzer Stelle kommt, das oftmals der Schlüssel für Anfang, Mitte und Kurz-vor-Ende des Satzes ist. Oder wir sind so gut eingelesen, dass wir wissen, worauf der Redner hinauswill. Wir kennen die
Auch die beste Vorbereitung kann Missverständnisse nicht ausschließen. Vor bald einem Jahr sitze ich in Marseille im Kulturhaus der Stadt, neben mir Jean-Pierre Rehm, der Leiter des Filmfestivals FIDMarseille. Er zählt Leute auf, Namen, macht dann eine Pause, wartet, bis ich gedolmetscht habe.
Das letzte Wort, das noch ein wenig hinterhergeklappert kam, war "Winter" ... ich mache eine Pause, wer ist dieser Winter, von dem habe ich noch rein gar nichts gelesen, gehört oder gesehen, wir sind immerhin bei einem Filmfestival, sage zögerlich auf Deutsch "Winter" ... Rehm lacht, sagt "Non, im Winter — en hiver" ... er versteht offensichtlich nicht nur Deutsch, sondern spricht auch mehr, als ich bislang wusste ... und im entscheidenden Moment ist seine Muttersprache doch stärker! Ich hätte mit dem nackten Begriff "Winter" als Satzanfang auf Deutsch nämlich noch gut umschwenken können, da ich bei den folgenden Worten gemerkt hätte, dass schießlich doch kein Mensch gemeint war.
Es muss schon komisch sein, meinen Neuronen so aktiv beim Denken zuzusehen ... auf jeden Fall kennt er meinen Namen und, so ein Verbindungsmann, soll er mich neulich am Rand der Pressekonferenz des Festivals gleich wieder verlangt haben für die Verdolmetschung seines Seminargesprächs (das in diesem Rahmen stattfindet).
Gut so!
Das Dunkle in meiner linken Hand ist das Unterteil des Mikrofons, die Zuhörer haben 'head sets' |
Foto: Axel Lambrette, Grafik: C.E.
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